Entscheidungsdatum: 04.05.2017
In der Patentnichtigkeitssache
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betreffend das europäische Patent 1 225 618
(DE 601 26 055)
hat der 2. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 4. Mai 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Guth sowie der Richterin Hartlieb und der Richter Dipl.-Phys. Brandt, Dipl.-Phys. Univ. Dr. rer. nat. Friedrich und Dipl.-Phys. Dr. rer. nat. Zebisch
für Recht erkannt:
I. Das europäische Patent 1 225 618 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Nichtigkeitsklage betrifft das am 11. Juni 2001 in der Verfahrenssprache Englisch angemeldete, die Prioritäten GB 0014062, GB 1001048 und GB 1005227 vom 9. Juni 2000, 15. Januar 2001 bzw. 2. März 2001 beanspruchende und am 17. Januar 2007 mit der Patentschrift EP 1 225 618 B1 unter dem Titel „Mass spectrometer and methods of mass spectrometry“ veröffentlichte europäische Patent 1 225 618, das in einem nachfolgenden Beschränkungsverfahren geändert und am 18. Februar 2015 in geänderter Fassung als EP 1 225 618 B3 (Streitpatent) veröffentlicht wurde. Die deutsche Übersetzung der geänderten Patentschrift trägt die Publikationsnummer DE 601 26 055 T3. Das Streitpatent umfasst in seiner geltenden Fassung 66 Ansprüche, von denen die Ansprüche 2 bis 50 direkt oder indirekt auf das Massenspektrometrieverfahren nach Anspruch 1 rückbezogen sind und die Ansprüche 52 bis 66 direkt oder indirekt auf das Massenspektrometer nach Anspruch 51 rückbezogen sind.
Die Ansprüche 1 und 51 des Streitpatents lauten gemäß der im Beschränkungsverfahren vorgelegten Fassung in der Verfahrenssprache Englisch und in deutscher Übersetzung:
Anspruch 1 in der Verfahrenssprache Englisch:
A method of mass spectrometry comprising the steps of:
(a) providing an ion source (1) for generating ions, transmitting ions by an ion guide (2) and passing ions from the ion guide (2) via an interchamber orifice (7) into a vacuum chamber (8), and then
(b) passing said ions having multiple different mass to charge values to a fragmentation means comprising a collision cell (4) forming a substantially gas-tight enclosure into which a collision gas has been introduced;
(c) operating said fragmentation means in a first mode wherein at least a portion of said ions are fragmented to produce daughter ions associated with multiple parent ions of different mass to charge values which are simultaneously present in the collision cell in the first mode;
(d) recording a mass spectrum of ions emerging from said fragmentation means operating in said first mode as a high fragmentation mass spectrum with multiple peaks;
(e) switching said fragmentation means to operate in a second mode wherein substantially less ions are fragmented;
(f) recording a mass spectrum of ions emerging from said fragmentation means operating in said second mode as a low fragmentation mass spectrum with multiple peaks; and
(g) repeating steps (c)-(f) a plurality of times without interrupting the acquisition of data.
Anspruch 51 in der Verfahrenssprache Englisch mit eingefügter Gliederung:
A mass spectrometer comprising:
(a) an ion source (1);
(b) an ion guide (2);
(c) a vacuum chamber (8);
(d) an interchamber orifice (7) between the ion guide and vacuum chamber via which ions pass in use from the ion guide (2) into the vacuum chamber (8);
(e) a collision cell (4) which receives ions after they have passed into the vacuum chamber, the collision cell forming a substantially gas tight enclosure;
(f) the mass spectrometer operable without mass filtering said ions;
(g) the collision cell (4) operable in a first mode wherein at least a portion of said unfiltered ions are fragmented to produce daughter ions associated with multiple parent ions of different mass to charge values and a second mode wherein substantially less ions are fragmented; and
(h) a mass analyser;
characterised in that said mass spectrometer further comprises:
(i) a control system which, in use, repeatedly switches said collision cell (4) back and forth between said first and said second modes without interrupting the acquisition of data.
Anspruch 1 in deutscher Übersetzung:
Massenspektrometrieverfahren mit den Schritten:
(a) Bereitstellen einer Ionenquelle (1) zum Erzeugen von Ionen, Transmittieren von Ionen mittels einer Ionenführung (2) und Führen bzw. Leiten von Ionen von der Ionenführung (2) über eine Zwischenkammeröffnung (7) in eine Vakuumkammer (8), und dann
(b) Führen bzw. Leiten von Ionen, die eine Vielzahl von unterschiedlichen Masse-Ladungs-Werten aufweisen, zu Fragmentierungsmitteln mit einer Kollisionszelle (4), welche eine im wesentlichen gasdichte Umhausung bildet, in welche ein Kollisionsgas eingeführt ist;
(c) Betreiben der Fragmentierungsmittel in einem ersten Modus, wobei wenigstens ein Anteil der Ionen fragmentiert wird, um Tochterionen zu produzieren, die mit einer Vielzahl von Ausgangsionen mit unterschiedlichen Masse-Ladungs-Werten, die gleichzeitig in der Kollisionszelle in dem ersten Modus anwesend sind, assoziiert sind;
(d) Aufzeichnen eines Massenspektrums von Ionen, die aus den Fragmentierungsmitteln, die im ersten Modus arbeiten, austreten, als ein Hochfragmentierungs-Massenspektrum mit einer Vielzahl von Peaks;
(e) Umschalten der Fragmentierungsmittel, um in einem zweiten Modus zu arbeiten, in dem im wesentlichen weniger Ionen bzw. wesentlich weniger Ionen fragmentiert werden;
(f) Aufzeichnen eines Massenspektrums von Ionen, die aus den Fragmentierungsmitteln, die im zweiten Modus arbeiten, austreten, als ein Niederfragmentierungs-Massenspektrum mit einer Vielzahl von Peaks;
(g) Mehrmaliges Wiederholen der Schritte (c) bis (f) ohne Unterbrechung der Akquirierung von Daten.
Anspruch 51 in deutscher Übersetzung mit eingefügter Gliederung:
Massenspektrometer mit:
(a) einer Ionenquelle (1);
(b) einer Ionenführung (2)
(c) einer Vakuumkammer (8)
(d) einer Zwischenkammeröffnung (7) zwischen der Ionenführung und der Vakuumkammer, über welche Ionen bei der Benutzung von der Ionenführung (2) in die Vakuumkammer (8) passieren,
(e) einer Kollisionszelle (4), welche Ionen aufnimmt, nachdem sie in die Vakuumkammer passiert sind, wobei die Kollisionszelle eine im wesentlichen gasdichte Umhausung bildet,
(f) wobei das Massenspektrometer ohne Massenfilterung der Ionen betreibbar ist,
(g) wobei die Kollisionszelle in einem ersten Modus betreibbar ist, bei dem wenigstens ein Teil der ungefilterten Ionen zur Erzeugung von Tochterionen, die mit einer Vielzahl von Ausgangsionen von unterschiedlichen Masse- Ladungs-Werten assoziiert sind, fragmentiert werden, und in einem zweiten Modus, bei dem wesentlich weniger Ionen fragmentiert werden;
(h) und einem Massenanalysator;
dadurch gekennzeichnet, dass das Massenspektrometer ferner aufweist:
(i) ein Steuerungs- bzw. Kontrollsystem, welches bei der Verwendung wiederholt die Kollisionszelle (4) zwischen dem ersten und dem zweiten Modus hin und herschaltet, ohne die Akquirierung von Daten zu unterbrechen.
Hinsichtlich des Wortlauts der weiteren Patentansprüche 2 bis 50 und 52 bis 66 wird auf die Patentschrift EP 1 225 618 B3 (DE 601 26 055 T3) verwiesen.
Die Beklagte verteidigt das Streitpatent in vollem Umfang und hilfsweise mit den Hilfsanträgen 1 bis 10.
Die Hilfsanträge 1 bis 4 enthalten jeweils Erzeugnis- und Verfahrensansprüche. Die Hilfsanträge 5 bis 9 ergeben sich durch das Streichen der Erzeugnisansprüche jeweils aus dem Hauptantrag bzw. den Hilfsanträgen 1 bis 4, so dass mit den Hilfsanträgen 5 bis 9 lediglich die Verfahren nach Hauptantrag bzw. nach den Hilfsanträgen 1 bis 4 beansprucht werden. Auch Hilfsantrag 10 umfasst lediglich Verfahrensansprüche. Die Ansprüche 1 der Hilfsanträge 1 bis 4 sind dabei durch Hinzunahme von Merkmalen zum Anspruch 1 des Hauptantrags entstanden, wobei der Anspruch 1 des Hilfsantrags 10 alle neu in die jeweiligen Ansprüche 1 der vorhergehenden Hilfsanträge aufgenommenen Merkmale umfasst.
- Der Anspruch 1 des Hilfsantrags 10 hat folgenden Wortlaut:
A method of mass spectrometry comprising the steps of:
(a) providing an electrospray ion source (1) for generating ions from substances elutinq from a liquid chromatograph, transmitting ions by an ion guide (2) selected from the group comprising: (i) a hexapole; (ii) a quadrupole; (iii) an octapole; (iv) a plurality of ring electrodes having substantially constant internal diameters; and (v) a plurality of ring electrodes having substantially tapering internal diameters; and passing ions from the ion guide (2) via an interchamber orifice (7) into a vacuum chamber (8), and then
(b) passing said ions having multiple different mass to charge values to a fragmentation means comprising a collision cell (4) forming a substantially gas-tight enclosure into which a collision gas has been introduced;
(c) operating said fragmentation means in a first mode wherein at least a portion of said ions are fragmented to produce daughter ions associated with and fragmented from multiple parent ions of different mass to charge values which are simultaneously present in the collision cell in the first mode;
(d) recording, using an orthogonal acceleration time-of-flight mass analyser , a mass spectrum of ions emerging from said fragmentation means operating in said first mode as a high fragmentation mass spectrum with multiple peaks;
(e) switching said fragmentation means to operate in a second mode wherein substantially less ions are fragmented;
(f) recording, using said mass analyser , a mass spectrum of ions emerging from said fragmentation means operating in said second mode as a low fragmentation mass spectrum with multiple peaks; and
(g) repeating steps (c)-(f) a plurality of times without interrupting the acquisition of data so that sequential high and low fragmentation mass spectra are recorded; generating mass chromatograms for each of the daughter and parent ions; and then cross-correlating daughter ions with parent ions by comparing parent ion and daughter ion peaks in said mass chromatograms using an automatic peak comparison software running on a computer in order to associate daughter ions with parent ions based on closeness of fit of their relative elution times .
- Der Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 und 6 basiert auf dem Anspruch 1 des Hauptantrags (nicht unterstrichene Merkmale) und umfasst die nicht unterstrichenen Merkmale und zusätzlich die einfach unterstrichenen Merkmale des obigen Anspruchs 1.
- Der Anspruch 1 der Hilfsanträge 2 und 7 umfasst die Merkmale des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 und zusätzlich die doppelt unterstrichenen Merkmale.
