Entscheidungsdatum: 05.02.2018
In der Beschwerdesache
…
betreffend das Patent 10 2007 056 516
hat der 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 5. Februar 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Kleinschmidt, der Richterin Kirschneck sowie der Richter Dipl.-Phys. Dipl.-Wirtsch.-Phys. Arnoldi und Dipl.-Phys. Dr. Haupt
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Einsprechenden wird der Beschluss der Patentabteilung 1.35 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 14. Juli 2015 aufgehoben und das Patent 10 2007 056 516 widerrufen.
I.
Auf die am 22. November 2007 unter Inanspruchnahme der inneren Priorität der Patentanmeldung 10 2006 055 413.2 vom 22. November 2006 eingereichte Anmeldung ist mit Beschluss vom 25. Juli 2013 das Patent 10 2007 056 516 mit der Bezeichnung „Auswerteanordnung“ erteilt worden. Die Veröffentlichung der Patenterteilung ist am 28. November 2013 erfolgt.
Gegen das Patent hat die Einsprechende mit Schriftsatz vom 13. Februar 2014, eingegangen beim Deutschen Patent- und Markenamt am selben Tag, Einspruch eingelegt und beantragt, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen. Die Einsprechende hat sinngemäß geltend gemacht, das Patent offenbare die Erfindung nicht so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen könne (§ 21 Abs. 1 Nr. 2 PatG), im Übrigen sei der Gegenstand des Patents nach den §§ 1 bis 5 PatG nicht patentfähig (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG).
Hinsichtlich des geltend gemachten Einspruchsgrunds der mangelnden Patentfähigkeit hat die Einsprechende u. a. auf ein Benutzerhandbuch verwiesen:
E4: Modular Safety Controller System UE410 FLEXI. User Manual. S… AG - Industrial Safety Systems - Germany - All rights
reserved. 8011509/ÄND/06-05-19.
Zum Nachweis der Vorveröffentlichung des Benutzerhandbuchs hat die Einsprechende Zeugenbeweis angeboten und ein Vertriebsfreigabedokument vorgelegt:
E4a: V2 sales approval according to company standard 0880_0015, [9054662]. S… AG. Project Manager Name: B… Date:
16.05.06.
Die Patentinhaberin hat widersprochen, insbesondere in Frage gestellt, dass das Benutzerhandbuch vor dem Prioritätstag des Streitpatents der Öffentlichkeit zugänglich war, und beantragt, das Patent in vollem Umfang, hilfsweise beschränkt aufrechtzuerhalten.
Mit am Ende der Anhörung vom 14. Juli 2015 verkündetem Beschluss hat die Patentabteilung 1.35 des Deutschen Patent- und Markenamts das Patent in vollem Umfang aufrechterhalten.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Einsprechenden vom 21. Oktober 2015, eingegangen beim Deutschen Patent- und Markenamt am selben Tag.
Mit Beschluss vom 12. Dezember 2017 hat der Senat beschlossen, dass durch Vernehmung des Herrn D… als Zeugen Beweis zu erheben ist u. a. über
die Fragen ob, wann und unter welchen Umständen das Handbuch E4 für die Öffentlichkeit zugänglich war, insbesondere, ob, wann und an wen das Handbuch E4 im Zeitraum Mitte bzw. Ende Mai 2006 geliefert wurde.
In der mündlichen Verhandlung am 5. Februar 2018 hat der Senat durch uneidliche Vernehmung des Zeugen D… Beweis erhoben. Zudem hat die Ein-
sprechende vorgetragen, dass im Benutzerhandbuch E4 beschriebene Produkte vor dem Prioritätstag des Streitpatents an Kunden verkauft und geliefert worden seien und hierzu zwei Rechnungskopien vorgelegt:
E4b: Rechnung der S… GmbH, Nummer 9090458635 vom 12.06.2016 an die W… GmbH & Co. KG, P… in G….
E4c: Rechnung der S… GmbH, Nummer 9090503004 vom 19.10.2016 an die P… GmbH, D….in M….
Die Einsprechende beantragt,
den Beschluss der Patentabteilung 1.35 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 14. Juli 2015 aufzuheben und das Patent 10 2007 056 516 zu widerrufen.
Die Patentinhaberin beantragt,
die Beschwerde der Einsprechenden zurückzuweisen,
hilfsweise, unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerde der Einsprechenden, das Patent beschränkt mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:
Patentansprüche 1 bis 3 gemäß Hilfsantrag 1, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 5. Februar 2018,
weiter hilfsweise,
Patentansprüche 1 bis 4 gemäß Hilfsantrag 2, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 5. Februar 2018,
weiter hilfsweise,
Patentansprüche 1 bis 2 gemäß Hilfsantrag 3, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 5. Februar 2018,
jeweils zu den Hilfsanträgen noch anzupassende Beschreibung
und Zeichnungen wie erteilt.
Gemäß Patentschrift lauten die erteilten unabhängigen Patentansprüche 1, 4 und 7 wie folgt:
1. Auswerteanordnung mit einer Auswerteeinheit (1), mit wenigstens einem Startkreis (2) und mit wenigstens einem Lastkreis (3) zur Diagnose der Konfiguration des Startkreises (2) und des Betriebszustandes des Lastkreises (3), wobei der Lastkreis (3) wenigstens ein Rückführkreiselement (4) aufweist und der Startkreis (2) wenigstens ein Startschaltelement (5) und ein Rückführschaltelement (6) aufweist und das Rückführschaltelement (6) von dem Rückführkreiselement (4) betätigbar ist, dadurch gekennzeichnet, daß die Auswerteeinheit (1) wenigstens einen ersten Eingang (7), einen zweiten Eingang (8) und wenigstens einen ersten Ausgang (9) aufweist, daß der erste Ausgang (9) über das Startschaltelement (5) mit dem ersten Eingang (7) verbunden ist und der erste Ausgang (9) über das Rückführschaltelement (6) mit dem zweiten Eingang (8) verbunden ist, daß der erste Ausgang (9) im Betriebszustand der Auswerteeinheit (1) ein aktives Signal ausgibt und daß über den ersten Eingang (7) ein erstes Eingangssignal und über den zweiten Eingang (8) ein zweites Eingangssignal eingelesen und zur Diagnose des Betriebszustandes des Startkreises (2) und/oder des Lastkreises (3) herangezogen wird.
