Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 13.01.2014


BPatG 13.01.2014 - 20 W (pat) 31/10

Patentbeschwerdeverfahren – „Verfahren zum Bereitstellen eines Qualitätsmaßes für Röntgenbildaufnahmesysteme für 3D-Rekonstruktionen“ – zur Patentfähigkeit – keine erfinderische Tätigkeit - Nichtberücksichtigung der Merkmale, die nicht zur Lösung eines technischen Problems mit technischen Mitteln beitragen


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
20. Senat
Entscheidungsdatum:
13.01.2014
Aktenzeichen:
20 W (pat) 31/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 10 2008 018 924.3-52

hat der 20. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 13. Januar 2014 durch den Vorsitzenden Richter Dipl.-Phys. Dr. Mayer, die Richterin Kopacek sowie die Richter Dipl.-Ing. Kleinschmidt und Dipl.-Ing. Albertshofer

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die am 15. April 2008 eingereichte Patentanmeldung mit der Bezeichnung „Verfahren zum Bereitstellen eines Qualitätsmaßes für ein Röntgenbildaufnahmesystem, mit dem 3D-Rekonstruktionen gewonnen werden können“ ist im Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt von der Prüfungsstelle für Klasse G 01 N durch Beschluss vom 9. Februar 2010 zurückgewiesen worden. Patentanspruch 1 lautet:

2

„Verfahren zum Bereitstellen eines Qualitätsmaßes für Röntgenbildaufnahmesysteme zu Erstellung von 3D-Rekonstruktionen, die per Rückprojektionen aus Röntgenbildern gewonnen werden, welche bei dem Durchlaufen einer Folge von Stellungen durch ein bewegliches Teil eines Röntgenbildaufnahmesystems, insbesondere durch einen Röntgen-C-Bogen, bei dem das bewegliche Teil eine Röntgenstrahlenquelle und einen Röntgendetektor trägt, aufgenommen werden, mit den Schritten:

3

- Platzieren (S10) eines Kalibrierobjekts in dem Röntgenbildaufnahmesystem,

4

- Durchführen (S12) einer Mehrzahl von Kalibrierläufen, wobei bei jedem Kalibrierlauf die Folge von Stellungen durchlaufen wird und in jeder Stellung zumindest ein Röntgenbild des Kalibrierobjekts aufgenommen wird, und wobei zu jeder Stellung aus dem jeweils zumindest einen Röntgenbild Projektionsparameter abgeleitet (S14) werden,

5

- Verwenden von Projektionsparametern aus jedem Kalibrierlauf zum Berechnen (S20) einer Größe und Verwenden dieser Größe als Qualitätsmaß.“

6

Wegen des Wortlauts der Unteransprüche 2 bis 5 Ansprüche sowie des Inhalts der sonstigen Unterlagen wird auf die Amtsakte Bezug genommen.

7

Die Prüfungsstelle hatte in Prüfungsbescheiden vom 13. Januar 2009 und 13. Februar 2009 unter Nennung der Entgegenhaltungen

8

D1 GORGES, S. [u. a.]: Model of a vascular C-Arm for 3D augmented fluoroscopy in interventional radiology. In: MICCAI 2005, Springer Lecture Notes in Computer Science 3750 (2005), S. 214-222.

9

D2 ältere deutsche Anmeldung 10 2008 017 817.9

10

argumentiert, dass die beanspruchte Lehre gemäß Hauptanspruch gegenüber der älteren Anmeldung D2 nicht neu sei. Auch in Bezug auf die Unteransprüche verwies die Prüfungsstelle auf die ältere Anmeldung der Anmelderin und führte aus, dass die Unteransprüche ihrer Auffassung nach nichts von erfinderischer Bedeutung enthalten würden.

11

Mit ihrer sachlichen Erwiderung auf die Bescheide hat die Anmelderin ihr Patentbegehren unverändert weiterverfolgt und argumentiert, dass es technische Unterschiede zwischen den Lehren der Anmeldung und der entgegengehaltenen älteren Anmeldung gäbe, die die Neuheit des Anmeldungsgegenstandes begründen würden. Nach Auffassung der Anmelderin würden die entgegengehaltenen Druckschriften den Anmeldungsgegenstand auch nicht nahelegen.