- Der Anspruch 1 der Hilfsanträge 3 und 8 umfasst die Merkmale des Hilfsantrags 2 und zusätzlich die punktiert unterstrichenen Merkmale.
- Der Anspruch 1 der Hilfsanträge 4 und 9 umfasst die Merkmale des Hauptantrags und zusätzlich lediglich die doppelt unterstrichenen Merkmale.
- Der Anspruch 1 des Hilfsantrags 10 umfasst, wie bereits explizit dargestellt, die Merkmale des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 3 und zusätzlich die mit einer Wellenlinie unterstrichenen Merkmale.
- Der Anspruch 1 des Hilfsantrags 5 ist identisch zu Anspruch 1 des Hauptantrags, d. h. es handelt sich um den geltenden Anspruch 1 des Streitpatents.
Der auf ein Erzeugnis gerichtete nebengeordnete Anspruch 48 des Hilfsantrags 3 umfasst alle Merkmale des erteilten nebengeordneten Anspruchs 51 nach Hauptantrag und des jeweiligen nebengeordneten Erzeugnisanspruchs der Hilfsanträge 1, 2 und 4
- Der unabhängige Anspruch 48 des Hilfsantrags 3 lautet mit einer Gliederung versehen folgendermaßen:
An apparatus comprising a chromatograph and a mass spectrometer comprising:
(a) an ion source (1) for receiving substances eluting over a period of time from said chromatograph;
(b) an ion guide (2) selected from the group comprising: (i) a hexapole; (ii) a quadrupole; (iii) an octapole; (iv) a plurality of ring electrodes having substantially constant internal diameters; and (v) a plurality of ring electrodes having substantially tapering internal diameters ;
(c) a vacuum chamber (8);
(d) an interchamber orifice (7) between the ion guide and vacuum chamber via which ions pass in use from the ion guide (2) into the vacuum chamber (8);
(e) a collision cell (4) which receives ions after they have passed into the vacuum chamber, the collision cell forming a substantially gas tight enclosure;
(f) the mass spectrometer operable without mass filtering said ions;
(g) the collision cell (4) operable in a first mode wherein at least a portion of said unfiltered ions are fragmented to produce daughter ions associated with multiple parent ions of different mass to charge values and a second mode wherein substantially less ions are fragmented;
(h) a orthogonal acceleration time-of-flight mass analyser; and
(i) a control system which, in use, repeatedly switches said collision cell (4) back and forth between said first and said second modes without interrupting the acquisition of data;
(j) the apparatus further comprising a computer provided with an automatic peak comparison software program operable to cross-correlate daughter ions with parent ions by comparing parent ion and daughter ion peaks in mass chromatograms generated using the apparatus in order to associate daughter ions with parent ions based on their relative elution times .
- Der Anspruch 48 des Hilfsantrags 1 basiert auf dem Anspruch 51 des Hauptantrags und umfasst die nicht unterstrichenen Merkmale und zusätzlich die einfach unterstrichenen Merkmale des obigen Anspruchs 48.
- Der Anspruch 48 des Hilfsantrags 2 umfasst die Merkmale des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 und zusätzlich das doppelt unterstrichene Merkmal.
- Der Anspruch 48 des Hilfsantrags 3 umfasst die Merkmale des Hilfsantrags 2 und zusätzlich die punktiert unterstrichenen Merkmale.
- Der Anspruch 51 des Hilfsantrags 4 basiert auf dem Anspruch 51 des Hauptantrags und umfasst die nicht unterstrichenen Merkmale und zusätzlich lediglich das doppelt unterstrichene Merkmal des obigen Anspruchs.
Die Klägerin begründet die Klage mit dem Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit, insbesondere der fehlenden Neuheit. Schriftsätzlich hat die Klägerin die weiteren Nichtigkeitsgründe der mangelnden Ausführbarkeit sowie der unzulässigen Erweiterung insbesondere hinsichtlich der Hilfsanträge geltend gemacht.
Sie stützt ihr Vorbringen auf die nachstehend genannten Dokumente:
HLNK1 urspr. Streitpatentschrift EP 1 225 618 B1 |
HLNK1a DE 601 26 055 T2 als deutsche Übersetzung der ursprünglichen Streitpatentschrift |
HLNK10 US 6 011 259 A |
HLNK11b Prioritätsdokument GB 0101048 des Streitpatents (15. Januar 2001) |
HLNK21 Watson, „Introduction to Mass Spectrometry, 3. Aufl., 1997, Kapitel 5 betreffend MS/MS |
Die Klägerin macht geltend, die Gegenstände der unabhängigen Ansprüche 1 und 51 seien gegenüber den Druckschriften HLNK6, HLNK7, HLNK8, HLNK9 und HLNK10 nicht neu. Außerdem fehle es den Patentansprüchen 1 und 51 an einer erfinderischen Tätigkeit gegenüber der Druckschrift HLNK6 in Verbindung mit den Druckschriften HLNK14 und HLNK15; HLNK7 in Verbindung mit HLNK24 oder HLNK16; HLNK9 in Verbindung mit HLNK16, ausgehend von HLNK8 in Verbindung mit HLNK17, HLNK18 bzw. HLNK19. Die Zusatzmerkmale der abhängigen Ansprüche 35 bis 37 seien aus dem Stand der Technik gemäß den Druckschriften HLNK6, HLNK7, HLNK8, HLNK9 und HLNK10 bzw. HLNK18, HLNK20, HLNK21, 22, 23 bekannt oder durch diesen nahegelegt bzw. beruhten auf fachmännischem Handeln. Außerdem könne das Streitpatent die Priorität der Voranmeldungen nicht beanspruchen, da diesen die Angabe „ohne Unterbrechung der Akquirierung von Daten“, die im Beschränkungsverfahren in den Anspruch 1 aufgenommen worden war, nicht unmittelbar und eindeutig entnommen werden könne. Daher nehme die Teilanmeldung HLNK12, die die Priorität zu Recht in Anspruch nehme, die Gegenstände der Ansprüche 1 und 51 neuheitsschädlich vorweg (poisonous divisional).
Die Hilfsanträge enthielten unzulässige Erweiterungen, sie offenbarten die Erfindung nicht so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen könne und sie seien gegenüber dem bereits erläuterten Stand der Technik ebenfalls nicht patentfähig.
Die Klägerin stellt den Antrag,
das europäische Patent 1 225 618 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
Die Beklagte stellt den Antrag,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise unter Klageabweisung im Übrigen das europäische Patent 1 225 618 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig zu erklären, dass seine Ansprüche die Fassung eines der Hilfsanträge 1 bis 9 vom 20. März 2017 sowie Hilfsantrag 10 vom 28. April 2017, in dieser Reihenfolge, erhalten.
Die Beklagte erklärt, dass sie die geltenden Patentansprüche und die Patentansprüche gemäß den Hilfsanträgen jeweils als geschlossene Anspruchssätze ansieht, die sie jeweils in ihrer Gesamtheit beansprucht.
Die Beklagte tritt der Argumentation der Klägerin in allen wesentlichen Punkten entgegen. Die Gegenstände der unabhängigen Ansprüche 1 und 51 seien gegenüber dem vorgelegten Stand der Technik neu und beruhten auch auf einer erfinderischen Tätigkeit. Insbesondere gebe keine der Druckschriften, die unterschiedliche Funktionsprinzipien beträfen, einen Hinweis bezüglich des erfindungswesentlichen Merkmals, in einem einzigen Experiment durch eine Variation der Fragmentierungsenergie in einer im Wesentlichen ungefiltert befüllten Kollisionszelle sämtliche Ausgangs- und Tochterionen zu jedem Zeitpunkt zu erfassen. Jedenfalls aber seien die Ansprüche der Hilfsanträge neu und für den Fachmann nicht naheliegend.
Die Beklagte hat zur Stützung ihrer Argumentation auf folgende Druckschriften hingewiesen
W1 de Hoffmann: „Tandem Mass Spectrometry: a Primer“, Journal of Mass Spectrometry, Vol. 31, 129-137 (1996)
W2 Chapmann (ed.): Methods in Molecular Biology, Mass Spectrometry of Proteins and Peptides, Humanna Press, Totowa, New Jersey, 2000, S. 17-26.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Die Klage, mit der die Nichtigkeitsgründe der fehlenden Patentfähigkeit, und hinsichtlich der Ansprüche gem. den Hilfsanträgen der mangelnden Ausführbarkeit aufgrund nicht hinreichend klarer Offenbarung der Lehre sowie der unzulässigen Erweiterung des Streitpatents (Artikel II § 6 Absatz 1 Nr. 1 IntPatÜG, Artikel 138 Abs. 1 lit. a) EPÜ, Artikel II § 6 Absatz 1 Nr. 2 IntPatÜG, Artikel 138 Absatz 1 lit. b) EPÜ, Artikel II § 6 Absatz 1 Nr. 3 IntPatÜG, Artikel 138 Absatz 1 lit. c) EPÜ i. V. m. Artikel 54 Absatz 1, 2 und Artikel 56 EPÜ) geltend gemacht werden, ist zulässig.
Sie ist auch begründet. Das Streitpatent hat weder in der beschränkten Fassung nach Hauptantrag noch in der Fassung eines der Hilfsanträge Bestand, da dem Gegenstand des Patents in der beschränkten Fassung und in der Fassung der Hilfsanträge 1 bis 10 der Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit entgegensteht. Die darüber hinaus geltend gemachten Nichtigkeitsgründe der mangelnden Ausführbarkeit sowie der unzulässigen Erweiterung bedürfen daher keiner weiteren Prüfung.
Denn die Gegenstände des unabhängigen Patentanspruchs 51 nach Hauptantrag, der unabhängigen Ansprüche 48 nach den Hilfsanträgen 1 bis 3 und des unabhängigen Anspruchs 51 nach Hilfsantrag 4 werden dem Fachmann durch die Druckschrift HLNK16 ggf. in Verbindung mit der Druckschrift HLNK26 nahegelegt. Im Hinblick auf die Hilfsanträge 5 bis 10 ergeben sich die Massenspektrometrieverfahren der jeweiligen Ansprüche 1 für den Fachmann in naheliegender Weise durch die Druckschrift HLNK16 in Verbindung mit der Druckschrift HLNK6.
I.
1. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung für die Massenspektrometrie.
Vorrichtungen zur Massenspektrometrie bestehen üblicherweise aus einer Ionenquelle, in der die zu analysierende Substanz bspw. durch Elektronenstoßionisation oder chemische Ionisation ionisiert wird, einem Analysator, in dem die Ionen in Abhängigkeit von ihrem Masse/Ladungs-Verhältnis Ionen. Für die einzelnen Bauteile gibt es zahlreiche Varianten, wobei als Analysator häufig Quadrupol-, Flugzeit- und Tandem-Massenspektrometer eingesetzt werden.
