Entscheidungsdatum: 01.02.2012
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Patentanmeldung 103 53 650.7-53
hat der 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 1. Februar 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Bertl und der Richter Dipl.-Ing. Groß, Dipl.-Ing. J. Müller sowie des Richters am Landgericht Dr. Schön
beschlossen:
1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.
I.
Das Deutsche Patent- und Markenamt - Prüfungsstelle für Klasse G07C - hat die am 17. November 2003 eingereichte Patentanmeldung 103 53 650.7-53, für die die JP-Priorität (Akz.: 03-153184) vom 29. Mai 2003 in Anspruch genommen ist, durch Beschluss vom 10. April 2008, zugestellt am 5. Mai 2008, mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Patentanspruch 1 mangels einer klaren, vollständigen Lehre zum technischen Handeln nicht gewährbar sei.
Gegen diesen Beschluss hat die Anmelderin mit Schriftsatz vom 4. Juni 2008, eingegangen am selben Tag, Beschwerde eingelegt.
Die Anmelderin stellt den Antrag,
den Beschluss der Prüfungsstelle für die Klasse G07C des Deutschen Patent- und Markenamts vom 10. April 2008 aufzuheben und das nachgesuchte Patent 103 53 650 mit den nachfolgend genannten Unterlagen zu erteilen:
Ansprüche 1 bis 6 nach Hauptantrag vom 1. Februar 2012
hilfsweise
Ansprüche 1 bis 6 nach Hilfsantrag vom 1. Februar 2012
hilfsweise
Ansprüche 1 bis 6 nach dem weiteren Hilfsantrag vom 1. Februar 2012
jeweils mit Beschreibung und Zeichnung gemäß ursprünglicher Anmeldung.
Der geltende Patentanspruch 1 nach Hauptantrag lautet (unter Einfügung von Gliederungsbuchstaben):
"System zum Analysieren eines Fahrzeug- und Fahrerverhaltens, umfassend: |
a) eine Datenverarbeitungseinrichtung (20), die Betriebsinformationen elektrischer Systeme (2, 6) innerhalb des Fahrzeugs und von Fahrzeugsensoren erzeugte Daten, die über ein Datennetzwerk (4) innerhalb des Fahrzeugs verfügbar sind, in ein Format umwandelt, das von einer CPU verarbeitet werden kann; |
Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag unterscheidet sich von dem des Hauptantrags dadurch, dass sich an ihn unter Ersetzung des Punktes durch ein Semikolon und das Wort "und" das mit Gliederungsbuchstaben versehene Merkmal
"d) eine Auswerteeinrichtung (70), welche die durch die Rekonstruktionseinrichtung (50) rekonstruierte Fahrzeugtrajektorie in Abhängigkeit individueller Gesetze in einem bestimmten Land beurteilt."
anschließt.
Der Patentanspruch 1 nach dem weiteren Hilfsantrag unterscheidet sich von dem des Hauptantrags dadurch, dass an ihn unter Ersetzung des Punktes durch ein Komma und die Worte "dadurch gekennzeichnet," die mit Gliederungsbuchstaben versehenen Merkmale
"e) dass die Abschätzeinrichtung (30) eine Straßengradienten- und Windkraft-Bestimmungseinheit (335) umfasst, die
e1) einen Straßengradienten mittels einer Radgeschwindigkeit und einer Längsbeschleunigung und
e2) eine Windgeschwindigkeit mittels einer Antriebskraft und einer Fahrzeug-Schwerpunktsgeschwindigkeit bestimmt
f) und dass die Rekonstruktionseinrichtung (50) den bestimmten Straßengradienten und die Windgeschwindigkeit bei der Rekonstruktion der Fahrzeugtrajektorie berücksichtigt."
angefügt sind.
