Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 03.03.2016


BPatG 03.03.2016 - 2 Ni 15/14 (EP)

Wirkungslosigkeit dieser Entscheidung Patentnichtigkeitsklagebeschwerdeverfahren – "Verfahren und Vorrichtung zum Aufbau einer Kundendaten beinhaltenden Datenbank und/oder zur Organisation eines Rabatt- bzw. Kuponsystems" – zu den formalen Voraussetzungen an die Klageschrift – Pflicht zur Angabe der ladungsfähigen Anschrift des Klägers - zum Einwand der Strohmanneigenschaft des Klägers – eine angebliche Geheimhaltungsvereinbarung entbindet die Beklagte nicht von Substantiierungspflicht


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
2. Senat
Entscheidungsdatum:
03.03.2016
Aktenzeichen:
2 Ni 15/14 (EP)
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
nachgehend BGH, 19. Juni 2018, Az: X ZR 41/16, Beschlussnachgehend BGH, 28. August 2018, Az: X ZR 41/16, Beschluss
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Verfahren und Vorrichtung zum Aufbau einer Kundendaten beinhaltenden Datenbank und/oder zur Organisation eines Rabatt- bzw. Kuponsystems

1. Aus der Obliegenheit zur Bezeichnung des Klägers in der Klageschrift gemäß § 81 Abs. 5 PatG folgt zugleich die Pflicht zur Angabe seiner ladungsfähigen Anschrift.

2. Der Einwand der Beklagten, der Kläger handele als Strohmann für einen Dritten, mit dem sie eine Nichtangriffsvereinbarung getroffen habe, ist nur zu berücksichtigen, wenn die Beklagte auch hinreichend substantiiert dazu vorgetragen hat, dass eine wirksame Nichtangriffsvereinbarung mit der Person (Hintermann) besteht, für die der Kläger als Strohmann auftritt.

3. Eine angebliche Geheimhaltungsvereinbarung mit dem Dritten entbindet die Beklagte nicht von dieser Substantiierungspflicht, da die Verteilung der Darlegungslast nicht durch individualrechtliche Vereinbarungen mit Dritten zu Lasten einer Prozesspartei verändert werden kann.

Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das europäische Patent 0 929 874

(DE 597 03 820)

hat der 2. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 3. März 2016 durch den Vorsitzenden Richter Guth, die Richterin Dr. Hoppe, die Richter Dipl.-Ing. Baumgardt, Dipl. Ing. Hoffmann und den Richter Dipl.-Phys. Dr. Forkel

für R e c h t erkannt:

I. Das europäische Patent 0 929 874 wird im Umfang seiner Ansprüche 1, 2, 3, 12, 17, 18, 23, 24 und 25 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.

II. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Mit seiner Klage begehrt der Kläger, der Patentanwalt in der als Partnerschaft eingetragenen Anwaltskanzlei “adares Patent- und Rechtsanwälte R…& Partner“ ist, die Nichtigerklärung des europäischen Patents 0 929 874 (im Folgenden: Streitpatent) im Umfang der Ansprüche 1, 2, 3, 12, 17, 18, 23, 24 und 25. Die Beklagte ist Inhaberin dieses am 2. Januar 1997 angemeldeten Patents, das auf die PCT-Anmeldung PCT/EP97/00005 zurückgeht, die als WO 98/15907 veröffentlicht worden ist, und für das die Priorität der deutschen Patentanmeldung DE 19641092 vom 4. Oktober 1996 in Anspruch genommen wird. Das in der Verfahrenssprache Deutsch mit der Bezeichnung „Verfahren und Vorrichtung zum Aufbau einer Kundendaten beinhaltenden Datenbank und/oder zur Organisation eines Rabatt- bzw. Kuponsystems“ abgefasste Streitpatent wird vom Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer DE 597 03 820 geführt.

2

Gegen das Patent waren in der Vergangenheit bereits verschiedene Nichtigkeitsklagen beim Bundespatentgericht anhängig und zwar: 2 Ni 30/13; 2 Ni 29/09; 2 Ni 49/07. Diese Verfahren wurden jeweils ohne ein abschließendes Urteil erledigt. Der Senat hat diese Akten beigezogen.

3

Das Streitpatent beinhaltet 34 Patentansprüche. Der Patentanspruch 1 ist auf ein „Verfahren zum Aufbau einer Kundendaten beinhaltenden Datenbank“ gerichtet. Die jeweiligen ihm nebengeordneten Patentansprüche 23, 25, 27 und 29 sind gerichtet auf die zugehörige „Verwendung einer gemäß Anspruch 1 bis 22 aufgebauten Datenbank“ (Patentansprüche 23, 25), eine „Vorrichtung zur Herstellung von im Rahmen des Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 bis 22 verwendbaren Produktverpackungen, Produktaufklebern und/oder Produktanhängern“ (Patentanspruch 27) und einen „Kassencomputer zur Verwendung in Verbindung mit einem Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 22“ (Patentanspruch 29). Die Patentansprüche 2 bis 22, 24 bis 26, 28 und 30 bis 34 sind Unteransprüche.

4

Der auf ein Verfahren gerichtete erteilte Patentanspruch 1 lautet:

5

„Verfahren zum Aufbau einer Kundendaten beinhaltenden Datenbank (3), bei dem an Kunden (14) zu verkaufende Produkte (21) oder an Kunden (14) beim Kauf von Produkten (21) oder Dienstleistungen ausgehändigte Belege (23) jeweils mit einem Code (22, 25) versehen werden und der Code (22, 25) vom Kunden (14) nach dem Erwerb des Produktes (21) bzw. der Dienstleistung mit den jeweiligen Kunden (14) kennzeichnenden Daten über ein Kommunikationsnetzwerk, insbesondere über Internet oder ein Telefonnetz an eine Datensammelstation (1) übermittelt werden,

6

dadurch gekennzeichnet,

7

daß der Code (22, 25) vor dem Erwerb des Produktes (21) bzw. der Dienstleistung ohne Mitwirkung des Kunden (14) in einem der Datensammelstation (1) zugeordneten Referenzspeicher (4) gespeichert wird, daß nach der durch den Kunden (14) vorgenommenen Übermittlung des Codes (22, 25) an die Datensammelstation (1) ein Vergleich dieses vom Kunden (14) übermittelten Codes (22, 25) mit den zuvor im Referenzspeicher (4) abgelegten Codes (22, 25) erfolgt, und daß zur Organisation eines Rabatt- bzw. Kupon- bzw. Belohnungssystems von der Datensammelstation (1) nur diejenigen übermittelten Codes (22, 25) berücksichtigt werden, die zuvor bereits im Referenzspeicher (4) abgelegt wurden.“

8

Der auf eine Verwendung gerichtete erteilte Patentanspruch 23 lautet:

9

„Verwendung einer gemäß Anspruch 1 bis 22 aufgebauten Datenbank,

10

dadurch gekennzeichnet,

11

daß ein Kunde (14), nachdem er eine bestimmte Anzahl von Produkten (21) bzw. Dienstleistungen oder Produkte bzw. Dienstleistungen, die einem bestimmten Gegenwert entsprechen, erworben hat, eine vorzugsweise über das Kommunikationsnetzwerk, insbesondere über Internet übermittelbare Belohnung erhält.“

12

Der erteilte nebengeordnete Patentanspruch 25 lautet:

13

„Verwendung einer gemäß Anspruch 1 bis 22 aufgebauten Datenbank,

14

dadurch gekennzeichnet,

15

daß in Abhängigkeit von bestimmten, bezüglich eines Kunden (14) in der Datensammelstation (1) gespeicherten Daten eine automatische Kontaktaufnahme mit dem Kunden (14) über das Kommunikationsnetzwerk, insbesondere über Internet erfolgt, wobei vorzugsweise Werbebotschaften übermittelt werden.“

16

Wegen der Unteransprüche 2, 3, 12, 17, 18 und 24 wird auf die Streitpatentschrift (EP 0 929 874 B1) Bezug genommen.