Bei einem Quadrupol-Massenspektrometer sind vier rundstabförmige Elektroden parallel zueinander und im gleichen Abstand von der Symmetrieachse angeordnet, wobei sich die jeweils gegenüberliegenden zwei Elektroden auf gleichem Potential befinden und zwischen den Elektrodenpaaren eine Hochfrequenzspannung mit überlagerter Gleichspannung angelegt wird. Aufgrund des räumlich inhomogenen und zeitlich veränderlichen elektrischen Felds werden die Ionen, die zuvor durch ein statisches elektrisches Feld beschleunigt und entlang der Symmetrieachse in das Massenspektrometer eingebracht wurden, in Abhängigkeit von ihrem Masse/Ladungs-Verhältnis auf unterschiedliche Flugbahnen gezwungen, so dass eine Selektierung nach ihrem Masse/Ladungs-Verhältnis stattfindet und jeweils nur Teilchen mit einem definierten Masse/Ladungs-Verhältnis das Feld durchlaufen können. Durch Ändern der angelegten Spannung lässt sich das durchgelassene Masse/Ladungs-Verhältnis in einem weiten Bereich durchfahren, und es können entsprechende Spektren aufgenommen werden.
Demgegenüber basiert ein Flugzeitmassenspektrometer auf dem Prinzip, dass Ionen, die beim Eintritt in den Analysator alle die gleiche Energie aufweisen, je nach ihrer Masse unterschiedliche Geschwindigkeiten haben, so dass leichte Ionen schneller sind als schwere Ionen und den Detektor eher erreichen als schwere Ionen.
Tandem-Massenspektrometer zeichnen sich dadurch aus, dass zwei oder mehr Massenspektrometer nacheinander, sozusagen als Tandem, angeordnet sind und dazwischen eine Kollisionszelle vorhanden ist, in der die Ionen durch Stöße mit einem Inertgas, bspw. N2 oder Ar Energie in andere Ionen aufgespalten werden, die dann im nachgeschalteten Massenspektrometer und Detektor analysiert werden können. Dabei werden die in das erste Massenspektrometer eingebrachten Ionen als Ausgangs-, Eltern-, Vorgänger- oder Stammionen bezeichnet und die in der Kollisionszelle weiter aufgespaltenen, d. h. fragmentierten Ionen als Tochter- oder Produktionen.
Sind komplexe Proben zu analysieren, ist dem Tandem-Massenspektrometer ein Chromatograph vorgeschaltet, in dem die Probe vor dem Einbringen in das Tandem-Massenspektrometer in einzelne chemische Bestandteile aufgetrennt wird.
Als Tandem-Massenspektrometer werden häufig sog. Triple-Quadrupol-Massenspektrometer mit drei nacheinander angeordneten Quadrupolen eingesetzt, wobei der mittlere die Funktion der Kollisionszelle hat. Dazu enthält er ein Inertgas als Kollisionsgas und zusätzlich wird er nur mit angelegter Hochfrequenzspannung, aber ohne überlagerte Gleichspannung betrieben, so dass alle Ionen passieren können, aber gleichzeitig durch Stöße mit dem Inertgas in Tochterionen fragmentiert werden. Gleichzeitig erfolgt eine Fokussierung des Ionenstrahls durch das Wechselfeld.
Bei einer ebenfalls üblichen Variante wird das dritte Quadrupol-Massenspektrometer durch ein Flugzeitmassenspektrometer ersetzt.
Tandem-Massenspektrometer können auf unterschiedliche Weise betrieben werden, von denen der sog. Elternscan (bzw. Vorgänger- oder Stammionenscan) und der Tochterscan (bzw. Produktionenscan) die üblichsten Spektrometrieverfahren sind.
Beim Elternscan wird das letzte Massenspektrometer als Massenfilter eingesetzt, das lediglich Ionen mit einem vorgegebenen –Verhältnis passieren lässt, während mit dem ersten Massenspektrometer ein vorgegebener -Bereich der Elternionen durchfahren bzw. durchgescannt wird. Ist bspw. das letzte Massenspektrometer so eingestellt, dass lediglich Ionen mit durchgelassen werden, dann kann durch das Scannen des ersten Massenspektrometers dieses Tochterion bestimmten Elternionen zugeordnet werden.
Beim Tochterscan (Produktionenscan) wird hingegen das erste Massenspektrometer als Massenfilter eingesetzt, das lediglich Ionen mit einem vorgegebenen –Verhältnis passieren lässt, während mit dem letzten Massenspektrometer ein vorgegebener -Bereich der Tochterionen durchgescannt wird. D. h. das erste Massenspektrometer können lediglich Elternionen mit einem –Verhältnis von bspw. 288 passieren. Diese werden anschließend in der Kollisionszelle in Tochterionen fragmentiert, und beim Scannen des letzten Massenspektrometers werden dann deren –Verhältnisse bestimmt, wobei sich bspw. Peaks bei Verhältnissen von 85, 127, 144 und 229 ergeben. Diese Tochterionen können dann dem zuvor selektierten Elternion zugeordnet werden.
Beide Scanverfahren lassen sich auch miteinander kombinieren. Wenn bspw. bereits bekannt ist, dass ein bestimmtes Tochterion charakteristisch ist für die Fragmentation bestimmter Elternionen, kann in einem ersten Schritt ein Elternscan für das entsprechende Tochterion durchgeführt werden, wodurch sich die Elternionen zu diesem Tochterion bestimmen lassen. Im zweiten Schritt erfolgt dann ein kompletter Tochterscan für jedes dieser Elternionen.
Sowohl beim Eltern- als auch beim Tochterscan befinden sich in der Kollisionszelle nur Ionen mit einem vorgegebenen –Verhältnis, denn auch beim Elternscan werden zum jeweiligen Messzeitpunkt lediglich Ionen eines bestimmten –Verhältnisses in die Kollisionszelle eingeleitet. Folglich ist ein solches kombiniertes Verfahren sehr ineffizient, da beim Scannen des –Verhältnis der größte Anteil der Ionen blockiert wird und für die Messung nicht zur Verfügung steht. Darüber hinaus ist bei kombinierten Chromatographie- und Tandem-Massenspektrographieverfahren die erzielbare zeitliche Auflösung durch das Scannen u. U. zu gering, um sehr schmale chromatographische Peaks noch detektieren zu können, vgl. Abs. [0001] bis [0012] des Streitpatents HLNK2.
Vor diesem Hintergrund liegt dem Streitpatent als technisches Problem sinngemäß die Aufgabe zugrunde, ein Massenspektrometer bzw. ein Massenspektrometrieverfahren bereitzustellen, bei denen die in das Spektrometer eingeführten Ionen effizienter für die Messungen genutzt werden und die Empfindlichkeit der Messungen insbesondere in Verbindung mit Chromatographieanwendungen gesteigert ist, vgl. Abs. [0013] des Streitpatents HLNK2.
2. Gelöst wird diese Aufgabe durch das Massenspektrometrieverfahren nach Anspruch 1 und das Massenspektrometer nach Anspruch 51.
Das Massenspektrometrieverfahren des Anspruchs 1 zeichnet sich dadurch aus, dass mittels einer Ionenführung Ionen einer Ionenquelle in das Massenspektrometer transmittiert, danach von der Ionenführung über eine Zwischenkammeröffnung in eine Vakuumkammer geführt und dann zu den eine Kollisionszelle umfassenden Fragmentierungsmitteln geführt werden, wobei die Kollisionszelle eine im Wesentlichen gasdichte Umhausung bildet und die Ionen eine Vielzahl von unterschiedlichen Masse-Ladungs-Werten aufweisen. Die Kollisionszelle wird dabei in einem ersten Modus, in dem wenigstens ein Anteil der darin befindlichen Ionen fragmentiert wird, betrieben, um Tochterionen zu produzieren, die mit einer Vielzahl von Ausgangsionen mit unterschiedlichen Masse-Ladungs-Werten, die gleichzeitig in der Kollisionszelle in dem ersten Modus anwesend sind, assoziiert sind, und es wird ein Massenspektrum von aus den im ersten Modus betriebenen Fragmentierungsmitteln austretenden Ionen als Hochfragmentierungs-Massenspektrum mit einer Vielzahl von Peaks aufgezeichnet. Zudem werden die Fragmentierungsmittel umgeschaltet, um in einem zweiten Modus zu arbeiten, in dem wesentlich weniger Ionen fragmentiert werden, und es wird ein Massenspektrum von aus den im zweiten Modus betriebenen Fragmentierungsmitteln austretenden Ionen als Niederfragmentierungs-Massenspektrum mit einer Vielzahl von Peaks aufgezeichnet. Dieses Ansteuern der Fragmentierungsmittel und Aufnehmen der Spektren wird mehrmals wiederholt, ohne dabei die Datenakquirierung zu unterbrechen.
Das Massenspektrometer nach Anspruch 51 ist so ausgebildet, dass mit ihm das Spektrometrieverfahren nach Anspruch 1 durchgeführt werden kann, vgl. Fig. 1 des Streitpatents.
Wesentlich für das Massenspektrometer des Anspruchs 51 ist dabei,
i. dass es, wie in obiger Fig. 1 des Streitpatents gezeigt, (a) eine Ionenquelle 1, (b) eine Ionenführung 2, (c) eine Vakuumkammer 8, (d) eine Zwischenkammeröffnung 7 zwischen der Ionenführung und der Vakuumkammer, über welche im Betrieb die Ionen von der Ionenführung in die Vakuumkammer gelangen, (e) eine Kollisionszelle 4, in welche die Ionen nach ihrem Eintritt in die Vakuumkammer gelangen, (h) einen Massenanalysator 5 und (i) ein Steuerungs- bzw. Kontrollsystem umfasst, eine Ionenquelle, eine Ionenführung, eine Vakuumkammer, eine Zwischenkammeröffnung zwischen der Ionenführung und der Vakuumkammer, eine Kollisionszelle, einen Massenanalysator und ein Steuerungs- bzw. Kontrollsystem aufweist,
ii. dass die Kollisionszelle nach Merkmal (e) eine im Wesentlichen gasdichte Umhausung bildet und
iii. dass das Massenspektrometer nach Merkmal (f) ohne Massenfilterung der Ionen betreibbar ist,
iv. dass nach Merkmal (g) die Kollisionszelle in zwei unterschiedlichen Modi betreibbar ist, nämlich in einem ersten Modus, bei dem wenigstens ein Teil der ungefilterten Ionen zur Erzeugung von Tochterionen, die mit einer Vielzahl von Ausgangsionen von unterschiedlichen Masse-Ladungs-Werten assoziiert sind, fragmentiert werden, und in einem zweiten Modus, bei dem wesentlich weniger Ionen fragmentiert werden, und
v. dass nach Merkmal (i) die Kollisionszelle im Betrieb zwischen dem ersten und dem zweiten Modus hin und herschaltet, ohne die Akquirierung von Daten zu unterbrechen.
Zur Erläuterung des im Streitpatent beschriebenen Massenspektrometrieverfahrens wird im Folgenden auf die Figuren 3 bis 5 des Streitpatents eingegangen. So ist in der nachfolgend wiedergegebenen Fig. 3a des Streitpatents als Beispiel ein im ersten Modus aufgenommenes Hochfragmentierungs-Massenspektrum einer aus einem Flüssigkeitschromatographen stammenden Probe gezeigt und in Fig. 3b ein in geringem zeitlichen Abstand im zweiten Modus aufgenommenes Niederfragmentierungs-Massenspektrum, bei dem zusätzlich das erste Massenspektrometer (3) als Massenfilter eingestellt war und nur Ionen mit einem Masse-Ladungswert größer als 350 in die Kollisionszelle durchgelassen wurden.
