Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 10.04.2014


BPatG 10.04.2014 - 2 Ni 46/12 (EP)

(Patentnichtigkeitsklageverfahren – zur Kostenauferlegung – kein Anerkenntnis im Sinne des ZPO § 93)


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
2. Senat
Entscheidungsdatum:
10.04.2014
Aktenzeichen:
2 Ni 46/12 (EP)
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze
Art 105 Buchst a EuPatÜbk

Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das europäische Patent EP …

(…)

hat der 2. Nichtigkeitssenat des Bundespatentgerichts am 10. April 2014 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Sredl sowie der Richter Merzbach und Dipl.-Ing. Fetterroll

beschlossen:

1. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

2. Der Streitwert für das Verfahren vor dem Bundespatentgericht wird auf 1.000.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Beklagte war eingetragene Inhaberin des auf eine PCT-Anmeldung mit der Veröffentlichungsnummer … (in englischer Sprache) zurückgehende und die Priorität einer Voranmeldung in den USA vom 13. November 2002 in Anspruch nehmende europäische Patent EP … (DE …) mit der Bezeichnung „…“, das am 14. April 2010 in englischer Sprache veröffentlicht wurde.

2

Mit Schreiben vom 24. Mai 2012 (Anlage K 1a zur Klageschrift vom 22. November 2012) hat die Klägerin der Beklagten eine Nichtigkeitsklage im Entwurf übersandt mit der Aufforderung, zur Vermeidung einer Nichtigkeitsklage bis zum 25. Juni 2012 auf den gesamten nationalen Teil des Streitpatents zu verzichten.

3

Die Beklagte hat am 25. Juni 2012 ein Beschränkungsverfahren vor dem Europäischen Patentamt eingeleitet (Anlage K5a zur Klageschrift), welches mit einem (Beschränkungs-)Beschluss des Europäischen Patentamts vom 18. Juli 2013 (Bl. 121) und der entsprechend geänderten Patentschrift EP … (Bl. 122 ff) abgeschlossen worden ist.

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Mit Schriftsatz vom 22. November 2012 hat die Klägerin Nichtigkeitsklage erhoben, mit der sie u. a. unter Berufung auf die von ihr vorgelegten Druckschriften und Unterlagen

5

D1 W. Traupel, „Thermische Turbomaschinen Band 1“, 1977, Springer-Verlag, Berlin, XP002373722, Seiten 154-158

6

D7 US 5,895,793 A

7

D12 G. Huppmann et al., „Abwärmenutzung in der Industrie unter Verwendung des organischen Rankine Kreisprozesses (ORC)", 1985, Forschungsbericht BMFT T 85-110, Kapitel 1,2, 5.2.2 und 6.1

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geltend gemacht hat, dass der Gegenstand des Streitpatents gegenüber dem Stand der Technik nicht patentfähig sei. Er sei nicht neu, beruhe aber jedenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Art. 52 Abs. 1 EPÜ i. V. m. Art. II, § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG und Art. 54 Abs. 1, 2 EPÜ und Art. 56 i. V. m. Art. 54 Abs. 2 EPÜ).

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Die Beklagte hat der Klage mit Schriftsatz vom 19. April 2013 (Bl. 72 d. A.) fristgerecht widersprochen.

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Mit Schriftsatz vom 15. Oktober 2013 (Bl. 116) hat die Beklagte erklärt, dass sie mit Schreiben an das Deutsche Patent- und Markenamt vom gleichen Tag (vgl. Bl. 116R) auf den deutschen Teil des Streitpatents verzichtet habe und gegenüber der Klägerin keine Schadensersatzansprüche geltend machen werde. In einem weiteren Schriftsatz vom 16. Oktober 2013 (Bl. 117) ist die Beklagte der Nichtigkeitsklage entgegengetreten.

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Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 6. November 2013 (Bl. 146) den Rechtsstreit für erledigt erklärt und beantragt, der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

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Die Beklagte hat sich der Erledigungserklärung mit Schriftsatz vom 4 Dezember 2012 (Bl. 160 d. A.) angeschlossen und dem Kostenantrag widersprochen.

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Zur Begründung trägt sie u. a unter Bezug auf ihren Schriftsatz 16. Oktober 2013 vor, der von ihr erklärte Verzicht könne nicht als Beleg für die fehlenden Rechtsbestand verstanden werden; vielmehr sei der Verzicht aus anderen Gründen erfolgt. Zu berücksichtigten sei ferner, dass die Beklagte auf die Androhung einer Nichtigkeitsklage unmittelbar ein Beschränkungsverfahren vor dem Europäischen Patentamt eingeleitet habe.