17

Der Kläger ist der Behauptung der Beklagten, wonach eine Person, mit der seitens der Beklagten eine Nichtangriffsvereinbarung vereinbart worden sei, hinter der Klage stehe, entgegengetreten. Er ist der Ansicht, dass der Gegenstand des Patents nicht die Lösung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln betreffe. Er sei gegenüber dem Stand der Technik weder neu noch erfinderisch. Zur Begründung der Klage nimmt der Kläger im Wesentlichen auf Schriftsätze und Anlagen (vorgelegt als K1 bis K3) aus den beigezogenen Verfahren 2 Ni 30/13; 2 Ni 29/09 und 2 Ni 49/07 Bezug und weist darauf hin, dass der 2. Senat des Bundespatentgerichts bereits in dem Nichtigkeitsverfahren 2 Ni 29/09 (EU) die damalige Klage in einem Hinweis vom 29. September 2010 für erfolgversprechend gehalten habe (Anlage K4). Der Gegenstand des Streitpatents sei dem Patentschutz nicht zugänglich. Es handle sich bei ihm nicht um eine Erfindung i. S. d. Art. 52 EPÜ und der Gegenstand des Streitpatents betreffe auch nicht die Lösung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln. Der Gegenstand des Patentanspruches 1 sei zudem nicht neu im Sinne von Art. 52 EPÜ i. V. m. Art. 54 EPÜ. Zum einen fehle die Neuheit gegenüber dem allgemeinen Stand der Technik, zum anderen sei der Gegenstand des Patents nicht neu gegenüber den Dokumenten D1 und D2. Darüber hinaus beruhe der Gegenstand der Erfindung nicht auf erfinderischer Tätigkeit im Sinne von Art. 52 i. V. m. Art. 56 EPÜ. Eine erfinderische Tätigkeit gegenüber dem allgemeinen Fachwissen sowie gegenüber der D1 bis D5 sei nicht ersichtlich.

18

Der Kläger bezieht sich zur Begründung der fehlenden Patentfähigkeit auf folgende Druckschriften:

19

D1: CA 2 136 038 A1;

20

D2: US 5 237 157;

21

D3: US 5 056 019;

22

D4: DE 37 23 189 A1;

23

D5: US 5 287 268.

24

Der Kläger beantragt,

25

das europäische Patent EP 0 929 874 im Umfang der Ansprüche 1, 2, 3, 12, 17, 18, 23, 24 und 25 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.

26

Die Beklagte beantragt,

27

die Klage abzuweisen.

28

Die Beklagte ist der Ansicht, die Nichtigkeitsklage sei unzulässig.

29

Es sei nicht klar, wer die die Klage erhoben habe. Denkbar sei, dass lediglich Herr R… in personam die Klage erhoben habe oder aber Herr R…als vertretungsberechtigter Partner im Namen der Partnerschaft "adares Patent- und Rechtsanwälte R… & Partner“ oder aber Herr R… in personam und die Partnerschaft.

30

Darüber hinaus sei die Klage unzulässig, weil der (bzw. die) Kläger lediglich als Strohmann für einen Hintermann auftrete (aufträten), mit dem eine Nichtangriffsabrede vereinbart worden sei. Bereits der Umstand, dass beide vermeintlichen Kläger als Anwälte bzw. Partnerschaft von Anwälten beruflich mit der geschäftsmäßigen Rechtsberatung oder Rechtsbesorgung fremder Rechtsangelegenheiten betraut seien, sowie der Umstand, dass sie regelmäßig in Verfahren (hier: Einspruchsverfahren gegen die europäischen Patente Nr. 1 517 416 und Nr. 2 036 173) in eigenem Namen auftreten, schaffe den Anschein, dass diese Verfahren ihrer gewöhnlichen Berufstätigkeit, mithin ihrer rechtsbesorgenden Tätigkeit für Dritte als Patent- oder Rechtsanwälte zuzurechnen seien. Darüber hinaus seien in den beiden genannten Einspruchsverfahren die anfallenden Gebühren jeweils zu Lasten des geschäftlichen Kontos der Anwaltspartnerschaft verbucht worden, obwohl lediglich Herr R… in personam die Einsprüche eingelegt habe. Auch im vorliegenden Rechtsstreit seien die Gebühren vom Geschäftskonto der Anwaltspartnerschaft belastet worden. Die Art der Angabe der Anschrift des vermeintlichen Klägers, R…, nämlich die Angabe einer Kanzleianschrift statt eines Wohnortes, spreche ebenfalls dafür, dass hier tatsächlich in Erfüllung beruflicher Aufgaben als Anwalt und nicht etwa im eigenen Interesse gehandelt werde. Auch der Inhalt der Klageschrift belege, dass der bzw. die Kläger lediglich als Strohmänner auftreten würden, denn die von dem bzw. den Klägern in Bezug genommenen Anlagen seien Auszüge aus Nichtigkeits-Prozessakten, in die der bzw. die Kläger keine Akteneinsicht genommen hätten. Dies lasse den Schluss zu, dass sie ihr Wissen von Dritten, wohl von ihren Hintermännern, bezogen hätten. Diese Tatsachen würden prima facie zu dem Schluss führen, dass die hiesigen Kläger jeweils nur Strohmann eines Hintermannes seien, der, weil er selbst nicht (mehr) klagebefugt sei, nicht in Erscheinung trete, um sich so einer wirksam vereinbarten Nichtangriffsklausel zu entziehen.

31

Im Rahmen von Verfahren, die in der Vergangenheit anhängig waren, seien außergerichtliche vergleichsweise Regelungen mit verschiedenen ehemaligen Gegnern getroffen worden, die auch Nichtangriffsklauseln zur endgültigen Beilegung der Streitigkeiten beinhaltet hätten. Es sei der Beklagten jedoch aus Rechtsgründen, namentlich aufgrund vereinbarter Geheimhaltungsklauseln in den Vergleichsvereinbarungen verwehrt, im Rahmen eines Nichtigkeitsprozesses, dessen Schriftsätze der Akteneinsicht durch jedermann unterliegen, Vertragspartner zu benennen. Gleichwohl trete die Beklagte Zeugenbeweis dafür an, “ob und gegebenenfalls mit wem … eine etwaige Vergleichsvereinbarung mit etwaiger vorerwähnter Nichtangriffsklausel tatsächlich vereinbart wurde“.

32

Darüber hinaus wendet die Beklagte ein, dass das Klagebegehren in unzulässiger Weise durch eine Bezugnahme auf andere Verfahren vorgetragen worden sei. Der Verweis auf die Anlage K3 sei unzulässig, weil darin auf das Dokument D8 abgestellt werde, das nicht als Anlage beigefügt sei. Zudem werde der Gegenstand des Streitpatents durch Bezugnahme auf die Anlage K2 und auf die K3 beschrieben, die den Gegenstand indes unterschiedlich definieren würden.

33

In der Sache ist die Beklagte der Ansicht, sämtliche Merkmale des Streitpatents seien technischer Natur und es werde ein technisches Problem mit technischen Mitteln gelöst. Die Patentfähigkeit sei ebenfalls gegeben, denn die Entgegenhaltungen beträfen abweichend gestaltete Lösungen andersartiger Probleme und stünden dem Gegenstand des Streitpatents weder neuheitsschädlich entgegen noch habe für den Fachmann eine Veranlassung bestanden, aufgrund dieses Standes der Technik zur Lösung des Streitpatents zu gelangen.

34

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt einschließlich der beigezogenen Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

35

Die Klage, mit der unter anderem die fehlende Patentfähigkeit (Artikel 138 Abs. 1 Buchst. a) EPÜ i. V. m. Artikel 54 und Artikel 56 EPÜ, Artikel II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG) geltend gemacht wird, ist zulässig und begründet.

I.

36

1. Die Klage enthält die für eine zulässige Klageerhebung notwendigen Angaben nach § 81 Abs. 5 Satz 1 und Satz 2 PatG.

37

a) Aus der eingereichten Klageschrift geht hervor, dass ausschließlich Herr Jan Reiniger Kläger dieses Verfahrens ist.

