Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 20.02.2012


BPatG 20.02.2012 - 20 W (pat) 34/08

Patentbeschwerdeverfahren – keine deutliche und vollständige Offenbarung der Lehre des Patentanspruchs –


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
20. Senat
Entscheidungsdatum:
20.02.2012
Aktenzeichen:
20 W (pat) 34/08
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 10 2005 016 802.7 -31

hat der 20. Senat (Technischer Beschwerdesenat) auf die mündliche Verhandlung vom 20. Februar 2012 durch den Vorsitzenden Richter Dipl.-Phys. Dr. Mayer, die Richterin Kirschneck sowie die Richter Dipl.-Ing. Kleinschmidt und Dipl.-Geophys. Dr. Wollny

beschlossen:

Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Das Deutsche Patent- und Markenamt - Prüfungsstelle für Klasse H 04 L - hat die am 5. April 2005 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangene Patentanmeldung mit der Bezeichnung

2

"Anlage zur Ein- und Ausgabe von akustischen Informationen in einem Fahrzeug, insbesondere einem Schienenfahrzeug zur Personenbeförderung"

3

durch Beschluss vom 22. April 2008 zurückgewiesen.

4

Der Zurückweisung lagen die ursprünglichen Patentansprüche zugrunde.

5

Die Zurückweisung der Patentanmeldung hat die Prüfungsstelle damit begründet, dass der Anspruch 1 mangels erfinderischer Tätigkeit seines Gegenstandes nicht gewährbar sei. Zur Begründung hierfür hat sie auf die Zusammenschau folgender Druckschriften verwiesen:

6

D1 EP 0 465 707 B1

7

D3 US 3 652 798 A.

8

Gegen den am 22. April 2008 im Abholfach der Anmelderin im Deutschen Patent- und Markenamt niedergelegten Zurückweisungsbeschluss hat die Anmelderin mit Schreiben vom 16. Mai 2008, eingegangen beim Deutschen Patent- und Markenamt am 20. Mai 2008, Beschwerde eingelegt. Mit der gleichzeitig mit diesem Schreiben eingereichten Begründung verfolgt die Anmelderin und Beschwerdeführerin ihre Anmeldung mit geänderten Ansprüchen weiter.

9

Die Anmelderin beantragt in der mündlichen Verhandlung,

10

den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H 04 L des Deutschen Patent- und Markenamts vom 22. April 2008 aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

11

Patentansprüche 1 bis 6 gemäß Hauptantrag vom 13. Februar 2012,

12

Beschreibung, Seiten 1 bis 7, und

13

2 Blatt Zeichnungen, Figuren 1 und 2, vom Anmeldetag 5. April 2005,

14

hilfsweise,

15

Patentansprüche 1 bis 4 gemäß Hilfsantrag I vom 13. Februar 2012,

16

Patentansprüche 1 bis 3 gemäß Hilfsantrag II vom 13. Februar 2012,

17

übrige Unterlagen jeweils wie Hauptantrag.

18

Der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:

19

"Anlage zur Ein- und Ausgabe von akustischen Informationen in einem Schienenfahrzeug zur Beförderung von Personen, die eine Ausgabeeinrichtung (5) für die Informationen aufweist,

20

mit einer Eingabeeinrichtung (1) zur Eingabe der Informationen und mit mindestens einer Übertragungsleitung (4), über welche die Ausgabeeinrichtung (5) mit der Eingabeeinrichtung (1) zur elektrischen Informationsübertragung verbunden ist,

21

dadurch gekennzeichnet,

22

dass die Übertragungsleitung (4) als geschlossene Schleife ausgebildet ist, die vom Fahrzeuganfang zum Fahrzeugende und von dort wieder zurück zum Fahrzeuganfang verläuft, wobei die Eingabeeinrichtung (1) an einer Stelle der Schleife angeschlossen ist, und

23

dass die Schleife zwei Trennvorrichtungen (10) aufweist, mit denen das zwischen den beiden Trennschaltern (10) liegende Leitungsstück (3) aus der Schleife herausnehmbar ist, wodurch dieses Leitungsstück (3) von der angeschlossenen Eingabeeinrichtung (1) trennbar ist."