Im in Fig. 3b dargestellten Niederfragmentierungs-Massenspektrum bzw. Stammionenspektrum gibt es mehrere Peaks hoher Intensität, z. B. bei 418,7724 und 568,7813, die im entsprechenden Hochfragmentierungs-Massenspektrum bzw. Tochterionenspektrum gemäß Fig. 3a eine beträchtlich geringere Intensität besitzen. Diese Peaks können deshalb als die Stammionen identifiziert werden. Ebenso können die Ionen, die im Tochterionenspektrum der Fig. 3a intensiver als im Stammionenspektrum sind, oder die im Stammionenspektrum der Fig. 3b auf Grund des Betriebs eines Massenfilters stromaufwärts der Kollisionszelle nicht vorhanden sind, als Tochterionen erkannt werden, d. h. im konkreten Beispiel der Fig. 3b sind alle Ionen mit einem Masse-Ladungs-Wert < 350 Tochterionen.
Die Fig. 4a bis e zeigen jeweils Massenchromatogramme, bei denen die Ionenintensität gegen die Erfassungszeit graphisch dargestellt ist, und zwar am Beispiel von drei Stamm- und zwei Tochterionen (Fig. 4a, b, c sowie Fig. 4d, e) mit Stammionen-Masse-Ladungs-Verhältnissen von 406,2 (MC1;), 418,7 (MC2) und 568,8 (MC3), vgl. auch Fig. 3b, und mit Tochterionen-Masse-Ladungs-Verhältnissen von 136,1 (MC4, MC5;) und 120,1 (MC6), vgl. Fig. 3a.
Aus dem Vergleich der Kurven ergibt sich, dass der Stammionen-Peak MC1 gut mit dem Tochterionen-Peak MC5 korreliert ist, d. h. das Stammion mit
wurde in ein Tochterion mit
fragmentiert. In ähnlicher Weise korrelieren die Stammionen-Peaks MC2 und MC3 gut mit den Tochterionen-Peaks MC4 und MC6, wobei es in diesem Fall jedoch schwierig ist, die Stammionen und Tochterionen einander zuzuordnen.
Dazu ist eine genauere Kurvenauswertung nötig, bei der wie in Fig. 5 gezeigt die einzelnen Kurven 4a bis 4e übereinander gelegt werden.
Daraus ist ersichtlich, dass das Stammion MC2 und das Tochterion MC4 gut korreliert sind und das Stammion MC3 gut mit dem Tochterion MC6, woraus folgt, dass die Stammionen mit
in Tochterionen mit und die Stammionen mit in Tochterionen mit fragmentiert wurden. Diese Kreuzkorrelation der Massenchromatogramme ermöglicht somit eine Zuordnung von Stamm- und Tochterionen.
Die Ansprüche 1 und 51 sind, da sie nicht auf das Ausführungsbeispiel beschränkt sind, in mehrfacher Weise erklärungsbedürftig.
(1) Hinsichtlich des Begriffs „Ionenführung“ in Merkmal (a) des Anspruchs 1 bzw. Merkmal (b) des Anspruchs 51 führt die Patentinhaberin in ihrer Klageerwiderung vom 27. Mai 2016 auf Seite 4, vorletzter Absatz bis Seite 5, erster Absatz aus, dass der Fachmann unter diesem Begriff kein einfaches Rohr verstehe, sondern eine ionenoptische Einrichtung, die, wie in den Abs. [0034] und [0035] des Streitpatents erläutert, mittels elektromagnetischer Felder die Ionen führe. Diese enge Auslegung des Begriffs „Ionenführung“ durch die Patentinhaberin ist jedoch nicht gerechtfertigt, denn der allgemeine Begriff „Ionenführung“ gibt lediglich an, dass mit dieser Vorrichtung Ionen geführt werden, aber nicht, dass dies mit elektromagnetischen Mitteln geschieht.
(2) Gemäß den Merkmalen (a) und (b) des Anspruchs 1 werden die Ionen von der Ionenquelle (1) zunächst mittels eines Ionenleiters (2) weitergeleitet. Danach werden die aus dem Ionenleiter austretenden Ionen durch eine Zwischenkammeröffnung in eine Vakuumkammer geleitet und dann zu Fragmentierungsmitteln mit einer Kollisionszelle geführt, welche eine im Wesentlichen gasdichte Umhausung bildet. Dies bedeutet, dass die Ionen nach dem Ionenleiter zunächst durch eine Zwischenkammeröffnung ins Vakuum gelangen und dann von dort durch eine weitere Öffnung in die ansonsten bis auf weitere kleine Öffnungen, wie die Austrittsöffnung, gasdichte Kollisionszelle gelangen, was auch so in Figur 1 des Streitpatents gezeigt ist, wonach die Ionen vom Ionenleiter (2) durch die Zwischenkammeröffnung (7) zunächst in die Vakuumkammer und dann durch eine weitere, nicht gezeigte Öffnung, in die Kollisionszelle (4) mit der im Wesentlichen gasdichten Umhausung gelangen. Demnach ist die gasdichte Umhausung der Kollisionszelle nicht mit der Vakuumkammer gleichzusetzen.
(3) Im zweiten Modus sollen entsprechend Merkmal (c) des Anspruchs 1 wesentlich weniger Ionen als im ersten Modus fragmentiert werden. Folglich kann der zweite Modus so durchgeführt werden, dass entweder gar keine Fragmentierung (Kollisionsspannung von 0V, vgl. Abs. [0038] des Streitpatents) oder zumindest eine um einen gewissen Wert geringere Fragmentierung als im ersten Modus erfolgt.
(4) Nach Merkmal (b) des Anspruchs 1 werden Ionen, die eine Vielzahl von unterschiedlichen Masse-Ladungswerten aufweisen, zur Kollisionszelle geführt und nach Merkmal (c) werden die Fragmentierungsmittel in einem ersten Modus betrieben, wobei wenigstens ein Anteil der Ionen fragmentiert wird. Gemäß der nachfolgenden Zweckangabe soll dieser Verfahrensschritt dazu geeignet sein, um Tochterionen zu produzieren, die mit einer Vielzahl von Ausgangsionen mit unterschiedlichen Masse-Ladungs-Werten, die gleichzeitig in der Kollisionszelle in dem ersten Modus anwesend sind, assoziiert sind. Demnach müssen die Tochterionen im ersten Modus nicht tatsächlich produziert werden, da der entsprechende Verfahrensschritt nur die diesbezügliche Eignung haben muss. Darüber hinaus kommt durch die breite Formulierung „dass die Tochterionen mit einer Vielzahl von Ausgangsionen von unterschiedlichen Masse-Ladungs-Werten assoziiert sind“ nicht zum Ausdruck, dass die in diesem Modus erzeugten Ionen Tochterionen der Ausgangsionen sind, sondern dieser Begriff besagt lediglich, dass diese Tochterionen in irgendeiner Weise mit den Ausgangsionen unterschiedlicher –Werte in der Kollisionszelle assoziiert sind, was aber bspw. bereits dadurch gewährleistet ist, dass sie in der gleichen Kollisionszelle waren und folglich immer mit den anderen Ionen in der Kollisionszelle assoziiert sind.
(5) Der Begriff „Vielzahl“ ist hinsichtlich der Frage, ab welcher Anzahl eine Vielzahl von Ionen vorliegt, ebenfalls anhand der Beschreibung auszulegen. So zeigt Fig. 3b zwar ein Spektrum mit einer zweistelligen Anzahl von Intensitätsmaxima, doch wird in Abs. [0033] der Beschreibung auch darauf hingewiesen, dass bei dem beanspruchten Massenspektrometrieverfahren der vor der Kollisionszelle angeordnete Quadrupol als Bandpass-Massenfilter eingesetzt werden kann, was die Anzahl von gleichzeitig in der Kollisionszelle anwesenden Ausgangsionen ggf. deutlich verringert. Zusätzlich ist bspw. in den Abs. [0030] bis [0032] angegeben, dass in die Ionenquelle ein Eluat eingebracht wird, das zuvor mittels Flüssigkeitschromatographie, Kapillarelektrophorese oder Gaschromatographie aus einer Mischung abgetrennt worden ist. Auch dadurch wird die Anzahl von gleichzeitig in der Kollisionszelle anwesenden Ausgangsionen deutlich verringert, vgl. bspw. die Druckschrift HLNK6. Somit kommt durch den Begriff „Vielzahl“ lediglich zum Ausdruck, dass zwei oder mehr Ionen mit unterschiedlichen Masse-Ladungswerten zur Kollisionszelle geführt werden bzw. im ersten Hochfragmentierungs-Modus in der Kollisionszelle gleichzeitig anwesend sind. Auch wenn das Massenspektrometer gemäß Merkmal (f) ohne Massenfilterung der Ionen betreibbar ist, besagt der Anspruchswortlaut somit lediglich, dass zwei oder mehr Ionen mit unterschiedlichen Masse-Ladungswerten zur Kollisionszelle geführt werden bzw. im ersten Hochfragmentierungs-Modus in der Kollisionszelle gleichzeitig anwesend sind.
(6) Nach Merkmal (g) erfolgt ein mehrmaliges Wiederholen der Schritte (c) bis (f) ohne Unterbrechung der Akquirierung von Daten, wobei hinsichtlich des zeitlichen Ablaufs aus den Merkmalen (c) bis (f) nur hervorgeht, dass Schritt (d) nach Schritt (c) erfolgt, so dass von Anspruch 1 bspw. auch Verfahren umfasst werden, bei denen erst die Schritte (c) und (d) wiederholt werden und danach die Schritte (e) und (f) mehrfach durchgeführt werden, oder bei denen die Schritte (e) und (f) vor den Schritten (c) und (d) erfolgen.
3. Die Lösungen nach den Ansprüchen 1 der Hilfsanträge 1 bis 4 und 10 präzisieren das Massenspektrometrieverfahren nach Anspruch 1 des Hauptantrags, wobei die Ansprüche 1 der Hilfsanträge 1, 2, 3 und 10 aufeinander aufbauen und sich aus dem Anspruch 1 des Hauptantrags durch sukzessive Aufnahme von Zusatzmerkmalen ergeben, wohingegen in Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 lediglich die zusätzliche Angabe aufgenommen wurde, dass die Hoch- und Niederfragmentierungs-Massenspektren mit einem Orthogonalbeschleunigungs-Flugzeit-Massenanalysator aufgenommen werden.
Die Vorrichtungen der unabhängigen Ansprüche 48 der Hilfsanträge 1 bis 3 bzw. des unabhängigen Anspruchs 51 nach Hilfsantrag 4 korrespondieren mit den Massenspektrometrieverfahren des jeweiligen Anspruchs 1 und umfassen als Konkretisierung die gegenständlich formulierten Zusatzmerkmale des entsprechenden Verfahrensanspruchs 1.