4. Auswerteanordnung mit einer Auswerteeinheit (1), mit wenigstens einem Startkreis (2) und mit wenigstens einem Lastkreis (3) zur Diagnose der Konfiguration des Startkreises (2) und des Betriebszustandes des Lastkreises (3), dadurch gekennzeichnet, daß die Auswerteeinheit (1) wenigstens einen ersten Eingang (7), einen zweiten Eingang (8) und wenigstens einen ersten Ausgang (9) aufweist, der erste Eingang (7) entweder direkt oder über ein Rückführschaltelement (6) mit dem ersten Ausgang (9) verbunden ist und der zweite Eingang (8) unbeschaltet ist, daß der erste Ausgang (9) im Betriebszustand der Auswerteeinheit (1) ein aktives Signal ausgibt und daß über den ersten Eingang (7) ein erstes Eingangssignal und über den zweiten Eingang (8) ein zweites Eingangssignal eingelesen und zur Diagnose des Betriebszustandes des Startkreises (2) und/oder des Lastkreises (3) herangezogen wird.
7. Auswerteanordnung mit einer Auswerteeinheit (1), mit wenigstens einem Startkreis (2) und mit wenigstens einem Lastkreis (3) zur Diagnose der Konfiguration des Startkreises (2) und des Betriebszustandes des Lastkreises (3), dadurch gekennzeichnet, daß die Auswerteeinheit (1) wenigstens einen ersten Eingang (7), einen zweiten Eingang (8) und wenigstens einen ersten Ausgang (9) aufweist, daß der erste Eingang (7) entweder direkt oder über ein Startschaltelement (5) oder über ein Rückführschaltelement (6) mit dem ersten Ausgang (9) verbunden ist und daß der zweite Eingang (8) entweder unbeschaltet oder direkt oder über ein Rückführschaltelement (6) mit dem ersten Ausgang (9) verbunden ist, daß der erste Ausgang (9) im Betriebszustand der Auswerteeinheit (1) ein aktives Signal ausgibt und daß beim Einschalten der Auswerteeinheit (1) über den ersten Eingang (7) ein erstes Eingangssignal und über den zweiten Eingang (8) ein zweites Eingangssignal eingelesen und zur Diagnose des Betriebszustandes des Startkreises (2) und/oder des Lastkreises (3) und/oder zur beabsichtigten Betriebsweise der Auswerteeinheit – überwachter Start, automatischer Start – herangezogen wird.
In der Fassung nach dem Hilfsantrag 1 vom 5. Februar 2018 lautet der einzige unabhängige Patentanspruch 1 wie folgt:
1. Auswerteanordnung mit einer Auswerteeinheit (1), mit wenigstens einem Startkreis (2) und mit wenigstens einem Lastkreis (3) zur Diagnose der Konfiguration des Startkreises (2) und des Betriebszustandes des Lastkreises (3), wobei der Lastkreis (3) wenigstens ein Rückführkreiselement (4) aufweist und der Startkreis (2) wenigstens ein Startschaltelement (5), wobei neben der Erfüllung aller Freigabebedingungen zusätzlich eine weitere Startbedingung erfüllt ist, und ein Rückführschaltelement (6) aufweist und das Rückführschaltelement (6) von dem Rückführkreiselement (4) betätigbar ist,
dadurch gekennzeichnet,
daß die Auswerteeinheit (1) wenigstens einen ersten Eingang (7), einen zweiten Eingang (8) und wenigstens einen ersten Ausgang (9) aufweist, daß der erste Ausgang (9) über das Startschaltelement (5) mit dem ersten Eingang (7) verbunden ist und der erste Ausgang (9) über das Rückführschaltelement (6) mit dem zweiten Eingang (8) verbunden ist, daß der erste Ausgang (9) im Betriebszustand der Auswerteeinheit (1) ein aktives Signal ausgibt und daß über den ersten Eingang (7) ein erstes Eingangssignal und über den zweiten Eingang (8) ein zweites Eingangssignal eingelesen und zur Diagnose des Betriebszustandes des Startkreises (2) und/oder des Lastkreises (3) herangezogen wird.
In der Fassung nach dem Hilfsantrag 2 vom 5. Februar 2018 lauten die beiden unabhängigen Patentansprüche 1 und 3 wie folgt:
1. Auswerteanordnung mit einer Auswerteeinheit (1), mit wenigstens einem Startkreis (2) und mit wenigstens einem Lastkreis (3) zur Diagnose der Konfiguration des Startkreises (2) und des Betriebszustandes des Lastkreises (3), wobei der Lastkreis (3) wenigstens ein Rückführkreiselement (4) aufweist und der Startkreis (2) wenigstens ein Startschaltelement (5) und ein Rückführschaltelement (6) aufweist und das Rückführschaltelement (6) von dem Rückführkreiselement (4) betätigbar ist,
wobei die Auswerteeinheit (1) wenigstens einen ersten Eingang (7), einen zweiten Eingang (8) und wenigstens einen ersten Ausgang (9) aufweist, wobei der erste Ausgang (9) über das Startschaltelement (5) mit dem ersten Eingang (7) verbunden ist und der erste Ausgang (9) über das Rückführschaltelement (6) mit dem zweiten Eingang (8) verbunden ist, wobei der erste Ausgang (9) im Betriebszustand der Auswerteeinheit (1) ein aktives Signal ausgibt und wobei über den ersten Eingang (7) ein erstes Eingangssignal und über den zweiten Eingang (8) ein zweites Eingangssignal eingelesen und zur Diagnose des Betriebszustandes des Startkreises (2) und/oder des Lastkreises (3) herangezogen wird,
dadurch gekennzeichnet,
daß von der Auswerteeinheit (1) bei einem inaktiven Signal am ersten Eingang (7) und einem inaktiven Signal am zweiten Eingang (8) der Betriebszustand "Fehler in Rückführung oder Lastkreis" und/oder daß bei einem inaktiven Signal am ersten Eingang (7) und einem aktiven Signal am zweiten Eingang (8) der Betriebszustand "Überwachter Start mit oder ohne Rücklesung" und/oder daß bei einem aktiven Signal am ersten Eingang (7) und einem inaktiven Signal am zweiten Eingang (8) der Betriebszustand "Fehler: Beschaltungsmanipulation oder Rückführschaltelement offen bei gleichzeitig betätigtem Startschaltelement" und/oder daß bei einem aktiven Signal am ersten Eingang (7) und einem aktiven Signal am zweiten Eingang (8) der Betriebszustand "Startschaltelement betätigt" erkannt wird.
