Entscheidungsdatum: 09.11.2011
In der Einspruchsbeschwerdesache
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betreffend das Patent 102 51 905
hat der 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 9. November 2011 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Bertl, sowie der Richter Dr.-Ing. Kaminski, Dipl.-Ing. Müller und des Richters am Landgericht Dr. Schön
beschlossen:
Der Beschluss der Patentabteilung 34 vom 3. April 2008 wird aufgehoben und das Patent mit den folgenden Unterlagen beschränkt aufrecht erhalten:
Bezeichnung: Lötbarer koaxialer Steckverbinder
Ansprüche 1 – 9 gemäß dem Antrag vom 9. November 2011,
Beschreibung gemäß dem Antrag vom 9. November 2011,
Zeichnungen gemäß der erteilten Fassung.
I.
Für die am 7. November 2002 unter Inanspruchnahme der inneren Priorität der früheren Anmeldung DE 101 56 606.9 vom 17. November 2001 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangene Patentanmeldung ist die Erteilung des nachgesuchten Patents am 22. Februar 2007 veröffentlicht worden. Es hat zu diesem Zeitpunkt die Bezeichnung getragen:
"Lötbarer koaxialer Steckverbinder und Verfahren zu dessen Montage auf einem Koaxialkabel".
Gegen das Patent hat mit Schreiben vom 18. Mai 2007, eingegangen am 19. Mai 2007, die Firma
EI T… K… G… GmbH in S…
Einspruch erhoben, mit der Begründung, der Gegenstand des Streitpatents sei weder neu noch beruhe er auf erfinderischer Tätigkeit.
Die Einsprechende EI hat ihren Vortrag auf folgende Schriftstücke gestützt:
D1 = EP 0 576 785 A2
D2 = EP 0 660 970 B1
D3 = DE 100 55 992 A1
D4a = Fertigungszeichnung 7/16-Kabelstecker G23 (1/2" Flex) Zeichnungsnummer F EWA10033-00 vom 28. Mai 2001 mit Änderungsvermerk 9. Oktober 2001
D4b = Montageanweisung Zeichnungsnummer M EWA10033-00 vom 30. Mai 2001
D4c = Kundenzeichnung 7/16-Kabelstecker, Zeichnungsnummer K EWA10033-00 vom 30. Mai 2001
D5 = Bestellung der Firma T1… S.r.l. in S1…, I… über50 Stück 7/16-Kabelstecker Löttyp P/N EWA10033-00 vom 24. Juli 2001
D6 = Lieferschein über 50 Stück 7/16-Kabelstecker EWA10033-00 mit Eingangsstempel der T1… S.r.l. 10. Oktober 2001.
Für den konstruktiven Aufbau des Steckverbinders gemäß der Dokumente D4a-c sowie für die Auslieferung an die T1… bietet die EI Beweis durch den Zeugen
P… an.
Weiter hat gegen das Patent mit Schreiben vom 21. Mai 2007, eingegangen am 22. Mai 2007, die Firma
EII I1… GmbH in L…
Einspruch erhoben, mit der Begründung, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Der Gegenstand des Patentanspruchs 10 beruhe ebenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
Die Einsprechende II hat ihren Vortrag auf folgende Schriftstücke gestützt:
E1 = DE 100 55 992 A1 (= D3)
E2 = EP 0 576 785 A2 (= D1)
E3 = US 3 541 495
E4 = EP 0 660 970 B1 (= D2)
E5 = DE 32 29 899 A1.
Nach mündlicher Verhandlung, in der auch der Zeuge P… vernommen worden ist, hat die Patentabteilung 34 des Deutschen Patent- und Markenamtes mit Beschluss vom 3. April 2008 das Patent mit der Begründung widerrufen, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 sei gegenüber der durch Zeugenbeweis nachgewiesenen Vorbenutzung gemäß der Druckschrift D4a nicht neu.
Einen Hilfsantrag der Patentinhaberin hat die Patentabteilung mit der Begründung abgelehnt, dessen Gegenstand sei der Patentschrift nicht als zur Erfindung gehörend entnehmbar.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin vom 12. Juni 2008, eingegangen am selben Tag.