12

Gegen den ihr gemäß § 127 Abs. 1 Nr. 4 PatG durch am 26. März 2010 erfolgte Niederlegung im Abholfach zugestellten Zurückweisungsbeschluss hat die Anmelderin mit Schriftsatz vom 8. April 2010, eingegangen im Deutschen Patent- und Markenamt am 9. April 2010, Beschwerde eingelegt. Mit Schriftsatz vom 21. Mai 2010 hat die Beschwerdeführerin ihre Beschwerde begründet.

13

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Beschwerdeführerin beantragt:

14

den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 01 N des Deutschen Patent- und Markenamts vom 9. Februar 2010 aufzuheben und das nachgesuchte Patent auf der Grundlage folgender Unterlagen zu erteilen:

15

Patentansprüche: Patentansprüche 1 bis 5 vom Anmeldetag (15. April 2008)

16

Beschreibung: Beschreibungsseiten 1 bis 8 vom Anmeldetag (15. April 2008)

17

Zeichnungen: Eine Figur vom Anmeldetag (15. April 2008).

18

Hilfsantrag 1: Patentansprüche 1 bis 5, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 13. Januar 2014 Beschreibung und Zeichnung wie Hauptantrag

19

Hilfsantrag 2: Patentansprüche 1 bis 4 vom 20. Dezember 2013 Beschreibung und Zeichnung wie Hauptantrag

20

Hilfsantrag 3: Patentansprüche 1 bis 4, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 13. Januar 2014 Beschreibung und Zeichnung wie Hauptantrag.

21

Die selbständigen Patentansprüche 1 gemäß den Hilfsanträgen haben folgenden Wortlaut:

22

Hilfsantrag 1: „Verfahren zum Bereitstellen eines Qualitätsmaßes für Röntgenbildaufnahmesysteme zu Erstellung von 3D-Rekonstruktionen, die per Rückprojektionen aus Röntgenbildern gewonnen werden, welche bei dem Durchlaufen einer Folge von Stellungen durch ein bewegliches Teil eines Röntgenbildaufnahmesystems, insbesondere durch einen Röntgen-C-Bogen, bei dem das bewegliche Teil eine Röntgenstrahlenquelle und einen Röntgendetektor trägt, aufgenommen werden, mit den Schritten:

23

- Platzieren (S10) eines Kalibrierobjekts in dem Röntgenbildaufnahmesystem,

24

- Durchführen (S12) einer Mehrzahl von Kalibrierläufen, wobei bei jedem Kalibrierlauf die Folge von Stellungen durchlaufen wird und in jeder Stellung zumindest ein Röntgenbild des Kalibrierobjekts aufgenommen wird, und wobei zu jeder Stellung aus dem jeweils zumindest einen Röntgenbild Projektionsparameter abgeleitet (S14) werden,

25

- Verwenden von Projektionsparametern aus jedem Kalibrierlauf zum Berechnen (S20) einer Größe und Verwenden dieser Größe als Qualitätsmaß,

26

- Vergleichen zweier Röntgenbildaufnahmesysteme anhand des Qualitätsmaßes.“

27

Hilfsantrag 2: „Verfahren zum Bereitstellen eines Qualitätsmaßes für Röntgenbildaufnahmesysteme zu Erstellung von 3D-Rekonstruktionen, die per Rückprojektionen aus Röntgenbildern gewonnen werden, welche bei dem Durchlaufen einer Folge von Stellungen durch ein bewegliches Teil eines Röntgenbildaufnahmesystems, insbesondere durch einen Röntgen-C-Bogen, bei dem das bewegliche Teil eine Röntgenstrahlenquelle und einen Röntgendetektor trägt, aufgenommen werden, mit den Schritten:

28

- Platzieren (S10) eines Kalibrierobjekts in dem Röntgenbildaufnahmesystem,

29

- Durchführen (S12) einer Mehrzahl von Kalibrierläufen, wobei bei jedem Kalibrierlauf die Folge von Stellungen durchlaufen wird und in jeder Stellung zumindest ein Röntgenbild des Kalibrierobjekts aufgenommen wird, und wobei zu jeder Stellung aus dem jeweils zumindest einen Röntgenbild Projektionsparameter abgeleitet (S14) werden,