Aufgabe des Anmeldungsgegenstandes soll es sein, ein System zum Analysieren eines Fahrzeug- und Fahrerverhaltens zu schaffen, das die gesamte Informationen, die zum vollständigen Analysieren von kritischen Fahrsituationen, wie beispielsweise eines Unfalls nötig sind, aufzeichnen kann; ebenso soll es Aufgabe des Anmeldungsgegenstandes sein, ein System zum Analysieren von Fahrzeug- und Fahrerverhalten zu schaffen, das hauptsächlich für eine Unfallrekonstruktion verwendet wird, aber zusätzlich als Beweis für ein Verkehrsdelikt oder als Mittel zum Analysieren von instabilen Fahrsituationen, für die gerade noch verhindert wird, dass sie den Unfall verursachen, anwendbar ist (S. 3 Abs. 5, 6 u. U.). |
Die Anmelderin ist der Auffassung, die Erfindung liege im fahrzeugseitigen Berechnen und Abspeichern von nicht messbaren Variablen, die von der Abschätzeinrichtung stammen. Durch diese Art einer Online-Abspeicherung werde weniger Speicherplatz benötigt. Eine solche Abspeicherung sei durch die in der DE 41 32 981 C2 beschriebenen Einrichtung nicht bekannt.
Auf den Vorhalt des Senats, dass die Anmeldung im Zusammenhang mit dem jeweiligen Anspruch 1 nach Hilfsantrag bzw. nach weiterem Hilfsantrag nicht offenbare, wie die Auswerteeinrichtung eine Beurteilung durchführe bzw. wie der Straßengradient und die Windgeschwindigkeit bestimmt und bei der Rekonstruktion der Fahrzeugtrajektorie berücksichtigt würden, meinte die Anmelderin, dass der Fachmann - bei dem es sich um einen Mechatroniker, Informatiker und Elektrotechniker mit Erfahrung auf dem Kraftfahrzeugbereich handele - schon wisse, wie die Parameter bestimmt würden und wie er sie bei der Rekonstruktion der Fahrzeugtrajektorie zu berücksichtigen habe.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde konnte keinen Erfolg haben, weil das System gemäß Patentanspruch 1 nach Hauptantrag nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (§ 4 PatG) und weil die Systeme gemäß den jeweiligen Patentansprüchen 1 nach Hilfsantrag und weiterem Hilfsantrag in der Anmeldung nicht so deutlich und vollständig offenbart sind, dass ein Fachmann sie ausführen kann (§ 34 Absatz 4 PatG).
1. Als zuständiger Fachmann ist hier ein Fachhochschulingenieur der Elektrotechnik mit zusätzlichen Kenntnissen der Informatik anzusehen, der auch auf dem Gebiet der Abspeicherung und Verarbeitung von Fahrzeugbetriebsdaten besonders im Zusammenhang mit der Rekonstruktion von Daten, die bei Unfällen auftreten und dort relevant sind, bewandert ist. Ein solcher Ingenieur geht bedarfsweise sowohl einen mit der für die Datenabspeicherung notwendigen Hardware als auch mit den Fahrzeugeigen- und beschaffenheiten vertrauten Mechatroniker als auch einen sich mit dem Fahrzeugverhalten bei Unfällen auskennenden Maschinenbauingenieur um Rat an. Gegebenenfalls wird er sich auch hinsichtlich der mathematischen Behandlung der bei einem Unfall auftretenden Vorgänge Rat bei einem Physiker holen (vgl. BGH - GRUR 78, 37 - Börsenbügel). Die Summe des Fachwissens dieser Fachleute stellt dann das Wissen und Können des Durchschnittsfachmanns dar (vgl. BGH GRUR 86, 798 - Abfördereinrichtung für Schüttgut).
2. Das System gemäß Patentanspruch 1 nach Hauptantrag beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns (§ 4 PatG).
