Entscheidungsdatum: 31.01.2011
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Patentanmeldung 199 31 914.6-34
hat der 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 31. Januar 2011 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Bertl, des Richters Dr.-Ing. Kaminski, der Richterin Kirschneck und des Richters Dipl.-Ing. Jochen Müller
beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H01G des Deutschen Patent- und Markenamts vom 6. Juli 2007 aufgehoben und auf die Anmeldung 199 31 914.6-34 das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen erteilt:
Patentansprüche 1 bis 9 und
geänderte Beschreibung, überreicht in der mündlichen Verhandlung,
Abbildungen, Figuren 4, 6, 7A, 7B und 8, vom 18. September 2006,
übrige Abbildungen, Figuren 1A, 1B, 2, 3 und 5, vom 10. September 1999.
2. Die Beschwerdegebühr wird zurückgezahlt.
I.
Das Deutsche Patent- und Markenamt - Prüfungsstelle für Klass H01G - hat die am 8. Juli 1999 eingereichte Patentanmeldung, für welche die Priorität einer japanischen Patentanmeldung vom 27. Juli 1998 (AZ: JP 10-211235) in Anspruch genommen ist, mit Beschluss vom 6. Juli 2007 zurückgewiesen, da der Gegenstand gemäß dem mit Eingabe vom 18. September 2006 eingereichten Patentanspruch 1 sich in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergebe, und der neue nebengeordnete Patentanspruch 8 dessen Schicksal teile, da über die Anmeldung nur in ihrer Gesamtheit entschieden werden könne.
Deshalb könne auch dahingestellt bleiben, dass die Anmelderin den Patentanspruch 8 geändert habe.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin vom 10. August 2007.
Sie beantragt,
den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H01G des Deutschen Patent- und Markenamts vom 6. Juli 2007 aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:
Patentansprüche 1 bis 9 und
geänderte Beschreibung, überreicht in der mündlichen Verhandlung,
Abbildungen, Figuren 4, 6, 7A, 7B und 8, vom 18. September 2006,
übrige Abbildungen, Figuren 1A, 1B, 2, 3 und 5, vom 10. September 1999,
sowie die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.
Außerdem hat sie in der mündlichen Verhandlung die Teilung der Patentanmeldung erklärt.
Der mit einer eingefügten Merkmalsgliederung versehene geltende Patentanspruch 1 lautet:
"Laminiertes Keramikelektronikbauteil (1), mit folgenden Merkmalen:
1. einem gesinterten Keramikpresskörper (2); und
2. einer Mehrzahl von inneren Elektroden (3, 4, 5, 6), die in dem Keramikpresskörper (2) positioniert sind, wobei
2.1 mindestens eine laterale Kante von mindestens einer der inneren Elektroden (3, 4, 5, 6) eine keilförmige Querschnittsform aufweist, wobei
2.2 die Länge L des Keils (W) und die Dicke t der inneren Elektrode an der Basis des Keils (W) die Beziehung L > 2t erfüllen, wobei
3. die Materialien der inneren Elektroden (3, 4, 5, 6) und des gesinterten Keramikpresskörpers (2) derart ausgewählt sind,
3.1 dass das Zusammenziehverhältnis des gesinterten Keramikpresskörpers (2) während eines Brennprozesses größer als das Zusammenziehverhältnis der inneren Elektroden (3, 4, 5, 6) während eines derartigen Brennprozesses ist,
3.2 so dass sich die lateralen Kanten der inneren Elektroden (3, 4, 5, 6) während des Brennprozesses verformen, so dass dieselben die keilförmige Querschnittsform aufweisen."
Der dem Patentanspruch 1 nebengeordnete Verfahrensanspruch 7 lautet mit einer eingefügten Merkmalsgliederung:
"Verfahren zum Erzeugen eines laminierten Keramikelektronikbauteils (1) gemäß einem der Patentansprüche 1 bis 6, wobei das Verfahren die folgenden Schritte aufweist:
1. Laminieren einer Mehrzahl von Keramikgrünlagen (12, 13, 14) aufeinander, wobei mindestens ein Teil der Keramikgrünlagen (12, 13, 14) eine leitfähige Paste auf einer Oberfläche derselben aufweist, derart, dass die leitfähige Paste zwischen zwei benachbarten Keramikgrünlagen (12, 13, 14) positioniert ist;
2. Brennen des laminierten Erzeugnisses, um das Elektronikbauteil (1) zu erhalten, wobei die leitfähige Paste auf den Keramikgrünlagen (12, 13, 14) nach dem Brennen die inneren Elektroden (3, 4, 5, 6) bildet; und
3. wobei das Zusammenziehverhältnis des Keramikmaterials, das die Keramikgrünlagen (12, 13, 14) bildet, größer als das Zusammenziehverhältnis der leitfähigen Paste ist,
3.1 so dass das Keramikmaterial die lateralen Kanten der inneren Elektroden bei dem Brennen so verformt, dass die lateralen Kanten nach dem Brennen die keilförmige Querschnittsform aufweisen."