30

- Verwenden von Projektionsparametern aus jedem Kalibrierlauf zum Berechnen (S20) einer Größe und Verwenden dieser Größe als Qualitätsmaß, wobei

31

- Raumpunkte definiert werden und Projektionsparameter verwendet werden, um einen Abbildungsort der Raumpunkte in einem virtuellen Röntgenbild zu bestimmen, und dass ein Maß für die Entfernungen der mit Projektionsparametern aus unterschiedlichen Kalibrierläufen zu derselben Stellung bestimmten Abbildungsorte voneinander ermittelt wird,

32

- paarweises Ermitteln eines jeweiligen Fehlers (Abbildung) aus dem Maß für die Entfernungen bei einem Vergleich sämtlicher Kombinationen von Kalibrierläufen und

33

- Bestimmen des Qualitätsmaßes aus einer Mittelung (Abbildung) eines Mittelwerts sämtlicher ermittelter Fehler (Abbildung).“

34

Hilfsantrag 3: „Verfahren zum Bereitstellen eines Qualitätsmaßes für Röntgenbildaufnahmesysteme zu Erstellung von 3D-Rekonstruktionen, die per Rückprojektionen aus Röntgenbildern gewonnen werden, welche bei dem Durchlaufen einer Folge von Stellungen durch ein bewegliches Teil eines Röntgenbildaufnahmesystems, insbesondere durch einen Röntgen-C-Bogen, bei dem das bewegliche Teil eine Röntgenstrahlenquelle und einen Röntgendetektor trägt, aufgenommen werden, mit den Schritten:

35

- Platzieren (S10) eines Kalibrierobjekts in dem Röntgenbildaufnahmesystem,

36

- Durchführen (S12) einer Mehrzahl von Kalibrierläufen, wobei bei jedem Kalibrierlauf die Folge von Stellungen durchlaufen wird und in jeder Stellung zumindest ein Röntgenbild des Kalibrierobjekts aufgenommen wird, und wobei zu jeder Stellung aus dem jeweils zumindest einen Röntgenbild Projektionsparameter abgeleitet (S14) werden,

37

- Verwenden von Projektionsparametern aus jedem Kalibrierlauf zum Berechnen (S20) einer Größe und Verwenden dieser Größe als Qualitätsmaß, wobei

38

- Raumpunkte definiert werden und Projektionsparameter verwendet werden, um einen Abbildungsort der Raumpunkte in einem virtuellen Röntgenbild zu bestimmen, und dass ein Maß für die Entfernungen der mit Projektionsparametern aus unterschiedlichen Kalibrierläufen zu derselben Stellung bestimmten Abbildungsorte voneinander ermittelt wird,

39

- paarweises Ermitteln eines jeweiligen Fehlers (Abbildung) aus dem Maß für die Entfernungen bei einem Vergleich sämtlicher Kombinationen von Kalibrierläufen und

40

- Bestimmen des Qualitätsmaßes aus einer Mittelung (Abbildung) eines Mittelwerts sämtlicher ermittelter Fehler (Abbildung) gemäß

Abbildung

Abbildung in Originalgröße in neuem Fenster öffnen

41

und

42

- Vergleichen zweier Röntgenbildaufnahmesysteme anhand des Qualitätsmaßes.“

43

Zu den weiteren Einzelheiten des Vorbringens wird auf die Akten verwiesen.

II.

44

Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist in rechter Frist und Form unter Zahlung der Beschwerdegebühr eingelegt worden.

45

Die Beschwerde ist aber unbegründet. Sie ist zurückzuweisen, da sich der Gegenstand der Anmeldung in keiner der beanspruchten Fassungen als patentfähig erweist.

46

1. Die Anmeldung betrifft ein Verfahren zum Bereitstellen eines Qualitätsmaßes für Röntgenbildaufnahmesysteme zur Erstellung von 3D-Rekonstruktionen, die per Rückprojektionen aus Röntgenbildern gewonnen werden.

