Entscheidungsdatum: 07.02.2011
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Patentanmeldung 10 2005 059 246. 5-34
hat der 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 7. Februar 2011 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Bertl, der Richterin Kirschneck und der Richter Dr.-Ing. Kaminski und Dr.-Ing. Scholz
beschlossen:
1. Der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H02J des Deutschen Patent- und Markenamts vom 20. Juli 2007 wird aufgehoben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen erteilt:
Patentansprüche 1 bis 8 und
angepasste Beschreibung, Seiten 1 bis 10, überreicht in der mündlichen Verhandlung, Bezugszeichenliste, ursprüngliche Beschreibung Seite 9, und
1 Blatt Zeichnung mit 1 Figur vom Anmeldetag 12. Dezember 2005.
2. Die Beschwerdegebühr wird nicht zurückgezahlt.
I.
Das Deutsche Patent- und Markenamt - Prüfungsstelle für Klasse H02J - hat die am 12. Dezember 2005 eingereichte Anmeldung durch Beschluss vom 20. Juli 2007 mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht ausführbar sei.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie hat in der mündlichen Verhandlung neue Unterlagen eingereicht.
Sie beantragt,
den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H02J des Deutschen Patent- und Markenamts vom 20. Juli 2007 aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:
Patentansprüche 1 bis 8 und angepasste Beschreibung, Seiten 1 bis 10, überreicht in der mündlichen Verhandlung, Bezugszeichenliste, ursprüngliche Beschreibung Seite 9, und 1 Blatt Zeichnung mit 1 Figur vom Anmeldetag 12. Dezember 2005,
sowie die Rückzahlung der Beschwerdegebühr.
Die Anmelderin ist der Auffassung, der gültige Anspruch 1 sei ausführbar, neu und erfinderisch. Sie beanstandet außerdem, dass der Zurückweisungsbeschluss überraschend und ohne die beantragte und als sachdienlich anzusehende Anhörung abgesetzt worden sei.
Der Anspruch 1 lautet (mit einer für den Beschluss eingefügten Gliederung):
Kurzzeit-Spannungsversorgung für eine Feststellbremse für ein Fahrzeug, umfassend:
a) eine erste Schalteinrichtung (1) mit einer Hilfsenergieversorgung (10), die derart ausgelegt ist, dass für eine Steuereinrichtung (2)
a1) auf Anforderung durch Betätigung eines Schalters (16)
a) ausreichend Energie für einen nach Ausfall einer Betriebsenergieversorgung (Ub) letzten Betriebsablauf bereitgestellt wird; und
b) eine von der Steuereinrichtung (2) angesteuerte zweite Schalteinrichtung (26),
c) die den die Feststellbremse betätigenden Verbraucher mittels der Hilfsenergie aus der Hilfsenergieversorgung (10) betätigt,
dadurch gekennzeichnet , dass
d) der Schalter (16) in der ersten Schalteinrichtung (1) angeordnet ist;
e) die erste Schalteinrichtung (1) eine Diodenanordnung (12) mit geringem Sperrstrom aufweist, die einer Selbstentladung der Hilfsenergieversorgung (10) entgegen wirkt;
f) die Hilfsenergieversorgung ein Kondensator (10) ist; und
g) der Kondensator (10) und die Diodenanordnung (12) derart in unmittelbarer Nähe des Schalters (16) angeordnet und derart dimensioniert sind, dass
h) bei einem Ausfall der Betriebsenergieversorgung (Ub) nur kurze Leitungsabschnitte Spannung führen, wodurch der Gesamt-Isolationswiderstand der ersten Schalteinrichtung (1) in einem Zustand, in dem die Betriebsenergieversorgung (Ub) nicht mehr zur Verfügung steht, der letzte Betriebsablauf jedoch noch nicht angefordert wurde, sehr hoch ist.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde hat mit dem geänderten Patentbegehren Erfolg.
1. Die Anmeldung betrifft eine Kurzzeit-Spannungsversorgung für eine Feststellbremse. Die Beschreibungseinleitung führt dazu aus, dass bei bekannten Systemen bei einem Ausfall der elektrischen Versorgung, beispielsweise durch einen Kurzschluss in der Fahrzeugbatterie, die Gefahr besteht, dass die Feststellbremse nicht aktiviert und das Fahrzeug nicht mehr sicher abgestellt werden kann. Zum Anderen dürfe jedoch die Feststellbremse bei einem Ausfall der elektrischen Versorgung nicht in jedem Fall gleichzeitig und automatisch aktiviert werden, insbesondere nicht während der Fahrt. Deshalb müsse, nachdem das Fahrzeug zum Stillstand gekommen sei, eine solche Feststellbremse durch den Fahrer noch einmal aktivierbar sein, damit das Fahrzeug gegen Wegrollen sicherbar bleibe (S. 1, Z. 16-32 der urspr. Unterlagen).
