Entscheidungsdatum: 16.10.2013
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 199 07 083.0-56
…
hat der 20. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 16. Oktober 2013 durch den Vorsitzenden Richter Dipl.-Phys. Dr. Mayer, die Richterin Kopacek sowie die Richter Dipl.-Ing. Gottstein und Dipl.-Geophys. Dr. Wollny
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen den Beschluss der Prüfungsstelle für die Klasse H 04 L des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 10. Juli 2009 (abgelegt im Abholfach der Anmelderin am 9. August 2009), mit dem die Patentanmeldung 199 07 083.0 zurückgewiesen worden ist.
Der Bevollmächtigte der Anmelderin regt an, die Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen.
Im Übrigen beantragt er:
den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H 04 L des Deutschen Patent- und Markenamts vom 10. Juli 2009 aufzuheben und das nachgesuchte Patent auf der Grundlage folgender Unterlagen zu erteilen:
Patentansprüche:
Patentansprüche 1 bis 16 vom 14. Dezember 2007
Beschreibung:
Beschreibungsseiten 1 bis 53 vom Anmeldetag (19. Februar 1999)
Zeichnungen:
Figuren 1 bis 11 vom Anmeldetag (19. Februar 1999).
Der Hauptanspruch lautet wie folgt:
„1. Verfahren zur Bildung einer Signalfolge K(i) der Länge 256, bei dem die Signalfolge K(i) auf einer ersten Signalteilfolge K1(j) der Länge 16 und einer zweiten Signalteilfolge K2(k) der Länge 16 basiert, wobei sich die zweite Signalteilfolge K2(k) 16 mal wiederholt und dabei mit der ersten Signalteilfolge K1(j) moduliert wird, und die erste Signalteilfolge K1(j) und die zweite Signalteilfolge K2(k) ein Signalteilfolgenpaar (K1(j),K2(k)) bilden, das aus einer Menge von Signalteilfolgenpaaren (K1(j),K2(k)), die in Tabelle 1 der Beschreibung angeführt ist, entnommen ist, oder aus einem aus dieser Menge entnommenen Signalteilfolgenpaar (K1(j);K2(k)) gebildet wurde.“
Die Tabelle 1 zeigt die Menge von Signalteilfolgenpaaren (K1(j);K2(k)) (über 4000) in hexadezimaler Darstellung:
„2506;0298 | 2506;1169 | 2506;23af | 2506;305b; 2506;418d | …….. „
Im Hinblick auf die vollständige Tabelle 1 wird auf die ursprünglichen Unterlagen Seiten 23 bis 53 Bezug genommen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akte verwiesen.
II.
Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig; sie führt jedoch nicht zum Erfolg, da die mit dem Patentanspruch 1 verbundene Lehre nicht auf technischem Gebiet liegt (§ 1 Abs. 1 PatG).
1. Die Patentanmeldung betrifft laut Ursprungsunterlagen (Seite 1, Absatz 1 bis Seite 3, Absatz 1) ein Verfahren zur Bildung einer zu übertragenden Signalfolge, die zum Zwecke der Synchronisation zumindest zweier Übertragungseinheiten dient, sowie ein Verfahren zur Ermittlung einer derart zu bildenden Signalfolge sowie entsprechende Sende- bzw. Empfangseinheiten.
Bei Signalübertragungssystemen, wie beispielsweise Mobilfunksystemen, sei es erforderlich, dass einer der Kommunikationspartner bestimmte festgelegte Signale erkenne, die von einem anderen Kommunikationspartner ausgesandt würden. (Seite 1, Absatz 3). Um derartige Empfangssignale gegenüber dem Umgebungsrauschen zuverlässig zu erfassen und zu identifizieren, sei es bekannt, das Empfangssignal fortlaufend über eine festgelegte Zeitdauer mit einer vorgegebenen Signalfolge zu korrelieren und eine so genannte Korrelationssumme über die Zeitdauer der vorgegebenen Signalfolge zu bilden. Der Bereich des Empfangssignals, der eine maximale Korrelationssumme ergebe, entspreche dem gesuchten Signal. Dem Synchronisationssignal der Basisstation eines digitalen Mobilfunksystems sei z. B. eine Signalfolge als sogenannte Trainingssequenz vorgeschaltet, die in der Mobilstation durch Korrelation mit einer abgespeicherten Signalfolge erfasst werde. So könnten die Mobilstationen mit der Basisstation synchronisiert werden (Seite 1, Absatz 4). Die Berechnung von Korrelationssummen sei sehr aufwendig und erfordere, insbesondere bei Real-Time-Anwendungen wie Sprachkommunikation, Bildtelefonie oder in CDMA-Systemen, leistungsfähige und teure Prozessoren, die bei der Berechnung einen hohen Stromverbrauch aufwiesen (Seite 2).
Der Erfindung liege in diesem Kontext die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren und Anordnungen anzugeben, die es erlaubten, Signalfolgen der Länge 256 zu bilden, die in übertragenen Empfangssignalfolgen leicht zu ermitteln seien. Der Erfindung liege auch die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren und Anordnungen anzugeben, die es erlaubten, diese Signalfolgen der Länge 256 durch die Bildung von Korrelationssummen vergleichsweise einfach zu ermitteln (Seite 3, Absatz 1).
2. Der Senat erachtet als maßgeblichen Fachmann für die Beurteilung des Gegenstandes der beantragten Patentansprüche einen Informatiker, der im Hinblick auf benötigte Kenntnisse im Rahmen der Synchronisierung digitaler Nachrichtenströme einen Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Nachrichtentechnik mit Fachhochschulabschluss hinzuzieht.