38

Gemäß § 81 Abs. 5 Satz 1 PatG muss die Klage u. a. den Kläger und den Beklagten bezeichnen und sie soll einen bestimmten Antrag enthalten. Aus einer Klage- oder Berufungsschrift muss deshalb entweder für sich allein oder mithilfe weiterer Unterlagen zu erkennen sein, wer Kläger bzw. Berufungskläger und Beklagter bzw. Berufungsbeklagter sein soll (vgl. Busse, PatG, 7. Aufl., § 81 Rd. 21; zum korrespondierenden § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO: BGH VIII ZB 30/05; BGH Report 2002, 655; BGH X ZR 39/05; BGH NJW-RR 2008, 927; BGH NJW-RR 2006, 1049). Die im Rahmen einer allgemeinen zivilprozessualen Klage entwickelten Grundsätze gelten gleichermaßen für eine Nichtigkeitsklage. Wenngleich es sich bei dieser um eine Popularklage handelt, bei der die Person des Klägers eine untergeordnete Rolle für die materiell-rechtliche Beurteilung spielt, gebieten auch hier Gründe der Rechtssicherheit und der Erzielung eines geordneten Verfahrensablaufs die Erkennbarkeit der beteiligten Parteien in einer jeder Zweifel ausschließenden Weise. Das bedeutet jedoch nicht, dass die erforderliche Klarheit über die Person des Klägers ausschließlich durch dessen ausdrückliche Bezeichnung zu erzielen wäre. Sie kann vielmehr auch im Wege der Auslegung der Klageschrift und etwa sonst vorliegender Unterlagen gewonnen werden (vgl. BGH VIII ZB 30/05; BGH Report 2002, 655; BGH X ZR 39/05; BGH NJW-RR 2008, 927; BGH NJW-RR 2006, 1049). Die Bezeichnung der Parteien ist nämlich als Teil einer Prozesshandlung auslegungsfähig, so dass entscheidend ist, welchen Sinn die Erklärung aus Sicht des Gerichts und des Prozessgegners hat (BGH NJW-RR 2013,1169; BGH NJW-RR 2006, 1569). Deshalb ist - selbst bei einer dem Wortlaut nach unrichtigen Bezeichnung - grundsätzlich diejenige Person als Partei anzusehen, die nach dem Gesamtzusammenhang der Prozesserklärung als Partei gemeint ist (BGH NJW-RR 2006, 1569). Dabei gilt der Grundsatz, dass die Klageerhebung durch die in Wahrheit gemeinte Partei nicht an der fehlerhaften Bezeichnung scheitern darf, wenn diese Mängel in Anbetracht der jeweiligen Umstände letztlich keine vernünftigen Zweifel an dem wirklich Gewollten aufkommen lassen (BGH NJW-RR 2013,1169).

39

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist dem Gesamtzusammenhang der Klageschrift vorliegend zweifelsfrei zu entnehmen, dass lediglich Herr R… Nichtigkeitskläger ist. Zum einen wird im Eingang der Klageschrift vom 19. Juni 2014 unter der Rubrik "Nichtigkeitskläger“ ausschließlich "R…“ genannt. Zum anderen heißt es auch in dem dann folgenden Text: "Hiermit erhebe ich R… Nichtigkeitsklage gegen…". Die unter dem Namen des Klägers genannte „Kanzlei adares“ kann in diesem Kontext nur als Hinweis auf die Zustellanschrift unter der Kanzleiadresse (S…in B…) verstanden werden.

40

b) Im Laufe des Verfahrens hat der Kläger zudem auch seine Privatadresse benannt und dadurch den anfänglichen Mangel der Klageschrift geheilt.

41

In § 81 Abs. 5 PatG wird zwar lediglich die Bezeichnung des Klägers und des Beklagten verlangt. Im Gegensatz dazu ist nach §§ 253 Abs. 4, 130 Nr. 1 ZPO in einer rein zivilprozessualen Klageschrift auch der Wohnort des Klägers anzugeben. Aus der Obliegenheit zur Bezeichnung des Klägers in der Klageschrift folgt aber zugleich die Pflicht zur Angabe einer ladungsfähigen Anschrift (vgl. ebenso zu § 65 Abs. 1 FGO: BFH X B 28/15). Enthält schon die Klageschrift keine ladungsfähige Anschrift, ist die Klage nach herrschender Meinung jedenfalls dann unzulässig, wenn die Angabe ohne weiteres möglich ist und kein schützenswertes Interesse entgegensteht (BGH NJW-RR 2004, 1503 m. w. N.; BGHZ 102, 332, 336). Allerdings führt die fehlende Angabe des Wohnsitzes nicht etwa zu einer unheilbaren Unzulässigkeit der Klage, denn Mängel im notwendigen Inhalt der Klageschrift können in der Tatsacheninstanz – wie hier geschehen - durch Nachholung geheilt werden (Thomas/Putzo, ZPO, 35. Aufl., § 253 Rd. 20; BGH ZZP 71, 478).

42

c) Der Kläger hat auch die zur Begründung der Klage dienenden Tatsachen und Beweismittel gem. § 81 Abs. 5 Satz 2 PatG vorgetragen.

43

2. Der von der Beklagten geltende gemachte Strohmanneinwand hat vorliegend keinen Erfolg. Die Beklagte hat nicht hinreichend substantiiert dazu vorgetragen, dass eine wirksame Nichtangriffsvereinbarung mit einer Person (Hintermann) besteht, für die der Kläger als Strohmann auftritt.

44

a) Die vertragliche Verpflichtung, ein Patent mit der Nichtigkeitsklage nicht anzugreifen, kann - falls kartellrechtlich zulässig - dem Kläger vom Beklagten entgegengehalten werden. Die Geltendmachung einer gültigen Nichtangriffsabrede führt zur Unzulässigkeit der Klage (Schulte, PatG, 9. Aufl., § 81 Rd. 46 m. w. N.). Eine derartige Rüge hat die Beklagte erhoben, indem sie eingewendet hat, dass der bzw. die Kläger als Strohmann für einen Dritten (Hintermann) auftreten würden, mit dem eine Nichtangriffsabrede bestehe. Die Nichtangriffsvereinbarung bindet grundsätzlich nur den Vertragspartner, ausnahmsweise aber auch Dritte, die als Strohmann für den durch die Abrede gebundenen Hintermann agieren, wenn besondere Umstände vorliegen, welche die Durchführung des Nichtigkeitsverfahrens gerade zwischen diesen Parteien und unter den besonderen Umständen dieses Falles als anstößig oder jedenfalls als dem auch im Prozessrecht zu beachtenden Grundsatz von Treu und Glauben widersprechend erscheinen lassen (BGH GRUR-RR 2010, 136 (Rd. 17) - sealing lamina; Schulte, PatG, 9. Aufl., § 81 Rd. 46).

45

b) Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer gültigen Nichtangriffsabrede trifft den beklagten Patentinhaber (Schulte, PatG, 9. Aufl., § 81 Rd. 47). Dieser hat zudem auch die Strohmanneigenschaft der Partei, die sich die mit dem Hintermann vereinbarte Nichtangriffsabrede entgegenhalten lassen muss, darzulegen und ggf. zu beweisen (BGH GRUR 2011, 409 - Deformationsfelder; Schulte, PatG, 9. Aufl., § 81 Rd. 9; BPatG 3 Ni 41/91, Urteil vom 21.05.1992).

46

Ungeachtet der Frage, ob die Beklagte vorliegend hinreichend substantiiert dazu vorgetragen hat, dass der Kläger überhaupt als Strohmann für (irgendeinen) Hintermann auftritt, fehlt es zumindest an hinreichend substantiiertem Vortrag der Beklagten zum Vorliegen und zur Existenz einer gültigen Nichtangriffsabrede und an der Geltung einer solchen gerade für den Hintermann des Klägers.