Die bisher bekannten Lösungen mit redundanten Energiespeichern seien dahingehend nachteilig, dass sie teuer und aufwändig seien und eine separate Notstromversorgung aufgrund einer permanenten Selbstentladung stark überdimensioniert sein müsste. Zudem sei die benötigte Energie zur Durchführung eines letzten Betriebsablaufs häufig klein, so dass die bekannten Lösungen den tatsächlichen Anforderungen nicht entsprächen.
Der Erfindung liege deshalb die Aufgabe zu Grunde, eine Kurzzeitspannungsversorgung zu schaffen, welche auf kostengünstige und einfache Art und Weise die für einen im Störungsfall letzten Betriebsablauf eines elektrischen Systems erforderliche Energie bereitstellt (S. 4, Abs. 3 der gültigen Beschreibung).
Diese Aufgabe werde erfindungsgemäß durch die Merkmale des Anspruchs 1 gelöst.
Der Erfindung liege der Gedanke zu Grunde, dass für ein elektrisches System eine geringe Energiemenge ausreiche, um einen letzten Vorgang durchführen zu können. Eine solche Energiemenge werde aus einer Hilfsenergieversorgung bereitgestellt, die durch eine Anordnung direkt in einer Schalteinrichtung mit konzentrierten Leitungspfaden und Trennelementen so gegen eine Selbstentladung geschützt sei, dass eine Überdimensionierung der Hilfs-Energieversorgung entfallen könne.
2. Bei dieser Sachlage sieht der Senat einen Diplomingenieur (FH) der Fachrichtung Elektrotechnik mit Erfahrung in der Entwicklung von Not- und Ersatzstromversorgungen und Kenntnissen in der KFZ-Elektrik als Fachmann.
3. Der Anspruch 1 ist ursprünglich offenbart.
Der Anspruch 1 umfasst die Merkmale der ursprünglichen Ansprüche 1, 2, 4 und 5.
Die Einschränkung auf die Feststellbremse für ein Fahrzeug ist auf Seite 1, Absatz 3, sowie Seite 4, Absatz 5 der ursprünglichen Unterlagen offenbart. Dass dabei die Einschränkung auf Nutzfahrzeuge nur beispielhaft ist und Feststellbremsen für Fahrzeuge aller Art zum Einsatz kommen können, ist dem Fachmann klar.
Dass nach Merkmal c) der Verbraucher – in dem Ausführungsbeispiel ein Magnetventil – die Feststellbremse betätigt, ist auf Seite 5, Absatz 4 offenbart.
Das Merkmal h) geht auf den Absatz 1 der Seite 7 zurück.
4. Einzelne Merkmale des Anspruchs 1 bedürfen näherer Erläuterung:
So zeigt das einzige Ausführungsbeispiel eine Betätigung über ein Magnetventil. Die Energie zur Betätigung der Bremse muss also in diesem Fall in Form von mechanischer (pneumatischer oder hydraulischer) Energie zur Verfügung gestellt werden. Der Fachmann erkennt aber nach Überzeugung des Senats, dass diese Energie nicht zu der ausreichenden (elektrischen) Energie nach Merkmal a) zu zählen ist, dass damit also nur die Energie für das Magnetventil als Verbraucher gemeint ist.
Unter dem Gesamt-Isolationswiderstand der ersten Schalteinrichtung versteht der Fachmann den für die Entladung des Kondensators wirksamen Gesamtwiderstand. Wenn dieser Gesamt-Isolationswiderstand "sehr hoch", also möglichst hoch (nach der Vorstellung der Anmelderin bis in den Gigaohmbereich) ist, dann ist der Kondensator in der ersten Schalteinrichtung mit kurzen Leitungspfaden und hochohmigen Trennelementen so gegen eine Entladung geschützt, dass seine Kapazität nach der tatsächlich benötigten Energie bemessen werden kann, und eine Überdimensionierung entfallen kann, wie auf Seite 2, Absatz 6 der ursprünglichen Unterlagen ausgeführt. Der Schalter S1 und die Diode bzw. Diodenanordnung 12 müssen also die Zuleitungen zum Kondensator in unmittelbarer Nähe dieses Kondensators sperren bzw. unterbrechen.