24

Hieran schließen sich die Unteransprüche 2 bis 6 an, zu deren Wortlaut auf die Gerichtsakte verwiesen wird.

25

Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag I lautet wie folgt:

26

"Anlage zur Ein- und Ausgabe von akustischen Informationen in einem Schienenfahrzeug zur Beförderung von Personen, die eine Ausgabeeinrichtung (5) für die Informationen aufweist,

27

mit einer Eingabeeinrichtung (1) zur Eingabe der Informationen und mit mindestens einer Übertragungsleitung (4), über welche die Ausgabeeinrichtung (5) mit der Eingabeeinrichtung (1) zur elektrischen Informationsübertragung verbunden ist,

28

dadurch gekennzeichnet,

29

dass die Übertragungsleitung (4) als geschlossene Schleife ausgebildet ist, die vom Fahrzeuganfang zum Fahrzeugende und von dort wieder zurück zum Fahrzeuganfang verläuft, wobei die Eingabeeinrichtung (1) an einer Stelle der Schleife angeschlossen ist,

30

dass die Schleife zwei Trennvorrichtungen (10) aufweist, mit denen das zwischen den beiden Trennschaltern (10) liegende Leitungsstück (3) aus der Schleife herausnehmbar ist, wodurch dieses Leitungsstück (3) von der angeschlossenen Eingabeeinrichtung (1) trennbar ist, und

31

dass bei einem Fahrzeug mit mehreren Wagen in jedem Wagen zwei Ausgabeeinrichtungen (5) angeordnet sind, von denen die eine am vom Fahrzeuganfang zum Fahrzeugende verlaufenden und die andere am vom Fahrzeugende zum Fahrzeuganfang verlaufenden Leitungsstück (3) angeschlossen ist."

32

Hieran schließen sich die Unteransprüche 2 bis 4 an, zu deren Wortlaut auf die Gerichtsakte verwiesen wird.

33

Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag II lautet wie folgt:

34

"Anlage zur Ein- und Ausgabe von akustischen Informationen in einem Schienenfahrzeug zur Beförderung von Personen, die eine Ausgabeeinrichtung (5) für die Informationen aufweist,

35

mit einer Eingabeeinrichtung (1) zur Eingabe der Informationen und mit mindestens einer Übertragungsleitung (4), über welche die Ausgabeeinrichtung (5) mit der Eingabeeinrichtung (1) zur elektrischen Informationsübertragung verbunden ist,

36

dadurch gekennzeichnet,

37

dass die Übertragungsleitung (4) als geschlossene Schleife ausgebildet ist, die vom Fahrzeuganfang zum Fahrzeugende und von dort wieder zurück zum Fahrzeuganfang verläuft, wobei die Eingabeeinrichtung (1) an einer Stelle der Schleife angeschlossen ist,

38

dass die Schleife zwei Trennvorrichtungen (10) aufweist, mit denen das zwischen den beiden Trennschaltern (10) liegende Leitungsstück (3) aus der Schleife herausnehmbar ist, wodurch dieses Leitungsstück (3) von der angeschlossenen Eingabeeinrichtung (1) trennbar ist, und

39

dass bei einem Fahrzeug mit mehreren Wagen in jedem Wagen eine Ausgabeeinrichtung (5) angeordnet ist, die zwei Ausgabelautsprecher (7a, 7b) versorgt, dass bei benachbarten Wagen die eine der beiden Ausgabeeinrichtungen (5) am vom Fahrzeuganfang zum Fahrzeugende verlaufenden und die andere am vom Fahrzeugende zum Fahrzeuganfang verlaufenden Leitungsstück (3) angeschlossen ist und dass einer der beiden von einer Ausgabeeinrichtung versorgten Ausgabelautsprecher (7a, 7b) im bezogen auf die Ausgabeeinrichtung (5) jeweils benachbarten Wagen angeordnet ist."