47

aa) Eine Nichtangriffsabrede wäre nur beachtlich, wenn sie wirksam vereinbart und nach wie vor gültig wäre. Hierbei sind beispielsweise kartellrechtliche Zulässigkeitsaspekte zu beachten (vgl. näher: Schulte, PatG, 9. Aufl., § 81 Rd. 50; EuGH GRUR Int 1986, 635; BGH GRUR 1989, 39; Benkard, PatG, 11. Aufl., § 22 Rn. 40 ff; Keukenschrijver, Patentnichtigkeitsverfahren, 6. Aufl. Rn. 154). Zudem ist zu prüfen, ob die Nichtangriffsabrede rechtmissbräuchlich, aufgehoben, gekündigt, angefochten oder sonst erloschen ist (Keukenschrijver, Patentnichtigkeitsverfahren, 6. Aufl. Rn. 156; Schulte, PatG, 9. Aufl., § 81 Rd. 48). Um all dies prüfen zu können, wäre es zwingend erforderlich gewesen, dass die Beklagte die Nichtangriffsabrede(n), auf die sie sich beruft, vorgelegt bzw. ihrem Inhalt nach vorgetragen hätte. Da sie dies unterlassen hat, fehlt es an einem hinreichend substantiierten Vortrag. Folglich ist die von der Beklagten begehrte Beweisaufnahme nicht veranlasst, denn es ist nicht zulässig, unsubstantiiertem Vortrag erst durch eine nachfolgende Beweisaufnahme im Wege des Ausforschungsbeweises eine hinreichende Substanz zu verleihen (Musielak, ZPO, 4. Aufl., § 284 Rd. 16). Fehlt es daher - wie hier - an näherer Darlegung der unter Beweis gestellten Tatsachen, so kann ihre Erheblichkeit nicht beurteilt werden und eine Beweisaufnahme darf nicht erfolgen (vgl. Musielak, ZPO, 4. Aufl., § 284 Rd. 16).

48

Die Beklagte kann sich ihrer Substantiierungspflicht auch nicht durch einen Hinweis auf eine Geheimhaltungsvereinbarung im Hinblick auf die Nichtangriffsvereinbarung entziehen. Es fehlt schon an substantiiertem Vortrag zu einer solchen Geheimhaltungsvereinbarung, da weder ersichtlich ist wann, und mit wem noch mit welchem Inhalt eine solche Vereinbarung getroffen worden sein könnte. Im Übrigen würde auch eine solche Geheimhaltungsvereinbarung die Beklagte nicht von ihrer Substantiierungspflicht im Hinblick auf das Vorliegen einer Nichtangriffsabrede entbinden, da die Verteilung der Darlegungslast nicht durch individualrechtliche Vereinbarungen mit Dritten zu Lasten einer Prozesspartei verändert werden kann. Wenn mit Dritten eine so umfassende Geheimhaltungsvereinbarung getroffen wird, dass gegenüber dem Gericht keinerlei Angaben darüber gemacht werden können, fällt es vielmehr in den Risikobereich der Vertragsbeteiligten, dass eine solche Vereinbarung mangels hinreichender Substanz in einem Prozess nicht zu Lasten der gegnerischen Partei berücksichtigt werden kann. Auch der Umstand, dass die Nichtigkeitsakten bei entsprechenden Akteneinsichtsgesuchen gegebenenfalls von Dritten eingesehen werden können, ändert an den Substantiierungspflichten nichts. Ein entsprechendes Akteneinsichtsgesuch kann nämlich nach § 99 Abs. 3 PatG bei entgegenstehenden schutzwürdigen Interessen verwehrt werden. Darüber hinaus ist es auch möglich, bestimmte Aktenteile von einer Akteneinsicht auszunehmen.

49

bb) Im Übrigen hat die Beklagte auch nicht substantiiert dargelegt, welche Person als „Hintermann“ hinter der Klage des Klägers stehen soll. Hierzu genügt es nicht, wenn gewisse Indizien dafür sprechen, dass hinter dem Kläger (irgend)eine andere Person steht, die ein Interesse an dem Ausgang des Nichtigkeitsverfahrens hat. Der Strohmanneinwand wäre vielmehr nur relevant, wenn gerade die Person hinter der Klage steht, mit der eine (wirksame) Nichtangriffsvereinbarung getroffen wurde. Hierzu hat die Beklagte aber ebenfalls nicht hinreichend substantiiert vorgetragen. Vielmehr erfolgt ihr diesbezüglicher Vortrag erkennbar ins Blaue hinein ohne jegliche Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich und damit rechtsmißbräuchlich (vgl. dazu: BGH WM 2002, 1690, 1691). Das wird insbesondere deutlich, indem sie Beweis dafür anbietet, „ob und ggf. mit wem … eine Hintermannseigenschaft für den vermeintlichen Kläger schon jetzt ernsthaft zu besorgen ist“. Die Beklagte stellt hier erkennbar keine bestimmte Tatsache unter Beweis, sondern will die Beweisaufnahme dazu nutzen, den Sachverhalt zu eruieren. Es handelt sich daher nicht um die Einführung vermuteter Tatsachen als Behauptung in einen Rechtsstreit (vgl. dazu: BGH NJW 1995, 1160), sondern um den prozessual unzulässigen Versuch, die maßgebliche Tatsache mittels Beweisaufnahme überhaupt erst zu ermitteln. Mangels hinreichend substantiierten Vortrags ist eine Beweisaufnahme daher auch insoweit nicht veranlasst.

50

3. Der Vortrag des Klägers ist zudem auch hinreichend substantiiert (zur dogmatischen Einordnung des Substantiierungserfordernisses vgl.: Keukenschrijver, Patentnichtigkeitsverfahren, 6. Aufl., Rd. 103; Busse, PatG, 7. Aufl. § 81 Rd. 2; dagegen: Mes, PatG, 4. Aufl., § 81 Rd. 84, § 82 Rd. 18; Schulte, PatG, 9. Aufl., § 81 Rd. 32).

51

Entgegen der Ansicht der Beklagten war die Bezugnahme auf die Klageschriftsätze K1 bis K3 zulässig und entspricht den Anforderungen an einen hinreichend substantiierten Vortrag. Eine solche Bezugnahme auf Anlagen ist in der Regel zulässig, wenn die jeweiligen Anlagen vorgelegt und die in Bezug genommenen Passagen – wie hier - konkret benannt werden (vgl. BGH III ZR 200/15, Rd. 23). Demgegenüber würde eine bloß pauschale Bezugnahme auf Urkunden nicht den Vorgaben an einen substantiierten Vortrag entsprechen, weil Gerichte nicht verpflichtet sind, umfangreiche ungeordnete Anlagenkonvolute von sich aus durchzuarbeiten (vgl. BGH Report 2003, 1438). Eine solche Fallgestaltung liegt im Streitfall wegen der konkret benannten Passagen, auf die Bezug genommen wird, jedoch nicht vor.

52

Die unterbliebene Vorlage des in der Anlage K3 zitierten Dokuments D8 ist unproblematisch, denn in der Anlage K3 wird das Dokument D8 präzisiert als EP-A-0 354 260, so dass die am Verfahren Beteiligten ohne weiteres in der Lage sind, dieses Dokument selbst einzusehen. Dem Rechtsgedanken des § 131 Abs. 3 ZPO ist zu entnehmen, dass die genaue Bezeichnung einer Urkunde genügt, wenn der Gegner die Urkunde kennt. Dieser Rechtsgedanke gilt entsprechend für öffentlich einsehbare Urkunden.

53

Auch der Umstand, dass der Kläger den Gegenstand des Patents teilweise durch Bezugnahme auf die K2 und teilweise auf die K3 definiert, obwohl die jeweiligen Definitionen nicht deckungsgleich sind, steht einem substantiierten Vortrag nicht entgegen, denn von dem seitens des Klägers darzulegenden Sachverhalt ist dessen rechtliche Qualifizierung und die Schlüssigkeitsprüfung zu unterscheiden, die das Gericht vorzunehmen hat.

II.

54

Die angegriffenen Ansprüche 1, 2, 3, 12, 17, 18, 23, 24 und 25 des Streitpatents sind gem. Artikel 138 Abs. 1 Buchst. a) EPÜ i. V. m. Artikel 54 und Artikel 56 EPÜ, Artikel II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG für nichtig zu erklären, weil der Gegenstand dieser Ansprüche nicht patentfähig ist. Es kann daher dahinstehen, ob die Gegenstände dieser Ansprüche die Lösung eines technischen Problems mit technischen Mitteln betreffen (Art. 138 Abs. 1 Buchst. a), 52 EPÜ i. V. m. Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG).