Die Hilfsanträge 5 bis 9 ergeben sich aus dem Hauptantrag bzw. aus den Hilfsanträgen 1 bis 4 durch Streichen der gegenständlichen Ansprüche, wobei auch Hilfsantrag 10 lediglich Verfahrensansprüche umfasst.
4. Als hier zuständiger Fachmann ist ein mit der Entwicklung von Massenspektrometern und zugehörigen Massenspektrometrieverfahren betrauter Diplom-Physiker oder Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit Hochschulabschluss und Kenntnissen der physikalischen Chemie zu definieren, der über mehrjährige Berufserfahrung in der Entwicklung und dem Betrieb von Massenspektrometern verfügt und hinsichtlich massenspektrometrischer und chromatographischer Analyseverfahren ggf. einen Chemiker zu Rate zieht.
II.
Die Vorrichtung des beschränkten Anspruchs 51 nach Hauptantrag und die Vorrichtungen der unabhängigen Ansprüche 48 nach den Hilfsanträgen 1 bis 3 sowie des unabhängigen Anspruchs 51 nach Hilfsantrag 4 sind ebenso nicht patentfähig wie die Massenspektrometrieverfahren der Ansprüche 1 in der Fassung der Hilfsanträge 5 bis 10, da sie zum Prioritätszeitpunkt des Streitpatents durch den vorgelegten Stand der Technik nahegelegt waren (Artikel II § 6 Absatz 1 Nr. 1 IntPatÜG, Artikel 138 Abs. 1 lit. a) EPÜ i. V. m. Artikel 54 Absatz 1, 2 und Artikel 56 EPÜ).
Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob darüber hinaus auch der Nichtigkeitsgrund der mangelnden Ausführbarkeit aufgrund unzureichender Offenbarung der Lehre nach Artikel II § 6 Absatz 1 Nr. 2 IntPatÜG, Artikel 138 Absatz 1 lit. b) EPÜ und der unzulässigen Erweiterung nach Artikel II § 6 Absatz 1 Nr. 3 IntPatÜG i. V. m. Artikel 138 Absatz 1 lit. c) EPÜ vorliegt.
1. Das Streitpatent kann die Prioritäten der Voranmeldungen wirksam beanspruchen, denn die im Beschränkungsverfahren in die unabhängigen Ansprüche 1 und 51 aufgenommene Angabe „ohne Unterbrechung der Akquirierung von Daten“, ist der Voranmeldung HLNK11a unmittelbar und eindeutig zu entnehmen.
Die Klägerin hat in ihren Eingaben u. a. ausgeführt, dass das Streitpatent die Prioritäten zu Unrecht beanspruche, da sich aus den Prioritätsdokumenten keine unmittelbare und eindeutige Offenbarung für den Bestandteil des Merkmals (g) des Anspruchs 1 gebe, wonach die Schritte (c) bis (f) „ohne Unterbrechung der Akquirierung von Daten“ wiederholt würden.
Jedoch ist auf Seite 11, erster Absatz der am 9. Juni 2000 eingereichten Prioritätsschrift HLNK11a unter Bezugnahme auf die Figuren 3 und 5 offenbart, dass die Spektren kontinuierlich bei unterschiedlichen Kollisionsspannungen aufgenommen werden, was für den Fachmann gleichbedeutend damit ist, dass die Kollisionsspannungen ohne Unterbrechung der Akquirierung von Daten geändert werden, vgl. Seite 11, erster Absatz:
„An alternative method of operation is, as previously stated, continuously to acquire spectra at different collision voltages. A particularly preferred example is to acquire, spectra at high and low collision voltages alternately, which was in fact the method used in acquiring the spectra shown in Figures 3a and 3b. When the method is used to analyse the output of an on-line process such as liquid chromatography, this method is particularly useful as alternate spectra thus correspond to substantially the same composition of sample eluting from the Chromatograph. This leads to a further method of parent / daughter correlation, illustrated in Figures 4a - 4e and Figure 5.“
Dabei bezieht sich dieses alternative Verfahren auf das in Anspruch 2 der HLNK11a erläuterte Massenspektrometrieverfahren:
„2) A method of tandem mass spectroscopy comprising the steps of:-
g) ionising a sample to generate a population of sample ions;
h) admitting said sample ions into a fragmentation means, said fragmentation means being switchable between at least a first mode wherein at least some of said ions undergo fragmentation to produce daughter ions and a second mode wherein substantially fewer or no ions undergo such fragmentation;
i) passing the ions exiting the fragmentation means into a discontinuous output mass analyzer, and obtaining a mass spectrum thereof;
characterised in that the fragmentation means is repetitively switched between at least the said first and second modes so that mass spectra are repetitively obtained at least in the first mode of ions that have undergone fragmentation (“daughter ion spectra") and in the second mode of ions that have undergone substantially less or no fragmentation (“parent ion spectra”).”
Daher ist das Merkmal „ohne Unterbrechung der Akquirierung von Daten“ der Voranmeldung HLNK11a entnehmbar und die Priorität der Voranmeldung durch das Streitpatent wirksam beansprucht.
2. Die Vorrichtung gemäß dem beschränkten Anspruch 51 nach Hauptantrag ist nicht patentfähig, weil sie dem Fachmann durch die Druckschrift HLNK16 nahegelegt ist.
Die auf die Patentinhaberin zurückgehende Druckschrift HLNK16 mit dem Titel „Methods and apparatus for tandem mass spectrometry“ beschreibt in der nachfolgend wiedergegebenen Fig. 1
und der zugehörigen Beschreibung in den Abs. [0027] bis [0030] ein sog. Hybrid-Tandem-Massenspektrometer mit:
- einer Ionenquelle (ionization source 1) zum Einbringen von Ionen in eine erste Vakuumkammer (first evacuated chamber 6),
- einem Ionenleiter (hexapole ion guide 8) in einer zweiten Vakuumkammer (second evacuated chamber 7),
- einer daran anschließenden dritten Vakuumkammer (third evacuated chamber 9), in der sich ein Quadrupol-Massenfilter (quadrupole mass filter 2) und eine Kollisionszelle mit einer im Wesentlichen gasdichten Umhausung befinden (fragmentation means 3; hexapole ion guide 10; substantially gas-tight casing 11; collision gas such as helium, argon, nitrogen or methane; power supply 22),
- einem Massenspektrometer (time-of-flight mass analyzer 16) mit einem Detektor (detector 18),
- und einem Steuerungssystem (control system 19), das u. a. der Ansteuerung der Stromversorgung (power supplies 20-23) der einzelnen Bestandteile des Massenspektrometers dient und wiederum von einem Computer (computer 24) gesteuert wird, der gleichzeitig der Auswertung der gemessenen Spektren dient (process mass spectral data).
In Abs. [0010] der Druckschrift HLNK16 wird unter Berücksichtigung von Fig. 1 ein zugehöriges Massenspektrometrieverfahren beschrieben, das in den Abs. [0018] und [0019] anhand zweier Ausführungsbeispiele näher erläutert ist. Demnach werden in einem Schritt (a) mittels der Ionenquelle (1) zunächst Ausgangsionen bereitgestellt, die in einem Schritt (b) durch die Ionenführung (8) und den als Bandpass wirkenden Massenfilter (2) geleitet werden, wobei sich zwangsläufig eine Zwischenkammeröffnung zwischen den beiden Vakuumkammern (7, 8) für die Ionenführung und den Massenfilter befinden muss. Dabei ist der Bandpass bspw. auf eine Bandbreite von 25u eingestellt, so dass nur Ionen mit einem -Verhältnis von bspw. 301u bis 325u durchgelassen und nachfolgend in Schritt (c) in der Kollisionszelle (3) zumindest teilweise zu Tochterionen fragmentiert werden, vgl. dazu Abs. [0019]. Folglich befindet sich in diesem ersten Fragmentierungsmodus eine Vielzahl von Ausgangsionen mit unterschiedlichen Masse-Ladungswerten gleichzeitig in der Kollisionszelle, vgl. die Verwendung des Plurals „mass-to-charge ratios“ in Merkmal b). Im Verständnis des Streitpatents erfolgt somit keine Massefilterung, da ja eine Vielzahl von Ausgangsionen mit unterschiedlichen Masse-Ladungswerten gleichzeitig in der Kollisionszelle anwesend ist. Mittels des Flugzeit-Massenspektrometers werden dann in Schritt (d) die gebildeten Ionen massenspektrometrisch analysiert. Werden dabei interessante Tochterionen detektiert, wird dieser Massebereich, bspw. der Bereich 301u bis 325u, als relevant gekennzeichnet. Diese Schritte werden gemäß Verfahrensschritt (e) mit unterschiedlichen Massenfilterbereichen wiederholt, bspw. für die -Verhältnisse 326u bis 350u, 351u bis 375u, 376u bis 400u, …, 2276u bis 2300u. Nachfolgend werden in Schritt (f) die Ionen der als relevant gekennzeichneten Massebereiche, bspw. der Bereich 326u bis 350u, mit einer feineren Massefilterung von bspw. 5u der Kollisionszelle zugeführt, dort fragmentiert und in Schritt (g) mittels des Flugzeit-Massenspektrometers analysiert. Ähnlich wie in Verfahrensschritt (e) werden auch diese Schritte mit unterschiedlichen Massenfilterbereichen wiederholt, d. h. für die -Verhältnisse 326u bis 330u, 331u bis 335u, …346 bis 350u. Während somit im ersten Fragmentierungsmodus Ionen einer -Bandbreite von 25u gleichzeitig in der Kollisionszelle anwesend sind und fragmentiert werden, sind im zweiten Fragmentierungsmodus Ionen einer -Bandbreite von lediglich 5u gleichzeitig in der Kollisionszelle anwesend, so dass im zweiten Fragmentierungsmodus auch nur weniger Ionen fragmentiert werden. Der erste Fragmentierungsmodus stellt somit einen Hochfragmentierungsmodus dar und der zweite Fragmentierungsmodus einen Niederfragmentierungsmodus.
Insbesondere offenbaren diese Fundstellen der Druckschrift HLNK16 mit den Worten des Anspruchs 51 nach Hauptantrag
a mass spectrometer (vgl. den Titel) comprising:
(a) an ion source (ionization source 1);
(b) an ion guide (hexapole ion guide 8);
(c) a vacuum chamber (third evacuated chamber 9);
(d) an interchamber orifice between the ion guide (8) and vacuum chamber (9) via which ions pass in use from the ion guide (8) into the vacuum chamber (9) (diese in Fig. 1 nicht dargestellte Zwischenkammeröffnung zwischen der zweiten und dritten Vakuumkammer muss zwangsläufig vorhanden sein, da ansonsten keine Ionen zugeführt werden könnten) ;
(e) a collision cell (fragmentation means 3; hexapole ion guide 10; substantially gas-tight casing 11) which receives ions after they have passed into the vacuum chamber (9), the collision cell (3) forming a substantially gas tight enclosure (11);
(f) the mass spectrometer operable without mass filtering said ions (vgl. obige Ausführungen bzgl. der Einstellung des Massenfilters auf eine Bandbreite von 25u. Darüber hinaus lassen sich die Spannungen am ersten Quadrupol-Massenfilter 2 mittels des Steuerungssystems einstellen, woraus folgt, dass dieser mit und ohne Gleichspannung und nur mit HF-Spannung betreibbar ist, so dass er dann lediglich als Ionenführung dient.)