40

Hieran schließen sich die Unteransprüche 2 und 3 an, zu deren Wortlaut auf die Gerichtsakte verwiesen wird.

41

Die Anmelderin und Beschwerdeführerin hält die Erfindung in der Anmeldung für so deutlich und vollständig offenbart, dass der Fachmann sie ausführen könne. Im Übrigen seien die Gegenstände des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag und den Hilfsanträgen I und II patentfähig, da sie neu seien und auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhten.

42

Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II.

43

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Anmeldung enthält in der im Beschwerdeverfahren beanspruchten Fassung nach Hauptantrag wie auch nach Hilfsantrag I und II nicht beseitigte Mängel i. S. d. § 45 Abs. 1 i. V. m. § 38 und § 34 Abs. 4 PatG, die einer Patenterteilung entgegenstehen. Die Zurückweisung der Anmeldung durch die Prüfungsstelle ist daher im Ergebnis zu Recht erfolgt (§ 48 PatG).

44

1. Der Anmeldungsgegenstand betrifft gemäß Beschreibung Seite 1, Absätze 2 und 3, eine Anlage zur Ein- und Ausgabe von akustischen Informationen in einem Fahrzeug, insbesondere einem Schienenfahrzeug zur Personenbeförderung. Bekannte derartige Anlagen würden an einem oder mehreren Stellen des Fahrzeugs Sprachvorrichtungen aufweisen, in welche vom Fahrzeugpersonal akustische Informationen eingegeben oder abgerufen werden könnten, wobei die Sprache mittels eines Gerätes in ein elektrisches Signal umgewandelt werde. Diese Sprachvorrichtungen seien über elektrische Verbindungsleitungen mit in den Wagen des Fahrzeuges vorhandenen Ausgabegeräten für die akustischen Wiedergabe der Informationen verbunden. Die Verbindungsleitungen würden die Informationen zu den im Fahrzeug vorhandenen Ausgabegeräten übertragen. Dazu würde die Verbindungsleitung vom ersten bis zum letzten Wagen verlaufen.

45

Nachteilig sei dabei, dass bei einem Kurzschluss in oder auf der Übertragungsleitung oder bei einer Unterbrechung der Verbindungsleitung keine Informationsdurchsagen mehr möglich seien. Dieselbe Auswirkung könne es haben, wenn sich der Kurzschluss in einem Gerät befinde, das an der Verbindungsleitung angeschlossen sei. Eine weitere Schwierigkeit bestehe darin, dass ein Kurzschluss in oder auf der Übertragungsleitung nur schwer lokalisierbar sei. Bei gekoppelten Durchsagesystemen könne ein Kurzschluss in oder auf der Übertragungsleitung zu Rückwirkungen auf die anderen Systeme/Anlagen führen, was mit Störungen der anderen Systeme/Anlagen verbunden sein könne (z. B. bei Kopplung der Fahrzeuge).

46

Es sei daher gemäß Beschreibung, Seite 2, Absatz 2, der ursprünglichen Beschreibung Aufgabe der Erfindung, eine Anlage zur Ein- und Ausgabe von akustischen Informationen für ein Fahrzeug vorzuschlagen, bei der auch bei einem Kurzschluss in der Übertragungsleitung und/oder einem an der Leitung angeschlossenen Gerät oder bei einer Unterbrechung der Verbindungsleitung weitere Durchsagen möglich seien.

47

2. Der für die Beurteilung der Lehre der Anmeldung zuständige Fachmann ist nach Überzeugung des Senats ein Diplom-Ingenieur der Nachrichtentechnik mit Fachhochschulabschluss und mehrjähriger Berufserfahrung auf dem Gebiet der Schaltungstechnik.

