Entscheidungsdatum: 15.11.2010
Zusatzanmeldung
1. Anders als in den Verfahren über Teilungs- oder Ausscheidungsanmeldungen haben Bescheide und Verwaltungsakte des Deutschen Patent- und Markenamts, die vor Einreichung einer Zusatzanmeldung gemäß § 16 Abs. 1 Satz 2 PatG in Bezug auf die Hauptanmeldung ergangen sind, keine Geltung für das Verfahren über die Zusatzanmeldung.
2. Es verletzt den Anspruch des Zusatzanmelders auf rechtliches Gehör, wenn die Prüfungsstelle die Zusatzanmeldung zurückweist, ohne dem Anmelder - sei es im Wege eines Prüfungsbescheides gemäß § 45 PatG, sei es im Wege einer Anhörung gemäß § 46 Abs. 1 PatG - Gelegenheit zu geben, sich zu den Beanstandungen zu äußern, mit denen die Zurückweisung begründet wird. Das gilt auch dann, wenn die Zusatzanmeldung aus denselben Gründen zurückgewiesen wird, aus denen bereits die Hauptanmeldung beanstandet worden war.
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 10 2005 017 270.9-35
…
hat der 20. Senat (Technischer Beschwerdesenat) auf die mündliche Verhandlung vom 15. November 2010 durch den Vorsitzenden Richter Dipl.-Phys. Dr. Mayer, den Richter Dipl.-Phys. Dr. Hartung, die Richterin Werner sowie den Richter Dipl.-Ing. Musiol
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H 04 B des Deutschen Patent- und Markenamts vom 6. März 2009 aufgehoben und das Verfahren wird auf der Grundlage der neuen Patentansprüche 1 bis 16 zur erneuten Prüfung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.
Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.
I.
Die am 7. April2005 als Zusatzanmeldung zu der Hauptanmeldung 10 2005 012 109.8 zunächst ohne Prüfungsantrag eingereichte Patentanmeldung 10 2005 017 270.9-35 betrifft ein Kanalschätzverfahren, genauer ein Verfahren zum Abschätzen eines Multipfad-Übertragungskanals in einem Kommunikationssystem zur Datenübertragung; des weiteren ein zugehöriges Kommunikationssystem sowie einen zur Verwendung in einem derartigen Kommunikationssystem vorgesehenen Empfänger (vgl. Anmeldeunterlagen, S. 1, Z. 10 - 17).
In Funk-Kommunikationssystemen werden von einem Sender abgestrahlte elektromagnetische Wellen aufgrund von Verlusten durch Reflexion, Beugung und dgl. gedämpft. Diese Dämpfung ist einerseits ortsabhängig und andererseits bei sich bewegenden Sendern bzw. Empfängern auch zeitabhängig. Da Reflexionen des Signals an mehreren in der Umgebung des Empfängers befindlichen Objekten auftreten können, trifft nicht nur ein einziges Signal an dem Empfänger ein, sondern auch weitere Signalkomponenten, sog. Signalechos, die zeitlich unterschiedlich verzögert empfangen werden (Mehrwege- oder Multipfad-Empfang; vgl. Anmeldeunterlagen, S. 1, Z. 19 - 36).
Um die Einflüsse des Mehrwege-Empfangs zu beherrschen, werden im Stand der Technik sogenannte Superresolution-Verfahren eingesetzt. Diese Verfahren beruhen auf Algorithmen, mit denen der Kanal für die Signalübertragung abgeschätzt werden soll. Der Übertragungskanal stellt dabei ein theoretisches Modell dar, mit dem die Veränderung des Signals auf dem Weg von dem Sender zu dem Empfänger beschrieben wird. Im Rahmen der Superresolution-Algorithmen wird versucht, einen theoretischen Übertragungskanal abzuschätzen, dessen Einfluss auf das Signal weitestgehend der Realität entspricht. Dies erfolgt anhand eines Vergleichs des tatsächlich am Empfänger eingetroffenen Signals mit auf Basis von verschiedenen Modell-Übertragungskanälen berechneten synthetischen Empfangs-Signalen. Bekannte Algorithmen hierfür sind beispielsweise der so genannte MUSIC (Multiple Signal Classification)-Algorithmus oder der ESPRIT (Estimation of Signal Parameters Via Rotational Invariance Techniques)Algorithmus. Wurde ein Kanal gefunden, der die bestmögliche Schätzung für die Übertragung des Signals ermöglicht, kann aus diesem dann die Laufzeit für das direkt (also ohne Reflexionen) übertragene Signal abgeleitet werden (vgl. Anmeldeunterlagen, S. 3, Z. 11 - S. 4, Z. 4).