II.

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Nach der übereinstimmend erklärten Erledigung der Hauptsache ist gemäß §§ 84 Abs. 2, 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 91a ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden. Für die Kostenverteilung kommt es dabei grundsätzlich darauf an, ob bzw. inwieweit die zulässige Klage voraussichtlich begründet gewesen wäre.

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1. Vorliegend war die Klage ohne weiteres zulässig. Soweit die Beklagte mit Schriftsatz vom 19. Februar 2014 noch geltend gemacht hat, bei der Klägerin handele es sich um einen „Strohmann“, kann dem nicht weiter nachgegangen werden. Es fehlt zum einen schon die Benennung vermeintlicher „Hintermänner“; darüber hinaus liegen keine Anhaltspunkte vor, dass die Klägerin ausschließlich im Auftrag und Interesse eines Dritten sowie auf dessen Weisung und Kosten ohne jedes eigene ins Gewicht fallende Interesse an der Vernichtung des Patents mit der Nichtigkeitsklage gegen dieses vorgegangen ist (vgl. BGH GRUR 1998, 904 - Bürstenstromabnehmer).

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2. Im Fall der Erledigung der Hauptsache durch Verzicht auf das Streitpatent sowie auf die Geltendmachung von Ansprüchen für die Vergangenheit hat nach ständiger Rechtsprechung des BGH als auch des BPatG regelmäßig der Patentinhaber die Kosten des Nichtigkeitsverfahrens zu tragen, da eine solche Vorgehensweise im Regelfall darauf schließen lässt, dass die Nichtigkeitsklage Erfolg gehabt hätte und sich der Patentinhaber durch sein Vorgehen in die Rolle des Unterlegenen begibt (st. Rspr. vgl. BGH, GRUR 61, 278, 279 Lampengehäuse; BPatGE 31, 191, 192; Busse, PatG, 6. Aufl., § 83 Rdn. 17 m. w. N.), wobei der Anlass für den Verzicht insoweit unerheblich ist (vgl. nochmals BGH, a. a. O. Lampengehäuse).

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Allerdings kann nach Auffassung des Senats im Falle eines Verzichts bei der im Rahmen der nach § 91 a ZPO zu treffenden Billigkeitsentscheidung die Erfolgsaussicht der Klage auf Basis der zum Zeitpunkt der Erledigung bestehenden Sach- und Rechtslage jedenfalls dann nicht gänzlich unbeachtet bleiben, wenn – wie vorliegend - die Parteien widerstreitende Kostenanträge gestellt haben und die Patentinhaberin der Nichtigkeitsklage entgegengetreten ist. Gleichwohl stellt der Verzicht aber auch in diesem Fall ein Indiz dafür dar, dass die Nichtigkeitsklage Erfolg gehabt hätte (vgl. aktuell Schulte-Voit, Patentgesetz, 9. Aufl., § 81 Rdnr. 170), so dass eine vom Regelfall abweichende Kostenentscheidung zu Lasten des Nichtigkeitsklägers nur dann in Betracht kommt, wenn sich die Nichtigkeitsklage bei einer im Rahmen einer Kostenentscheidung gebotenen „summarischen Prüfung“ als wahrscheinlich erfolglos erwiesen hätte. Bestand jedoch für die Nichtigkeitsklage auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Patentinhaberin eine hinreichende Aussicht auf Erfolg, muss es im Hinblick auf den Verzicht der Patentinhaberin bei einer Kostenentscheidung zu Lasten der Beklagten verbleiben. Dies ist auch vorliegend der Fall.

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Die Beklagte verteidigte ihr Patent bis zum Verzicht auf den deutschen Teil zuletzt auf Grundlage des (Beschränkungs-)Beschlusses des Europäischen Patentamts vom 18. Juli 2013 (Bl. 121) und der entsprechend geänderten Patenschrift EP 1 573 173 B3 (Bl. 122 ff) mit den eingeschränkten Ansprüchen 1 bis 8.