3. Auswerteanordnung mit einer Auswerteeinheit (1), mit wenigstens einem Startkreis (2) und mit wenigstens einem Lastkreis (3) zur Diagnose der Konfiguration des Startkreises (2) und des Betriebszustandes des Lastkreises (3),
wobei die Auswerteeinheit (1) wenigstens einen ersten Eingang (7), einen zweiten Eingang (8) und wenigstens einen ersten Ausgang (9) aufweist, der erste Eingang (7) entweder direkt oder über ein Rückführschaltelement (6) mit dem ersten Ausgang (9) verbunden ist und der zweite Eingang (8) unbeschaltet ist, wobei der erste Ausgang (9) im Betriebszustand der Auswerteeinheit (1) ein aktives Signal ausgibt und wobei über den ersten Eingang (7) ein erstes Eingangssignal und über den zweiten Eingang (8) ein zweites Eingangssignal eingelesen und zur Diagnose des Betriebszustandes des Startkreises (2) und/oder des Lastkreises (3) herangezogen wird,
dadurch gekennzeichnet,
daß von der Auswerteeinheit (1) bei einem inaktiven Signal am ersten Eingang (7) und einem inaktiven Signal am zweiten Eingang (8) der Betriebszustand "Fehler in Rückführung oder Lastkreis" und/oder daß bei einem inaktiven Signal am ersten Eingang (7) und einem aktiven Signal am zweiten Eingang (8) der Betriebszustand "Fehler: Beschaltungsmanipulation" und/oder daß bei einem aktiven Signal am ersten Eingang (7) und einem inaktiven Signal am zweiten Eingang (8) der Betriebszustand "Automatischer Start mit oder ohne Rücklesung" und/oder daß bei einem aktiven Signal am ersten Eingang (7) und einem aktiven Signal am zweiten Eingang (8) der Betriebszustand "Fehler: Beschaltungsmanipulation" erkannt wird.
In der Fassung nach dem Hilfsantrag 3 vom 5. Februar 2018 lautet der einzige unabhängige Patentanspruch 1 wie folgt:
1. Auswerteanordnung mit einer Auswerteeinheit (1), mit wenigstens einem Startkreis (2) und mit wenigstens einem Lastkreis (3) zur Diagnose der Konfiguration des Startkreises (2) und des Betriebszustandes des Lastkreises (3), wobei der Lastkreis (3) wenigstens ein Rückführkreiselement (4) aufweist und der Startkreis (2) wenigstens ein Startschaltelement (5) und ein Rückführschaltelement (6) aufweist und das Rückführschaltelement (6) von dem Rückführkreiselement (4) betätigbar ist,
wobei die Auswerteeinheit (1) wenigstens einen ersten Eingang (7), einen zweiten Eingang (8) und wenigstens einen ersten Ausgang (9) aufweist, wobei der erste Ausgang (9) über das Startschaltelement (5) mit dem ersten Eingang (7) verbunden ist und der erste Ausgang (9) über das Rückführschaltelement (6) mit dem zweiten Eingang (8) verbunden ist, wobei der erste Ausgang (9) im Betriebszustand der Auswerteeinheit (1) ein aktives Signal ausgibt und wobei über den ersten Eingang (7) ein erstes Eingangssignal und über den zweiten Eingang (8) ein zweites Eingangssignal eingelesen und zur Diagnose des Betriebszustandes des Startkreises (2) und/oder des Lastkreises (3) herangezogen wird,
dadurch gekennzeichnet,
daß von der Auswerteeinheit (1) bei einem inaktiven Signal am ersten Eingang (7) und einem inaktiven Signal am zweiten Eingang (8) der Betriebszustand "Fehler in Rückführung oder Lastkreis" und/oder daß bei einem inaktiven Signal am ersten Eingang (7) und einem aktiven Signal am zweiten Eingang (8) der Betriebszustand "Überwachter Start mit oder ohne Rücklesung" und/oder daß bei einem aktiven Signal am ersten Eingang (7) und einem inaktiven Signal am zweiten Eingang (8) der Betriebszustand "Fehler: Beschaltungsmanipulation oder Rückführschaltelement offen bei gleichzeitig betätigtem Startschaltelement" und/oder daß bei einem aktiven Signal am ersten Eingang (7) und einem aktiven Signal am zweiten Eingang (8) der Betriebszustand "Startschaltelement betätigt" erkannt wird.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akte verwiesen.
II.
1. Die statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde der Einsprechenden hat Erfolg.
2. Der Einspruch ist zulässig (§ 59 Abs. 1 PatG), insbesondere ist er fristgerecht eingegangen sowie ausreichend substantiiert.