Aus der DE 41 32 981 C2 ist - mit den Worten des Patentanspruchs - bekannt, ein
System zum Analysieren eines Fahrzeug- und Fahrerverhaltens (S. 5 Z. 45: Aus der Rekonstruktion der Bewegungslinie eines Straßenfahrzeugs lässt sich auch das Fahrzeug- und Fahrerverhalten rekonstruieren), umfassend: |
a) eine Datenverarbeitungseinrichtung (Datenvorverarbeitungseinrichtung gemäß u. U.), die Betriebsinformationen elektrischer Systeme innerhalb des Fahrzeugs und von Fahrzeugsensoren erzeugte Daten (S. 5 Z. 46: mindestens zwei Sensoren liefern solche Informationen und Daten i. V. m. S. 3 Z. 28: Meßtechnisch erfasste Größen v(t) und δ(t)), die über ein Datennetzwerk innerhalb des Fahrzeugs verfügbar sind, in ein Format umwandelt, das von einer CPU verarbeitet werden kann (Die von den mindestens zwei Sensoren herrührenden Informationen und Daten müssen digitalisiert, also in ein Format umgewandelt werden, um im Digitalrechner S. 5 Z. 52 verarbeitet werden zu können, d. h. es ist auch hier notwendig eine entsprechende Daten(vor)verarbeitungseinrichtung und damit auch ein Datennetzwerk vorhanden, worüber solches geschieht); |
b) eine Abschätzeinrichtung (im Digitalrechner a. a. O. implementiert), die von einem Sensor (mindestens zwei Sensoren a. a. O.) innerhalb des Fahrzeugs nicht messbare Variablen (S. 3 Gleichungen 3 und 4: Variable vx(-t), vy(-t), x(-t), y(-t)) basierend auf den verarbeiteten Daten (v(t), δ(t)) von der Datenverarbeitungseinrichtung (Einrichtung, die Informationen und Daten vorverarbeitet a. a. O.) und basierend auf einem Modell des Fahrzeugs (S. 3 Z. 20 bis 23) abschätzt (im Sinne von berechnet) |
Ob die Speicherung der abgeschätzten, d. h berechneten, nichtmessbaren Variablen auf dem Fahrzeug stattfindet oder nicht, ist in der DE 41 32 981 C2 nicht konkretisiert. Nimmt man - wie die Anmelderin - an, dass auf dem Fahrzeug nur die gemessenen, ständig aktualisierten Daten abgespeichert würden, die abgeschätzten Daten aber nicht (sondern in einer Einrichtung außerhalb des Fahrzeugs), dann müsste für die gemessenen Daten reichlich Speicherplatz zur Verfügung gestellt werden.
Davon ausgehend hat der Fachmann nach Überzeugung des Senats Anlass, sich darüber Gedanken zu machen wie er hier Speicherplatz einsparen kann.
Dabei ist ihm ganz allgemein geläufig, dass zur formelmäßigen Darstellung einer Fahrzeugtrajektorie weniger Daten nötig sind, als von den Sensoren herrührende, andauernd aktualisierte Messdaten. Denn dies ergibt sich einfach daraus, dass eine Trajektorie mit - gegenüber den gemessenen Daten - wenigen abhängigen Variablen mathematisch darzustellen ist.
Da sonach auch bei der bekannten Einrichtung nach der DE 41 32 981 C2 weniger berechnete d. h. abgeschätzte Daten, die der mathematischen Beschreibung der Trajektorie dienen, als gemessene Daten vorkommen, liegt es für den Fachmann auf der Hand, auf dem Fahrzeug nicht die gemessenen, sondern die in der Abschätzeinrichtung abgeschätzten Variablen in einem fahrzeugseitigen Speicher abzuspeichern um den Speicheraufwand zu verringern (Restmerkmal b1)).
Erfinderische Tätigkeit ist für diese Erkenntnis daher nicht nötig.
3. Das System gemäß jeweiligem Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag und nach weiterem Hilfsantrag sind in der Anmeldung nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann (§ 34 Absatz 4 PatG).