48

3. Ausgehend vom Verständnis dieses Fachmanns legt der Senat einzelne in den Ansprüchen verwendete Begriffe wie folgt aus:

49

Trennschalter: "Trennschalter (10)" und "Trennvorrichtung (10)" sind im Kontext der Patentanmeldung ein und dieselben Elemente, wie sich einerseits aus der einmaligen Verwendung des Bezugszeichens "10" und andererseits aus dem Fehlen einer anderweitigen, beide Elemente differenzierenden Erläuterung in der Anmeldung ergibt.

50

Übertragungsleitung: Im Kontext der Anmeldung ist eine "Übertragungsleitung" eine elektrische Verbindung zwischen Eingabe- und Ausgabeeinrichtung, die als Draht oder mindestens einadrige Leitung ausgebildet ist.

51

Schleife: Der Begriffe "Schleife" bezeichnet eine ringförmige, in sich geschlossene Verbindung der Übertragungsleitung.

52

4. Hauptantrag

53

Die Anlage zur Ein- und Ausgabe von akustischen Informationen des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag wird durch folgende Merkmale des Anspruchs 1 beschrieben (mit Merkmalsgliederung, ohne Angabe von Bezugszeichen):

54

M1 Anlage zur Ein- und Ausgabe von akustischen Informationen in einem Schienenfahrzeug zur Beförderung von Personen,

55

M2 die eine Ausgabeeinrichtung für die Informationen aufweist,

56

M3 mit einer Eingabeeinrichtung zur Eingabe der Informationen

57

M4 und mit mindestens einer Übertragungsleitung, über welche die Ausgabeeinrichtung mit der Eingabeeinrichtung zur elektrischen Informationsübertragung verbunden ist,

58

dadurch gekennzeichnet, dass

59

M5 die Übertragungsleitung als geschlossene Schleife ausgebildet ist, die vom Fahrzeuganfang zum Fahrzeugende und von dort wieder zurück zum Fahrzeuganfang verläuft,

60

M6 wobei die Eingabeeinrichtung an einer Stelle der Schleife angeschlossen ist,

61

M7 und dass die Schleife zwei Trennvorrichtungen aufweist, mit denen das zwischen den beiden Trennschaltern liegende Leitungsstück aus der Schleife herausnehmbar ist,

62

M8 wodurch dieses Leitungsstück von der angeschlossenen Eingabeeinrichtung trennbar ist.

63

Die Lehre des Patentanspruchs 1 in der Fassung nach Hauptantrag erweist sich in der Anmeldung als nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann (§ 34 Abs. 4 PatG).

64

Eine Erfindung ist ausführbar offenbart, wenn die in der Patentanmeldung enthaltenen Angaben dem fachmännischen Leser so viel an technischer Information vermitteln, dass er mit seinem Fachwissen und seinem Fachkönnen in der Lage ist, die Erfindung erfolgreich auszuführen. Eine für die Ausführbarkeit hinreichende Offenbarung ist demnach gegeben, wenn der Fachmann ohne erfinderisches Zutun und ohne unzumutbare Schwierigkeiten in der Lage ist, die Lehre des Patentanspruchs aufgrund der Gesamtoffenbarung der Patentschrift in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen am Anmelde- oder Prioritätstag praktisch so zu verwirklichen, dass der angestrebte Erfolg erreicht wird (BGH, Urteil vom 13. Juli 2010 - Xa ZR 126/07, GRUR 2010, 916 - Klammernahtgerät (m. w. N.)). Dies ist jedoch hier nicht gegeben.