Mit den Patentansprüchen 1 und 7 soll die Aufgabe gelöst werden, ein laminiertes Keramikelektronikbauteil und ein Verfahren zum Erzeugen eines laminierten Keramikelektronikbauteils zu schaffen, bei dem die Delaminierung und das Zwischenschichtablösephänomen reduziert sind (S. 3a, le. Abs. der geltenden Beschreibung).
Die Anmelderin hält sowohl den geltenden Sachanspruch 1 als auch den Verfahrensanspruch 7 für patentfähig. Die Anmeldung offenbare ein Keramikbauelement, bei dem die lateralen Kanten innerer Elektroden - d. h. die nicht auf die Außenseite des Bauteils herausgeführten Elektrodenkanten - einen während des Herstellungsprozesses des Bauteils entstehenden keilförmigen Querschnitt aufweisen, der eine Delaminierung verhindere (S. 3 Abs. 3 und S. 11 Abs. 3 und 4 bis S. 12 Abs. 1 der Beschwerdebegründung vom 18. September 2006).
Demgegenüber benötige die Herstellung der aus der japanischen Patentveröffentlichung JP 9-190 947 A bekannten randseitig gestuft verdünnten Elektrodenstruktur ein hochkompliziertes Herstellungsverfahren, das bei höherer Stufenzahl rasch an seine Grenzen stoße (a. a. O. S. 9 Abs. 2 und S. 10 Abs. 2 bis S. 11 Abs. 2).
Bei den in der GB 2 123 035 A, Figuren 2 bis 4, keilförmig dargestellten lateralen Elektrodenkanten handele es sich um stilistische Vereinfachungen im Zusammenhang mit durch viskose Tinte hergestellten Elektroden, die lediglich die unterschiedlichen Herstellungsschritte veranschaulichen sollten (a. a. O. S. 8 Abs. 3, S. 9 Abs. 4 bis 10 Abs. 1), im Übrigen sei aber der Informationsgehalt dieser Druckschrift höchst fragwürdig hinsichtlich der Ausformung der inneren Elektroden (a. a. O. S. 10 Abs. 4 bis S. 11 Abs. 3).
Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr sei gerechtfertigt, da das Verfahren vor der Prüfungsstelle wesentliche Mängel aufweise. Einen solchen stelle insbesondere die Ablehnung der beantragten Anhörung dar, die hier im höchsten Maße sachdienlich gewesen sei. Ferner sei die mangelnde Patentfähigkeit der mit Eingabe vom 18. September 2006 überreichten Patentansprüche 8 bis 12 nicht erörtert und dadurch der Anspruch der Anmelderin auf rechtliches Gehör verletzt worden.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde hat mit dem geänderten Patentbegehren auch Erfolg. Denn ein laminiertes Keramikelektronikbauteil mit den im geltenden Patentanspruch 1 angegebenen Merkmalen und auch das zugehörige Herstellungsverfahren gemäß dem Patentanspruch 7 sind gegenüber dem entgegengehaltenen Stand der Technik jeweils neu (§ 3 Abs. 1 PatG) und ergeben sich für den Fachmann auch nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik (§ 4 PatG).
Als zuständiger Fachmann ist hier nach Auffassung des Senats ein Dipl.-Ing. (Univ.) der Elektrotechnik mit Berufserfahrungen in der Entwicklung und Anwendung elektronischer Keramikbauteilelemente anzusehen, der hinsichtlich spezieller Werkstoff- und Fertigungsfragen von Fachleuten auf dem Gebiet der Keramikverarbeitung beraten wird.
1. Die geltenden Patentansprüche sind zulässig, da ihre Merkmale in den ursprünglichen Anmeldunterlagen jeweils als zur Erfindung gehörend offenbart sind.