Die DE 197 58 289 A1 zeigt in Figur 1 die Energieversorgung einer Feststellbremse mit mit einer Hauptbatterie 8 und einer Hilfsbatterie/Akkumulator 9. Figur 1 zeigt einen Bedienknopf oder Wippschalter 5, mit der der Fahrer eine Anforderung für eine Betätigung der elektronischen Feststellbremse angeben kann (Spalte 3, Zeile 23-26). Ein Impedanzwandler 11 (Fig. 2) enthält einen "Supercapacitor" (Sp. 4, Z. 1 bis 5), der die Speicherung allein übernimmt, wenn der Akkumulator 9 weggelassen wird (Sp. 4, Z. 60-65). Damit ist aus Figur 2 in Verbindung mit Figur 1 bekannt eine:
Kurzzeit-Spannungsversorgung für einen Verbraucher, umfassend:
a) eine Schalteinrichtung 2, 5 mit einer Hilfsenergieversorgung 9, die derart ausgelegt ist, dass für eine Steuereinrichtung 2
a1) auf Anforderung durch Betätigung eines Schalters 5
a) ausreichend Energie für einen nach Ausfall einer Betriebsenergieversorgung 8 letzten Betriebsablauf bereitstellbar ist (Sp. 3, Z. 39 bis 50); und
b) eine von der Steuereinrichtung 2 angesteuerte Schalteinrichtung 4,
c) die den Verbraucher 1 mittels der Hilfsenergie aus der Hilfsenergieversorgung 9 betätigt,
d) wobei der Schalter 5 in der Schalteinrichtung 2, 4, 5 angeordnet ist.
Unterstellt man bei Figur 2 ebenfalls den dort nicht gezeichneten Schalter 5 und Dioden in der Ladeschaltung 10, so ist daraus weiterhin bekannt, dass:
e) die Schalteinrichtung 2, 4, 5, 10, 11 eine Diodenanordnung (in der Ladeschaltung 10) mit geringem Sperrstrom aufweist, die einer Selbstentladung der Kurzzeit-Spannungsversorgung entgegen wirkt;
f) die Hilfsenergieversorgung ein Kondensator (im Impedanzwandler 11) ist.
Über die räumliche Anordnung der Schalteinrichtung und ihrer Bestandteile ist nichts gesagt.
Die WO 00/00 374 A1 zeigt eine Feststellbremse für einen elektrisch angetriebenen Rollstuhl (S. 2, Z. 31 bis 33). Die einzige Figur zeigt eine Schaltung, bei der ein Kondensator 26 über eine Diode 27 aufgeladen wird und eine Steuerschaltung 20 sowie einen Umpolschalter 22-25 mit einem nachgeschalteten Motor 13 versorgt (S. 3, Z. 1 bis 7, S. 4, Z. 34 bis S. 5, Z. 16). Ein nicht dargestellter, manuell betätigter Schalter kann in Reihe mit der Batterie 19 oder an dem Eingang 31 der Steuerschaltung 20 angeordnet sein (S. 7, Z. 3 bis 8). Damit ist mit den Worten des Anspruchs 1 bekannt eine:
Kurzzeit-Spannungsversorgung für eine Feststellbremse für ein Fahrzeug (Rollstuhl), umfassend:
a) eine erste Schalteinrichtung (umfassend den Kondensator 26, die Diode 27 und den manuellen Schalter) mit einer Hilfsenergieversorgung 26, die derart ausgelegt ist, dass für eine Steuereinrichtung 20
a1) auf Anforderung durch Betätigung eines Schalters (S. 7, Z. 3 bis 8)
a) ausreichend Energie für einen nach Ausfall einer Betriebsenergieversorgung letzten Betriebsablauf bereitgestellt wird (Abstract, S. 6, Z. 22 bis 32)
b) eine von der Steuereinrichtung 20 angesteuerte zweite Schalteinrichtung 22 bis 25,
c) die einen die Feststellbremse betätigenden Verbraucher 13 mittels der Hilfsenergie aus der Hilfsenergieversorgung 26 betätigt,
d) wobei der Schalter in der ersten Schalteinrichtung angeordnet ist;
e) die erste Schalteinrichtung eine Diodenanordnung 27 mit geringem Sperrstrom aufweist, die einer Selbstentladung der Hilfsenergieversorgung 26 entgegen wirkt (S. 3, Z. 1 bis 7);
f) und die Hilfsenergieversorgung ein Kondensator 26 ist.