Der streitigen Anmeldung liegt die Aufgabe zugrunde, die Qualität einer Kanalschätzung in Kommunikationssystemen weiter zu verbessern. Insbesondere soll die Genauigkeit der Kanalschätzung weiter erhöht werden (vgl. Anmeldeunterlagen, S. 4, Z. 26 - 30).
Die erfindungsgemäße Lösung geht davon aus, dass für die in der üblichen Kommunikationstechnik bzw. der Navigation genutzten Frequenzen keine wesentliche Veränderung des Reflexionsfaktors für auf verschiedenen Frequenzen übertragene Signale zu erwarten ist, also für in unterschiedlichen Frequenzbereichen übermittelte Signale (insoweit) ein gemeinsamer Übertragungskanal vorliegt (vgl. Anmeldeunterlagen, S. 4, Z. 36 - S. 5, Z. 13).
Als vorteilhaft sieht die Erfindung an, dass im Vergleich zur bisherigen Vorgehensweise, bei der für jede Sendefrequenz eine individuelle und unabhängige Kanalschätzung erfolgte, weniger unbekannte Parameter des gemeinsamen Übertragungskanals geschätzt werden müssen. Gleichzeitig wird die Genauigkeit der Schätzung deutlich verbessert, da die Schätzung auf Basis von mehr Informationen durchgeführt werden kann. Im Vergleich zu Systemen, bei denen lediglich auf einer einzigen Sendefrequenz eine Datenübermittlung stattfindet, sei die Qualität der Kanalschätzung ebenfalls besser (vgl. Anmeldeunterlagen, ebenda sowie S. 6, Z. 11 - 23).
Die ursprünglich eingereichte Patentanmeldung umfasst 23 Ansprüche, von denen drei einander nebengeordnet sind.
Der ursprünglich angemeldete Patentanspruch 1 lautet (Aufzählungszeichen hinzugefügt):
M1 „Verfahren zum Abschätzen eines Multipfad-Übertragungskanals in einem Kommunikationssystem,
M2 wobei an einem Empfänger(1) eintreffende, hinsichtlich ihrer wesentlichen Eigenschaften bekannte Signale(s fj ) mit mehreren anhand von Modell-Übertragungskanälen berechneten synthetischen Empfangs-Signalen verglichen werden und
M3 anhand dieses Vergleichs ein Übertragungskanal für die übermittelten Signale geschätzt wird,
dadurch gekennzeichnet, dass
M4 die Signale in zumindest zwei verschiedenen Frequenzbereichen übermittelt werden, wobei auf Basis der in den verschiedenen Frequenzbereichen an dem Empfänger (1) eintreffenden Signale (s fj ) ein gemeinsamer Übertragungskanal für alle Signale geschätzt wird.“
Bezüglich der weiteren abhängigen und unabhängigen Ansprüche wird auf die Akte verwiesen.
Im Verfahren zur (ehemaligen) Hauptanmeldung teilte die Prüfungsstelle mit Erstbescheid vom 14. Dezember2005 mit, warum ihrer Meinung nach die Gegenstände der Patentansprüche der Hauptanmeldung nicht patentfähig seien. Insbesondere vertrat die Prüfungsstelle die Ansicht, dass der Gegenstand des in der Hauptanmeldung geltenden Patentanspruchs1 in Ansehung der Druckschrift
D1: LI, X.; PAHLAVAN, K.: Super-Resolution TOA Estimation with Diversity for Indoor Geolocation. In: IEEE Transactions on Wireless Communications, VOL. 3, NO. 1, January2004, S. 224 -234,
nicht mehr als neu gelten könne.