Die in den ursprünglichen Sachansprüchen verwendete unübliche Bezeichnung "Keramikelektronikteil" ist in Übereinstimmung mit der Gesamtoffenbarung der ursprünglichen Unterlagen in Keramikelektronikbauteil geändert worden, da sowohl im ursprünglichen Anspruch 6 (Kondensator) als auch in der zugehörigen Beschreibung (S. 16 Abs. 3 der u. U.) typische Keramik-Bauteile genannt sind.
Da die nun beanspruchte Elektrodenausbildung in untrennbarem Zusammenhang mit der Struktur des Zwischenproduktes vor dem Brennen offenbart ist, ist die Bezeichnung durch die im Zusammenhang mit der vorgenannten Beschreibungsstelle offenbarten Angabe "laminiert" ergänzt worden.
Die Merkmale 1 bis 2.2 entsprechen wortgleich dem ursprünglichen Anspruch 1, die Merkmale 3 und 3.1 dem ursprünglichen Anspruch 5.
Da in keinem der ursprünglichen Ansprüche angegeben war, dass aufgrund des unterschiedlichen Zusammenziehverhältnisses die keilförmige Querschnittsform gebildet wird, wurde Merkmal 3.2 als weiteres wesentliches Merkmal der Erfindung in den Hauptanspruch 1 aufgenommen (vgl. § 9 Abs. 4 PatV).
Anstelle der offensichtlich missglückten ursprünglichen Formulierung, dass die Spitzen der Elektroden "verformt" werden (S. 9 Abs. 4 u. U.), ist nun in Merkmal 3.2 auf die einzig offenbarte Verformung der bereits im Merkmal 2.1 genannten lateralen Elektrodenkanten abgestellt.
Die Ansprüche 2 bis 4 entsprechen mit der geänderten Bezeichnung den ursprünglichen Ansprüchen 2 bis 4.
Da der am Ende des ursprünglichen Anspruchs 6 genannte Kondensator durch eine bisher nur in der ursprünglichen Beschreibung (S. 8 Abs. 2 u. U.) genannte Überlagerung der Elektrodenschichten gebildet wird, ist dieser als geltender Anspruch 5 fachüblich umformuliert und durch dieses erfindungswesentliche Merkmal ergänzt worden.
Der geltende Anspruch 6 entspricht dem ursprünglichen Anspruch 7.
Die Rückbeziehung des Verfahrensanspruchs 7 auf die vorangehenden Sachansprüche ist aufgrund der Gesamtoffenbarung zulässig; damit brauchten die im ursprünglichen Anspruch 8 genannten inneren Elektroden nicht erneut erwähnt und lediglich alle weiteren Verfahrensmerkmale dieses Anspruchs als Merkmale 1 bis 3.1 übernommen zu werden.
Aus den zum Merkmal 3.2 des geltenden Anspruchs 1 genannten Gründen ist auch im Verfahrensanspruch 7 noch das erfindungswesentliche Merkmal 3.1 angefügt worden.
Die neu formulierten Verfahrensansprüche 8 und 9 sind im experimentellen Beispiel 1 der ursprünglichen Beschreibung (S. 11 u. U.) als zur Erfindung gehörend offenbart.
2. Der geltende Anspruch 1 und damit die auf diesen direkt oder indirekt rückbezogenen Ansprüche 2 bis 6 sind in zulässiger Weise als Product-by-Process-Ansprüche formuliert.
Im Hinblick auf eine im Stand der Technik (s. u.) zeichnerisch vorweggenommene Keilform der inneren Elektrodenkanten einerseits und eine im Stand der Technik (s. u.) bekannte, sich der Keilform annähernde feinstufige Dickenverminderung lateraler Elektrodenkanten in laminierten Elektronikbauteilen konnte die Anmeldung noch auf die einzig offenbarte, während des Herstellungsprozesses entstehende keilförmige Querschnittsform mit der in Merkmal 2.2 angegebenen Bemessung beschränkt werden.
Wie die Anmelderin zutreffend und überzeugend vorgetragen hat, stößt die Aufbringung einer elektrisch leitfähigen Paste sehr schnell an fertigungstechnische Grenzen, wenn ein relativ dicker Materialauftrag für die spätere innere Elektrode an deren lateralen Kanten in sehr vielen Stufen - d.h. nach Art eines Keils - auslaufend bis auf Null verdünnt werden soll.
Aufgrund der Rückbeziehung auf die vorangehenden Sachansprüche musste der Verfahrensanspruch nicht durch Sachmerkmale ergänzt werden, die die Lage und Bemessung der inneren Elektroden am Ende des Verfahrens beschreiben.