3.1 In den ursprünglichen Unterlagen (S. 31 Abs. 2 bis S. 33 Abs. 2) sind zwar die Forderungen angegeben, die die im Merkmal d) des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag angegebene Auswerteeinrichtung (70) bei der von ihr zu erledigenden Beurteilung zu erfüllen hat. Wie die an der Auswerteeinrichtung (70) anstehenden Parameter (Fig. 8, 9: Bus 65), u. a. auch die Fahrzeugtrajektorie (Fig. 8: 520, 522, 65), sowie die individuellen Gesetze in einem Land (S. 32 Abs. 1) von ihr zu behandeln sind, ist den Anmeldeunterlagen jedoch nicht zu entnehmen.
Der Fachmann wäre aufgrund der vorliegenden Unterlagen nach Auffassung des Senats überfordert, wenn er nur anhand der angegebenen Forderungen die Auswerteeinrichtung so ausgestalten müsste, dass sie eine sinnvolle Beurteilung - etwa mit Ergebnissen, wie sie Figur 9 verlangt - vornehmen kann.
Der Fachmann wäre somit aus Sicht des Senats nicht in der Lage, um mit den in der Anmeldung enthaltenen Angaben das System gemäß Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag auszuführen.
3.2 In den Merkmale e), e1), e2) und f) des Patentanspruchs 1 nach dem weiteren Hilfsantrag ist gegenüber dem des Hauptantrags zusätzlich angegeben, dass die Abschätzeinrichtung (30) eine Straßengradienten- und Windkraft-Bestimmungseinheit (335) umfassen soll, welche Parameter damit bestimmt werden sollen und weiterhin, dass diese bei der Rekonstruktion der Fahrzeugtrajektorie zu berücksichtigen sind.
Zwar hat die Anmelderin in den ursprünglichen Unterlagen zu einzelnen Untersystemen der Abschätzeinrichtung (30) angegeben, auf welchen Berechnungsgrundlagen die Berechnung der jeweiligen Parameter dieser Untersysteme beruhen. Z. B. hat sie im Zusammenhang mit dem Vertikalkraft-Untersystem (315), das die vertikalen Radkräfte zu ermitteln hat, auf das in der Beschreibungseinleitung genannte Dokument 3 als Grundlage für die Ableitung der Gleichungen hingewiesen (S. 14 Abs. 2 u. U.) oder bezüglich des Lenkmodell-Untersystems (325), das den Raddrehwinkel berechnen soll, auf das selbstgenannte Dokument 5 gezeigt oder das Dokument 4 bezüglich des Rollreibungs-Untersystems (330) angezogen. Durch diese Verweise könnte ein Fachmann befähigt sein, möglicherweise diese Untersysteme zu realisieren, zumindest wäre aber sein Fachwissen nachgewiesen.
Im Zusammenhang mit der nunmehr im Patentanspruch 1 angegebenen Straßengradienten- und Windkraft-Bestimmungseinheit (335) lässt die Anmeldung den Fachmann dagegen hinsichtlich des physikalischen und des mathematischen Vorgehens allein.
So geben die ursprünglichen Unterlagen (S. 16 Abs. 1) diesbezüglich nur an, dass der Straßengradient mittels der Radgeschwindigkeiten und der Längsbeschleunigung verfügbar sein und dass die Windgeschwindigkeit mittels der quadratischen Beziehung zwischen der Kraft (Im Merkmal e2) wird daraus die Antriebskraft) und der Fahrzeug-CoG-Geschwindigkeit (Im Merkmal e2) wird dies als Fahrzeug-Schwerpunktsgeschwindigkeit wiedergegeben) berechnet werden solle. Ein Verweis auf mathematische Methoden - wie bei den anderen Untersystemen - fehlt hier aber.
Mit diesen kargen Angaben ist der Fachmann nach Überzeugung des Senats nicht in der Lage eine Straßengradienten- und Windkraft-Bestimmungseinheit derart zu realisieren, dass sie sinnvolle Werte für Straßengradient und Windgeschwindigkeit liefert (Merkmale e), e1), e2)).