65

Die Merkmale des Anspruchs 1 beschreiben eine Vorrichtung, die einen einzigen Ringleiter (M5, M7: "die Schleife") aufweist, an den an beliebigen Positionen "eine Eingabeeinrichtung" - und zwar nur eine Eingabeeinrichtung - zur Eingabe von Informationen (M3, M6) und "eine Ausgabeeinrichtung" - und zwar wiederum nur eine Ausgabeeinrichtung - zur Ausgabe von Informationen (M2) angeschlossen sind (M4). An zwei beliebigen Positionen dieser Schleife sind genau zwei Trennvorrichtungen vorgesehen, die das Herausnehmen eines Teils aus dieser Schleife ermöglichen, sofern dies z. B. ein Kurzschluss (z. B. Beschreibung Seite 2, Absätze 2 und 4) in dieser einadrigen Drahtschleife notwendig werden lässt. Solch eine Anordnung wirft im Lichte der ursprünglichen Offenbarung, der Funktionalität und der Funktionsfähigkeit Fragen auf, die für den Fachmann nicht eindeutig geklärt werden können:

66

Eine derartige Schleife ist physikalisch gesehen bereits durch ihre Geometrie kurzgeschlossen, was zur grundsätzlichen Frage führt, ob hiermit physikalisch überhaupt eine funktionsfähige Apparatur verbunden ist und die gestellte Aufgabe auf diese Weise gelöst werden kann.

67

Lässt man dies dahingestellt, da sich der Fachmann hier auf Grund seines Fachwissens eine Lösung vorstellen könnte, und unterstellt die Funktionsfähigkeit einer Übertragung von Informationen von der Eingabe- zur Ausgabeeinrichtung durch diese Schleife, besteht zwischen der Aufgabe, dass bei dieser Anlage auch bei einem Kurzschluss in der Übertragungsleitung und/oder in einem an der Leitung angeschlossenen Gerät oder bei einer Unterbrechung der Verbindungsleitung weitere Durchsagen möglich sind (Seite 2, Absatz 2), und der im Anspruch 1 angegebenen Lösung ein Widerspruch.

68

Mit der im Anspruch angegebenen Anordnung von lediglich zwei Trennvorrichtungen, einer einzigen Eingabe- und einer einzigen Ausgabeeinrichtung, die alle an beliebigen Positionen der "Schleife" angeordnet sein können (M1 bis M8), kann im Idealfall niemals mehr als eine fünfzigprozentige Sicherheit erzielt werden, dass durch das Herausnehmen eines der beiden Schleifenabschnitte zwischen den beiden Trennvorrichtungen die Funktionsfähigkeit der Anlage im Störungsfall (s. o. Kurzschluss) bestehen bleibt. Dies kann durch Permutieren der möglichen Positionen der vier Bauteile (zwei Trennvorrichtungen, eine Eingabe- und eine Ausgabeeinrichtung) auf der Schleife und die daraus resultierenden Abtrennungsmöglichkeiten von Schleifenstücken leicht nachvollzogen werden.

69

Von einer Anlage zur Ein- und Ausgabe von akustischen Informationen, die explizit auch im Kurzschlussfall weitere Durchsagen ermöglichen soll, erwartet der Fachmann eine Erfolgsquote von möglichst 100 Prozent, und nicht von maximal 50 Prozent. Dies ist jedoch bei der Anlage, wie sie im Anspruch 1 angegeben ist, rein physikalisch gesehen unmöglich. Weiterführende Informationen zur Lösung dieser sicherheitsrelevanten Aufgabe, sind den ursprünglichen Unterlagen der Patentanmeldung jedoch nicht zu entnehmen. Im Hinblick auf die sicherheitsrelevante Anforderung reicht es nicht aus, dass die Aufgabe zwar bei einer speziellen Anordnung von Ein- und Ausgabegerät und den beiden Trennvorrichtungen lösbar ist. In diesem speziellen Fall ist es notwendig, dass die anmeldungsgemäße Aufgabe in jedem beliebigen Anordnungsfall der vier Bauteile lösbar ist, da ja nicht vorhersehbar ist, wo der Kurzschluss auftritt. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist somit im Kontext der Anmeldungsunterlagen (Beschreibung, Ansprüche und Zeichnungen) nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann ihn ausführen kann.