Das Verständnis des Begriffs "laterale Kante (einer inneren Elektrode)" als im Inneren der Keramik endende Elektrodenkante - im Gegensatz zu den nach außen geführten und dort mit Anschlusskontierungen versehenen Kanten - ergibt sich schon aus den ersten Abschnitten der ursprünglichen Beschreibung.
3. Das laminierte Keramikelektronikbauteil gemäß dem geltenden Anspruch 1 ist neu.
Die GB 2 123 035 A betrifft Verfahren zur Herstellung keramischen Kondensatoren aus mit Elektrodenmaterial 22 beschichteten dünnen Keramikschichten 11, die aufeinandergestapelt und gebrannt werden (Abstract mit Fig. 1 und 2).
In Übereinstimmung mit dem Wortlaut des geltenden Anspruchs 1 ist aus den Figuren 1 bis 4 mit dem zugehörigen Text dort ein laminiertes Keramikelektronikbauteil (Fig. 4) mit folgenden Merkmalen offenbart:
1. ein gesinterter Keramikpresskörper (Fig. 3, S. 2 Z. 85 bis 90, wobei der Fachmann den dort im Zusammenhang mit dem Stand der Technik erwähnten Pressvorgang (S. 1 Z. 34) auch für die beschriebenen Ausführungsformen mitliest); und
2. eine Mehrzahl von inneren Elektroden 22, die in dem Keramikpresskörper positioniert sind, wobei
2.1 mindestens eine laterale Kante von mindestens einer der inneren Elektroden 22 (Fig. 3: aller inneren Elektroden 22) eine keilförmige Querschnittsform aufweist.
Da weder in den Figuren 3 und 4, die den gebrannten Keramikkörper zeigen, noch in der zugehörigen Beschreibung Angaben zur Dicke des Elektrodenmusters 22 bzw. der fertigen Elektrode und zur Länge der keilförmig dargestellten Elektrodenkanten enthalten sind, offenbart diese Druckschrift schon nicht die im Merkmal 2.2 angegebene Dimension der keilförmigen Querschnittsform.
Zwar ist auch für die dort angegebenen Keramik- und Elektrodenmaterialien vorauszusetzen, dass diese sich beim Brennen zusammenziehen. Denn sowohl der in der Keramikgrünlage 11 vor dem Brennen enthaltene Binder (S. 2 Z. 76) als auch die flüssigen Bestandteile der zur Bildung von Elektrodenschichten aufgedruckten leitfähigen Tinte (S. 2 Z. 80 bis 82) entweichen beim Brennen des laminierten Stapels mit der Folge einer Kontraktion des Materials.
Jedoch fehlen dort jegliche Angaben, in welchem Umfang sich die beiden unterschiedlichen Materialien zusammenziehen, und wodurch sich die dargestellten keilförmigen Spitzen ergeben.
Damit sind auch die Merkmale 3 bis 3.2 des geltenden Anspruchs 1 dort nicht offenbart.
Aus den Figuren 1 und 3 der japanischen Patentveröffentlichung JP 9-190947 A entnimmt der Fachmann in Verbindung mit der in Patents Abstracts of Japan erschienen Publikation Nr. 9-190947 A und der am 18. November 2005 im Internet in der IPDL bereitgestellten englischsprachigen Maschinenübersetzung in Übereinstimmung mit dem Patentanspruch 1 ein laminiertes Keramikelektronikbauteil (Abstract-Titel) mit folgenden Merkmalen:
1. einem gesinterten Keramikpresskörper 3 (Fig. 1, Abs. [0017] der engl. Ü.); und
2. einer Mehrzahl von inneren Elektroden 2a, 2b (Abs. [0019]), die in dem Keramikpresskörper 3 positioniert sind, wobei
2.1) teilweise mindestens eine laterale Kante 12a, 12b von mindestens einer der inneren Elektroden 2a, 2b eine Querschnittsform aufweist.
Diese Querschnittsform besteht in der gezeichneten Ausführungsform aus einer Stufe mit deutlich verringerter Höhe gegenüber dem Funktionsbereich 10, wobei als Beispiel für die Elektrodendicke 3 μm und für die Kantendicke 1,5 μm angegeben ist (Abs. [0020], [0022]).
Der Gegenstand gemäß dem Anspruch 1 ist somit schon aufgrund des im Merkmal 2.1 geforderten keilförmigen Kantenquerschnitts neu.