3. Zum Patentanspruch 1
Der Patentanspruch 1 lässt sich wie folgt gliedern:
M1 Verfahren zur Bildung einer Signalfolge K(i) der Länge 256,
M2 bei dem die Signalfolge K(i) auf einer ersten Signalteilfolge K1(j) der Länge 16 und einer zweiten Signalteilfolge K2(k) der Länge 16 basiert,
M3 wobei sich die zweite Signalteilfolge K2(k) 16 mal wiederholt und dabei mit der ersten Signalteilfolge K1(j) moduliert wird,
M4 und die erste Signalteilfolge K1(j) und die zweite Signalteilfolge K2(k) ein Signalteilfolgenpaar (K1(j),K2(k)) bilden,
M5 das aus einer Menge von Signalteilfolgenpaaren (K1(j),K2(k)), die in Tabelle 1 der Beschreibung angeführt ist, entnommen ist, oder aus einem aus dieser Menge entnommenen Signalteilfolgenpaar (K1(j);K2(k)) gebildet wurde.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bei Erfindungen mit Bezug zu Geräten und Verfahren (Programmen) der elektronischen Datenverarbeitung zunächst zu klären, ob der Gegenstand der Anmeldung auf technischem Gebiet liegt (§ 1 Absatz 1 PatG), wofür zumindest ein Teilaspekt der zu schützenden Lehre ein technisches Problem bewältigen muss (BGH, Urteil vom 26. Oktober 2010 - X ZR 47/07, GRUR 2011, 125 – Wiedergabe topografischer Informationen).
Die erforderliche Technizität ist hier zu verneinen, weil das unter Schutz zu stellende Verfahren nicht notwendigerweise die datenverarbeitungsgemäße Abarbeitung von Verfahrensschritten mit Hilfe eines Computers benötigt.
Als Signalfolge ist eine strukturierte Information anzusehen, wie beispielsweise die Aneinanderreihung von Nullen und Einsen (00101), oder Buchstaben oder sonstigen Zeichen (z. B. Morsezeichen). Diese Signalfolge kann nach dem Wortlaut des Anspruchs 1 jeder Zeit offensichtlich vom Fachmann händisch mit Papier und Bleistift gebildet werden. Die einzelnen Verfahrensschritte M2 bis M5 beinhalten lediglich eine Abfolge auszuführender mathematischer Operationen oder nennen Begriffsdefinitionen. Der Fachmann muss lediglich den in den einzelnen Verfahrensschritten M2 bis M5 angegebenen Algorithmus anwenden. Das Ergebnis ist dann eine Signalfolge der Länge 256.
Hierbei ist es für die Beurteilung der für eine Patenterteilung geforderten Technizität unerheblich, dass das anmeldungsgemäße Verfahren auch mit Hilfe einer Datenverarbeitungsanlage durchgeführt werden kann. Denn für den Informatiker ist offenkundig, dass das Verfahren des Patentanspruchs 1 gerade den Einsatz von Computern oder Basisstationen und digitalen Mobilfunksystemen nicht bedingt. Auch ist es nicht hinreichend, dass diese Signalfolge zur Synchronisation zumindest zweier Übertragungseinheiten beim Mobilfunk dienen kann. Denn dieser Anwendungszweck hat keine Auswirkung auf die zur Bildung der Signalfolge notwendigen Verfahrensschritte. Auch bewältigt das Verfahren zur Bildung der Signalfolge oder die Signalfolge als solche noch kein technisches Problem. Es handelt sich lediglich um ein mathematisches Problem.
Die Lehre des Patentanspruchs 1 enthält auch keinen Teilaspekt, der ein technisches Problem bewältigt, nämlich:
-- eine allgemeine Bildungsbedingung für eine Signalfolge, nämlich dass diese auf einer ersten und einer zweiten Signalteilfolge aufbaue (Merkmal M2),
-- die mathematischen Operationen der Wiederholung einer Signalteilfolge und deren Modulation mit einer weiteren Signalteilfolge (Merkmal M3),
-- die begriffliche Definition des so genannten Signalteilfolgenpaars, nämlich dass dieses aus einer ersten und einer zweiten Signalteilfolge bestehe (Merkmal M4), ohne jedoch deren konkrete Verknüpfung zu benennen, so dass von einer bloßen gegenseitigen Zuordnung der ersten und der zweiten Signalteilfolge unter dem „Dach“ dieses Begriffes auszugehen ist,
-- die Anweisung zur Auswahl bestimmter derartiger Paare aus einer bestehenden Tabelle oder deren durch eine mathematische Operation zu erzielende Bildung aus einem in jener Tabelle vorhandenen Paar (Merkmal M5), erneut jedoch ohne deren konkrete Verknüpfungsvorschrift zu benennen.
4. Nachdem sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1 als nicht patentfähig erweist, fallen auch die übrigen Ansprüche (BGH, Beschluss vom 27. Februar 2008 - X ZB 10/07, GRUR-RR 2008, 456 - Installiereinrichtung, Tz. 22, mit weiteren Nachweisen).
5. Vor diesem Hintergrund erübrigt sich die Anregung seitens des Bevollmächtigten der Anmelderin, die Anmeldung an die Prüfungsstelle für Klasse H 04 L des Deutschen Patent- und Markenamtes zur weiteren Prüfung zurückzuverweisen.
Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.