3. Das Streitpatent betrifft eine Auswerteanordnung mit einer Auswerteeinheit, die mit wenigstens einem Startkreis und wenigstens einem Lastkreis verschaltet und zur Diagnose der Konfiguration des Startkreises und des Betriebszustandes des Lastkreises geeignet ist (vgl. Streitpatentschrift, Absatz 0001).
Nach den Ausführungen in der Beschreibungseinleitung der Streitpatentschrift seien derartige Auswerteanordnungen seit längerem bekannt und gewährleisteten den sicheren Betrieb von insbesondere elektrischen Maschinen bzw. nicht elektrischen Maschinen mit elektrischen Steuerungen. In einer Auswerteeinheit würden die von einer externen Beschaltung – Signalgebern, wie z. B. Not-Aus-Tastern, Seilzugschaltern, Magnetschaltern, Positionsschaltern – stammenden Signale nach sicherheitstechnischen Vorschriften erfasst und verarbeitet. Die Auswerteeinheiten könnten üblicherweise nicht nur fehlerfreie Signalvorgaben der Signalgeber verarbeiten, sondern auch Fehlersituationen in der externen Beschaltung erkennen, wie z. B. Querschlüsse zwischen mehreren Signalgebern oder unbeabsichtigte Erdungen (vgl. Streitpatentschrift, Absatz 0002).
Zur Überwachung des Lastkreises werde oftmals in dem Lastkreis ein Rückführkreiselement vorgesehen, das bei aktiviertem Lastkreis ebenfalls aktiviert sei, und in dem Startkreis werde ein dem Rückführkreiselement zugeordnetes Rückführschaltelement – im Regelfall ein Öffnerkontakt – ausgelesen. Dieses Auslesen bestehe im Stand der Technik schlicht darin, dass ein oder mehrere Rückführschaltelemente in Serie mit einem möglicherweise vorhandenen Startschaltelement geschaltet würden und innerhalb des Startkreises beobachtet werde, ob die Reihenschaltung von Rückführschaltelementen und Startschaltelement ein von einem ersten Ausgang stammendes Ausgangssignal zu einem Eingang der Auswerteeinheit weiterleite oder nicht. Vor der Freigabe und der Aktivierung des Lastkreises müssten im fehlerfreien Fall üblicherweise alle Kontakte geschlossen sein, so dass ein von dem Startkreis durchgeleitetes Signal – ausgegeben von dem ersten Ausgang der Auswerteeinheit und empfangen von einem Eingang der Auswerteeinheit – den fehlerfreien Fall kennzeichne, so dass der Aktivierung des Lastkreises nichts entgegen stünde (vgl. Streitpatentschrift, Absatz 0006).
Problematisch bei dieser Vorgehensweise sei, dass im Fehlerfall aufgrund der Serienschaltung des Startschaltelements und der unter Umständen Vielzahl von Rückführschaltelementen für den Benutzer nicht unterscheidbar sei, wo der Fehler verursacht worden sei. Der Anwender könne nicht erkennen, ob die Auswerteeinheit defekt sei, ob ein Rückführschaltelement geöffnet sei – also ein Fehler im Lastkreis vorliege – oder ob das Startschaltelement defekt oder möglicherweise nur noch nicht betätigt sei. Dieser Umstand erschwere die Fehlersuche erheblich (vgl. Streitpatentschrift, Absatz 0007).
Aufgabe der Erfindung sei es daher, den aufgezeigten Nachteil bei der Fehlerdiagnose bekannter Auswerteanordnungen – zumindest teilweise – zu vermeiden (vgl. Streitpatentschrift, Absatz 0010).
Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt der Anspruch 1 in der erteilten und von der Patentabteilung 1.35 als bestandsfähig erachteten Fassung des Patents eine Auswerteanordnung mit folgenden Merkmalen vor:
M1 Auswerteanordnung mit einer Auswerteeinheit (1), mit wenigstens einem Startkreis (2) und mit wenigstens einem Lastkreis (3) zur Diagnose der Konfiguration des Startkreises (2) und des Betriebszustandes des Lastkreises (3),
M2 wobei der Lastkreis (3) wenigstens ein Rückführkreiselement (4) aufweist und der Startkreis (2) wenigstens ein Startschaltelement (5) und ein Rückführschaltelement (6) aufweist und das Rückführschaltelement (6) von dem Rückführkreiselement (4) betätigbar ist,
dadurch gekennzeichnet,
M3 daß die Auswerteeinheit (1) wenigstens einen ersten Eingang (7), einen zweiten Eingang (8) und wenigstens einen ersten Ausgang (9) aufweist,
M4 daß der erste Ausgang (9) über das Startschaltelement (5) mit dem ersten Eingang (7) verbunden ist und der erste Ausgang (9) über das Rückführschaltelement (6) mit dem zweiten Eingang (8) verbunden ist,
M5 daß der erste Ausgang (9) im Betriebszustand der Auswerteeinheit (1) ein aktives Signal ausgibt und
M6 daß über den ersten Eingang (7) ein erstes Eingangssignal und über den zweiten Eingang (8) ein zweites Eingangssignal eingelesen und zur Diagnose des Betriebszustandes des Startkreises (2) und/oder des Lastkreises (3) herangezogen wird.
4. Vor diesem Hintergrund legt der Senat seiner Entscheidung als Fachmann einen Ingenieur der Fachrichtung Elektrotechnik mit Fachhochschulabschluss zu Grunde, der mit der Entwicklung von Sicherheitsschaltungen befasst ist.
5. Die Gegenstände der erteilten unabhängigen Ansprüche 1, 4 und 7 (Hauptantrag der Patentinhaberin) mögen zwar neu sein (§ 3 PatG), beruhen jedoch ausgehend vom Stand der Technik gemäß dem Benutzerhandbuch E4 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (§ 4 PatG).
5.1 Nach der Zeugeneinvernahme in der mündlichen Verhandlung und auf Grund der Angaben in den vorliegenden Unterlagen – E4, E4a, E4b, E4c – sieht es der Senat als erwiesen an, dass das Benutzerhandbuch E4 vor dem Prioritätstag des Streitpatents, dem 22. November 2006, durch Einstellen auf einem Server im Internet der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist.