Darüber hinaus ist der dortige Kantenquerschnitt bereits vor dem Brennen durch Aufdrucken der Elektrodenfläche als leitfähige Tinte erzeugt (Abs. [0016]), so dass auch die Merkmale 3. bis 3.2 des geltenden Anspruchs 1 dort nicht bekannt sind.
Die übrigen im Prüfungsverfahren bekannt gewordenen Druckschriften zeigen schon keine Elektrodenkanten mit von der Elektrodendicke abweichender Querschnittsform. Sie konnten deshalb außer Betracht bleiben und wurden deshalb weder vom Senat noch von der Anmelderin aufgegriffen.
4. Der Senat konnte auch nicht erkennen, dass sich das Keramikelektronikbauteil gemäß dem geltenden Anspruch 1 für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt.
Auch wenn bereits der - nach Ansicht des Senats als nächstkommender Stand der Technik zu berücksichtigenden - japanischen Patentveröffentlichung JP 9-190947 A das Problem der Verringerung der Delamination zugrunde liegt (vgl. Abstract /PROBLEM TO BE SOLVED), mag sich dem Fachmann in der Praxis die Aufgabe stellen, ein laminiertes Keramikelektronikbauteil und ein Verfahren zum Erzeugen eines laminierten Keramikelektronikbauteils zu schaffen, bei dem die Delaminierung und das Zwischenschichtablösephänomen reduziert sind. Denn die Verbesserung bekannter Produkte betrifft regelmäßig auch bereits bekannte Problemstellungen.
Darüber hinaus mag der Fachmann in Kenntnis des aus der japanischen Patentveröffentlichung 9-190947 A bekannten Keramikelektronikbauteils daran denken, an der lateralen Elektrodenkante eine Vielzahl von Stufen vorzusehen, die dann zusammen eine mehr oder weniger fein gestufte Keilform ergeben.
Denn in der zugehörigen Beschreibung (Abs. [0035]) ist angegeben, dass anstelle der gemäß Figur 1 vorgesehenen einzigen Stufe ein allmählicher Übergang mit drei oder mehr Stufen vorgesehen werden kann.
Jedoch ist der Anmelderin zuzustimmen, dass mit zunehmender Stufenzahl das definierte Aufbringen der leitfähigen Tinte immer schwieriger wird, so dass der Fachmann sich schon aus fertigungstechnischen Gründen davon abgehalten sieht, eine größere Zahl von Stufen vorzusehen.
Auch findet der Fachmann weder in dieser Druckschrift einen Hinweis noch käme er aus seinem Fachwissen heraus auf den Gedanken, auf die Stufen ganz zu verzichten und anstelle vieler Stufen direkt auf eine Keilform überzugehen. Denn das Zusammenziehen der Materialien findet nicht nur in Dickenrichtung des laminierten Keramikelektronikbauteils statt, sondern auch quer dazu, so dass es einen grundsätzlichen Unterschied macht, ob die Elektrodenkante keilförmig ausläuft oder eine Vielzahl von Stufenvorderkanten aufweist. Eine Keilform assoziiert schon beim Betrachten eine spaltende Wirken innerhalb des Laminats, während die Vorderkanten von Stufen quer zur Dickenrichtung des Bauteils abstützend wirken können gegen innere Kräfte quer zur Dickenrichtung.
Schon gar keinen Hinweis findet der Fachmann in dieser Druckschrift auf die in den Merkmalen 2 bis 3.2 angegebene Dimensionierung einer sich beim Brennen des Laminats bildenden Querschnittsform.
Denn die Frage des Zusammenziehens beim Brennen ist dort weder für das Elektroden- noch für das Keramikmaterial angesprochen.
Die GB 2 123 035 A thematisiert diese Frage ebenfalls nicht, und offenbart dem Fachmann auch an keiner Stelle, dass den dort keilförmig dargestellten Elektrodenkanten für die Eigenschaften des laminierten Bauteils eine Bedeutung zukommt. Deshalb konnte der Fachmann für die Verbesserung des bekannten Bauteils auch nicht "an einer Keilform festhalten", wie die Prüfungsstelle im Erstbescheid (S. 3 Abs. 4 vom 18. November 2005) unterstellt.