47

Der Anmeldung liegt gemäß der Beschreibung die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zu offenbaren, wie ein Qualitätsmaß für Röntgenbildaufnahmesysteme zur Gewinnung von 3D-Rekonstruktionen bereitgestellt werden kann (ursprüngliche Beschreibung, Seite 2, Zeilen 9-14).

48

Der Anmeldegegenstand richtet sich seinem technischen Inhalt nach an einen universitär ausgebildeten Physiker, der neben allgemeinen Kenntnissen auf dem Gebiet der Röntgentechnik speziell über Erfahrungen in der Modellierung von Abbildungssystemen verfügt. Bei Bedarf kann ein solcher Fachmann auch auf das Fachwissen eines Mathematikers zurückgreifen, der über Erfahrungen in der Berechnung von Abbildungsvorschriften verfügt.

49

2. Zum Hauptantrag

50

a) Zur Lösung des technischen Problems weist der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag die folgenden Merkmale auf:

51

0. Verfahren zum Bereitstellen eines Qualitätsmaßes für Röntgenbildaufnahmesysteme zu Erstellung von 3D-Rekonstruktionen, die per Rückprojektionen aus Röntgenbildern gewonnen werden, welche bei dem Durchlaufen einer Folge von Stellungen durch ein bewegliches Teil eines Röntgenbildaufnahmesystems, insbesondere durch einen Röntgen-C-Bogen, bei dem das bewegliche Teil eine Röntgenstrahlenquelle und einen Röntgendetektor trägt, aufgenommen werden, mit den Schritten:

52

1. Platzieren eines Kalibrierobjekts in dem Röntgenbildaufnahmesystem,

53

2. Durchführen einer Mehrzahl von Kalibrierläufen, wobei

54

a) bei jedem Kalibrierlauf die Folge von Stellungen durchlaufen wird und

55

b) in jeder Stellung zumindest ein Röntgenbild des Kalibrierobjekts aufgenommen wird, und wobei

56

c) zu jeder Stellung aus dem jeweils zumindest einen Röntgenbild Projektionsparameter abgeleitet werden,

57

3. Verwenden von Projektionsparametern aus jedem Kalibrierlauf zum Berechnen einer Größe und

58

4. Verwenden dieser Größe als Qualitätsmaß.

59

b) Das auf dem Gebiet der Technik liegende Verfahren nach dem Patentanspruch 1 ist nicht patentfähig, da es gemäß § 1 Abs. 1 i. V. m. § 3 PatG vom Patentschutz wegen fehlender Neuheit ausgeschlossen ist.

60

aa) Gemäß der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist „bei Erfindungen mit Bezug zu Geräten und Verfahren (Programmen) der elektronischen Datenverarbeitung zunächst zu klären, ob der Gegenstand der Erfindung zumindest mit einem Teilaspekt auf technischem Gebiet liegt (§ 1 Abs. 1 PatG). Danach ist zu prüfen, ob dieser Gegenstand lediglich ein Programm für Datenverarbeitungsanlagen als solches darstellt und deshalb vom Patentschutz ausgeschlossen ist. Der Ausschlusstatbestand greift nicht ein, wenn diese weitere Prüfung ergibt, dass die Lehre Anweisungen enthält, die der Lösung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln dienen“ (BGH, Urteil vom 24. Februar 2011 - X ZR 121/09, GRUR 2011, 610, Leitsatz a – Webseitenanzeige).

61

Gemessen an diesem Maßstab liegt der Gegenstand des Patentanspruchs 1 auf dem Gebiet der Technik gemäß § 1 Abs. 1 PatG. Er liegt schon deshalb zumindest mit einem Teilaspekt auf technischem Gebiet, weil er eine bestimmte Nutzung der Komponenten eines Röntgen-C-Bogen-Systems und eines Kalibrierobjektes lehrt und damit insoweit eine Anweisung zum technischen Handeln gibt (BGH, Beschluss vom 22. April 2010 - Xa ZB 20/08, BGHZ 185, 214, Tz. 20-22 - Dynamische Dokumentengenerierung).