55

1. Das Streitpatent bezieht sich auf das Gebiet der Rabattgewährung. Es betrifft ein Verfahren zum Aufbau einer Kundendaten beinhaltenden Datenbank, bei dem an Kunden zu verkaufende Produkte oder an Kunden beim Kauf von Produkten oder Dienstleistungen ausgehändigte Belege jeweils mit einem Code versehen werden, und der Code vom Kunden nach dem Erwerb des Produktes bzw. der Dienstleistung mit den jeweiligen Kunden kennzeichnenden Daten über ein Kommunikationsnetzwerk, insbesondere über Internet oder ein Telefonnetz an eine Datensammelstation übermittelt wird. Die verwendeten Codes sind vorab gespeichert worden und werden mit den von den Kunden übermittelten Codes verglichen, wobei die akzeptierten Codes dem Aufbau eines Kupon- bzw. Belohnungssystems dienen sollen (Streitpatent, Absätze [0001], [0006], [0011]).

56

Das Konzept des Streitpatents basiert auf der (geschäftlichen) Erkenntnis, dass aufgrund der Kompliziertheit des Geltendmachens und Verwaltens von gewährten Rabatten, insbesondere im Einzelhandelsbereich, bisherige Rabattsysteme unattraktiv sind (Streitpatent, Absatz [0006]).

57

2. Im Streitpatent wird daher als Aufgabe genannt, „ein System bereitzustellen, mittels dem Hersteller und Anbieter von Produkten und/oder Dienstleistungen mit geringem wirtschaftlichen Aufwand die Möglichkeit haben, den Kauf ihrer Produkte und/oder Dienstleistungen attraktiver zu gestalten, größtmögliche Kundentreue zu erreichen und durch die Kenntnis kundenspezifischer Daten direkt mit Kunden in Kontakt treten und entsprechende Marketingstrategien flexibel auswählen zu können.“ (Streitpatent, Absatz [0007]).

58

Als weiteren, zur Lösung dieses Problems nicht hinreichend geeigneten Stand der Technik nennt das Streitpatent Verfahren, die dazu eingesetzt werden, die Fernseh- und auf Konsumgüter bezogenen Kaufgewohnheiten von Verbrauchern zu analysieren, sowie ein Verfahren zur Organisation eines Rabatt- bzw. Couponsystems, bei dem Gutscheine oder Rabatthefte mit einzigartigen Codierungen versehen werden, die zudem in einem Computersystem gespeichert werden (Absätze [0002]-[0004]).

59

3. Die genannte Aufgabe soll durch den Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 gelöst werden.

60

Der mit einer denkbaren Gliederung versehene Patentanspruch 1 beschreibt danach ein

61

(M1.0) Verfahren zum Aufbau einer Kundendaten beinhaltenden Datenbank (3),

62

(M1.1) bei dem an Kunden (14) zu verkaufende Produkte (21) oder an Kunden (14) beim Kauf von Produkten (21) oder Dienstleistungen ausgehändigte Belege (23) jeweils mit einem Code (22, 25) versehen werden und

63

(M1.2a) der Code (22, 25) vom Kunden (14) nach dem Erwerb des Produktes (21) bzw. der Dienstleistung

64

(M1.2b) mit den jeweiligen Kunden (14) kennzeichnenden Daten

65

(M1.2c) über ein Kommunikationsnetzwerk, insbesondere über Internet oder ein Telefonnetz

66

(M1.2d) an eine Datensammelstation (1) übermittelt werden, dadurch gekennzeichnet,

67

(M1.3) daß der Code (22, 25) vor dem Erwerb des Produktes (21) bzw. der Dienstleistung ohne Mitwirkung des Kunden (14) in einem der Datensammelstation (1) zugeordneten Referenzspeicher (4) gespeichert wird,

68

(M1.4) daß nach der durch den Kunden (14) vorgenommenen Übermittlung des Codes (22, 25) an die Datensammelstation (1) ein Vergleich dieses vom Kunden (14) übermittelten Codes (22, 25) mit den zuvor im Referenzspeicher (4) abgelegten Codes (22, 25) erfolgt, und

69

(M1.5) daß zur Organisation eines Rabatt- bzw. Kupon- bzw. Belohnungssystems von der Datensammelstation (1) nur diejenigen übermittelten Codes (22, 25) berücksichtigt werden, die zuvor bereits im Referenzspeicher (4) abgelegt wurden.

70

4. Dem erteilten Patentanspruch 1 lässt sich entsprechend der Beschreibung und den Figuren 1 bis 3 folgende Lehre entnehmen:

71

Das streitpatentgemäße Verfahren dient dem Aufbau einer „Kundendaten beinhaltenden Datenbank“ (Merkmal (M1.0)) und beschränkt sich auf die folgenden Schritte:

72

(a) In einem Speicher (einem einer „Datensammelstation“ zugeordneten „Referenzspeicher“) werden Codes gespeichert (Merkmal (M1.3)). Der Referenzspeicher besteht im Wesentlichen aus einer Tabelle, in der jedem dieser von einem Codegenerator erzeugten Codes eine Produktspezifikation und ein Produktpreis zugeordnet ist (Streitpatent, Absatz [0057]).

73

(b) Bestimmten Personen (Kunden) wird jeweils (mindestens) einer der gespeicherten Codes mitgeteilt durch Aushändigung eines mit dem Code versehenen Produkts oder Belegs (Merkmal (M1.1)).

74

(c) Die Person übermittelt den Code zusammen mit den die Person bzw. den Kunden „kennzeichnenden Daten“ über ein „Kommunikationsnetzwerk“ an die „Datensammelstation“ (Merkmale (M1.2a) bis (M1.2d)). Die „Datensammelstation“ beinhaltet laut Streitpatentschrift den Codegenerator, den Referenzspeicher sowie eine Kunden- und Punkte-Datenbank. Eine Steuerungseinheit kontrolliert das Zusammenwirken dieser Komponenten (Streitpatent, Absatz [0056]). Nur beim ersten Kontakt des Kunden mit der Datensammelstation werden kundenspezifische Daten, z. B. Name, Postanschrift oder Netzwerk-Adresse gespeichert, worauf dem Kunden eine Kennziffer oder ein Kenncode als den Kunden „kennzeichnende Daten“ zugewiesen werden. Die Kommunikation zwischen dem Kunden und der Datensammelstation kann sowohl über das Internet als auch ein Telefonnetz erfolgen (Streitpatent, Absätze [0038], [0067]). Erfolgt die Datenübermittlung über ein Telefonnetz, so können die kundenspezifischen Daten z. B. über ein Call-Center ermittelt werden, das bei einer ersten Kontaktaufnahme ein Kundengespräch durchführt, in dem der Kunde die gewünschten Daten mitteilt und vom Call-Center eine Kennziffer bzw. einen Kenncode zugewiesen bekommt. Die kundenspezifischen Daten sowie Kennziffer bzw. Kenncode werden vom Call-Center gespeichert. Bei weiteren Kontaktaufnahmen gibt der Kunde nur noch den mit dem Produkt bzw. der Dienstleistung verbundenen Code über die Telefontastatur ein, nachdem er sich durch seine ebenfalls über die Telefontastatur eingegebene Kennziffer bzw. seinen Kenncode identifiziert hat (Streitpatent, Absätze [0040], [0041]). Um Codes mittels eines PCs über das Internet an die Datensammelstation zu übertragen, muss auch hier der Kunde zuerst die ihn kennzeichnenden Daten eingeben, um sich gegenüber der Datensammelstation zu identifizieren. Bei einem Erstkontakt wird für den Kunden in der Datensammelstation ein neuer Datensatz in der Kunden- und Punkte-Datenbank angelegt. Bei weiteren Kontakten identifiziert sich der Kunde lediglich mit der im Rahmen des Erstkontakts zugeteilten Kennziffer (Streitpatent, Absatz [0067]).

75

(d) Der übermittelte Produktcode wird mit den im Referenzspeicher gespeicherten Codes verglichen (Merkmal (M1.4)). Dies bedeutet nichts anderes, als dass überprüft wird, ob es sich bei dem übermittelten Code um einen gültigen Code handelt. Falls der Code im Referenzspeicher vorhanden ist, handelt es sich um einen gültigen Code, ansonsten gilt der Code als ungültig (Streitpatent, Absatz [0069]).