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Das Streitpatent betrifft einen … sowie die zugehörigen Apparate (vgl. [0001] B3-Schrift).Aufgabe soll es sein, eine verbesserte Anlage zur Durchführung eines … bereitzustellen (vgl. [0008] bis [00012] B3- Schrift).Gelöst werden soll diese Aufgabe durch die Merkmale des Anspruches 1 in der vom Europäischen Patentamt beschränkten Fassung gemäß der Patentschrift EP 1 573 173 B3, welcher mit einer Merkmalsgliederung versehen) wie folgt lautet:

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M1 Organisches Rankine-Kreisprozesssystem des Typs mit einer Pumpe (57), einem Verdampfer (53), einer Turbine (52) und einem Kondensator (56), die sich strömungsmäßig in Reihe befinden, wobei die Turbine (52) aufweist:

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M2 eine bogenförmig angeordnete Schnecke zum Aufnehmen eines organischen Kühlmitteldampf-Mediums von dem Verdampfer (53) und zum Führen der Strömung des Dampfes radial nach innen;

22

M3 eine Mehrzahl von Düsen (47), die umfangsmäßig beabstandet und um den Innenrand der Schnecke angeordnet sind, um von ihr eine Dampfströmung aufzunehmen und sie radial nach innen zu führen, und

23

M4 ein Laufrad (27; 42), das dergestalt radial innerhalb der Düsen (47)

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angeordnet ist, dass die radiale Einströmung von Dampf von den Düsen auf eine Mehrzahl von umfangsmäßig beabstandeten Laufschaufeln auf dem Laufrad (27; 42) auftrifft, um eine Drehung des Laufrads zu veranlassen; und

25

M5 Auslassströmungseinrichtungen zum Führen der Dampfströmung von der Turbine (52) zu dem Kondensator (56), d. g.

26

M6 dass die Mehrzahl von Düsen (47) vom Leitschaufeltyp sind,

27

M7 wobei die Düsen (47) jeweils aus einem stumpfkegeligen Durchgang gebildet sind,M8 und wobei bei jeder der Düsen (47) ihre radial inneren und äußeren Grenzen durch Radien R1 bzw. R2 definiert werden,

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M9 und wobei R2/R1 > 1,25.

29

Kern der Lehre des angefochtenen Patents ist danach das Verhältnis von Innendurchmesser zu Außendurchmesser des Leitrads.Im Rahmen der bei einer Kostenentscheidung nach § 91 a ZPO gebotenen summarischen Prüfung geht der Senat davon aus, dass sich ungeachtet der Frage einer von der Klägerin ebenfalls geltend gemachten fehlenden Neuheit der Gegenstand des in beschränkter Weise aufrechterhaltenen geltenden Patentanspruchs 1 für den Fachmann - vorliegend ein Diplom- Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit mehrjähriger Erfahrung in der Entwicklung von Turbinen – jedenfalls in nahe liegender Weise aus der D12 ergeben hätte.

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Aus der D12 ist ein organisches Rankine-Kreisprozesssystem bekannt (vgl. Abb. 1). Zur apparativen Umsetzung dieses Kreisprozesses sind eine Speisepumpe, ein Verdampfer, eine Expansionsmaschine (in Form einer Turbine, Abb. 109) und ein Kondensator vorhanden (Abb 1). Da es sich im vorliegenden Fall um einen Kreisprozess handelt, sind die einzelnen Komponenten zwangsläufig strömungsmäßig in Reihe angeordnet (Merkmal M1).

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Die Turbine weist ein bogenförmige Schnecke (hier Spiralgehäuse, S. 274)) auf, mit deren Hilfe der organische Kühlmitteldampf (z. B. R114, siehe Zusammenfassung) vom Verdampfer kommend radial nach innen dem Turbinenlaufrad zugeführt wird (Abb. 109 mit Abb. 1) (Merkmal M2).

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Ebenso ist eine Mehrzahl von verstellbaren Düsen (S. 274) vorhanden, die vom Leitschaufeltyp sind und umfangsmäßig beabstandet und um den Innenrand der Schnecke angeordnet sind (Abb. 109) (Merkmal M3 u. M6). Wobei bei jeder der Düsen ihre radial inneren und äußeren Grenzen durch den inneren und äußeren Radius definiert werden (platt selbstverständlich) (Merkmal M8).

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Des Weiteren ist ein Laufrad (S. 274) vorhanden, das radial innerhalb der verstellbaren Düsen (S. 207) angeordnet ist, dass die radiale Einströmung von Dampf von den Düsen auf eine Mehrzahl von umfangsmäßig beabstandeten Laufschaufeln auf dem Laufrad auftrifft, um eine Drehung des Laufrads zu veranlassen (Merkmal M4). Außerdem ist eine Auslassströmungseinrichtung vorhanden, zum Führen der Dampfströmung von der Turbine zum Kondensator (Merkmal M5).