Dabei kann dann dahinstehen, ob der Fachmann - wie die Anmelderin meint - von selbst darauf kommt, dass bei der Rekonstruktion der Fahrzeugtrajektorie (Merkmal f)) Straßengradient und Windgeschwindigkeit additiv hinzugefügt werden müssen oder ob Straßengradient und Windgeschwindigkeit auf eine andere, dem Fachmann nicht bekannte Weise in die Formel für die Fahrzeugtrajektorie eingehen.
Der Fachmann wäre daher nicht in der Lage, mit den in der Anmeldung enthaltenen Angaben das System gemäß Patentanspruch 1 nach dem weiteren Hilfsantrag auszuführen.
III.
Die Beschwerdegebühr war von Amts wegen aus Gründen der Billigkeit zurückzuzahlen (§ 80 Abs. 3 PatG). Das Verfahren vor der Prüfungsstelle leidet an dem schwerwiegenden Verfahrensfehler der Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, §§ 48 Satz 2 i. V. m. 42 Abs. 3 Satz 2 PatG), von dem nicht auszuschließen ist, dass er für die Beschwerdeeinlegung ursächlich war.
In einem ersten Bescheid vom 18. Januar 2006 hat die Prüfungsstelle den ursprünglichen Patentanspruch 1 dahingehend beurteilt, dass er keinen nacharbeitbaren technischen Gegenstand enthalte und dass er deshalb nicht gewährbar sei (S. 1 Abs. 1).
Auf die Erwiderung der Anmelderin vom 26. April 2006, mit der sie neue Ansprüche eingereicht hat, die sie auch in Zusammenhang mit der ursprünglichen Beschreibung erläuterte (S. 2 Abs. 2 bis S. 3 Abs. 3), sowie hilfsweise mündliche Anhörung beantragt hat (S. 4 le. Abs.), hat die Prüfungsstelle – nach einem Prüferwechsel - mit einem zweiten Bescheid vom 17. Dezember 2007 festgestellt, dass auch mit dem neuen Anspruch 1 nicht gesehen werden könne, dass er eine klare vollständige Lehre darstelle (S. 2 Abs. 4).
Mit Eingabe vom 31. März 2008 hat die Anmelderin dem widersprochen und wiederum ihre Sicht erläutert, gemäß der der Anspruch 1 eine klare technische Lehre gebe (S. 2 vorle. Abs), sowie erneut mündliche Anhörung beantragt (S. 5 le. Abs).
Ohne die erneut beantragte mündliche Anhörung durchzuführen oder mit einem weiteren Bescheid auf den Vortrag der Anmelderin bezüglich des in Rede stehenden Vorhalts einzugehen, ist der die Anmeldung zurückweisende Beschluss der Prüfungsstelle vom 10. April 2008 ergangen.
Eine solche Vorgehensweise verstößt gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG), der in §§ 48 Satz 2 i. V. m. 42 Abs. 3 Satz 2 PatG für das Patenterteilungsverfahren seinen Niederschlag gefunden hat. Danach darf die Zurückweisung einer Patentanmeldung nur auf Umstände gestützt werden, die dem Anmelder vorher mitgeteilt worden sind und zu denen er sich in angemessener Frist äußern konnte. Dies ist hier nicht in ausreichendem Umfang geschehen.
Insbesondere ist der Anmelderin nicht mitgeteilt worden, auf welcher gesetzlichen Grundlage der Vorhalt, der Patentanspruch 1 müsse eine klare technische Lehre zum Handeln gebe, beruht.