76

(e) Nur wenn der übermittelte Code mit einem der im Referenzspeicher gespeicherten Codes identisch ist, kann der Kunde an einem Rabatt- bzw. Kupon- bzw. Belohnungssystem teilnehmen. Dies bedeutet aber auch, dass das Rabattsystem derart eingerichtet ist, dass nur diejenigen übertragenen Codes berücksichtigt werden, die sich im Referenzspeicher befinden (Merkmal (M1.5)). Im Fall einer gültigen Codeübermittlung vom Kunden an die Datensammelstation wird die Kunden- und Punkte-Datenbank entsprechend aktualisiert bzw. das Punktekonto des Kunden erhöht (Streitpatent, Absatz [0070]).

77

5. Die objektiv gelöste Aufgabe sieht der Senat darin, ein Verfahren vorzuschlagen, mit dem die Sicherheit eines Rabattsystems erhöht werden kann, da sich die im Patentanspruch 1 genannten Maßnahmen nicht mit dem Aufbau einer Datenbank befassen, sondern vielmehr damit, wie der Missbrauch eines Rabattsystems verhindert werden kann. So soll mit den Merkmalen (M1.0) bis (M1.5) insbesondere durch den Vergleich übermittelter mit im Referenzspeicher hinterlegten Codes in erster Linie unterbunden werden, dass einem Kunden ein Rabatt für ein Produkt gewährt wird, das er gar nicht gekauft hat, oder dass einem Kunden für ein und dasselbe Produkt ein Rabatt mehrfach eingeräumt wird.

78

6. Als zuständigen Fachmann sieht der Senat einen Systemingenieur der Informationstechnik mit Hochschul- oder Fachhochschulabschluss an, der eine mehrjährige Berufserfahrung in der Konzeption und Entwicklung von IT-Systemen im Bereich von Kundenbindungsstrategien, insbesondere von Rabattsystemen besitzt.

79

7. Die Lehre des Patentanspruchs 1 ergab sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem vor dem Anmeldetag des Streitpatents bekannten Stand der Technik, so dass sie diesem gegenüber nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht.

80

7.1 Von besonderer Bedeutung ist die Druckschrift D1 / Holda-Fleck („System and Method to Automatically Provide an Electronic Consumer Rebate“).

81

Die Druckschrift D1 / Holda-Fleck beschreibt ein System und ein Verfahren zur automatischen Gewährung bzw. Bereitstellung elektronischer Konsumentenrabatte über ein öffentliches Telefonnetz (Seite 1, Zeilen 4-7). Das bekannte System beruht auf der Verteilung von Produktcodes, die von Kunden erworbenen Produkten zugeordnet sind. Zentraler Bestandteil der bekannten Rabatt-Plattform ist eine Datenbank 20, die neben der Gesamtheit der gültigen Produktcodes für jeden dieser Codes noch eine Seriennummer sowie einen zugehörigen Rabattbetrag speichert (Seite 8, Zeilen 2-15; Fig. 1).

82

Damit führt die Druckschrift D1, die als nächstliegender Stand der Technik anzusehen ist, den Fachmann zu einem Verfahren zum Aufbau einer Datenbank 20, mit der Daten über Rabatte zu von Kunden erworbenen Produkten verwaltet werden. Konkret beinhaltet die Datenbank 20 Tabellen gültiger Produktcodes und zugehöriger Seriennummern. Für jeden Produktcode sind sowohl ein Rabattbetrag als auch Daten des jeweiligen Produktherstellers hinterlegt. Außerdem umfasst die Datenbank 20 Kundennamen und die Codes der von den Kunden gekauften Produkte (Fig. 1; Fig. 3 mit Datenbanktabellen (20a, 20b, 20c, 20d); Seite 8, Zeilen 2-15). Die Datenbank 20 wird ständig aktualisiert (Seite 11, Zeilen 25-29 u. a.). Merkmal (M1.0) ist somit im System bzw. Verfahren der Druckschrift D1 verwirklicht.

83

Die rabattierfähigen Produkte sind mit einem Produktcode und einer Seriennummer versehen. Die Verpackung eines gekauften Produkts ist als Beleg bzw. Nachweis dafür anzusehen, dass das Produkt vom Kunden gekauft wurde, wodurch z. B. Garantieansprüche geltend gemacht werden können. Mit dem Kauf eines Produkts werden dem Kunden die Verpackung zusammen mit Produktcode und Seriennummer zur Verfügung gestellt (Seite 7, Zeilen 11-25; Seite 9, Zeilen 25-32 – Merkmal (M1.1)).

84

Die Druckschrift D1 lehrt weiterhin, dass der Kunde nach dem Kauf eines Produkts durch das Anwählen einer Servicenummer über ein Kommunikationsnetz, nämlich ein Telefonnetz, mit einer Rabatt-Plattform 8 bzw. einer Datenbank 20 verbunden wird (Fig. 1; Seite 6, Zeile 30 – Seite 7, Zeile 10). Für eine Rabatt-Verarbeitung übermittelt der Kunde mittels seines Telefons Produktcode und Seriennummer an die Plattform 8, wo sie in Registern 14 und 16 zwischengespeichert werden (Seite 7, Zeile 26 – Seite 8, Zeile 1). Die Rabatt-Plattform 8 fungiert damit als Datensammelstation im Sinne des Streitpatents, der Codes für Produkte über ein Netzwerk zugeführt werden (Merkmale (M1.2a), (M1.2c), (M1.2d)).

85

Die Datenbank 20 der Rabatt-Plattform 8 umfasst Tabellen (20a, 20b, 20c, 20d) (Fig. 1; Fig. 3) mit den gültigen Produktcodes und den zugehörigen Seriennummern. Ebenso werden sowohl die auf die jeweiligen Produkte zu gewährenden Rabatte als auch ein Verlauf aller einem bestimmten Kunden gewährten Rabatte gespeichert (Seite 8, Zeilen 2-21). Die Datenbank 20 wird als Referenzspeicher der Rabatt-Plattform 8 bereits vor dem Kauf eines Produkts und damit auch vor einer Rabatt-Verarbeitung ohne Mitwirkung des Kunden mit den notwendigen Informationen befüllt, wie z. B. den oben genannten Produktcodes und Seriennummern (Merkmal (M1.3)).

86

Nachdem Produktcode und Seriennummer an die Rabatt-Plattform 8 übermittelt worden sind, findet dort eine Gültigkeitsüberprüfung statt: die übertragenen Codes werden mit den gültigen Produktcodes und Seriennummern verglichen, die vorab in der Datenbank 20, d. h. dem Referenzspeicher hinterlegt worden sind. Falls der vom Kunden eingegebene Produktcode nicht existiert oder falls das Rabattangebot des Produkts bereits abgelaufen ist, wird dem Kunden ein Rabatt verwehrt und die Telefonverbindung wird beendet. Auch wenn sich die Seriennummer als gefälscht herausstellt oder wenn sie bereits rabattiert worden ist, wird das Telefongespräch unterbrochen (Seite 8, Zeilen 22-33 – Merkmal (M1.4)).

87

Den auf Seite 8, Zeilen 22-33 der Druckschrift D1 gemachten Ausführungen ist damit direkt zu entnehmen, dass die Rabatt-Plattform 8 bzw. das damit implementierte Rabattsystem gerade so organisiert ist, dass bei der Rabatt-Verarbeitung nur solche übermittelten Produktcodes und Seriennummern Berücksichtigung finden können, die vorher in der Datenbank 20 gespeichert worden sind und die eine Gültigkeitsüberprüfung erfolgreich durchlaufen haben (vgl. auch Seite 11, Zeilen 4-8). Merkmal (M1.5) geht demnach aus der Druckschrift D1 hervor.

88

Die Übertragung von einen Kunden kennzeichnenden Daten an eine Datensammelstation über ein Kommunikationsnetzwerk (siehe Merkmal (M1.2b)) findet in der Druckschrift D1 allerdings nicht statt.