Daraufhin erklärte die Anmelderin mit Eingabe zur Hauptanmeldung 10 2005 012 109.8 vom 13. März2006, eingegangen beim Deutschen Patent- und Markenamt am 14. März2006, die Zurücknahme der Hauptanmeldung, ohne weiter zur Patentfähigkeit oder zu den Ausführungen des Erstbescheids Stellung zu nehmen.
Mit einer weiteren Eingabe zur (damaligen) Zusatzanmeldung 10 2005 017 270.9-35, ebenfalls vom 13. März2006, eingegangen beim Deutschen Patent- und Markenamt am 14. März2006, beantragte die Anmelderin die Umwandlung der vorliegenden Anmeldung in eine selbstständige Anmeldung und stellte gleichzeitig Prüfungsantrag.
Mit Beschluss vom 6. März 2009 wies die Prüfungsstelle die vorliegende Anmeldung 10 2005 017 270.9-35 zurück.
Sie führte im Zurückweisungsbeschluss u. a. aus:
„Da der Patentanspruch1 im Wortlaut identisch ist mit dem Anspruch1 der zwischenzeitlich zurückgenommenen Hauptanmeldung, gilt hierfür die gleiche Beurteilung wie im Prüfungsbescheid zur Hauptanmeldung vom 14. Dezember2005.
Zu diesem Zeitpunkt bestand noch ein Zusatzverhältnis der vorliegenden Anmeldung zur Hauptanmeldung. Die dadurch bedingte besondere Verbindung der beiden Anmeldungen macht sowohl für das Patentamt als auch für die Anmelderin eine gemeinsame Betrachtung der beiden Anmeldungen erforderlich. Aus diesem Grund kann der Anmelderin zugemutet werden, die vom Patentamt mitgeteilten Mängel der Hauptanmeldung, die auf Grund identischer Ansprüche unverändert auch für die Zusatzanmeldung gelten, auch bei der Weiterverfolgung der letzteren als unabhängige Anmeldung zu berücksichtigen. Der Anmelderin musste daher bewusst sein, dass aus den im Prüfungsbescheid zur Hauptanmeldung genannten Gründen auch die in der Zusatzanmeldung beanspruchten Gegenstände nicht patentfähig sind. Dennoch hat sie mit diesem Wissen mit Eingabe vom 13. März 2006 die Umwandlung in eine selbstständige Akte beantragt und Prüfungsantrag gestellt.“
Die Prüfungsstelle führte im Zurückweisungsbeschluss weiter aus, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 sei nicht neu und schloss den Beschluss mit folgenden Aussagen:
„Somit ist ein Verfahren mit allen im Anspruch1 angegebenen Merkmalen aus der Druckschrift(1) bekannt.
Die Anmelderin hat sich hierzu auch in der früheren Hauptanmeldung nicht geäußert und nicht erkennen lassen, wie der Mangel fehlender Neuheit und erfinderischer Tätigkeit beseitigt werden soll.“
sowie
„Damit liegen weiterhin keine für eine Patenterteilung geeigneten Unterlagen vor. Alle entscheidungserheblichen Tatsachen waren der Anmelderin durch das Verfahren in der früheren Hauptanmeldung bereits bekannt. Die Anmeldung ist daher aus den oben genannten Gründen zurückzuweisen.“
Der Zurückweisung lagen die mit dem Anmeldetag beanspruchten Patentansprüche 1 bis 23 zugrunde.
Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Anmelderin ihre Anmeldung weiter. In der mündlichen Verhandlung hat sie neue Patentansprüche 1 bis 16 eingereicht und beantragt, wie beschlossen. Außerdem hat sie angeregt, ihr die Beschwerdegebühr zu erstatten. Die Anmelderin meint, sie sei in ihrem Recht auf rechtliches Gehör verletzt worden, weil die Entscheidung der Prüfungsstelle erfolgte, ohne der Anmelderin Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
Der geltende Patentanspruch 1 lautet (Aufzählungszeichen hinzugefügt):
M1 „Verfahren zum Abschätzen eines Multipfad-Übertragungskanals in einem Kommunikationssystem,
M2 wobei an einem Empfänger(1) eintreffende, hinsichtlich ihrer wesentlichen Eigenschaften bekannte Signale(s fj ) mit mehreren anhand von Modell-Übertragungskanälen berechneten synthetischen Empfangs-Signalen verglichen werden und
M3 anhand dieses Vergleichs ein Übertragungskanal für die übermittelten Signale geschätzt wird,
M4 wobei die Signale in zumindest zwei verschiedenen Frequenzbereichen übermittelt werden und auf Basis der in den verschiedenen Frequenzbereichen an dem Empfänger (1) eintreffenden Signale (s fj ) ein gemeinsamer Übertragungskanal für alle Signale geschätzt wird, und wobei
M5 für die einzelnen Pfade des Übertragungskanals jeweils ein Amplitudenfaktor (a ij ) sowie eine Pfadlänge (l i ) geschätzt wird, wobei die Pfadlängen (l i ) jeweils eines Pfads für die in den verschiedenen Frequenzbereichen an dem Empfänger (1) eintreffenden Signale (s fj ) identisch sind
dadurch gekennzeichnet, dass
M6 zunächst unter Auswertung von in einem Frequenzbereich an dem Empfänger eintreffenden Signalen (s f2 ) eine Vorabschätzung des Übertragungskanals erfolgt,
M7 wobei auf Basis dieser Vorabschätzung der Übertragungskanal anschließend anhand von in einem zweiten Frequenzbereich an dem Empfänger eintreffenden Signalen (s f2 ) geschätzt wird.“
Bezüglich der weiteren abhängigen und unabhängigen Ansprüche wird auf die Akte verwiesen.
Die Anmelderin und Beschwerdeführerin vertritt die Auffassung, dass die beanspruchten Gegenstände der geltenden Patentansprüche 1 bis 16 gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik neu und durch diesen auch nicht nahe gelegt seien.
II.
Die zulässige Beschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung an das Deutsche Patent- und Markenamt, weil mit Vorlage der neuen geltenden Patentansprüche 1 bis 16 neue Tatsachen bekannt geworden sind, die für die Entscheidung wesentlich sind (§ 79 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PatG).
1. Die Patentansprüche 1 bis 16 sind zulässig. Die Gegenstände der Patentansprüche 1 bis 16 ergeben sich aus den Gegenständen der Patentansprüche der ursprünglichen Anmeldeunterlagen als zur Erfindung gehörend. Für den geltenden Patentanspruch 1 ergibt sich dies aus den ursprünglichen Patentansprüchen 1 und 7.
Der Anmeldegegenstand ist in der Fassung der geltenden Unterlagen auch so vollständig und deutlich offenbart, dass der zuständige Fachmann, ein Diplomingenieur der Nachrichtentechnik mit universitärer Ausbildung und Erfahrung auf dem Gebiet der Planung und Auslegung sowie des Betriebs von Funk-Kommunikationssystemen, ihn ausführen kann.
2. Das Verfahren zum Abschätzen eines Multipfad-Übertragungskanals in einem Kommunikationssystem nach dem geltenden Patentanspruch 1 ist unzweifelhaft gewerblich anwendbar und gilt auch gegenüber dem Stand der Technik nach der Druckschrift D1 als neu. Bei dem dort ausgebildeten Verfahren werden zwar auch Signale in zumindest zwei verschiedenen Frequenzbereichen übermittelt und auf Basis der in den verschiedenen Frequenzbereichen an dem Empfänger (1) eintreffenden Signale (s fj ) ein gemeinsamer Übertragungskanal für alle Signale geschätzt (vgl. beispielsweise D1, S. 228, rechte Spalte 2. Absatz). Diese Abschätzung des gemeinsamen Übertragungskanals geschieht jedoch in einem Schritt (vgl. ebenda sowie Gleichung (10) auf Seite 226; fehlende Merkmale M6 und M7).