70

Auch unter Heranziehung seines Fachwissens und Fachkönnens wird der Fachmann zur Überzeugung des Senats nicht in die Lage versetzt, aus den in der Patentanmeldung enthaltenen Angaben so viel an technischer Information zu ziehen, dass er die Anlage zur Ein- und Ausgabe von akustischen Informationen des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag mit der für die sicherheitsrelevante Anforderung hohen Erfolgsquote erfolgreich ausführen kann. Vielmehr müsste der Fachmann durch erfinderische Bemühungen diese Unvollständigkeiten ergänzen.

71

Mit dem mängelbehafteten Anspruch 1 gemäß Hauptantrag fallen auch die hierauf rückbezogenen Ansprüche 2 bis 6 des Hauptantrags, da das Patent nur so erteilt werden kann, wie es beantragt ist (BGH, Beschluss vom 26. September 1996 - X ZB 18/95, GRUR 1997, 120 - elektrisches Speicherheizgerät mit weiteren Nachweisen).

72

5. Hilfsantrag I und II:

73

Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag I ergänzt den Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag um zwei weitere Merkmale (M9 und M10), die dem ursprünglichen Anspruch 4 entnommen wurden:

74

M9 und dass bei einem Fahrzeug mit mehreren Wagen in jedem Wagen zwei Ausgabeeinrichtungen angeordnet sind,

75

M10 von denen die eine am vom Fahrzeuganfang zum Fahrzeugende verlaufenden und die andere am vom Fahrzeugende zum Fahrzeuganfang verlaufenden Leitungsstück angeschlossen ist.

76

Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag II ergänzt den Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag um ein weiteres Merkmal (M11), das den ursprünglichen Ansprüchen 4 und 6 entnommen wurde:

77

M11 dass bei einem Fahrzeug mit mehreren Wagen in jedem Wagen eine Ausgabeeinrichtung angeordnet ist, die zwei Ausgabelautsprecher versorgt, dass bei benachbarten Wagen die eine der beiden Ausgabeeinrichtungen am vom Fahrzeuganfang zum Fahrzeugende verlaufenden und die andere am vom Fahrzeugende zum Fahrzeuganfang verlaufenden Leitungsstück angeschlossen ist und dass einer der beiden von einer Ausgabeeinrichtung versorgten Ausgabelautsprecher im bezogen auf die Ausgabeeinrichtung jeweils benachbarten Wagen angeordnet ist.

78

Da die Merkmale M1 bis M8 in den Ansprüchen 1 gemäß Hilfsantrag I und II identisch sind mit denen im Anspruch 1 gemäß Hauptantrag, ergibt sich hier die gleiche Beurteilung, wie sie zum Anspruch 1 gemäß Hauptantrag ausgeführt wird, nämlich dass deren Gegenstände im Kontext der Anmeldungsunterlagen nicht so deutlich und vollständig offenbart sind, dass ein Fachmann sie ausführen kann. Weder die Merkmale M9 und M10 gemäß Hilfsantrag I bzw. die Merkmale M9 bis M11 gemäß Hilfsantrag II beheben diesen Mangel. In der Anmeldung ist auch die in den Ansprüchen 1 gemäß der Hilfsanträge I und II nicht so hinreichend deutlich offenbart, dass ein Fachmann sie mit Erfolg ausführen kann.

79

Mit den mängelbehafteten Ansprüchen 1 gemäß Hilfsantrag I und II fallen auch alle anderen Ansprüche der jeweiligen Anspruchsfassungen (Ansprüche 2 bis 4 gemäß Hilfsantrag I und Ansprüche 2 und 3 gemäß Hilfsantrag II), da ein Patent nur so erteilt werden kann, wie es beantragt ist (BGH - elektrisches Speicherheizgerät mit weiteren Nachweisen).

80

6. Bei dieser Sachlage kommt es nicht mehr darauf an, ob der Anmeldungsgegenstand in den verschiedenen Antragsfassungen den Anforderungen der §§ 3 und 4 PatG genügen.