Auch dort ist über die räumliche Anordnung der Schalteinrichtung und ihrer Bestandteile nichts gesagt.
Die weiteren Entgegenhaltungen zeigen ähnliche Bremsschaltungen, jedoch ebenfalls ohne Erwähnung einer räumlichen Anordnung im Zusammenhang mit der Entladung des Energiespeichers. Sie wurden in der mündlichen Verhandlung weder vom Senat noch von der Anmelderin aufgegriffen. Sie bringen auch keine neuen Gesichtspunkte, so dass auf sie nicht eingegangen zu werden braucht.
Ausgehend von der Anordnung nach der DE 197 58 289 A1 oder der WO 00/00 374 A1 stellt sich zwar die Aufgabe, soweit es lediglich um Kostenverminderung oder Vereinfachung geht, dem Fachmann von selbst. Der Fachmann erhält aber keinerlei Hinweise, wie er dazu vorgehen soll.
Der Erfinder hat nun erkannt, dass häufig eine geringe Energiemenge ausreicht, um diesen letzten Vorgang durchführen zu können (S. 2, Abs. 2 und 6 der ursprünglichen Unterlagen), dass somit ein Kondensator mit relativ geringer Kapazität eingesetzt werden kann, dass dann aber die Selbstentladung des Kondensators einen wesentlich höheren Stellenwert bekommt und beherrscht werden muss. Für diesen vom Erfinder gewählten Ansatz gibt es keine Hinweise. So ist in den beiden oben genannten Entgegenhaltungen vorgesehen, dass die Elektronik ständig, auch bei Ausfall der Betriebsenergieversorgung mit der Hilfs-Energieversorgung verbunden bleibt und sie somit entlädt. Außerdem stützt sich die aus der DE 197 58 289 A1 bekannten Schaltung in erster Linie auf eine Batterie als Hilfs-Energieversorgung (Fig. 1), und der Kondensator bei der Figur 2 gezeigten Anordnung wird erst im Notfall aufgeladen.
Die WO 00/00 374 A1 benötigt einen Energiespeicher mit relativ großer Kapazität, weil das Getriebe 15 dem Motor 13 relativ viel Energie abfordert. Die räumliche Anordnung der Elemente, insbesondere die Isolationswiderstände von Leitungen, spielen bei einer solchen Bemessung keinen Rolle.
So ist schon in dem vom Erfinder gewählten Ansatz eine erfinderischer Tätigkeit zu sehen. Die Beherrschung bzw. Verminderung der Selbstentladung mag zwar für sich gesehen im normalen Bemühen des Fachmanns liegen. Es mag auch sein, dass der Fachmann hierfür geeignete Dioden mit entsprechend geringen Sperrströmen sowie Kondensatoren mit geringem Selbstentladeraten vorsieht. Für die Maßnahme, durch die räumliche Anordnung der Elemente die Leitungsabschnitte, die Spannung führen, soweit als möglich zu verkürzen, und damit den Gesamt-Isolationswiderstand sehr hohe Werte zu bringen, gibt es aber keinerlei Hinweise.
Um zur Vorrichtung nach Anspruch 1 zu kommen, bedurfte es somit erfinderischer Überlegungen.
7. Mit dem Anspruch 1 haben die auf ihn rückbezogenen Ansprüche 2 bis 8 Bestand.
8. Für die Rückzahlung der Beschwerdegebühr gemäß § 80 Abs. 3 PatG bestand keine Veranlassung. Ob die Beschwerdegebühr zurückgezahlt wird, steht im pflichtgemäßen Ermessen des Senats. Sie ist veranlasst, wenn es aufgrund besonderer Umstände der Billigkeit widerspricht, die Gebühr einzubehalten. Solche besonderen Umstände können u. a. auch in einem fehlerhaften Verfahren der Prüfungsstelle liegen, soweit der Verfahrensverstoß ursächlich für die Beschwerdeeinlegung war (vgl. Schulte, PatG, 8. Aufl., § 73 Rdn. 132 ff. m. N. w.; Benkard, PatG, 10. Aufl., § 80 Rdn. 23 und 28 m. N. w.; BPatG BlPMZ 2006, 372, 374 - Frequenzsignal; BPatGE 47, 224, 231 - Mikroprozessor; 49, 154, 161 ff. - Tragbares Gerät; BPatG Mitt. 2010, 41, 43 - Mobilfunknetzwerk).