62

bb) Das Verfahren nach dem Patentanspruch 1 ist jedoch nicht neu, da alle Merkmale des Anspruchs aus dem Stand der Technik gemäß der älteren deutschen Anmeldung 10 2008 017 817.9 (D2) bekannt sind (§ 1 Absatz 1 i. V. m. § 3 Absatz 2 Nummer 1 PatG).

63

Der Patentanspruch 1 betrifft im Kern ein Verfahren zum Bereitstellen eines Qualitätsmaßes für Röntgenbildaufnahmesysteme zur Erstellung von 3D-Rekonstruktionen, die per Rückprojektionen aus Röntgenbildern gewonnen werden.

64

Röntgenbildaufnahmesysteme zur Erstellung von 3D-Rekonstruktionen, die per Rückprojektionen aus Röntgenbildern gewonnen werden, welche bei dem Durchlaufen einer Folge von Stellungen durch ein bewegliches Teil eines Röntgenbildaufnahmesystems, insbesondere durch einen Röntgen-C-Bogen, bei dem das bewegliche Teil eine Röntgenstrahlenquelle und einen Röntgendetektor trägt, aufgenommen werden (Merkmal 0), sind dem Fachmann als solche bekannt und sind auch Gegenstand der älteren Anmeldung D2 (vgl. Absatz 0002 der zugehörigen Offenlegungsschrift DE 10 2008 017 817 A1, im folgenden D2a).

65

Die für die Erstellung der 3D-Rekonstruktionen erforderlichen Projektionsparameter werden im Rahmen einer Kalibrierung bestimmt (vgl. D2a, Absatz 0003), wozu im Einzelnen ein Kalibrierobjekt in dem Röntgenbildaufnahmesystem platziert wird (Merkmal 1) und eine Mehrzahl von Kalibrierläufen durchgeführt wird (Merkmal 2), wobei bei jedem Kalibrierlauf eine Folge von Stellungen durchlaufen wird (Merkmal 2a) und in jeder Stellung zumindest ein Röntgenbild des Kalibrierobjekts aufgenommen wird (Merkmal 2b) und zu jeder Stellung aus dem jeweiligen zumindest einen Röntgenbild Projektionsparameter abgeleitet werden (Merkmal 2c) (vgl. D2a, Absatz 0007).

66

Im Folgenden wird bei dem bekannten Verfahren je zumindest ein Maß für die Unterschiedlichkeit der Projektionsparameter eines Kalibrierlaufs zu denen eines anderen Kalibrierlaufs für eine Mehrzahl von Paarkombinationen von Kalibrierlaufen (und bevorzugt für alle möglichen Paarkombinationen) anhand von Paarprojektionsparametern aus diesen (den jeweils) beiden Kalibrierlaufen berechnet (vgl. D2a, Absatz 0007).

67

Die so berechneten Maße für die Unterschiedlichkeit der Projektionsparameter geben in ihrer Gesamtheit einen Hinweis darauf, ob die definierten Stellungen des beweglichen Teils des Röntgenbildaufnahmesystems (also die Winkelstellungen des Röntgen-C-Bogens) bei einem bestimmten der Kalibrierläufe präzise eingenommen worden sind oder ob von einem Mittelwert für diese Stellungen dabei abgewichen wurde (D2a, Absatz 0009, Satz 4). Man erhält bei dem aus der älteren Anmeldung bekannten Verfahren zu jedem Kalibrierlauf eine Mehrzahl von Maßen, im Idealfall zu jeder Kombination des betreffenden Kalibrierlaufs mit einem anderen Kalibrierlauf ein Maß (D2a, Absatz 0012, Satz 1). Aus der Gesamtheit dieser Maße kann eine Größe ermittelt werden (D2a, Absatz 0012, Satz 2). Die Größe kann eine statistische Größe zu den Maßen zu dem jeweiligen Kalibrierlauf sein oder unter Einbeziehung zumindest einer solchen statistischen Größe berechnet werden (D2a, Absatz 0012, Satz 5).