Auch der weitere im Verfahren befindliche Stand der Technik nach den Druckschriften
D2: SAARNISAARI, H.: TLS-ESPRIT in a Time Delay Estimation. In: IEEE 47th Vehicular Technology Conference, 4 - 7May1997, VOL. 3, S. 1619 -1623 und
D3: JAFFROT, E.; SIALA, M.: Turbo Channel Estimation for OFDM Systems on Highly Time and Frequency Selective Channels. In: IEEE International Conference on Acoustics, Speech and Signal Processing ICASSP '00, 5-9 June 2000, VOL. 5, S. 2977 - 2980.
kann die Neuheit des Gegenstandes des geltenden Patentanspruchs 1 nicht gefährden:
Die Druckschrift D2 beschäftigt sich mit dem Einsatz des auch in der streitigen Anmeldung erwähnten TLS-Esprit Algorithmus für die Laufzeitschätzung und geht über die Offenbarung der Druckschrift D1 nicht hinaus (ebenfalls fehlende Merkmale M6 und M7).
Die Druckschrift D3, die sich mit der Turbo-Kanalschätzung in Orthogonal-Frequenz-Diversity Multiplex-Systemen beschäftigt, würde der Fachmann im vorliegenden Zusammenhang nicht in Betracht ziehen, da sie - im Widerspruch zu einer der Grundannahmen der streitigen Anmeldung - stark zeit- und frequenz-selektive Kanäle voraussetzt (vgl. bereits den dortigen Titel).
3. Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 ergibt sich auch nicht in nahe liegender Weise aus dem zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit in Betracht zu ziehenden Stand der Technik und dem Fachwissen des zuständigen Fachmanns.
Die D1 liefert dem Fachmann eine Kanalschätzung unter Verwendung von bei verschiedenen Frequenzen ermittelter Kanalantworten. Der Fachmann hat aufgrund dieser Möglichkeit keine Veranlassung, diese geschlossene Lösung durch ein iteratives Verfahren im Sinne des geltenden Patentanspruchs 1 zu ersetzen.
Damit regt die Druckschrift D1 den Fachmann jedenfalls nicht an, das Verfahren gemäß der D1 derart auszubilden, dass zunächst unter Auswertung von in einem Frequenzbereich an dem Empfänger eintreffenden Signalen (s f2 ) eine Vorabschätzung des Übertragungskanals erfolgt, und (nachfolgend) auf Basis dieser Vorabschätzung der Übertragungskanal anschließend anhand von in einem zweiten Frequenzbereich an dem Empfänger eintreffenden Signalen (s f2 ) geschätzt wird.
Die Merkmale M6 und M7 sind dem Fachmann somit mit der Druckschrift D1 nicht nahegelegt.
Dies gilt ebenso für die weiteren Druckschriften D2 und D3, die in der mündlichen Verhandlung keine Rolle gespielt haben. Dabei ist die D3 (wie bereits ausgeführt) schon aufgrund des strukturellen Unterschieds ihres Gegenstandes gegenüber dem Anmeldegegenstand nicht geeignet, dem Fachmann die Merkmale M6 und M7 im vorliegenden Zusammenhang nahezulegen; der Fachmann wird sich mit ihr nicht weiter beschäftigen.
4. Die Gegenstände der nebengeordneten Patentansprüche 8 und 15 teilen jeweils die erfinderische Leistung des Gegenstands des Patentanspruchs 1 gegenüber dem nachgewiesenen Stand der Technik und begegnen insoweit keinen Bedenken.
Die Merkmale der abhängigen Patentansprüche gehen über reine Selbstverständlichkeiten hinaus; auch sie begegnen insoweit keinen Bedenken.
5 . Bei dieser Sachlage war die Sache zur weiteren Prüfung und Entscheidung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen. Über die Schutzfähigkeit der neuen Patentansprüche konnte der Senat keine eigene Entscheidung treffen, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass ein Stand der Technik existiert, der einer Erteilung des angemeldeten Patents in dessen jetziger Fassung entgegensteht. Zuständig für eine entsprechende Recherche des druckschriftlichen Standes der Technik zu allen Anspruchsmerkmalen sind an erster Stelle die Prüfungsstellen des Deutschen Patent- und Markenamts mit ihrem Prüfstoff und den ihnen zur Verfügung stehenden Recherchemöglichkeiten in Datenbanken.