89

Zwar offenbart die Druckschrift D1 eine automatische Rufnummernerkennung (ANI – „automatic number identification“), anhand der die Rufnummer des Kunden in der Rabatt-Plattform 8 ermittelt und dort zur Rabatt-Verarbeitung gespeichert wird (Seite 7, Zeile 33 – Seite 8, Zeile 1). Die digitale Vermittlungstechnik der angesprochenen Vermittlungsstation „#4 (4ESS)“ (Seite 7, Zeilen 7-10) gestattet es hier, als Dienst eine automatische Rufnummernidentifikation ANI anzubieten. Wird die Rabatt-Plattform 8 von einem Kunden angerufen, dann informiert dieser Dienst über die Anschlussnummer der rufenden Telefonstation. Allerdings findet - wie die Patentinhaberin richtig ausführt - die Identifikation der Rufnummer des Kunden nicht etwa kunden-, sondern netzseitig innerhalb der Vermittlungsstelle der Rabatt-Plattform 8 statt, und zwar anhand des jeweiligen Signalisierungsprotokolls, der übertragenen Signalisierungsinformation und des dem Kunden fest zugeordneten Sprachkanals. Die Übertragung einer Rufnummer, die als die einen Kunden kennzeichnende Information aufgefasst werden kann, an die Rabatt-Plattform ist aus der Druckschrift D1 nicht abzuleiten.

90

7.2 Die Würdigung dieses Materials aus dem Stand der Technik ergibt, dass der mit dem erteilten Patentanspruch 1 beanspruchte Gegenstand mit all seinen Merkmalen für den Fachmann nahegelegen hat.

91

Von der Lehre der Druckschrift D1 unterscheidet sich die Lehre nach dem erteilten Patentanspruch 1 im Wesentlichen nur noch dadurch, dass - anstelle der oder zusätzlich zur Ermittlung der Rufnummer des Kunden in der Rabatt-Plattform 8 durch automatische Rufnummernerkennung - eine Übermittlung von den Kunden kennzeichnenden Daten über ein Kommunikationsnetzwerk, z. B. in Gestalt einer speziellen Kennziffer oder eines Kundencodes erfolgen soll (Merkmal (M1.2b)).

92

Zu den routinemäßigen Aufgaben, die sich dem Fachmann stellen, der sich insbesondere mit Problemen bei der Entwicklung von IT-Systemen auf dem Gebiet von Kundenbindungsstrategien befasst, gehört es jedoch, den Kreis der mit den jeweiligen Systemen erreichbaren Kunden ständig zu erweitern. Aufgrund des in der Druckschrift D1 gegebenen Hinweises, ein für alle Kunden verfügbares Rabattsystem bereitzustellen (Seite 4, Zeilen 24-27, siehe „… provided is an automated rebate system which can be implemented on an existing public telephone network which is readily available to virtually all consumers.“) und aufgrund der Tatsache, dass die ANI nicht die Identität des Anrufers bzw. Kunden, sondern nur die Identität der Telefonstation verifiziert, von der aus versucht wird, eine Verbindung aufzubauen, bot es sich für den Fachmann an, als zusätzliches Identifizierungsmerkmal eines Kunden neben der Anschlussnummer der jeweils benutzten Telefonstation noch zusätzlich einen kundenseitig einzugebenden Kundencode vorzusehen, wodurch auch verschiedenen Kunden Rabatte eingeräumt werden können, die zwar ein und dieselbe Telefonstation benutzen, aber trotzdem alle gleichermaßen vom Rabatt-System profitieren möchten und möglichst getrennt voneinander abgerechnet werden wollen (vgl. Druckschrift D1 Seite 8, Zeilen 15-18 – Merkmal (M1.2b)).

93

7.3 Demgegenüber wendet die Beklagte im Wesentlichen ein, dass im Fall der Druckschrift D1 für den Fachmann jedenfalls keine Veranlassung bestehe, irgendwelche Kundenidentifikationsdaten zu übertragen, da diese dem dortigen Telefonnetzanbieter ja ohnehin schon bekannt seien. In einer solchen Situation, in der bereits eine „fertige“ Erfindung wie nach der Druckschrift D1 vorliege, die das technische Problem des Streitpatents bereits löse, wenngleich auf einem anderen Weg, stelle ein solches Dokument – hier die Druckschrift D1 – im Hinblick auf die Frage nach der erfinderischen Tätigkeit keinen geeigneten Ausgangspunkt der Betrachtung dar, da der Fachmann in einem solchen Fall bereits über eine befriedigende Lösung verfüge und somit überhaupt keine Veranlassung habe, den Stand der Technik zu verändern. Allein die Kenntnis der Lösungsmöglichkeit aus dem Stand der Technik stelle noch kein hinreichendes Kriterium für die Verneinung der erfinderischen Tätigkeit dar, sofern kein darüber hinausgehender Anlass für den Fachmann für ein solches Vorgehen bestehe.

94

Dem Einwand der Beklagten kann nicht gefolgt werden. Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ist maßgeblich, ob der Stand der Technik am Prioritätstag dem Fachmann den Gegenstand der Erfindung nahegelegt hat. Dies erfordert zum einen, dass der Fachmann mit seinen durch seine Ausbildung und berufliche Erfahrung erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten in der Lage gewesen ist, die erfindungsgemäße Lösung des technischen Problems aus dem Vorhandenen zu entwickeln. Hinzukommen muss aber zum anderen, dass der Fachmann Grund hatte, den Weg der Erfindung zu beschreiten. Dazu bedarf es in der Regel über die Erkennbarkeit des technischen Problems hinausreichender Anstöße, Anregungen, Hinweise oder sonstiger Anlässe (BGH GRUR 2009, 746 - Betrieb einer Sicherheitseinrichtung; BGH GRUR 2010, 407 - Einteilige Öse). Dabei sind nicht etwa nur ausdrückliche Hinweise an den Fachmann beachtlich. Vielmehr können auch Eigenarten des in Rede stehenden Fachgebiets, insbesondere betreffend die Ausbildung von Fachleuten, die übliche Vorgehensweise bei der Entwicklung von Neuerungen, technische Bedürfnisse, die sich aus der Konstruktion oder der Anwendung des in Rede stehenden Gegenstands ergeben und auch nicht-technische Vorgaben eine Rolle spielen (BGH GRUR 2012, 378 – Installiereinrichtung II).

95

Der Fachmann, der es sich zur Aufgabe gestellt hatte, eine möglichst einfache und kostengünstige Lösung für die Verhinderung eines Missbrauchs von Rabattsystemen zu finden, kannte die Möglichkeit, an den Endgeräten eines Rabattsystems Produktcodes zusammen mit Kundendaten einzugeben und über ein Kommunikationsnetzwerk an eine Datensammelstation zu übertragen, wo anhand eines Vergleichs mit vorher gespeicherten Produktcodes die Rabattfähigkeit beurteilt wird (vgl. Druckschrift D3 Spalte 6, Zeilen 13 bis 20; Spalte 7, Zeilen 5 bis 64). Weiterhin entnahm der Fachmann der Druckschrift D1 die Variante, in einem Rabattsystem die Kundendaten aus den jeweiligen Telefonanschlüssen der Kunden netzseitig zu ermitteln, ohne dafür eine Datenübertragung über ein Kommunikationsnetzwerk vorzunehmen. Dieses Verfahren weist jedoch den offensichtlichen Nachteil auf, dass sich die Rabattierung auf den Telefonanschluss bezieht und nicht auf einen bestimmten Kunden (vgl. Druckschrift D1 Seite 8, Zeilen 15-18: „… he (and anyone using his telephone) may be precluded from obtaining a like rebate on a second bar of Acme soap.“). Eine erfolgreiche Kundenbindungsstrategie muss sich jedoch auf jeden einzelnen Kunden richten. Um den Nachteil zu vermeiden, dass lediglich der registrierte Inhaber der anrufenden Telefonstation am Rabattsystem teilhaben kann, weswegen andere Benutzer der Station von einer Rabattierung ausgeschlossen bleiben, bot es sich daher an, die kundenseitige Eingabe eines Kundencodes vorzusehen, der als zusätzliches Identifikationsmerkmal an die Datensammelstation bzw. Rabatt-Plattform 8 übertragen und dort ausgewertet wird, um verschiedenen Nutzern ein und desselben Telefonanschlusses eine Teilnahme am Rabattsystem zu ermöglichen. Eine solche Orientierung des Fachmannes an einer nicht-technischen Vorgabe, nämlich der Verwirklichung einer möglichst breit angelegten Kundenbindungsstrategie, führte im Ergebnis dazu, die Überlegungen des Fachmanns ausgehend von der Druckschrift D1 in Richtung der streitpatentgemäßen Lösung zu lenken.