68

Dieses Vorgehen entspricht zur Überzeugung des Senats vollständig dem Merkmal 3, wonach erfindungsgemäß die Projektionsparameter aus jedem Kalibrierlauf zum Berechnen einer Größe verwendet werden. Der Senat geht dabei davon aus, dass das Merkmal 3 nicht eingeschränkt dahingehend ausgelegt werden kann, dass es nur eine näher bestimmte Art und Weise der Berechnung der Größe beschreibt. Weder die Berechnungsvorschrift noch die Menge der Projektionsparameter, die zur Berechnung der Größe verwendet wird, sind näher spezifiziert. Entgegen der von dem Vertreter der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vertretenen Auffassung kann eine bestimmte Auswahl von Projektionsparameter als Grundmenge für die Berechnung, nicht als erfindungsgemäße Besonderheit berücksichtigt werden, da nach dem Wortlaut des Anspruchs lediglich auf die Projektionsparameter aus jedem Kalibrierlauf zurückgegriffen wird.

69

Soweit der geltend gemachte Patentanspruch 1 gemäß Merkmal 4 vorsieht, dass die berechnete Größe als Qualitätsmaß verwendet wird, handelt es sich um ein Merkmal, das bei der Prüfung der Erfindung auf das Vorliegen der Neuheit und des Beruhens auf einer erfinderischen Tätigkeit unberücksichtigt bleiben muss. Der Senat geht zwar in Übereinstimmung mit der Beschwerdeführerin davon aus, dass die Größe als Qualitätsmaß für das Röntgenbildaufnahmesystem insgesamt und nicht nur für einen Kalibrierlauf verwendet werden soll. Eine solche Verwendung stellt jedoch keine Anweisung dar, die der Lösung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln dient. Vielmehr bietet die Verwendung als Qualitätsmaß für das Röntgenbildaufnahmesystem lediglich die Möglichkeit, Röntgenbildaufnahmesysteme im marktwirtschaftlichen Sinne miteinander zu vergleichen oder ein konkretes Gerät auf seinen technischen Zustand hin zu bewerten. Eine technische Wirkung erwächst daraus nicht. Das Merkmal 4 trägt somit zur Lösung eines konkreten technischen Problems nichts bei. Es hat folglich außer Betracht zu bleiben.

70

Damit erschöpft sich die anspruchsgemäße Lehre in den aus der älteren Anmeldung bekannten Merkmalen 1 bis 3, gehört somit zum Stand der Technik und gilt nicht mehr als neu.

71

Ob das Merkmal 4 des Patentanspruchs 1 auch schon aus der älteren Anmeldung D2 bzw. der Druckschrift D2a bekannt ist, bedarf unter diesen Umständen keiner Entscheidung.

72

cc) Soweit die Anmelderin meint, dass sich schon die Bestimmung der Grundmenge für die mathematische Methode von dem aus der älteren Anmeldung D2 bekannten Stand der Technik unterscheide, kann sie damit nicht durchdringen.

73

Denn hinsichtlich irgendwelcher technischer Aspekte, die die Bestimmung der Grundmenge betreffen würden, enthält der Patentanspruch 1 nichts. Der Anspruch schreibt nämlich gerade nicht vor, wie die Größe aus den zuvor bestimmten Projektionsparametern berechnet wird. Gemäß Merkmal 3 genügt es nämlich, dass die Projektionsparameter aus jedem Kalibrierlauf zum Berechnen einer Größe herangezogen werden. Dies ist bei der Berechnung nach der Formel 5 der älteren Anmeldung bereits der Fall. Es werden Projektionsparameter aus jedem Kalibrierlauf berücksichtigt. Die in der Formel 5 summierten Metriken Abbildung berücksichtigen Projektionsparameter aus allen Kalibrierläufen, nämlich aus dem Kalibrierlauf Abbildung und allen hierzu paarweise in Beziehung gesetzten sonstigen Kalibrierläufen. Dies kommt auch in der der Formel 5 vorausgehenden Angabe zum Ausdruck, dass der Vergleich für sämtliche Kombinationen von Kalibrierläufen durchgeführt werden kann (D2a, Absatz 0026, Satz 1).