Der glaubwürdige Zeuge hat in der Vernehmung seine Beteiligung an der betriebsinternen Vertriebsfreigabe der Produktfamilie UE410 FLEXI detailliert und widerspruchsfrei geschildert. Er hat insbesondere angegeben, dass er am 16. Mai 2006 als Entwicklungsleiter im Bereich Sicherheitstechnik das Vertriebsfreigabedokument E4a für diese Produktfamilie unterzeichnet habe (vgl. auch die beiden Felder „Date“ und „Signature ISC spokesperson“ am Ende des Dokuments E4a). Vor der Vertriebsfreigabe habe er die dazugehörigen Dokumente, insbesondere die Handbücher, geprüft.
Zum Verfahrensablauf im Anschluss an die Vertriebsfreigabe hat der Zeuge angegeben, dass jedes Dokument eine eigenständige Materialnummer erhalte. Der Vermerk in der Fußzeile des Handbuchs E4 „8011509/ÄND/06-05-19“ identifiziere das Handbuch E4 anhand seiner Nummer 8011509 und dem Datum der letzten Änderung, hier der 19. Mai 2006. Mit diesem Datum sei das Handbuch E4 in das SAP-System geladen worden. Ab der Vertriebsfreigabe dauere es typischerweise zwei Wochen, bis das Handbuch im Internet bereitgestellt sei und von Kunden abgerufen werden könne. Wann die PDF-Datei des Handbuchs E4 zum ersten Mal aus dem Internet heruntergeladen wurde, wisse er nicht. Im Jahr 2006 wurden nach seiner Erinnerung jedoch 1.100 Geräte der Familie UE410 FLEXI an Kunden verkauft. Den verkauften Produkten habe eine Kurzanleitung beigelegen. Das umfangreiche Handbuch E4 konnten sich die Kunden im Internet herunterladen. Die Vertriebsfreigabe des Produkts UE410 FLEXI habe einen Meilenstein in der Produktentwicklung dargestellt und seine Erinnerung daran stütze sich u. a. auf das Vertriebsfreigabedokument E4a.
Auf Grund dieser Aussagen und in Verbindung mit den von der Einsprechenden vorgelegten Rechnungskopien E4b und E4c sieht es der Senat als erwiesen an, dass Produkte mit der Artikelnummer 6026136 und der Bezeichnung „Main Unit, 4 Eingänge/4 Ausgänge, 24VDC Transistor. Verzögerung: 0-5s“ bzw. „UE410-MU3T5 Sicherheitsmodul“ (vgl. E4b, Position 500 und E4c, Position 100) am 12. Juni 2006 bzw. am 19. Oktober 2006 Kunden in Rechnung gestellt und vor dem Prioritätstag des Streitpatents auch an diese geliefert wurden.
Die Artikelnummer 6026136 findet sich sowohl auf dem Vertriebsfreigabedokument E4a (vgl. dort Zeile „Type Key: UE410-MU“) als auch im Benutzerhandbuch E4 wieder. Dort sind auf Seite 111 in Tabelle 77, Zeile 1, als Bestellinformation für den Gerätetyp UE410-MU3T5 die Artikelnummer 6026136 und die folgende Kennzeichnung angegeben:
„Main module
4 inputs / 4 outputs
delay possible: 0 – 50 s
plug package terminals“
Die von der Rechnung E4b abweichende Angabe zu den möglichen Verzögerungszeiten des Gerätetyps UE410-MU3T5 von „0 – 50 s“ beruht offensichtlich auf einem Schreibfehler, den der Fachmann als „0 – 5 s“ richtigstellt. Denn die letzte Stelle der Typbezeichnung „UE410-MU3T5“ bzw. die letzten Stellen der Typbezeichnungen „UE410-MU3T50“ und. „UE410-MU3T300“ geben die maximal mögliche Verzögerungszeit der verschiedenen Typen an, nämlich 5, 50 bzw. 300 Sekunden (vgl. Handbuch E4, Tabelle 77, erste drei Zeilen). Das verkaufte und gelieferte Modul gemäß Rechnung E4b bzw. E4c entspricht zur Überzeugung des Senats dem in dem Handbuch E4 beschriebenen Modul.
Wie die Einsprechende – für den Senat überzeugend – vorgetragen hat, lassen sich komplexe Sicherheitsmodule, wie die des Typs UE410-MU, ohne die Information im dazugehörenden Benutzerhandbuch nicht in vollem Umfang konfigurieren und nutzen.
Der Senat sieht es nach alledem als erwiesen an, dass das Benutzerhandbuch E4 mit dem Titel „Modular Safety Controller System UE410 FLEXI“ vor dem Prioritätstag des Streitpatents durch Einstellen auf einem Server im Internet der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist.
5.2 Das Benutzerhandbuch E4 mit dem Titel „Modular Safety Controller System UE410 FLEXI“ beschreibt die Montage, die Konfiguration, die elektrische Installation, die Inbetriebnahme sowie den Betrieb und die Wartung eines modularen Sicherheitssteuerungssystems mit der Bezeichnung UE410 FLEXI (vgl. Seite 7, zweiter Absatz).
Das Sicherheitssteuerungssystem umfasst ein Hauptmodul UE410-MU (MU = main unit), in welchem die Konfiguration des Gesamtsystems gespeichert ist und welches mit acht verfügbaren Steuerprogrammen den Anschluss unterschiedlicher Sicherheitskomponenten ermöglicht (vgl. Seite 16, Abschnitt 3.2.1). Das Hauptmodul weist verschiedene Ein- bzw. Ausgänge auf (vgl. Seite 24, Tabelle 11):
- I1…I4 Eingänge für den Anschluss von Sensoren
- S1, S2, S3 Eingänge für Reset-Taster, Wiederanlaufsperre (EDM = external device monitoring), Nachtriggerung, Anlauftest usw.