(g) the collision cell (fragmentation means 3; hexapole ion guide 10; substantially gas-tight casing 11) operable in a first mode wherein at least a portion of said unfiltered ions are fragmented to produce daughter ions associated with multiple parent ions of different mass to charge values and a second mode wherein substantially less ions are fragmented; and (vgl. obige Ausführungen bzgl. des Massenspektrometrieverfahrens der HLNK16. Darüber hinaus lassen sich die Spannungen am Hexapol 10 mittels des Steuerungssystems einstellen, woraus folgt, dass das Fragmentierungsmittel in Nieder- und Hochfragmentierungsmodi betreibbar ist.)
(h) a mass analyser (time-of-flight mass analyzer 16),
(i’) a control system (control system 19).
Somit ist aus Druckschrift HLNK16 ein Massenspektrometer bekannt, das bis auf die Angabe in Merkmal (i), wonach die Kollisionszelle bei der Verwendung des Steuerungssystems wiederholt zwischen dem ersten und dem zweiten Modus hin und her schaltet, ohne die Akquirierung von Daten zu unterbrechen, sämtliche Merkmale des Anspruchs 51 nach Hauptantrag aufweist.
Dieses verbleibende Merkmal wird dem Fachmann jedoch durch Druckschrift HLNK16 nahegelegt. Denn wie in deren Abs. [0009] und [0010] ausgeführt, ermöglicht dieses Massenspektrometer die Durchführung effizienter Massenspektrometrieverfahren von Tochter- und Stammionen. Wie in den Abs. [0025] und [0030] weiter erläutert, weist das Massenspektrometer dazu ein Steuerungssystem (19) und einen Computer (24) auf, mittels derer sich die zur Durchführung der beabsichtigten Verfahren nötige Abfolge von Spannungen an den jeweiligen Bestandteilen des Massenspektrometers, insbesondere an den Elektroden des Massenfilters 2 und der Kollisionszelle 3, steuern lässt (vgl. Abs. [0025]: „The control means may comprise a suitably programmed computer which controls power supplies connected to electrodes comprised in apparatus according to the invention to provide the sequence of voltages necessary for the methods to be carried out. Preferably also the control means incorporates means for storing mass spectra generated by the discontinuous output mass analyzer and for displaying them when required by an operator.“). Bei dieser Abfolge von unterschiedlichen Spannungen an den Elektroden des Spektrometers, welche im Falle der Elektroden der Kollisionszelle mit unterschiedlich starken Fragmentierungen einhergehen, eine kontinuierliche Datenaufzeichnung vorzusehen, ist für den Fachmann ein naheliegendes Vorgehen, denn eine Unterbrechung der Datenaufzeichnung würde auf Kosten der Effizienz gehen, deren Steigerung aber gerade im Vordergrund der HLNK16 steht.
Das Massenspektrometer des Anspruchs 51 nach Hauptantrag ergibt sich daher für den Fachmann in naheliegender Weise aus der Druckschrift HLNK16.
3. Die Gegenstände der unabhängigen Vorrichtungsansprüche 48 bzw. 51 der Hilfsanträge 1 bis 4 sind nicht patentfähig, weil sie dem Fachmann durch die Druckschrift HLNK16 in Verbindung mit der Druckschrift HLNK24 und seinem Fachwissen nahegelegt werden.
Im Folgenden wird hinsichtlich der Frage der Patentfähigkeit auf die Vorrichtung des Anspruchs 48 nach Hilfsantrag 3 eingegangen, da diese sämtliche Merkmale der Vorrichtungen der unabhängigen Ansprüche 48 bzw. 51 der Hilfsanträge 1, 2 und 4 umfasst.
Bei der Vorrichtung nach Anspruch 48 des Hilfsantrags 3 ist gegenüber der nach Anspruch 51 des Hauptantrags eine Präzisierung in den Merkmalen (a), (b) und (h) dahingehend erfolgt, dass die Vorrichtung einen Chromatographen umfasst, aus dem die Substanzen dem Massenspektrometer zugeleitet werden, dass die Ionenführung bspw. einen Hexapol aufweist und dass der Massenanalysator ein Flugzeit-Massenspektrometer ist. Zusätzlich ist das Merkmal (j) angefügt worden, wonach der Computer mit einer automatischen Ionenpeak-Auswertesoftware ausgestattet ist, mit der eine Kreuzkorrelation von Tochter- und Stammionen durchgeführt werden kann, indem in den aufgenommenen Chromatogrammen Stamm- und Tochterionenpeaks miteinander verglichen werden, um die Tochter- und Stammionen basierend auf den relativen Eluatzeiten einander zuzuordnen, vgl. diesbezüglich auch die Fig. 4 und 5 des Streitpatents.
Wie zum Hauptantrag bereits ausgeführt wurde, weist das in der Druckschrift HLNK16 beschriebene Hybrid-Tandem-Massenspektrometer einen Hexapol (8) als Ionenführung und ein Flugzeit-Massenspektrometer (16) als Massenanalysator auf, so dass die entsprechenden Zusatzangaben in den Merkmalen (b) und (h) keine Patentfähigkeit begründen können.
Die weitere Konkretisierung, wonach die Vorrichtung einen Chromatographen umfasst, aus dem die Substanzen dem Massenspektrometer zugeleitet werden, entnimmt der Fachmann in naheliegender Weise ebenfalls der Druckschrift HLNK16. Denn gemäß Abs. [0027] sollen mit dem dort offenbarten Massenspektrometer insbesondere biologische Proben untersucht werden. Solche komplexen Mischungen werden aber üblicherweise chromatograpisch dem Massenspektrometer zugeleitet, worauf bereits in dem von der Patentinhaberin als Beleg für das Fachwissen vorgelegten Übersichtsartikel W1 hingewiesen wird, vgl. deren Seite 136, linke Spalte, dritter Absatz. Dass die Kombination des Hybrid-Tandem-Massenspektrometers der Druckschrift HLNK16 mit einem Chromatographen insbesondere bei komplexen Proben eine übliche Maßnahme darstellt, ist darüber hinaus auch durch die Druckschrift HLN24 belegt, in der Massenspektrometrieverfahren an einem solchen Hybrid-Tandem-Massenspektrometer (Q-TOF) beschrieben werden, wobei die Proben chromatograpisch mittels HPLC (High Performance Liquid Chromatography, Hochleistungsflüssigkeitschromatographie) in die Ionenquelle eingebracht werden, vgl. deren Seite 121, Kapitel 2.4.: „All experiments were performed on a Micromass Q-TOF mass spectrometer (Micromass, Altrincham, UK), equipped with both a nebulized nanospray electrospray source (Fig. 2), a nanospray electrospray source for use with nanovials, and MassLynx software. […] Sample introduction can be either by flow injection analysis or by packed capillary HPLC.“.
Auch das weitere Zusatzmerkmal (j) betreffend den Computer und die Auswertesoftware ergibt sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus den Druckschriften HLNK16 und HLNK24. So weist die in Druckschrift HLNK16 beschriebene Vorrichtung einen Computer (24) zur Steuerung des Spektrometers und zur Datenaufzeichnung und –weiterverarbeitung auf, vgl. die bereits angeführte Fundstelle in Abs. [0025] sowie die Ausführungen in Abs. [0030]: „ […] The control means 19 is itself controlled by signals from a computer 24 which is also used to process mass spectral data acquired from a signal conditioner 25 which receives signals from the detector 18. The conditioner 25 also enables the computer 24 to display and store mass spectra produced from the analyzer 16 and to receive and process commands from an operator for setting up the methods described below.”
Zudem wird in Druckschrift HLNK24, vgl. deren Seite 120, rechte Spalte ab Zeile 8, hervorgehoben, dass ein solches Hybrid-Tandem-Massenspektrometer über eine Software zur Durchführung automatisierter Scans bei unterschiedlichen Messbedingen verfügt und dass der Vorteil eines Hybrid-Tandem-Massenspektrometers darin bestehe, zunächst eine Vielzahl kompletter Massenspektren von Stamm- und Tochterionen aufnehmen zu können und erst in einem späteren Schritt die Auswertung der Spektren und die Zuordnung der Tochterionen durchführen zu müssen (A major potential advantage, however, is that full scan MS–MS spectra are acquired of all ions covered by the mass range scanned by MS1, including immonium ions and ions resulting from sequence-specific fragmentations. Thus, the second experiment of obtaining the full scan MS–MS spectrum of ions of interest may not be necessitated, and the data set can be probed at a later date, even after several months or years, for a different set of specific fragment ions. […] With the recent availability of a hybrid Q-TOF mass spectrometer and of software capable of carrying out automated precursor scans, […].)
Folglich entnimmt der Fachmann den Druckschriften HLNK16 und HLNK24 in naheliegender Weise auch das Merkmal (j). Denn der Zweck der Kombination einer HPLC mit einem Q-TOF, wie in Druckschrift HLNK24, besteht ja gerade darin, mittels der chromatographischen Säule eine Vorabtrennung des Probenmaterials durchzuführen und dieses dann kontinuierlich dem Massenspektrometer zuzuführen, wo es nach der Ionisierung massenspektrometrisch untersucht wird, indem nacheinander eine Vielzahl von Massenspektren bei unterschiedlichen Bedingungen aufgenommen wird und eine Analyse dieser Spektren dahingehend erfolgt, dass die Stammionen den in der Kollisionszelle gebildeten Tochterionen zugeordnet werden. Dabei erfolgt diese Zuordnung bzw. Kreuz-Korrelation von Tochter- und Stammionen zwangsläufig über eine Analyse der Ionenpeaks in den Spektren, denn wo keine Peaks in den Spektren sind, wurde auch keine relevante Ionenanzahl gemessen. Diese Peak-Analyse mittels eines Computerprogramms automatisiert durchzuführen ist eine typische Auswertemethode, die der Fachmann zudem in naheliegender Weise der HLNK24 entnimmt, da dort bereits auf automatisierte Messungen verwiesen wird, vgl. obige Fundstelle.
Dementsprechend sind die Gegenstände der unabhängigen Ansprüche 48 der Hilfsanträge 1 bis 3 und der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 51 des Hilfsantrags 4 dem Fachmann durch die Druckschrift HLNK16 in Verbindung mit der Druckschrift HLNK24 und seinem Fachwissen nahegelegt.
4. Das Massenspektrometrieverfahren des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 5 ist nicht patentfähig, weil es dem Fachmann durch die Druckschrift HLNK16 in Verbindung mit der Druckschrift HLNK6 und seinem Fachwissen nahegelegt wird.