Die nur allgemeinen, formelhaften Ausführungen, dass dem Anspruch "wesentliche Merkmale, die dem Fachmann die entscheidende Richtung angeben, wie er vorzugehen hat, um ein gewünschtes konkretes technisches Ergebnis zu erreichen", nicht entnehmbar seien (Zurückweisungsbeschluss S. 3 le. Abs.), können insoweit nicht den Anforderungen an die Gewährung rechtlichen Gehörs genügen, zumal die Anmelderin der Auffassung der Prüfungsstelle in ihrer Eingabe vom 31. März 2008 ausdrücklich widersprochen hat (vgl. Schulte, a. a. O., § 48 Rdn. 17, m. Nw. aus der Rspr.).
Hinzu kommt, dass der Vorwurf der Prüfungsstelle, dass "der Patentanspruch 1 mangels einer klaren technischen Lehre zum technischen Handeln" zur Nichtgewährbarkeit des Patentanspruchs führe (Zurückweisungsbeschluss S. 4 Abs. 1) auf keiner gesetzlichen Grundlage beruht. Das Patentgesetz verlangt nämlich gemäß § 34 Abs. 4, dass die Erfindung in der Anmeldung so deutlich und vollständig zu offenbaren ist, dass ein Fachmann sie ausführen kann. Auch die Patentverordnung § 9 Abs. 4 sieht lediglich vor, dass im ersten Patentanspruch (Hauptanspruch) alle wesentlichen Merkmale der Erfindung anzugeben sind. Es ist also - was die Prüfungsstelle hätte wissen müssen - seit Langem bekannt, dass vom Anmelder nicht verlangt werden kann, dass er den Patentanspruch 1 so zu formulieren hat, dass dieser eine vollständige technische Lehre zum Handeln gibt (vgl. z. B. BGH - Mitt. 1972, 135; BGH - GRUR 1968, 311, 313 - Garmachverfahren; BPatG - 17 W (pat) 16/84 vom 28. Februar 1985, insb. S. 5 le. Abs. bis S. 6 Abs. 1).
Es hätte daher vor der Zurückweisung der Anmeldung eines weiteren konkreten Beanstandungsbescheids der Prüfungsstelle zu den neuen Patentansprüchen bedurft, in dem sie den Gesamtinhalt der Anmeldung zu berücksichtigen gehabt hätte oder die fraglichen - auf gesetzliche Grundlagen gestützten - Ablehnungsgründe hätten dem Anmelder in einer von ihm beantragten und unter den dargelegten Umständen auch sachdienlichen mündlichen Anhörung (§ 46 PatG) mitgeteilt und mit ihm erörtert werden müssen.
Da ohne die fehlerhafte Verfahrensbehandlung bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs die Beschwerdeeinlegung vermeidbar gewesen wäre, entspricht es der Billigkeit, dem Anmelder die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen (vgl. Schulte, a. a. O., § 73 Rdn. 135 und 138 m. Nw. aus der Rspr.).
Darüber hinaus leidet das Verfahren vor der Prüfungsstelle auch an erheblichen Mängeln. So hätte die Prüfungsstelle nicht - wie im Zurückweisungsbeschluss (S. 3 Punkt II) geschehen - eine von ihr entnommene Lehre abhandeln dürfen, sondern sie hätte den von der Anmelderin vorgelegten Patentanspruch 1 vollumfänglich, d. h. hinsichtlich aller seiner Merkmale zu beurteilen gehabt.
Im vorliegenden Fall lässt die Amtsakte - ausweislich des fehlenden Eintrags im Literaturbogen - nicht erkennen, ob der von der Anmelderin selbst genannte umfangreiche Stand der Technik (u. U. S. 2 und 3) überhaupt berücksichtigt wurde. Die von der Anmelderin genannte Nichtpatentliteratur musste im Übrigen erst vom Senat von der Anmelderin angefordert werden.
Darüber hinaus wurde insbesondere die von der Anmelderin genannte DE 41 32 981 C2, die wesentliche Merkmale des Patentanspruchs 1 zeigt, von der Prüfungsstelle ersichtlich nicht aufgegriffen.