- X1, X2 Steuersignal zur Querschlusserkennung bei der Ansteuerung von Sicherheitssensoren
- Q1…Q4 Überwachte Halbleiterausgänge
Das Kapitel 8 des Benutzerhandbuchs E4 enthält ab Seite 78 verschiedene Anwendungs- und Schaltungsbeispiele zu den einzelnen Steuerprogrammen des Hauptmoduls. Das auf Seite 79 im Abschnitt 8.4 vorgeschlagene Anwendungs- und Schaltungsbeispiel stellt einen möglichen Ausgangspunkt für die Betrachtungen des Fachmanns dar, der vor der Aufgabe steht, die Fehlerdiagnosemöglichkeiten einer Auswerteanordnung aus dem Stand der Technik zu erfassen und zu verbessern.
5.3 Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 beruht ausgehend von dem Stand der Technik nach dem Benutzerhandbuch E4 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Denn dem Schaltplan in Figur 46 auf Seite 79 des Handbuchs E4 entnimmt der Fachmann eine Auswerteanordnung mit einer Auswerteeinheit (SICK UE410-MU), mit wenigstens einem Startkreis (Stromkreis vom Ausgang X1 des Moduls UE410-MU über den Schalter S2 der Zweihandbedienung zu dem Eingang I1 sowie Stromkreis von der Versorgungsspannung „+24 V“ über die Schaltkontakte k1 und k2 der Schütze K1 und K2 zum Eingang S1) und mit wenigstens einem Lastkreis (Stromkreis zwischen dem Ausgang Q2 des Moduls UE410-MU über den Schütz mit dem Rückführkreiselement K2 zu dem Nullpotential 0V).
Figur 46 auf Seite 79 des Benutzerhandbuchs E4 mit Ergänzungen des Senats
Bei diesem Anwendungs- und Schaltungsbeispiel sind der als Startschaltelement wirkende Schalter S2 und der als Rückführschaltelement wirkende Schaltkontakt k2 nicht in Serie, sondern an separate Eingänge I1 und S1 der Auswerteeinheit angeschlossen.
Dem Handbuch E4 ist darüber hinaus auch die Diagnose der Konfiguration des Startkreises und des Betriebszustandes des Lastkreises entnehmbar (= Merkmal M1). Denn im Abschnitt 11.5 auf den Seiten 88 bis 99 des Handbuchs E4 werden zahlreiche vom Hauptmodul erzeugte Diagnosedaten beschrieben. Einige der in Tabelle 63 (Seite 95) angegebenen Fehlercodes betreffen die Diagnose der Konfiguration des Hauptmoduls, vgl. Tabelle 63, linke Spalte, letzte Zeile Fehlercode 0986, insbesondere die Konfiguration der Eingänge I1/I2 und damit des Startkreises, vgl. Tabelle 63 rechte Spalte, Zeile 3, Fehlercode FF03). Weiterhin sind in Tabelle 62 (Seite 94) Modulfehlerdaten MFD beschrieben, die mögliche Zustände an den Eingängen I1 und S1 und damit eine Diagnose des Betriebszustandes des Start- und Lastkreises betreffen, vgl. Tabelle 62, Zeile S1 (EDM) mit den zwei möglichen Zuständen 0 = No error (EDM), 1 = Open (EDM) bzw. Zeile I1/2 mit vier möglichen Zuständen, u. a. 00 = No error und 01 = Timeout).
Ausschnitt von Tabelle 62 auf Seite 94
Dem Benutzerhandbuch E4 entnimmt der Fachmann weiterhin, dass der Lastkreis wenigstens ein Rückführkreiselement K2 aufweist und der Startkreis wenigstens ein Startschaltelement S2 und ein Rückführschaltelement k2 aufweist (vgl. Seite 79, Figur 46) und das Rückführschaltelement von dem Rückführkreiselement K2 betätigbar ist (= Merkmal M2). Denn der Schalter S2 gehört zu einer Zweihandbedienung des Typs IIIC nach der Norm EN 574 (vgl. Seite 79, Überschrift des Abschnitts 8.4 und Seite 29, Abschnitt „Inputs/sensors“) und hinsichtlich der sog. EDM-Funktion (= external device monitoring) ist im Handbuch angegeben, dass überwacht wird, ob die gesteuerten Schütze während des Rücksetzens ausgefallen sind, wobei die Überwachung in den Rückkopplungsschaltungen S1, S2 und S3 enthalten ist (vgl. Seite 69, Abschnitt 4.7.4: „This static EDM monitors whether the controlled contactors have dropped out during resetting. The EDM is included in the feedback circuits S1, S2 and S3...”).
Weiterhin offenbart das Benutzerhandbuch E4, dass die Auswerteeinheit wenigstens einen ersten Eingang I1, einen zweiten Eingang S1 und wenigstens einen ersten Ausgang X1 aufweist (vgl. Seite 24, Tabelle 11) (= Merkmal M3), dass der erste Ausgang X1 über das Startschaltelement S2 mit dem ersten Eingang I1 verbunden ist sowie, abweichend von der Anweisung im Merkmal M4, dass die Versorgungspannung +24 V über das Rückführschaltelement k2 mit dem zweiten Eingang S1 verbunden ist (vgl. Seite 79, Figur 46) (= Teilmerkmal M4).
Der erste Ausgang X1 gibt im Betriebszustand der Auswerteeinheit ein aktives Signal aus (vgl. Seite 24, Tabelle 11, Zeile X1: … control signal.; vgl. Seite 101, Tabelle 72, Abschnitt „Output circuit (X1, X2)“, Zeile „Test pulse width (X1, X2) Program 1, 2, 4, 5, 6“) (= Merkmal M5), über den ersten Eingang I1 wird ein erstes Eingangssignal und über den zweiten Eingang S1 ein zweites Eingangssignal eingelesen und zur Diagnose des Betriebszustandes des Startkreises und/oder des Lastkreises herangezogen (vgl. die obenstehenden Erläuterungen zu den Modulfehlerdaten MFD) (= Merkmal M6).