Selbst wenn der Fachmann an der Abschrägung der obersten Elektrodenkante (Fig. 2 und 3) eine in der Praxis durch Verlaufen der leitfähigen Tinte möglicherweise unvermeidbare keilförmige Abschrägung erkennen würde, so dass es sich - entgegen dem Vortrag der Anmelderin - bei den keilförmigen Querschnitten dort nicht um eine stilistisch vereinfachte Darstellung handelte, sondern um eine realistische Wiedergabe einer gedruckten Kantenkontur, so bleibt dort immer noch offen, und wird vom Fachmann auch nicht aus seinem Fachwissen erkannt, dass durch geeignete Bemessung dieser Kante die Bauteileigenschaften beeinflussbar sind.
Deshalb kommt nach Ansicht des Senats den Erfindern das Verdienst zu, ein Keramikelektronikbauteil angegeben zu haben, das mit den Merkmalen 2 bis 3.2 eine effektiv eingeschränkte Delaminierung aufweist (vgl. S. 4 Abs. 1 der geltenden Beschreibung).
5. Die Patentfähigkeit des Verfahrensanspruch 7 ergibt sich schon aufgrund seiner Rückbeziehung auf die vorangehenden Sachansprüche; denn es ist kein Verfahren bekannt oder nahegelegt, das zu einem derartigen Gegenstand führt.
Aber auch die Verfahrensmerkmale 1 bis 3.1. sind in ihrer Kombination durch den Stand der Technik weder vorweggenommen noch ergeben sie sich für den Fachmann aus diesem in naheliegender Weise.
Zwar ist dem Fachmann grundsätzlich bekannt, dass sich keramische Materialien und Elektrodenmaterialien beim Brennen unterschiedlich zusammenziehen, so dass der lediglich auf ein unterschiedliches Zusammenziehverhältnis gerichtete ursprüngliche Patentanspruch 8 zu Recht als nicht patentfähig angesehen werden konnte (vgl. S. 4 Nr. 4) des Erstbescheids).
Jedoch ist der Patentanspruch 7 nun auf eine gezielte Erzeugung der im Anspruch 1 angegebenen Kantenkontur beim Brennen des Laminats beschränkt.
Wie sich aus den Ausführungen zu den Sachansprüchen ergibt, ist aber eine durch Materialauswahl zu erzielende Verformung lateraler Kanten von auf Keramikgrünschichten aufgebrachtem Elektrodenmaterial zum einem keilförmigen Querschnitt aus dem hier berücksichtigten Stand der Technik nicht bekannt.
Dass solches zum allgemeinen Fachwissen des Fachmanns gehört, vermag der Senat ebenfalls nicht erkennen. Auch die sachkundige Prüfungsstelle hat der Anmelderin insoweit nichts vorgehalten.
6. Die Unteransprüche 2 bis 6 bzw. 8 und 9 sind mit den jeweils in Bezug genommenen Hauptansprüchen gewährbar.
Die Beschreibung ist an das nun geltende Patentbegehren angepasst.
Eine Nachrecherche zum Stand der Technik war nicht veranlasst, nachdem von der Prüfungsstelle sowohl keilförmige Kanten an sich als auch der Einfluss gestuft abnehmenden Kantenquerschnitts auf die Delamination als zum Stand der Technik gehörend ermittelt wurden.
7. Die Beschwerdegebühr wird gemäß § 80 Abs. 3 PatG zurückgezahlt. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr ist veranlasst, wenn es aufgrund besonderer Umstände der Billigkeit widerspricht, die Gebühr einzubehalten. Solche besonderen Umstände können u. a. auch in einem fehlerhaften Verfahren der Prüfungsstelle liegen (vgl. Schulte, PatG, 8. Aufl., § 73 Rdn. 132 ff. m. N. w.; BPatGE 49, 111, 112 - Anhörung im Prüfungsverfahren), soweit der Verfahrensverstoß ursächlich für die Beschwerdeeinlegung war, bei einwandfreier Verfahrensbehandlung durch das Amt die Beschwerde also nicht erforderlich gewesen wäre (vgl. Benkard, PatG, 10. Aufl., § 80 Rdn. 23 und 28 m. N. w.; BPatGE 30, 207, 210 f.; 47, 224, 231 - Mikroprozessor; 49, 154, 161 ff. - Tragbares Gerät; BPatG Mitt. 2010, 41, 43 - Mobilfunknetzwerk).
Vorliegend hat die Prüfungsstelle verfahrensfehlerhaft gehandelt, indem sie die Patentanmeldung durch Beschluss vom 6. Juli 2007 zurückgewiesen hat, ohne zuvor eine von der Anmelderin in ihrer Erwiderung vom 18. September 2006 auf den einzigen Prüfungsbescheid vom 18. November 2005 hilfsweise beantragte Anhörung durchzuführen.
Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass nach überwiegender Auffassung in der Rechtsprechung, der sich der Senat anschließt, eine einmalige Anhörung im Prüfungsverfahren vor dem Patentamt grundsätzlich für sachdienlich i. S. d § 46 Abs. 1 Satz 2 PatG anzusehen ist. Denn eine mündliche Erörterung bietet dem Anmelder und dem Prüfer die Möglichkeit, ihre - gegensätzlichen - Auffassungen ausführlich in Rede und Gegenrede zu erörtern, was in der Regel eine schnellere und bessere Klärung der Sach- und Rechtslage als eine schriftliche Auseinandersetzung und damit eine Förderung des Verfahrens verspricht (vgl. u. a. BPatGE 47, 224, 231 – Mikroprozessor; BPatGE 49, 111, 112 - Anhörung im Prüfungsverfahren; BPatG v. 10. August 2007, 14 W (pat) 16/05; BPatG v. 1. August 2008, 20 W (pat) 31/08; BPatG v. 21. April 2009, 21 W (pat) 47/05; Schulte, a. a. O., § 46 Rdn. 8-9 m. N. w.). Eine Anhörung kann danach nur ausnahmsweise als nicht sachdienlich abgelehnt werden, wenn triftige Gründe vorliegen, insbesondere die Anhörung zu einer überflüssigen Verfahrensverzögerung führen würde, etwa in einfach gelagerten - aussichtslosen – Fällen oder in Fällen, in denen der Anmelder überhaupt keine Bereitschaft zeigt, eine als notwendig erachtete Anpassung der Patentansprüche vorzunehmen (vgl. Schulte, a. a. O., § 46 Rdn. 8-9 m. N. w.; BPatG v. 10. Dezember 2008 – 17 W (pat) 58/08), mithin in Fällen, in denen aufgrund der jeweiligen Umstände des Einzelfalls, keine weitere Aufklärung der Sach- und Rechtslage durch eine Anhörung zu erwarten ist. Ein solcher Ausnahmefall ist hier jedoch ersichtlich nicht gegeben.
Soweit die Prüfungsstelle zur Ablehnung der Anhörung anführt, dass hinsichtlich des von der Anmelderin in ihrer Eingabe vom 18. September 2006 eingereichten geänderten Patentanspruchs 1, mit dessen mangelnder Patentfähigkeit die Zurückweisung der Anmeldung in dem Beschluss begründet wird, ein einfacher technischer Sachverhalt vorliege und sich bezüglich des Inhalts der Entgegenhaltung GB 2 123 635 A erheblich gefestigte gegensätzliche Meinungen gegenüber stünden, kann dem nicht gefolgt werden. Zwar hat der Prüfer bereits in dem Prüfungsbescheid zu dem Gegenstand des geänderten, die Merkmale des ursprünglichen Patentanspruchs 7 enthaltenden Patentanspruchs 1 Stellung genommen und sowohl den ursprünglichen Patentanspruch 1 als auch den ursprünglichen Patentanspruch 7 als nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhend beanstandet. Schon im Hinblick darauf jedoch, dass sich der Prüfer in dem Zurückweisungsbeschluss zur Begründung der mangelnden erfinderischen Tätigkeit im Wesentlichen auf die Entgegenhaltung JP 9-190947 A als nächstkommenden Stand der Technik stützt und nicht mehr, wie noch in dem Prüfungsbescheid, auf die GB 2 123 035 A, kann insoweit nicht von gefestigten Auffassungen und auch nicht von einem technisch einfachen, eindeutig zu beurteilenden Sachverhalt gesprochen werden. Vielmehr zeigt dies, dass es sich um durchaus diskussionswürdige Sach- und Rechtsfragen handelt.
Im Übrigen ist das Argument gefestigter gegensätzlicher Auffassungen allenfalls dann geeignet, eine - einmalige - Anhörung im Prüfungsverfahren als nicht sachdienlich zu beurteilen, wenn der Anmelder und der Prüfer ihre jeweiligen Argumente im schriftlichen Verfahren bereits wiederholt dargelegt haben und daher eine Anhörung nur einen erneuten - mündlichen - Austausch derselben unterschiedlichen Auffassungen erwarten ließe. Dies ist hingegen nicht der Fall, wenn, wie hier, der Anmelder auf einen ersten Prüfungsbescheid erstmalig der Auffassung des Prüfers entgegengetreten ist und dies näher dargelegt hat. Es bestehen dann zwar gegenteilige Auffassungen, aber noch keine gefestigten, weshalb nicht auszuschließen ist, dass durch eine Anhörung, in der der Anmelder seinen Standpunkt nochmals mündlich ausführen und mit dem Prüfer die Sach- und Rechtslage eingehend erörtern kann, eine Meinungsänderung auf der einen oder der anderen Seite bewirkt wird oder, falls es sich nicht um ganz einfache klare Sachverhalte handelt, bisher nicht erkannte Aspekte der Erfindung oder zum Stand der Technik zu Tage treten.