74

3. Zum Hilfsantrag 1

75

a) Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 umfasst neben den Merkmalen 0 bis 4 gemäß Hauptantrag das zusätzliche Merkmal:

76

5. Vergleichen zweier Röntgenbildaufnahmesysteme anhand des Qualitätsmaßes

77

b) Das Merkmal 5 muss bei der Beurteilung der Neuheit gegenüber der älteren Anmeldung D2 ebenso außer Betracht bleiben wie das Merkmal 4, da es keinen technischen Beitrag zur Lösung eines technischen Problems liefert. Der reine Vergleich zweier Röntgenbildaufnahmesysteme anhand eines Qualitätsmaßes hat keine unmittelbare oder mittelbare technische Wirkung. Der Vergleich ist auch hinsichtlich seiner Durchführung nicht technisch ausgeprägt.

78

Insoweit steht auch dem Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 die ältere Anmeldung D2 neuheitsschädlich entgegen.

79

4. Zum Hilfsantrag 2

80

a) Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 umfasst neben den Merkmalen 0 bis 4 gemäß Hauptantrag die zusätzlichen Merkmale:

81

6. Raumpunkte definiert werden und Projektionsparameter verwendet werden, um einen Abbildungsort der Raumpunkte in einem virtuellen Röntgenbild zu bestimmen, und dass ein Maß für die Entfernungen der mit Projektionsparametern aus unterschiedlichen Kalibrierläufen zu derselben Stellung bestimmten Abbildungsorte voneinander ermittelt wird,

82

7. paarweises Ermitteln eines jeweiligen Fehlers Abbildung aus dem Maß für die Entfernungen bei einem Vergleich sämtlicher Kombinationen von Kalibrierläufen und

83

8. Bestimmen des Qualitätsmaßes aus einer Mittelung (Abbildung) eines Mittelwerts sämtlicher ermittelter Fehler Abbildung

84

b) Das auf dem Gebiet der Technik liegende Verfahren nach dem Patentanspruch 1 ist nicht patentfähig, da es gemäß § 1 Abs. 1 i. V. m. § 3 PatG vom Patentschutz wegen fehlender Neuheit ausgeschlossen ist.

85

Bezüglich der Merkmale 0 bis 4 gelten die Erwägungen unter II.2. zum Hauptantrag entsprechend. Die Merkmale 0 bis 3 sind in der älteren Anmeldung D2 identisch vorbeschrieben. Merkmal 4 leistet keinen technischen Beitrag zur Lösung eines technischen Problems und bleibt bei der Prüfung auf Neuheit außer Betracht.

86

Das Merkmal 6 ist wortgleich in der älteren Anmeldung offenbart (vgl. D2a: Absatz 0011, Satz 2 und 3; Anspruch 3). Danach werden auch gemäß der älteren Anmeldung D2 Raumpunkte definiert und Projektionsparameter verwendet, um einen Abbildungsort der Raumpunkte in einem virtuellen Röntgenbild zu bestimmen, sowie ein Maß für die Entfernungen der mit Projektionsparametern aus unterschiedlichen Kalibrierläufen zu derselben Stellung bestimmten Abbildungsorte voneinander ermittelt wird.

87

Gemäß der älteren Anmeldung D2 wird der mittlere Rückprojektionsfehler (Abbildung) paarweise für sämtliche Kombinationen von Kalibrierläufen berechnet (D2a, Absätze 0025, 0026; Merkmal 7), wobei eine Mittelung der einzelnen mittleren Rückprojektionsfehler (Abbildung) gemäß Gleichung 5 vorgesehen ist und zu einem Mittelwert Abbildung     führt (Merkmal 8).

88

Soweit in dem geltend gemachten Patentanspruch die Formulierung „Mittelung (Abbildung) eines Mittelwerts sämtlicher ermittelter Fehler (Abbildung)“ verwendet wird, geht das nach fachmännischem Verständnis ersichtlich nicht darüber hinaus, sämtliche Rückprojektionsfehler Abbildung zu mitteln. Einen insoweit bestimmten Mittelwert nochmals zu mitteln, wie es der Anspruch vorgibt („Mittelung (Abbildung) eines Mittelwerts“), ist technisch bedeutungslos und kann deshalb zur Überzeugung des Senats bei der Prüfung der Patentfähigkeit unbeachtet bleiben.