Von dem Anwendungs- und Schaltungsbeispiel auf Seite 79 des Benutzerhandbuchs E4 unterscheidet sich die Lehre des erteilten Patentanspruchs 1 lediglich dadurch, dass das Rückführschaltelement mit dem Ausgang der Auswerteschaltung verbunden ist und nicht wie beim Stand der Technik mit der festen Versorgungsspannung „+24V“.
Da das Merkmal M4 nur teilweise erfüllt ist, mag der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber diesem Anwendungs- und Schaltungsbeispiel, neu sein, er beruht jedoch ausgehend vom Gesamtinhalt des Benutzerhandbuchs E4 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Denn das Beispiel auf Seite 79 des Handbuchs E4 betrifft die Zweihandbedienung des Typs IIIC gemäß Norm EN 574 in einer bestimmten Ausgestaltung, nämlich ohne Wiederanlaufsperre, mit Anlauftest und mit Überwachung der an das Schaltgerät angeschlossenen Schütze (vgl. den Signallaufplan des Steuerprogramms 4 auf Seite 29, Abschnitt „Restart interlock, Start-up testing“, erstes Aufzählungszeichen: „Without restart interlock/with start-up testing/with EDM Q1…Q2).
Eine solche Konfiguration wird der Fachmann sicher nicht für alle Einsatzzwecke als geeignet ansehen. Falls der Fachmann etwa eine Zweihandbedienung des Typs IIIA und zwar ohne Anlauftest aber mit Überwachung zusätzlicher Sensoren realisieren möchte - was als typischer Anwendungsfall in der Praxis anzusehen ist -, hat er Veranlassung, das im Benutzerhandbuch E4 beschriebene Steuerprogramm 5 in Betracht zu ziehen (vgl. Seite 30, Abschnitt „Inputs/sensors“, Spalte „Logic path B“: „Two-hand control (to EN 574 IIIA)“).
Im Signallaufplan des Steuerprogramms 5 sind für den Kanal A drei mögliche Varianten der Anschaltung des Rückführschaltelements (EDM) an den Eingang S1 angegeben (vgl. Seite 30, Abschnitt „Restart interlock, Start-up testing“, Kanal A):
Ausschnitt aus dem Signallaufplan auf Seite 30,
Abschnitt „Restart interlock, Start-up testing“, Kanal A
Die zweite Variante, bei der der erste Ausgang X1 über das Rückführschaltelement mit dem zweiten Eingang S1 verbunden ist (= Restmerkmal M4) realisiert eine Zweihandbedienung ohne Wiederanlaufsperre, ohne Anlauftest und mit Überwachung der an das Schaltgerät angeschlossenen Schütze (vgl. Seite 30, Abschnitt „Restart interlock, Start-up testing“, zweites Aufzählungszeichen: „Without restart interlock/without start-up testing/with EDM“).
Insoweit liegt es für den Fachmann nahe das Anwendungs- und Schaltungsbeispiel auf Seite 79 des Handbuchs E4 entsprechend dem Signallaufplan auf Seite 30 anzupassen. Die Lehre beruht damit insgesamt nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
5.4 Der Gegenstand des erteilten unabhängigen Anspruchs 4 beruht gegenüber dem Stand der Technik nach dem Benutzerhandbuch E4 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Der erteilte Anspruch 4 unterscheidet sich vom erteilten Anspruch 1 dadurch, dass das Merkmal M2 gestrichen und das Merkmal M4 wie folgt gefasst ist:
M4a der erste Eingang (7) entweder direkt oder über ein Rückführschaltelement (6) mit dem ersten Ausgang (9) verbunden ist und der zweite Eingang (8) unbeschaltet ist.
Der erste Teil des Merkmals M4a umfasst wegen der „oder“-Verknüpfung auch die Beschaltung des Rückführschaltelements gemäß dem Merkmal M4 des erteilten Anspruchs 1.
Somit geht eine Variante des mit dem Anspruch 4 beanspruchten Gegenstands nur insoweit über den nach Anspruch 1 hinaus, dass ein unbeschalteter Eingang der Auswerteeinheit vorhanden sein muss (= Merkmal M4a, zweiter Teil).
Dieses Merkmal ist aber auch schon aus dem Anwendungs- und Schaltungsbeispiel auf Seite 79 des Benutzerhandbuchs E4 vorbekannt, denn dort ist ein Eingang S2 vorgesehen, der ersichtlich unbeschaltet ist (= Merkmal M4a, zweiter Teil) und für den dennoch Diagnosedaten erzeugt werden (vgl. die auf Seite 94, Tabelle 62 angegebenen Modulfehlerdaten MFD, die insbesondere auch den Eingang S2 betreffen).
5.5 Der Gegenstand des erteilten unabhängigen Anspruchs 7 beruht gegenüber dem Stand der Technik nach dem Benutzerhandbuch E4 ebenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Der erteilte Anspruch 7 unterscheidet sich vom erteilten Anspruch 1 dadurch, dass das Merkmal M2 gestrichen und die Merkmale M4 und M6 wie folgt gefasst sind:
M4b der erste Eingang (7) entweder direkt oder über ein Startschaltelement (5) oder über ein Rückführschaltelement (6) mit dem ersten Ausgang (9) verbunden ist und daß der zweite Eingang (8) entweder unbeschaltet oder direkt oder über ein Rückführschaltelement (6) mit dem ersten Ausgang (9) verbunden ist,
…
M6b daß beim Einschalten der Auswerteeinheit (1) über den ersten Eingang (7) ein erstes Eingangssignal und über den zweiten Eingang (8) ein zweites Eingangssignal eingelesen und zur Diagnose des Betriebszustandes des Startkreises (2) und/oder des Lastkreises (3) und/oder zur beabsichtigten Betriebsweise der Auswerteeinheit – überwachter Start, automatischer Start – herangezogen wird.