In dem Fall, dass die Prüfungsstelle die vorliegende Anspruchsfassung nach ordnungsgemäßer Prüfung als gewährbar erachtet, wird sie auf eine Anpassung der Beschreibung und eine Korrektur der Figur 3 (dort ist wohl nicht die Ableitung der Autokorrelationsfunktion aufgetragen, sondern die Autokorrelationsfunktion selbst) hinwirken müssen.
6. Die Anordnung der Rückzahlung der Beschwerdegebühr beruht auf Billigkeitserwägungen (§ 80 Abs. 3 PatG). Der angegriffene Zurückweisungsbeschluss der Prüfungsstelle ist unter Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs ergangen und es kann nicht ausgeschlossen werden, daß bei einem ordnungsgemäßen patentamtlichen Verfahren das Beschwerdeverfahren unterblieben wäre.
Die Prüfungsstelle war auch im vorliegenden Fall gem. § 45 Abs. 2 PatG dazu verpflichtet, dem Anmelder die Einwände des Prüfers gegen die Schutzfähigkeit des Gegenstandes der beschwerdegegenständlichen Anmeldung mitzuteilen und dem Anmelder Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Das hat die Prüfungsstelle nicht getan. Die Verpflichtung der Prüfungsstelle, vor einer verfahrensabschließenden Entscheidung gegebenenfalls einen Prüfungsbescheid gem. § 45 Abs. 2 PatG zu erlassen, ergibt sich schon daraus, daß die vorliegende Anmeldung im Zeitpunkt ihrer Prüfung beim Deutschen Patent- und Markenamt eine selbständige Anmeldung war ohne verfahrensrechtliche Besonderheiten. Denn nach der Rücknahme der Hauptanmeldung mit Wirkung vom 14. März 2006 und mit dem Antrag der Anmelderin vom selben Tage auf Umwandlung der streitigen Anmeldung in eine selbständige Anmeldung war die ursprüngliche Zusatzanmeldung zum Zeitpunkt der rechtswirksamen Stellung des Prüfungsantrags zu einer in jeder Hinsicht selbständigen Anmeldung geworden, die in keinem verfahrensrechtlichen Zusammenhang mehr stand mit der ursprünglichen Hauptanmeldung. Das wird u. a. daran deutlich, daß sich die Laufzeit der verselbständigten Anmeldung nur noch nach ihrem eigenen Anmeldetag und nicht auch nach dem der anfänglichen Hauptanmeldung richtet mit der Folge, daß sich diese Laufzeit immer über (derzeit) 20 Jahre erstreckt. Denn auf das Anmeldeverfahren von Zusatzanmeldungen findet § 16 Abs. 2 Satz 1 PatG keine Anwendung. Nur bei erteilten Zusatzpatenten berechnet sich der Beginn von deren Laufzeit nach dem Anmeldetag des Zusatzpatents, während sich das Ende von deren Laufzeit nach dem Anmeldetag des Hauptpatents berechnet und zwar auch dann, wenn das Hauptpatent durch Widerruf, Verzicht oder durch Erklärung der Nichtigkeit wegfällt und das Zusatzpatent deswegen zu einem selbständigen Patent wird. Beantragt dagegen ein Anmelder bereits während des Anmeldeverfahrens die Umwandlung einer Zusatzanmeldung in eine selbständige Anmeldung, so verliert diese jeden materiell- und verfahrensrechtlichen Zusammenhang mit der anfänglichen Hauptanmeldung (vgl. BGH GRUR 1977, 216 f.. - Schuhklebstoff, damals zu den alten §§ 10 und 11 PatG vom 5. Mai 1936 in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 1968; vgl. außerdem Schulte, Patentgesetz mit EPÜ, 8. Auflage, § 16 Rdnr. 30; Benkard/Grabinski Patentrecht, 10. Auflage, § 16 Rdnr. 24).