Im Hinblick darauf, dass nach überwiegender Auffassung eine einmalige Anhörung im Prüfungsverfahren vor dem Patentamt grundsätzlich sachdienlich i. S. d. § 46 Abs. 1 Satz 2 PatG ist (vgl. Schulte, a. a. O. § 46 Rdn. 8-9 m. N. w.; s. u. a. BPatGE 47, 224, 231 - Mikroprozessor; 49, 111, 112 - Anhörung im Prüfungsverfahren), liegt hier zwar ein Verfahrensfehler darin, dass der Prüfer die Anmeldung zurückgewiesen hat, ohne die von der Anmelderin bereits in ihrer Eingabe vom 18. Dezember 2006 sowie erneut in ihrer Eingabe vom 12. Juli 2007 auf den zweiten Prüfungsbescheid vom 16. Januar 2007 hilfsweise beantragte Anhörung durchzuführen.
Triftige Gründe, die ausnahmsweise eine Anhörung als nicht sachdienlich, weil nur zu einer überflüssigen Verfahrensverzögerung führend, erscheinen lassen, sind nicht erkennbar. Insbesondere rechtfertigt der in dem angefochtenen Beschluss angegebene Grund, dass sich bezüglich der Ausführbarkeit des geänderten Patentanspruchs 1 vom 18. Dezember 2006 offensichtlich gefestigte grundsätzlich unterschiedliche Auffassungen gegenüberstünden, nicht die unterlassene Anhörung. Das Argument gefestigter gegensätzlicher Auffassungen ist, abgesehen von ganz einfach gelagerten, klaren und eindeutig zu beurteilenden Sachverhalten, allenfalls dann geeignet, eine - einmalige - Anhörung im Prüfungsverfahren vor dem Amt als nicht sachdienlich zu beurteilen, wenn vom Anmelder und vom Prüfer ihre jeweiligen Argumente im schriftlichen Verfahren bereits wiederholt dargelegt worden sind und daher eine Anhörung nur einen erneuten - mündlichen - Austausch derselben unterschiedlichen Meinungen erwarten ließe. Dies ist hingegen nicht der Fall, wenn, wie hier, der Anmelder einen erstmalig in einem Prüfungsbescheid genannten Zurückweisungsgrund entgegentritt und dies näher ausführt. Dann stehen sich zwar unterschiedliche, aber noch keine gefestigten Auffassungen gegenüber. Die Prüfungsstelle stellt zwar zutreffend fest, dass in einer Anhörung nichts hinzuerfunden werden kann. Die Frage, ob die Erfindung in der Anmeldung ausführbar offenbart ist (§ 34 Abs. 4 PatG), umfasst aber nicht nur die Feststellung von Offenbarungslücken, sondern auch die Frage, über welche Kenntnisse der Fachmann diesbezüglich verfügt, und ob er damit die Offenbarungslücken schließen kann. Eine Erfindung ist ausführbar offenbart, wenn die in der Patentanmeldung enthaltenen Angaben dem fachmännischen Leser so viel an technischer Information vermitteln, dass er mit seinem Fachwissen und seinem Fachkönnen in der Lage ist, die Erfindung erfolgreich auszuführen (BGH BlPMZ 2011, 21, 22 f. - Klammernahtgerät). Zur Erörterung solcher Fragen, insbesondere der Feststellung des Fachwissens, war eine Anhörung durchaus sachdienlich.
Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr kommt hier aber gleichwohl nicht in Betracht, da die Nichtdurchführung der Anhörung nicht ursächlich für die Beschwerdeeinlegung war. Dabei kommt dem Umstand entscheidende Bedeutung zu, dass die Anmelderin durch die unterlassene Anhörung nicht in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt worden ist. Der - alleinige - Grund, auf den die Prüfungsstelle die Zurückweisung der Anmeldung gestützt hat, die nicht ausführbare Offenbarung des Gegenstands des geänderten Patentanspruchs 1, ist der Anmelderin bereits mit dem zweiten Prüfungsbescheid vom 16. Januar 2007 mitgeteilt und ausführlich begründet worden. Sie hatte daher auch ohne Anhörung ausreichend Gelegenheit gehabt, die Bedenken der Prüfungsstelle auszuräumen, insbesondere, wie nun im Beschwerdeverfahren geschehen, die Entscheidungsgrundlage durch Einbringung neuen Tatsachenmaterials zum Beleg des allgemeinen Fachwissens oder durch eine - zumindest - hilfsweise Beschränkung des Patentanspruchs zu verändern und so eine für sie positive Entscheidung der Prüfungsstelle oder ggfls. einen weiteren Prüfungsbescheid herbeizuführen.