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Von diesem Stand der Technik unterscheidet sich der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 des Streitpatents dadurch, dass die Düsen (47) jeweils aus einem stumpfkegeligen Durchgang gebildet sind und wobei das Verhältnis von äußerem zu innerem Radius R2/R1 > 1,25 ist.Diese verbleibende konstruktive Einzelheit vermag aber die Patentfähigkeit des streitigen Gegenstandes nicht zu begründen. Wie das Lehrbuch „Thermische Turbomaschinen" (D1), insbesondere Abb. 4.1.14 zeigt, gehört es zum Grundlagen-Wissen des zuständigen Fachmanns, die Düsen des Leitrades stumpfkegelig auszubilden. Bei der Dimensionierung des Leitrades für eine Turbine - welche in einem ORC-Prozess verwendet wird - ein Radienverhältnis wie beansprucht zu verwenden, war dem Fachmann ebenfalls bekannt (vgl. D13 insbesondere Fig. 6 (b)), so dass der Fachmann ohne eigenes erfinderisches Zutun zur vollständigen Lehre des geltenden Anspruchs 1 gelangte.

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Dies gilt auch in Bezug auf die geltenden Unteransprüche 2 – 8. Die Merkmale der geltenden Ansprüche 2 und 3 sind ebenfalls aus der D12 bekannt. So weist das dortige Kältemittel R114 eine Sattdampftemperatur von 106 °C und einen Sattdampfdruck von 1,6 MPa auf. Auch das kennzeichnende Merkmal des Anspruchs 4 ist aus der D12 bekannt, da dort auf Seite 9 die Nutzung der Abwärme von Dieselmaschinen beschrieben ist. Bei einer Nutzung der Abwärme von Großdieselmaschinen ist es für den Fachmann auch selbstverständlich, sowohl die Wärme der Motorkühlung als auch die Wärme des Abgases zu nutzen, so dass auch die kennzeichnenden Merkmal der Ansprüche 5 und 6 keinen erfinderischen Gehalt aufweisen. Aus der D12 ist auch das kennzeichnende Merkmal des Anspruchs 7 bekannt, da dort auf Seite 260 Wasser als Kühlmedium beschrieben wird. Die in Anspruch 8 beschriebene Verwendung von R-245fa als organische Kühlmittel ergibt sich aus der D7 (vgl. dort Anspruch 1: 1,1,1,3,3 – Pentaflourpropan = R-245fa).

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Somit hätten sich die geltenden Ansprüche 1 bis 8 des Streitpatents unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands voraussichtlich als nicht patentfähig erwiesen, so dass das Streitpatent voraussichtlich mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland in vollem Umfang für nichtig zu erklären gewesen wäre. Es ist daher gerechtfertigt, der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

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3. Eine Kostenauferlegung nach Maßgabe des § 93 ZPO auf die Klägerin kommt nicht in Betracht, weil es bereits an einem sofortigen Anerkenntnis im Sinne dieser Vorschrift fehlt. „Sofort“ ist ein solches Anerkenntnis, bei dem es sich nicht um ein Anerkenntnis i. S. d. § 307 ZPO handelt, erklärt, wenn es innerhalb der angemessenen Frist einer Verzichtsaufforderung dem Kläger gegenüber oder wenn – soweit keine wirksame Verzichtsaufforderung vorausgegangen ist – dem Nichtigkeitskläger innerhalb der einmonatigen Widerspruchsfrist des § 82 Abs. 1 PatG vom Beklagten der (teilweise) Erfolg der Klage verbindlich zugesichert wird, etwa in Form von Verzichtserklärungen auf das Patent (oder auf einzelne Patentansprüche) sowie auf Ansprüche aus dem Patent für die Vergangenheit (Schulte/Voit, PatG, 9. Aufl., § 84 Rn. 44, 47).

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Die Beklagte hat jedoch – nachdem sie zuvor mit Schriftsatz vom 19. April 2013 (Bl. 72 d. A.) der Klage widersprochen und deren Abweisung beantragt hat - erst mit Schreiben an das Deutsche Patent- und Markenamt vom 15. Oktober 2013 (vgl. Bl. 116R) und damit nach Ablauf der einmonatigen Widerspruchsfrist nach § 82 Abs. 1 PatG auf den deutschen Teil des Streitpatents verzichtet.

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Soweit die Beklagte innerhalb der mit der Verzichtsaufforderung der Klägerin gesetzten Frist am 25. Juni 2012 ein Beschränkungsverfahren vor dem Europäischen Patentamt eingeleitet hat, begründet dies entgegen der Auffassung der Beklagten kein die Kostenfolge nach § 93 ZPO auslösendes „Anerkenntnis“.