Unter Punkt 2 wurde bereits zum Hauptantrag ausgeführt, dass die Druckschrift HLNK16 in Fig. 1 sowie in den Abs. [0010] und [0027] bis [0030] mit den Worten des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 5 in allgemeiner Form ein Massenspektrometrieverfahren mit den Merkmalen (a) und (b) dieses Anspruchs offenbart, d. h.:
A method of mass spectrometry comprising the steps of:
(a) providing an ion source (ionization source 1) for generating ions, transmitting ions by an ion guide (hexapole ion guide 8) and passing ions from the ion guide (8) via an interchamber orifice into a vacuum chamber (third evacuated chamber 9), and then
(b) passing said ions having multiple different mass to charge values to a fragmentation means comprising a collision cell (fragmentation means 3; hexapole ion guide 10; substantially gas-tight casing 11) forming a substantially gas-tight enclosure (11) into which a collision gas (collision gas such as helium, argon, nitrogen or methane) has been introduced;
Zusätzlich ist in der Beschreibungseinleitung der HLNK16, insbesondere in Abs. [0006] dargelegt, dass statt konventioneller Massenspektrometer die zum damaligen Zeitpunkt relativ neuen Hybrid-Tandem-Flugzeit-Massenspektrometer aufgrund ihrer hohen Effizienz verstärkt für massenspektrometrische Analysemethoden eingesetzt wurden. Dies gibt dem Fachmann somit die Anregung, das in Druckschrift HLNK16 offenbarte Hybrid-Tandem-Flugzeit-Massenspektrometer auch für bisher an konventionellen Massenspektrometern durchgeführte Analyseverfahren einzusetzen.
Ein solches stellt bspw. die in Druckschrift HLNK6 beschriebene Analysemethode dar.
Wie im Abstract und der einleitenden Beschreibung dieser Druckschrift ausgeführt, steht dort im Vordergrund, ein Massenspektrometrieverfahren zur Verfügung zu stellen, mit dem ohne aufwendige Probenpräparation und in automatisierten Verfahren Massenspektren von Tochter- und Stammionen von Erkältungsmitteln aufgezeichnet werden können, die sich – trotz unterschiedlicher Ionenstabilitäten der untersuchten Substanzen hinsichtlich der einzubringenden Kollisionsenergie – gut mit Spektrenbibliotheken abgleichen lassen. Dabei geht die Druckschrift davon aus, dass in der Vielzahl von Erkältungsmitteln nur ca. 12 verschiedene Wirkstoffe in unterschiedlichen Mischungen und Dosierungen eingesetzt werden, und dass mit dem vorgeschlagenen Verfahren eine automatisierte Bestimmung dieser aktiven Komponenten ermöglicht werden soll. Dazu werden sowohl die einzelnen Wirkstoffe als auch Mischungen dieser Wirkstoffe enthaltende Erkältungsmittel massenspektrometrisch untersucht, indem sie mittels Flüssigkeitschromatographie dem Massenspektrometer zugeführt werden und die einzelnen Spektren zur Kompensation unterschiedlicher Ionenstabilitäten abwechselnd mit Fragmentierung (-20 eV, -30 eV, -40 eV) und ohne Fragmentierung (0 eV) aufgenommen werden, vgl. Seite 1271, rechte Spalte bis Seite 1273, rechte Spalte, erster Absatz. Dabei zeigen die nicht vollständig aufgelösten Chromatographiepeaks „f“ und „g“ in Fig. 2, dass eine Vielzahl von Ausgangsionen mit unterschiedlichen Masse-Ladungs-Werten bei den unterschiedlichen Fragmentierungsenergien gleichzeitig in der Kollisionszelle anwesend ist.
Weiter ist in der Beschreibungseinleitung der HLNK16 angegeben, dass es der Einsatz der „atmospheric pressure ionization“ (API) – die in gleicher Weise in der HLNK16 eingesetzt wird, vgl. deren Abs. [0025] – ermöglicht habe, „high-performance liquid chromotography“ (HPLC)-Systeme direkt an ein Massenspektrometer zu koppeln und so auch komplexe Ausgangsmaterialien zu untersuchen, dass aber die „API“-Technik eine Ionisierungstechnik darstelle, bei der so gut wie keine Fragmentionen der Ausgangsionen erzeugt würden, so dass mit dieser Technik keine Stoffidentifikationsuntersuchungen durchgeführt werden könnten, denn dazu sei die Erzeugung und gegenseitige Zuordnung von Stamm- und Tochterionen nötig, vgl. in der HLNK6 vor allem Seite 1270, linke Spalte, erster Absatz bis rechte Spalte, zweiter Absatz. Um trotzdem bei vorhandenen Standard-Massenspektrometern eine kontrollierte Fragmentierung durchführen zu können, wird in der HLNK6 ein Standard-Massenspektrometer ohne gesonderte Kollisionszelle mit einer sogenannten „Finnigan-API source“ versehen, bei dem die von der Ionenquelle erzeugten Ionen in einem der Elektrospray-Ionenquelle nachgeordneten Oktupol durch Kollision mit den Atomen/Molekülen eines Kollisionsgases fragmentiert werden (CID = Collision induced dissiciation), vgl. die Seite 1270, rechte Spalte, zweiter Abs. in Verbindung mit der Fig. 1, sowie S. 1272, linke Spalte, zweiter Abs. und rechte Spalte, vollständiger Absatz. Der Oktupol ist hier mit der Ionenquelle zusammen in einer Einheit angeordnet, wobei das Vakuum in dem Bestandteil mit dem Oktupol jedoch getrennt von dem Vakuum in der vorhergehenden Anordnung erzeugt wird, da für die Erzeugung von Kollisionsbedingungen in diesem Abschnitt andere Vakuumverhältnisse als in der übrigen Anordnung eingestellt werden müssen. Dabei wird auf Seite 1272, rechte Spalte angegeben, dass der Oktupol als besonders effektive Kollisionsanordnung wirkt, wenn die Spannung an ihm erhöht wird.
Der Fachmann entnimmt der Druckschrift somit die Lehre, dass für Untersuchungen komplexer Ausgangsmaterialien, die flüssigkeitschromatographisch zur Verfügung gestellt werden und bei denen Untersuchungen zur Stoffidentifikation durchgeführt werden sollen, in jedem Fall eine zusätzliche Fragmentierung in einer gesonderten Kollisionszelle zwecks Bestimmung von Stamm- und zugehörigen Tochterionen erfolgen muss, und dass sich der Einfluss der unterschiedlichen Ionisierungsenergien durch die abwechselnde Aufnahme bei unterschiedlichen Kollisionsenergien kompensieren lässt.
Da dem Fachmann mit der Vorrichtung der HLNK16 bereits ein für einen Fragmentierungsbetrieb ausgelegtes Massenspektrometer mit einer kontrolliert steuerbaren Kollisionszelle für effiziente Untersuchungen zur Verfügung steht, verwendet er beim Nacharbeiten des Verfahrens aus der HLNK6 die bereits vorhandene Kollisionszelle der HLNK16 als Fragmentierungsmittel, da er ansonsten die API durch eine Finnigan API ersetzen und in nachteiliger Weise das Massenspektrometer entsprechend umbauen müsste.
Bei der Durchführung des in der Druckschrift HLNK6 beschriebenen Verfahrens auf dem Massenspektrometer der HLNK16 ergibt sich somit in den Worten des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 5 das folgende Massenspektrometrieverfahren:
A method of mass spectrometry comprising the steps of:
(a) providing an ion source (ionization source 1 / vgl. HLNK16) for generating ions, transmitting ions by an ion guide (hexapole ion guide 8 / vgl. HLNK16) and passing ions from the ion guide (8 / vgl. HLNK16) via an interchamber orifice into a vacuum chamber (third evacuated chamber 9 / vgl. HLNK16), and then
(b) passing said ions having multiple different mass to charge values to a fragmentation means comprising a collision cell (fragmentation means 3; hexapole ion guide 10; substantially gas-tight casing 11 / vgl. HLNK16) forming a substantially gas-tight enclosure (11) into which a collision gas (collision gas such as helium, argon, nitrogen or methane / vgl. HLNK16) has been introduced;
(c) operating said fragmentation means in a first mode wherein at least a portion of said ions are fragmented to produce daughter ions associated with multiple parent ions of different mass to charge values which are simultaneously present in the collision cell in the first mode (vgl. in HLNK6 die Fragmentierung von dextromethorphan und cyclizine (Peaks f und g in den Spektren der HLNK6) bei Kollisionsenergien von 20eV, 30eV und 40eV);
(d) recording a mass spectrum of ions emerging from said fragmentation means operating in said first mode as a high fragmentation mass spectrum with multiple peaks mode (Kollisionsenergien von 20 eV, 30 eV und 40 eV gemäß HLNK6)
(e) switching said fragmentation means to operate in a second mode wherein substantially less ions are fragmented (vgl. in HLNK6 die Spektren von dextromethorphan und cyclizine (Peaks f und g in den Spektren der HLNK6) ohne Fragmentierung bei einer Kollisionsenergie 0eV);
(f) recording a mass spectrum of ions emerging from said fragmentation means operating in said second mode as a low fragmentation mass spectrum with multiple peaks (Kollisionsenergie von 0eV); and
(g) repeating steps (c)-(f) a plurality of times without interrupting the acquisition of data (vgl. in HLNK6 Seite 1272, rechte Spalte, letzter Satz bis Seite 1273, rechte Spalte, erster Absatz: „Since different molecular ions have varying collisional stabilities, it was found that rotating the energy of the APICID on alternate scans and averaging the spectra across the chromatographic peak produces composite spectra most suitable for library building. APICID voltages of 0 eV, -20 eV, -30 eV, and -40 eV on alternate scans produced good fragmentation for all the analytes. The data system allows filtering of chromatograms with APICID, so that the chromatogram without APICID can be made available for quantitation using the molecular ion if required. The composite CID spectra are shown in Fig. 5.)“
Dass dabei ohne enge Massenfilterung im Quadrupol-Massenfilter gemessen wird, ergibt sich beim Nacharbeiten des Verfahrens der HLNK6 bereits daraus, dass auch bei dem in HLNK6 beschriebenen Verfahren keine Massenfilterung durchgeführt wird. Dass zudem die Schritte ohne Unterbrechung der Akquirierung von Daten mehrmals wiederholt werden, d. h. dass die Daten kontinuierlich aufgenommen werden, ergibt sich bereits aus der Effizienzvorgabe in HLNK16, wie zum Hauptantrag ausgeführt, und der Tatsache, dass die Flüssigkeitschromatographie kontinuierlich neue Ionen nachliefert, ohne dass deren zeitliche Abfolge im Voraus bekannt wäre.
Das Massenspektrometrieverfahren des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 5 ergibt sich daher für den Fachmann in naheliegender Weise aus der Druckschrift HLNK16 in Verbindung mit der HLNK6 und seinem Fachwissen.
5. Die Massenspektrometrieverfahren der Ansprüche 1 nach den Hilfsanträgen 6 bis 10 sind nicht patentfähig, weil sie dem Fachmann durch die Druckschrift HLNK16 in Verbindung mit der Druckschrift HLNK6 und seinem Fachwissen nahegelegt werden.
Im Folgenden wird hinsichtlich der Frage der Patentfähigkeit auf das Verfahren des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 10 eingegangen, da dieses sämtliche Merkmale der Verfahren nach den Ansprüchen 1 der Hilfsanträge 6 bis 10 umfasst.