Auf Grund der oder-Verknüpfungen umfasst das Merkmal M4b des erteilten Anspruchs 7 in einer Variante dieselben Anweisungen wie das Merkmal M4 des erteilten Anspruchs 1. Das Merkmal M6b unterscheidet sich auf Grund der und/oder-Verknüpfungen in einer beanspruchten Variante von dem Merkmal M6 des erteilten Anspruchs 1 lediglich durch die Anweisung, dass das Einlesen der Eingangssignale
M6b beim Einschalten der Auswerteeinheit (1)…
erfolgt.
Dieser Unterschied kann das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit nicht begründen, denn es liegt nahe, bei sicherheitsrelevanten Anwendungen – abgesehen von technisch notwendigen Verarbeitungs- und Signallaufzeiten – Diagnosesignale bereits ab dem Zeitpunkt des Einschaltens der Auswerteeinheit und nicht erst zu einem späteren Zeitpunkt zu erzeugen.
6. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 vom 5. Februar 2018 beruht ausgehend vom Stand der Technik nach dem Benutzerhandbuch E4 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (§ 4 PatG).
Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 unterscheidet sich von dem erteilten Anspruch 1 dadurch, dass das Merkmal M2 wie folgt gefasst ist (Unterschiede gekennzeichnet):
M2H1 wobei der Lastkreis (3) wenigstens ein Rückführkreiselement (4) aufweist und der Startkreis (2) wenigstens ein Startschaltelement (5), wobei neben der Erfüllung aller Freigabebedingungen zusätzlich eine weitere Startbedingung erfüllt ist, und ein Rückführschaltelement (6) aufweist und das Rückführschaltelement (6) von dem Rückführkreiselement (4) betätigbar ist.
Die zusätzliche Anweisung, wonach neben der Erfüllung aller Freigabebedingungen zusätzlich eine weitere Startbedingung erfüllt sein muss, ist auch dem Signallaufplan auf Seite 30 des Benutzerhandbandbuchs E4 entnehmbar, denn dort sind zwei Kanäle A, B der Auswerteeinheit durch ein logisches UND verknüpft, im Kanal A werden die Freigabebedingungen hinsichtlich der an die Eingänge I1, I2 angeschlossenen Sensoren bzw. Schalter geprüft, im Kanal B wird als (weitere) Startbedingung der Schaltzustand des an die Eingänge I3, I4 angeschlossenen Zweihandschalters geprüft.
Ausschnitt aus dem Signallaufplan auf Seite 30 des Benutzerhandbuchs E4
7. Die Gegenstände der unabhängigen Ansprüche 1 und 3 gemäß Hilfsantrag 2 vom 5. Februar 2018 beruhen ausgehend vom Stand der Technik nach dem Benutzerhandbuch E4 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (§ 4 PatG).
7.1 Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2 unterscheidet sich von dem erteilten Anspruch 1 dadurch, dass an das Ende des Anspruchs 1 das Merkmal angefügt ist:
M7H2 wobei von der Auswerteeinheit (1) bei einem inaktiven Signal am ersten Eingang (7) und einem inaktiven Signal am zweiten Eingang (8) der Betriebszustand "Fehler in Rückführung oder Lastkreis" und/oder daß bei einem inaktiven Signal am ersten Eingang (7) und einem aktiven Signal am zweiten Eingang (8) der Betriebszustand "Überwachter Start mit oder ohne Rücklesung" und/oder daß bei einem aktiven Signal am ersten Eingang (7) und einem inaktiven Signal am zweiten Eingang (8) der Betriebszustand "Fehler: Beschaltungsmanipulation oder Rückführschaltelement offen bei gleichzeitig betätigtem Startschaltelement" und/oder daß bei einem aktiven Signal am ersten Eingang (7) und einem aktiven Signal am zweiten Eingang (8) der Betriebszustand "Startschaltelement betätigt" erkannt wird.
Auf Grund der und/oder-Verknüpfungen umfasst dieses Merkmal M7H2 des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 in einer Variante lediglich die Anweisung, wonach
M7H2(1. Variante)
von der Auswerteeinheit (1) bei einem inaktiven Signal am ersten Eingang (7) und einem inaktiven Signal am zweiten Eingang (8) der Betriebszustand "Fehler in Rückführung oder Lastkreis" erkannt wird.
Wie bereits vorstehend im Zusammenhang mit der erteilten Fassung ausgeführt, sind im Benutzerhandbuch E4 auf Seite 94, Tabelle 62 Modulfehlerdaten MFD beschrieben, die u. a. mögliche Zustände am ersten Eingang I1 und zweiten Eingang S1 betreffen, insbesondere wird bei einem inaktiven Signal am ersten Eingang (I1) der Zustand „1 = Open (EDM)“ und einem inaktiven Signal am zweiten Eingang (S1) etwa der Zustand „01 = Timeout“ ausgegeben. Die Interpretation eines derartigen Betriebszustands als „Fehler in Rückführung oder Lastkreis” erfordert keine erfinderische Tätigkeit, sondern betrifft eine naheliegende Vermutung zur Ursache der inaktiven Signale.
7.2 Der Anspruch 3 nach Hilfsantrag 2 wurde vergleichbar überarbeitet, die vorstehenden Gründe gelten gleichermaßen.
8. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 3 vom 5. Februar 2018 beruht ausgehend vom Stand der Technik nach dem Benutzerhandbuch E4 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (§ 4 PatG).
Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 3 stimmt mit dem Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2 überein. Die vorstehenden Gründe gelten gleichermaßen.
9. Auf die Beschwerde der Einsprechenden war daher der angegriffene Beschluss aufzuheben und das Patent zu widerrufen.