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Die Durchführung eines (nationalen oder europäischen) Beschränkungsverfahren nach § 64 PatG bzw. Art. 105a EPÜ kann ebenso wie eine beschränkte Verteidigung eines Streitpatents von vornherein nur insoweit ein „Anerkenntnis“ i. S. des § 93 ZPO begründen, als es den mit dem Beschränkungsantrag bzw. der beschränkten Verteidigung nicht mehr verteidigten Teil des Streitpatents betrifft. Denn sowohl ein Beschränkungsantrag als auch eine beschränkte Verteidigung des Streitpatents führen im Ergebnis nur zu einer Teilaufgabe bzw. –vernichtung des Streitpatents, während der (regelmäßig weit überwiegende) Teil des Streitpatents in der sich aus dem Beschränkungsantrag bzw. der eingeschränkten Verteidigung ergebenden Fassung erhalten bleibt. In Bezug auf den letztgenannten Teil kann daher ein Beschränkungsantrag ebenso wenig wie ein beschränkte Verteidigung das mit der Nichtigkeitsklage regelmäßig verfolgte Ziel einer vollständigen Vernichtung des Streitpatents herbeiführen, so dass ein Beschränkungsantrag insoweit auch kein die Kostenfolge auslösendes „Anerkenntnis“ begründen kann.

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Lediglich in Bezug auf den mit dem Beschränkungsantrag nach § 64 PatG/Art. 105 a EPÜ nicht (mehr) verteidigten Teil des Streitpatents stellt sich daher die Frage, ob ein solcher Antrag – welcher vorliegend innerhalb der von der Klägerin vorprozessual gesetzten Frist zur Abgabe einer Verzichtserklärung gestellt worden ist - als „sofortiges (Teil)Anerkenntnis“ des mit der Klage geltend gemachten Nichtigkeitsbegehrens angesehen werden kann. Insoweit ist aber nach ständiger Rechtsprechung eine beschränkte Verteidigung des Patents ohne Verzicht auf den darüber hinaus gehenden Schutz für die Vergangenheit und Zukunft bzw. ein Beschränkungsantrag ohne Verzicht auf das Recht, diesen Antrag ganz oder teilweise zurückzunehmen, nicht ausreichend, da ansonsten aufgrund der fehlenden Bindung an eine beschränkte Verteidigung bzw. einer möglichen (Teil-) Rücknahme eines Beschränkungsantrags der Erfolg des Klagebegehrens in Bezug auf den nicht verteidigten Teil des Streitpatents nicht gesichert ist (vgl. BGH GRUR 2004, 138, 141 Tz. 63 – Dynamisches Mikrofon). Dass die Beklagte aber bei dem von ihr eingeleiteten Beschränkungsverfahren eine solche „Sicherung“ des Klagebegehrens in Bezug auf den aufgegebenen Teil des Streitpatents in Form eines Verzichts auf Rücknahme/Änderung des Beschränkungsantrags vorgenommen hat, ist nicht ersichtlich, so dass eine Anwendung des § 93 ZPO auch insoweit nicht in Betracht kommt.

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4. Der Streitwert für das Patentnichtigkeitsverfahren war auf 1.000.000 Euro festzusetzen (§ 2 Abs. 2 Satz 4 PatKostG i. V. m. § 63 GKG).

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Maßgeblich für die Berechnung des Streitwertes ist nicht das subjektive Interesse des Klägers, sondern der objektive Wert des Patents zum Zeitpunkt der Klageerhebung. Mangels konkreter Anhaltspunkte und angesichts der Tatsache, dass kein Verletzungsverfahren zwischen den Parteien anhängig war, ist der Streitwert für das vorliegende Verfahren nach § 3 ZPO zu schätzen (vgl. Busse/Keukenschrijver, Patentgesetz, 8. Aufl., § 84 Rdnr. 57). Der Senat orientiert sich dabei an der Streitwertfestsetzung in dem Verfahren 2 Ni 66/11 betreffend das Patent DE … mit der Bezeichnung „… …“, welches mit dem Streitpatent in Bezug auf den Gegenstand der Patentansprüche vergleichbar ist. In diesem Verfahren wurde der Streitwert auf 1.000.000,- EUR festgesetzt. Unter Berücksichtigung dieses Verfahrens schätzt der Senat daher auch vorliegend den objektiven Wert des Streitpatents zum Zeitpunkt der Klageerhebung und das wirtschaftliche Interesse der Allgemeinheit an der Vernichtung des Streitpatents unter Berücksichtigung der noch verbliebenen Laufzeit entsprechend der mit Beschluss vom 23. Januar 2012 erfolgten Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren nach § 63 Abs. 1 GKG – welche nach § 63 Abs. 1 Satz 1 GKG ohne vorherige Anhörung der Parteien erfolgt – ebenfalls auf

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1.000.000 Euro.