Bei dem Verfahren des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 10 ist – ähnlich wie bei der Vorrichtung nach Hauptantrag 3 – eine Präzisierung in den Merkmalen (a), (c), (d) und (f) dahingehend erfolgt, dass die Substanzen dem Massenspektrometer mittels Flüssigkeitschromatographie zugeleitet werden, dass die Ionenführung bspw. über einen Hexapol erfolgt, dass die gemessenen Tochterionen Fragmentionen der zugeführten Stammionen sind, und dass die Spektren mittels eines Flugzeit-Massenspektrometer aufgenommen werden. Zusätzlich ist das Merkmal (g) konkretisiert, indem angegeben ist, dass die Verfahrensschritte (c) bis (f) so wiederholt werden, dass sequentielle Hoch- und Niederfragmentierungs-Massenspektren aufgenommen werden, dass für alle Tochter- und Stammionen Massenchromatogramme aufgezeichnet werden und dass eine Kreuzkorrelation von Tochter- und Stammionen erfolgt, indem mit einer auf einem Computer laufenden automatischen Ionenpeak-Auswertesoftware die Tochter- und Stammionenpeaks verglichen werden, um die Tochter- und Stammionen – basierend auf einem Kurvenfit ihrer relativen Eluatzeiten – einander zuzuordnen.
Wie bereits ausgeführt wurde, weist das in der Druckschrift HLNK16 beschriebene Hybrid-Tandem-Massenspektrometer einen Hexapol (8) als Ionenführung und ein Flugzeit-Massenspektrometer (16) als Massenanalysator auf. Zudem erfolgt die Zuleitung der Substanzen bei dem Verfahren der HLNK6 über HPLC, so dass der Fachmann bei der Durchführung des in HLNK6 beschriebenen Verfahrens auf der in HLNK16 beschriebenen Vorrichtung die Substanzen ebenfalls mittels Flüssigkeitschromatographie zuleitet, insbesondere da dies ein Standardverfahren für komplexe Substanzen darstellt, wie schon mehrfach belegt wurde. Da bei einer solchen Verfahrensdurchführung die Stammionen in der Kollisionszelle der HLNK16 in Tochterionen fragmentiert werden und die Hoch- und Niederfragmentierungsspektren mit dem Flugzeit-Massenspektrometer aufgenommen werden, können die Zusatzangaben in den Merkmalen (a), (c), (d) und (f) folglich keine Patentfähigkeit begründen.
Auch die weiteren Beschränkungen in Merkmal (g) entnimmt der Fachmann den Druckschriften HLNK6 und HLNK16 in Verbindung mit seinem Fachwissen.
So wurde im Zusammenhang mit Hilfsantrag 5 die Fundstelle in HLNK6 Seite 1272, rechte Spalte, letzter Satz bis Seite 1273, rechte Spalte, erster Absatz zitiert, wonach sequentiell Hochfragmentierungsspektren bei Kollisionsenergien von 20 eV, 30 eV und 40 eV sowie Niederfragmentierungsspektren bei 0eV aufgenommen werden.
Zudem werden mit einem Flugzeit-Massenspektrometer in sehr kurzer Zeit komplette Massenspektren aufgenommen, vgl. insbesondere die erste Hälfte von Abs. [0005] der HLNK16. In Kombination mit der HPLC werden somit sequentiell, d. h. in Abhängigkeit von der Eluatzeit, zahlreiche Komplettspektren bei unterschiedlichen Kollisionsenergien aufgenommen und die Daten abgespeichert. Jedes Spektrum ist somit einer Eluatzeit und einer Kollisionsenergie zugeordnet. Wie ebenfalls in Druckschrift HLNK16 beschrieben, vgl. deren Abs. [0030], ist der Computer dazu ausgestattet, die gemessenen Spektren weiter zu verarbeiten, d. h. auszuwerten. Eine solche Auswertung umfasst standardmäßig die Generierung von Chromatogrammen mittels automatischer Ionenpeak-Vergleichssoftware, da sich dadurch die Tochter- und Stammionen einander zuordnen lassen, was ja erst die gewünschte Stoffidentifikation ermöglicht, vgl. wiederum die Ausführungen zu Hilfsantrag 5 und bspw. in Druckschrift HLNK6 die Seite 1270, rechte Spalte, zweiter Absatz, letzter Satz: „Automated searching of peaks […].“ sowie die Chromatogramme in deren Figuren 4 und 7. Insbesondere besteht ein solches Chromatogramm lediglich darin, dass aus dem aufgenommenen Datensatz ein oder mehrere -Peaks des jeweiligen Massenspektrums herausgegriffen und deren Stärke in Abhängigkeit von der Eluatzeit aufgetragen werden. Im Fall des Verfahrens der HLNK6 generiert der Fachmann folglich mittels der Software aus den jeweiligen Ionenpeaks der Nieder- und Hochfragmentierungsspektren Chromatogramme, um Tochter- und Stammionen einander zuordnen und eine entsprechende Kreuzkorrelation durchführen zu können, was er gemäß den einleitenden Ausführungen der HLNK6 für die gewünschte Stoffidentifikation benötigt. Dabei ist es eine Selbstverständlichkeit, dass bei dieser Zuordnung der jeweilige zeitliche Zusammenhang von Tochter- und Stammionen angibt, welche Tochterionen zu welchen Stammionen gehörig sind, so dass bei den im Rahmen der Auswertung vorzunehmenden Kurvenfits die jeweiligen Eluatzeiten zu berücksichtigen sind.
Die Beklagte hat dazu in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass es nicht naheliegend sei, das Massenspektrometrieverfahren der HLNK6 mit der Vorrichtung der HLNK16 durchzuführen, denn aus keiner der beiden Druckschriften erhalte der Fachmann eine diesbezügliche Anregung. Selbst wenn der Fachmann trotz dieser fehlenden Anregung beide Druckschriften in dieser Hinsicht miteinander kombiniere, würde er im Gegensatz zum beanspruchten Verfahren den Massenfilter (2) der in HLNK16 beschriebenen Vorrichtung auch zur Massenfilterung einsetzen, um aussagekräftige Spektren zu erhalten, so dass in diesem Fall die Merkmale (b) und (g) hinsichtlich der Vorgabe, dass eine Vielzahl von Ausgangsionen mit unterschiedlichen Masse-Ladungs-Werten gleichzeitig in der Kollisionszelle in dem ersten Modus anwesend sind, nicht erfüllt seien. Darüber hinaus würden die in Merkmal (g) aufgenommenen Zusatzmerkmale auch eine andere Art der Auswertung beschreiben als die im Verfahren der HLNK6 beschriebene, denn während anspruchsgemäß die Identifizierung über einen Chromatogrammvergleich erfolge, geschehe dies bei dem Verfahren der HLNK6 mittels eines Spektrenvergleichs, wobei dort der Chromatogrammvergleich lediglich der Quantifizierung der Stoffe diene. Eine entsprechende Abänderung des Verfahrens sei für den Fachmann auch nicht naheliegend.
Diesen Ausführungen konnte sich der Senat jedoch nicht anschließen.
So ist der Beschreibungseinleitung der HLNK16, insbesondere Abs. [0006] zu entnehmen, dass aufgrund ihrer hohen Effizienz zunehmend Hybrid-Tandem-Flugzeit-Massenspektrometer statt konventioneller Massenspektrometer für massenspektrometrische Analysemethoden eingesetzt wurden. Somit ist bereits durch Druckschrift HLNK16 belegt, dass zum damaligen Zeitpunkt auch konventionelle massenspektrometrische Analysemethoden auf Hybrid-Tandem-Flugzeit-Massenspektrometer durchgeführt wurden, weshalb es naheliegend ist, dass ein über eine solche Vorrichtung verfügender Fachmann bzw. ein entsprechendes Team konventionelle Analyseverfahren auf dieser Vorrichtung durchführt und ggf. adaptiert. Auch aus der Tatsache, dass die Vorrichtung der HLNK16 über einen der Kollisionszelle vorgeschalteten Massenfilter verfügt, lässt sich nicht schließen, dass der Fachmann bei der Durchführung des in Druckschrift HLNK6 beschriebenen Verfahrens auf der Vorrichtung der HLNK16 eine sehr enge Massenfilterung vornimmt, denn zum einen erfolgt bereits bei dem nachzuarbeitenden Massenspektrometrieverfahren der HLNK6 keine Massenfilterung und zum anderen ist auch bei dem in der HLNK16 durchgeführten Massenspektrometrieverfahren der Massenfilter auf Filterbreiten von 25u und kleiner eingestellt, d. h. auch bei dem Massenspektrometrieverfahren der HLNK6 befindet sich eine Vielzahl von Ausgangsionen mit unterschiedlichen Masse-Ladungs-Werten gleichzeitig in der Kollisionszelle.
Der weitere Einwand betreffend Merkmal (g) greift ebenfalls nicht durch, denn wie bereits dargelegt, verfügt der Fachmann nach den Messungen über eine Vielzahl kompletter Massenspektren, bspw. im -Bereich von 20u bis 1000u, denen als Parameter wiederum die jeweilige Eluatzeit und Kollisionsenergie zugeordnet sind. Ausgehend von diesen Spektren können Stamm- und Tochterionen selbstverständlich nur dort vorhanden sein, wo ein Ionenpeak vorhanden ist, dessen Lage vorteilhafterweise automatisch mittels eines Computerprogramms bestimmt wird, wobei die zeitliche Abhängigkeit der jeweiligen Ionenpeaks von der Eluatzeit standardmäßig als Chromatogramm dargestellt wird. Um nun die einzelnen Ionenpeaks als Stamm- oder Tochterionenpeak identifizieren zu können, muss der Fachmann natürlich die Eluatzeiten berücksichtigen, da Tochterionen nur zu dem Eluatzeitpunkt vorhanden sein können, wenn eine Fragmentierung stattgefunden hat, also eine Kollisionsenergie größer 0 eV vorgelegen hat. Auch mit dem Merkmal (g) lässt sich daher keine erfinderische Tätigkeit begründen.
Daher ergeben sich die Massenspektrometrieverfahren der Ansprüche 1 nach den Hilfsanträgen 6 bis 10 für den Fachmann in naheliegender Weise aus der Druckschrift HLNK16 in Verbindung mit der HLNK6 und seinem Fachwissen.
III.
Mit den jeweiligen selbständigen Ansprüchen fallen auch die übrigen Ansprüche der Anträge. Indem die Beklagten erklärt haben, dass sie die Ansprüche in dem Hauptantrag und in den Hilfsanträgen als abgeschlossene Anspruchssätze betrachten und keine weiteren, auf bestimmte Unteransprüche oder Alternativ-Varianten des jeweiligen selbständigen Anspruchs gerichteten Hilfsanträge eingereicht haben, haben sie abschließend zum Ausdruck gebracht, dass sie das angegriffene Streitpatent nur in dieser Form insgesamt aufrechterhalten möchten. Weil keinem der gestellten Anträge entsprochen werden konnte, war das Patent vollumfänglich für nichtig zu erklären. Davon abgesehen weisen diese Unteransprüche auch keinen selbständig patentfähigen Gehalt auf.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 Satz 1 und 2 ZPO.