Auch dann, wenn es sich im vorliegenden Fall um eine Zusatzanmeldung zu einer fortbestehenden Hauptanmeldung bzw. zu einem bereits erteilten Hauptpatent gehandelt hätte, hätte das Vorgehen der Prüfungsstelle einen Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs bedeutet. Denn schon wegen des notwendigen materiellen Unterschieds zwischen Haupt- und Zusatzanmeldung können der Zusatzanmeldung keine früheren Verfügungen, Bescheide oder Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts zugerechnet, bzw. entgegengehalten werden, die in dem Verfahren über die Hauptanmeldung bzw. das Hauptpatent ergangen sind. Die Zusatzanmeldung ist ihrer Natur nach auf eine jedenfalls teilweise andere Erfindung als die Hauptanmeldung angelegt. § 16 Abs. 1 Satz 1 PatG definiert die Zusatzanmeldung als eine Anmeldung, die eine Verbesserung oder eine weitere Ausbildung des Hauptpatents bezweckt. Dementsprechend muß die Prüfungsstelle es gemäß § 42 Abs. 2 Nr. 4 PatG beanstanden, wenn sie im Rahmen der Offensichtlichkeitsprüfung feststellt, daß eine Zusatzanmeldung offensichtlich keine Verbesserung oder weitere Ausbildung der Hauptanmeldung bezweckt. Kann der Anmelder diese Beanstandung nicht ausräumen und hält er die Zusatzanmeldung als Zusatzanmeldung gleichwohl aufrecht, dann ist die Anmeldung zurückzuweisen, § 42 Abs. 3 Satz 1 PatG. Im Unterschied zur Hauptanmeldung hat die Zusatzanmeldung einen späteren Anmeldetag und daran knüpfen sich alle patentrechtlichen Konsequenzen für die Schutzfähigkeit der Zusatzanmeldung. Auch die Anbindung des Endes der Laufzeit der Zusatzanmeldung an das Laufzeitende der Hauptanmeldung hat keinen materiellen Grund, sondern erklärt sich ausschließlich aus dem Gebührenprivileg der Zusatzanmeldung gem. § 17 Abs. 2 Satz 1 PatG. Verzichtet der Anmelder auf dieses Privileg und läßt er seine Anmeldung in eine selbständige Anmeldung umwandeln, so bestimmt sich das Laufzeitende der Zusatzanmeldung nur und ausschließlich nach deren eigenem Anmeldetag (vgl. BGH GRUR 1977, 216 f.. - Schuhklebstoff).
Damit stellt sich die Verfahrenslage im Fall der Zusatzanmeldung grundsätzlich anders dar als im Fall der Teilanmeldung gem. § 39 PatG oder im Fall der nicht im Gesetz geregelten sogenannten Ausscheidungsanmeldung. Zwar handelt es sich in beiden Fällen um jeweils selbständige Erteilungsverfahren. Aber anders als im Fall der Zusatzanmeldung können sowohl Stamm- als auch Teilanmeldung bzw. Stamm- und Ausscheidungsanmeldung nur auf der Offenbarung der Stammanmeldung aufsetzen. Deswegen werden die Verfahren über Teilanmeldung und Ausscheidungsanmeldung rechtlich als eine Fortsetzung des bereits anhängigen Erteilungsverfahrens über die Stammanmeldung behandelt (vgl. BGH GRUR 1971, 565, 567 - Funkpeiler) u. a. mit der Folge, dass Teilanmeldung und Ausscheidungsanmeldung in der Verfahrenslage weiter behandelt werden, in der sich die Anmeldungen vor Teilung oder Ausscheidung befanden, und Verwaltungsakte des Patentamts, die bereits vor der Trennungs- bzw. Ausscheidungserklärung ergangen sind, gelten auch für die verselbstständigten Anmeldeverfahren fort (vgl. BGH GRUR 1986, 877 - 879 - Kraftfahrzeuggetriebe, BPatG Mitt 2001, 123, 124 - Akustisches Oberflächenwellenfilter sowie Beschluss des Bundespatentgerichts vom 20. Juni 2006, 8 W (pat) 4/04, veröffentlicht in der fortlaufenden Entscheidungssammlung des Bundespatentgerichts unter www.bundespatentgericht.de ).