96

7.4 In diesem Zusammenhang argumentiert die Patentinhaberin, dass an die aus der Druckschrift D1 bekannte Datensammelstation („rebate platform 8“) besondere technische Anforderungen gestellt würden, die weit über einen üblichen Anschluss an ein Kommunikationsnetzwerk hinausgingen. Die Rabatt-Plattform 8 der Druckschrift D1 werde nämlich von einer Telefongesellschaft, an die die Kunden angeschlossen seien, selbst betrieben und sei auch nur zum Betrieb durch eine solche Telefongesellschaft vorgesehen und geeignet. Aus diesem Grunde verfüge die bekannte Datensammelstation über ganz andere technische Möglichkeiten, als eine Datensammelstation, die von jedermann an jedem Ort betrieben werden könne, wie es nach der Erfindung des Streitpatents vorgesehen sei. Aus diesem Grunde würden im Falle der Druckschrift D1 dann auch keine den Kunden kennzeichnenden Daten vom Kunden zur Rabatt-Plattform 8 der Telefongesellschaft übertragen.

97

Auch dieser Einwand der Beklagten greift nicht durch.

98

Zwar ist der Patentinhaberin insoweit zuzustimmen, als dass die bekannte Datensammelstation von einer Telefongesellschaft betrieben wird und die Übermittlung von Kunden kennzeichnenden Daten nicht vorgesehen ist, weil netzseitig eine automatische Nummernidentifikation implementiert ist. Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass die Kunden über einen herkömmlichen Telefonanschluss an die Rabatt-Plattform 8 angebunden sind und jeder Kunde, der Zugang zu einem solchen Telekommunikationsanschluss hat, auch grundsätzlich in der Lage ist, an der Rabattierung von gekauften Produkten teilzunehmen. Insoweit unterscheidet sich die Lehre der Druckschrift D1 nicht vom Gegenstand des Streitpatents, der den Aufbau einer gewöhnlichen Telefon- und/oder Internetverbindung vorsieht (Streitpatent, Absätze [0040], [0067]). Beide Lehren sehen außerdem eine Kundenregistrierung beim jeweiligen Betreiber der Datensammelstation vor bzw. setzen diese voraus, wobei es sich im Fall der Druckschrift D1 speziell um die Anmeldung eines Telekommunikationsanschlusses des Kunden bei einer Telefongesellschaft handelt. Dass die Datensammelstation der Druckschrift D1 von einer Telefongesellschaft betrieben wird, steht hierbei der von der Beklagten formulierten Bedingung nicht entgegen, dass das Rabattsystem des Streitpatents grundsätzlich so ausgelegt sein soll, dass es an jedem Ort von jedermann betrieben und auch für jedermann zugänglich gemacht werden kann. Denn der uneingeschränkte Betrieb und die Verfügbarkeit der Datensammelstation hängen in technischer Hinsicht in erster Linie davon ab, ob überhaupt sowohl kunden- als auch netzseitig geeignete Telekommunikations- und Datenverarbeitungsmittel vorhanden sind und nicht etwa davon, wer, d. h. welche Person, Gesellschaft o. ä. letztendlich die Datensammelstation betreibt. In dieser Hinsicht unterscheidet sich die Lehre der Druckschrift D1 daher nicht von der Lehre des Streitpatents.

99

7.5 Es bedurfte für den Fachmann nach allem lediglich fachgemäßen Zutuns, in Kenntnis der Druckschrift D1 zu einem Verfahren mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1 zu gelangen. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruht damit nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

100

7.6 Dies gilt somit, wenn der Prüfung der gesamte Patentanspruch mit allen seinen Merkmalen zugrunde gelegt wird. Damit kann dahingestellt bleiben, ob der beanspruchte Gegenstand gemäß Art. 52 Abs. 1, 138 Abs. 1 Buchst. a) EPÜ i. V. m. § 6 IntPatÜG oder Art. 52 Abs. 2 Buchst. c), Abs. 3, 138 Abs. 1 Buchst. a) EPÜ i. V. m. § 6 IntPatÜG vom Patentschutz ausgeschlossen ist, und ob der Patentanspruch 1 Merkmale enthält, die nicht die Lösung eines technischen Problems mit technischen Mitteln bestimmen oder beeinflussen und somit bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit nicht zu berücksichtigen sind (BGH GRUR 2011, 125 - Wiedergabe topografischer Informationen, BGH GRUR BGH GRUR 2013, 909 - Fahrzeugnavigationssystem, BGH GRUR 2015, 660 - Bildstrom, BGH GRUR 2015, 1184 - Entsperrbild).

101

8. Die übrigen angegriffenen Patentansprüche sind nicht günstiger zu beurteilen.

102

8.1 Der nebengeordnete Patentanspruch 23 ist nicht anders zu bewerten als der Patentanspruch 1. Er enthält nichts Zusätzliches, womit sich eine eigenständige Patentfähigkeit begründen ließe.

103

Der nebengeordnete Patentanspruch 23 ist auf die Verwendung einer gemäß Anspruch 1 bis 22 aufgebauten Datenbank gerichtet. Die beanspruchte Verwendung soll im Wesentlichen dadurch gekennzeichnet sein, dass der Kunde nach dem Erwerb einer bestimmten Anzahl von Produkten bzw. Dienstleistungen oder von Produkten bzw. Dienstleistungen, die einem bestimmten Gegenwert entsprechen, eine Belohnung erhält.

104

Die zum Patentanspruch 1 bereits genannte Druckschrift D1 offenbart aber bereits die Verwendung einer Datenbank 20 in einem Rabattsystem (Fig. 1), bei dem der Kunde mit auf seiner Telefonrechnung gutgeschriebenen Rabatten belohnt wird (Seite 9, Zeilen 1-4). Unter Berücksichtigung der Ausführungen unter den Abschnitten 7.1 bis 7.4 ist für den Patentanspruch 23 eine andere Beurteilung als für den Patentanspruch 1 nicht gerechtfertigt. Dass die per Rückbezug in den Patentanspruch 23 zusätzlich mit aufgenommenen Merkmale der Unteransprüche 2 bis 22 zu einer anderen Beurteilung der Patentfähigkeit führen könnten, ist nicht erkennbar.

105

8.2 Für den Fachmann bedurfte es auch keines erfinderischen Zutuns, um zum Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 25 zu gelangen.

106

Patentanspruch 25 lehrt die Verwendung einer gemäß Anspruch 1 bis 22 aufgebauten Datenbank, bei der in Abhängigkeit von bestimmten bezüglich eines Kunden in der Datensammelstation gespeicherten Daten eine automatische Kontaktaufnahme mit dem Kunden über das Kommunikationsnetzwerk erfolgen soll, um z. B. Werbebotschaften zu übermitteln.

107

Solche Kontaktaufnahmen, z. B. Telefonanrufe im Rahmen von Werbeaktionen sind dem Fachmann aber bereits aus der Alltagserfahrung geläufig und können auch ohne druckschriftlichen Nachweis als hinlänglich bekannt vorausgesetzt werden.

108

Mit Rücksicht auf die unter den Abschnitten 7.1 bis 7.4 gemachten Ausführungen bedurfte es keines erfinderischen Zutuns, um die in der Druckschrift D1 nach den in den Patentansprüchen 1 bis 22 genannten Verfahrensschritten aufgebaute Datenbank 20 zur Kontaktaufnahme mit Kunden bzw. zur Kommunikation von Werbung zu verwenden und so zum Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 25 zu gelangen.

109

8.3 Einen eigenständigen technischen und erfinderischen Gehalt der angegriffenen, auf die erteilten Patentansprüche 1 und 23 rückbezogenen erteilten Patentansprüche 2, 3, 12, 17, 18 und 24 hat die Beklagte nicht geltend gemacht; ein solcher ist auch nicht ersichtlich.

110

8.4 Die Frage kann offen bleiben, ob die angegriffenen Patentansprüche 2, 3, 12, 17, 18, 23, 24 und 25 Merkmale enthalten, die keine Lösung eines technischen Problems mit technischen Mitteln zum Gegenstand haben und deshalb bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht zu berücksichtigen sind (BGH, a. a. O. – Wiedergabe topografischer Informationen), weil alle ihre Merkmale durch den Stand der Technik zumindest nahegelegt sind.

III.

111

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 1 und 2 ZPO.