War schon von daher hier eine Anhörung sachdienlich, kommt noch hinzu, dass die Anmelderin mit ihrer Eingabe vom 18. September 2006 nicht nur den in der o. g. Weise geänderten Patentanspruch 1 eingereicht hat, sondern außerdem einen neuen Sachanspruch 6 sowie einen wesentlich geänderten nebengeordneten Verfahrensanspruch 8 mit abhängigen neuen Verfahrensansprüchen 9 bis 12. Zur Patentfähigkeit dieser Ansprüche, deren Merkmale zum Teil der Beschreibung entnommen sind, hat sich die Prüfungsstelle vor der Beschlussfassung nicht geäußert. Erst in den Beschlussgründen wird in Bezug auf die Patentansprüche 8 bis 12 lediglich pauschal festgestellt, dass diesen ebenfalls nichts Patentfähiges zu entnehmen sei. Zwar ist die Zurückweisung der Anmeldung nicht auf die mangelnde Patentfähigkeit die Ansprüche 8 bis 12 gestützt worden, sondern wegen des Grundsatzes, dass über die Anmeldung nur in ihrer Gesamtheit entschieden werden kann (vgl. BGH BlPMZ 2008, 12, 14 - Informationsübermittlungsverfahren II), allein auf die mangelnde Patentfähigkeit des Gegenstandes des Patentanspruchs 1. Auch liegt insoweit – rein formal betrachtet – kein Gehörsverstoß vor und war nicht zwingend ein weiterer Prüfungsbescheid in Bezug auf die nach Auffassung des Prüfers ebenfalls nicht patentfähigen neben- und untergeordneten Patentansprüche erforderlich, da hierfür ein Hilfsantrag nicht gestellt war. Allerdings kommt es in einer solchen Situation einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) gleich, eine mündliche Anhörung zu verweigern, die hilfsweise für den Fall beantragt wird, dass kein weiterer Prüfungsbescheid ergeht. Denn mit der Einreichung wesentlich geänderter bzw. teilweise neuer neben- und untergeordneter Patentansprüche, verbunden mit dem Ersuchen an die Prüfungsstelle, einen weiteren Prüfungsbescheid zu erlassen oder hilfsweise eine Anhörung durchzuführen, hat die Anmelderin deutlich ihren Willen zum Ausdruck gebracht, ggfls. weitere Anpassungen ihrer Ansprüche vorzunehmen, was nach gängiger Praxis im Prüfungsverfahren und der allgemeinen Lebenserfahrung auch die Stellung von Hilfsanträgen einschließt. Gerade im Hinblick darauf, dass, wie oben dargelegt, nach der Rechtsprechung eine einmalige Anhörung im Prüfungsverfahren grundsätzlich sachdienlich ist, konnte die Anmelderin berechtigterweise darauf vertrauen, dass ihr vor der Zurückweisung der Anmeldung jedenfalls in einer Anhörung noch Gelegenheit gegeben wird, insbesondere auch die Frage der Patentfähigkeit der geänderten bzw. neuen Patentansprüche 6 und 8 bis 12 zu erörtern und ihr Patentbegehren ggfls. entsprechend umzustellen.
Die fehlerhafte Verfahrensführung war des Weiteren ursächlich für die Einlegung der Beschwerde. In Anbetracht dessen, dass das Beschwerdeverfahren unter Einbeziehung von Merkmalen der geänderten bzw. neuen Neben- und Unteransprüche vom 18. September 2006 zur Erteilung eines Patents mit beschränkten Patentansprüchen geführt hat, ist nicht auszuschließen, dass bei Durchführung einer Anhörung im Verfahren vor dem Patentamt die Entscheidung der Prüfungsstelle anders ausgefallen wäre und sich die Beschwerde der Anmelderin erübrigt hätte.
Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr war gemäß § 80 Abs. 3 PatG aus Billigkeitsgründen anzuordnen.