89

Mithin erweist sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 als nicht neu gegenüber der älteren Anmeldung D2.

90

5. Zum Hilfsantrag 3

91

a) Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 3 umfasst folgende Merkmale:

92

0. Verfahren zum Bereitstellen eines Qualitätsmaßes für Röntgenbildaufnahmesysteme zu Erstellung von 3D-Rekonstruktionen, die per Rückprojektionen aus Röntgenbildern gewonnen werden, welche bei dem Durchlaufen einer Folge von Stellungen durch ein bewegliches Teil eines Röntgenbildaufnahmesystems, insbesondere durch einen Röntgen-C-Bogen, bei dem das bewegliche Teil eine Röntgenstrahlenquelle und einen Röntgendetektor trägt, aufgenommen werden, mit den Schritten:

93

1. Platzieren (S10) eines Kalibrierobjekts in dem Röntgenbildaufnahmesystem,

94

2. Durchführen (S12) einer Mehrzahl von Kalibrierläufen, wobei

95

a) bei jedem Kalibrierlauf die Folge von Stellungen durchlaufen wird und

96

b) in jeder Stellung zumindest ein Röntgenbild des Kalibrierobjekts aufgenommen wird, und wobei

97

c) zu jeder Stellung aus dem jeweils zumindest einen Röntgenbild Projektionsparameter abgeleitet (S14) werden,

98

3. Verwenden von Projektionsparametern aus jedem Kalibrierlauf zum Berechnen (S20) einer Größe und

99

4. Verwenden dieser Größe als Qualitätsmaß, wobei

100

6. Raumpunkte definiert werden und Projektionsparameter verwendet werden, um einen Abbildungsort der Raumpunkte in einem virtuellen Röntgenbild zu bestimmen, und dass ein Maß für die Entfernungen der mit Projektionsparametern aus unterschiedlichen Kalibrierläufen zu derselben Stellung bestimmten Abbildungsorte voneinander ermittelt wird,

101

7. paarweises Ermitteln eines jeweiligen Fehlers (Abbildung) aus dem Maß für die Entfernungen bei einem Vergleich sämtlicher Kombinationen von Kalibrierläufen und

102

8a. Bestimmen des Qualitätsmaßes aus einer Mittelung (Abbildung) eines Mittelwerts sämtlicher ermittelter Fehler (Abbildung) gemäß

Abbildung

Abbildung in Originalgröße in neuem Fenster öffnen

103

und

104

5. Vergleichen zweier Röntgenbildaufnahmesysteme anhand des Qualitätsmaßes.

105

b) Bezüglich der Merkmale 0 bis 4, 6 und 7 gelten die Erwägungen unter II.4. zum Hilfsantrag 2 entsprechend. Merkmal 5 bleibt aus den unter II.3. zum Hilfsantrag 1 erläuterten Gründen außer Betracht.

106

Die spezifische Angabe einer Berechnungsformel für die Bestimmung der als Qualitätsmaß verwendeten Größe (Merkmal 8a) kann die Neuheit gegenüber der älteren Anmeldung D2 ebenfalls nicht begründen. Bei dem so berechneten Mittelwert Abbildung handelt es sich nämlich lediglich um eine klassische statistische Größe, deren Eignung allgemein für die Beschreibung des Abbildungssystems bereits in der älteren Anmeldung D2 als geeignet und vorteilhaft offenbart ist (D2a, Absatz 0012, Satz 6). Die spezifische Angabe erschöpft sich darüber hinaus in einer rein mathematischen Methode, die als solche keinen technischen Beitrag zur Lösung eines technischen Problems liefert und deshalb ohnehin außer Betracht bleiben muss.

107

6. Da die Anmelderin die Erteilung des Patents jeweils im Umfang vollständiger Anspruchssätze gemäß Hauptantrag und den Hilfsanträgen 1 bis 3 begehrt hat und sich der Patentanspruch 1 aller Anträge jeweils als nicht patentfähig erweist, erfüllen die Anspruchssätze jeweils insgesamt nicht die für eine Patenterteilung erforderlichen Voraussetzungen.

108

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war zurückzuweisen.