Der geltende Patentanspruch 1 lautet unter Einfügung einer Gliederung:
"Koaxialer Steckverbinder,
a) dessen Steckerkopf (1) kabelseitig eine Ausnehmung (1.2) zur Aufnahme, Kontaktierung und Abfangung des Endes des Außenleiters (10) eines Koaxialkabels hat,
b) deren Boden (1.3) mittig einen Durchgang (1.7) zu einer steckseitigen Ausnehmung (1.6) hat,
c) in der beabstandet zu dem Boden (1.3) eine Isolierstoffstütze (2) sitzt, die einen Steckverbinderinnenleiter (3) haltert,
d) der kabelseitig eine axiale Bohrung (3.2) zur Einführung des Endes des Innenleiters (12) des Koaxialkabels hat,
dadurch gekennzeichnet,
e) dass die axiale Bohrung (3.2) des Steckverbinderinnenleiters (3) an ihrem kabelseitigen Eingang einen Bereich (3.3) erweiterten Durchmessers hat und
f) dass in diesem Bereich (3.3) ein Lotdepot (5) angeordnet ist."
Als Aufgabenstellung ist in der geltenden Patentbeschreibung angegeben (Absatz [0005]), einen Steckverbinder der durch die DE 100 55 992 A1 gegebenen Art zu schaffen, der sich zeitsparend auf insbesondere auch dünne Koaxialkabel montieren lässt.
Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere auch zum Protokoll der Zeugenvernehmung und zum Wortlaut der abhängigen Patentansprüche, wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
1. Die frist- und formgerecht erhobene Beschwerde ist zulässig. Die Beschwerde hat auch Erfolg, da der Beschluss der Patentabteilung 1.34 aufgehoben und das Patent antragsgemäß in beschränktem Umfang aufrecht erhalten wird.
2. Als Fachmann sieht der Senat einen Diplom-Ingenieur mit Fachhochschulabschluss der Fachrichtung Elektrotechnik an, der über langjährige Erfahrung in der Konstruktion von koaxialen Steckverbindern verfügt.
3. Der Senat geht nach der Einvernahme des Zeugen P… davon aus, dass am5. Oktober 2001 von der Firma T… K… G… GmbH ein Stecker an di Firma T1… S.r.l. in S1…, I… geliefert wurde, der alle Merkmale des Patent-anspruchs 1 erfüllen würde. Allerdings ist der Senat nicht davon überzeugt, dass diese Lieferung eine neuheitsschädliche Vorbenutzung darstellt. Die Umstände der Lieferung sprechen für eine Testlieferung.
a. Der am 5. Oktober 2001 gelieferte Stecker gemäß den Unterlagen D4a - D4c weist alle Merkmale des Patents auf. Etwaige Bedenken sind durch die Zeugenaussage ausgeräumt. Insbesondere geht aus der von dem Zeugen zusätzlich vorgelegten Einzelteilzeichnung des Steckverbinderinnenleiters mit der Zeichnungsnummer EWA10033-07, erstellt am 28. Mai 2001, deutlich hervor, dass die axiale Bohrung des Steckverbinderinnenleiters an ihrem kabelseitigen Eingang tatsächlich einen Bereich erweiterten Durchmessers hat.
b. Eine öffentliche Zugänglichkeit liegt dann vor, wenn die Informationen, die eine Vorbenutzung vermitteln, so öffentlich zugänglich sind, wie Informationen aus öffentlichen Druckschriften. Sie ist bereits dann gegeben, wenn der entsprechende Gegenstand in die Öffentlichkeit, beispielsweise durch einen vorbehaltslosen Verkauf an Dritte, gelangt ist.
Der Zeuge P… hat angegeben, das die Firma T… eine bereits langjährige Geschäftsbeziehung mit der Firma T1… S.r.l. hatte. Er gab auch an, dass der Preis für herkömmliche Koaxialstecker im Centbereich liegt und dass der Stückpreis von 80 DM pro Stecker hoch war. Nach dem Vortrag des Zeugen ist davon auszugehen, dass die Initiative zur Konstruktion und Fertigung eines solchen Steckverbinders, bei dem zwischen Steckverbinderinnenleiter und Isolierstoffstütze ein Lotdepot platziert ist, von der Firma T1… ausging, mit der die Einsprechende I in langjähriger und enger Geschäftsbeziehung steht. Im Betrieb der Firma T1… sollten demnach anderweitig zugekaufte Koaxialkabel mit den in Rede stehenden Steckverbindern versehen werden, um die so konfektionierten Koaxialkabel an die T2… I1… zu liefern.
Deshalb geht der Senat davon aus, dass es sich um keinen gewöhnlichen Liefervorgang an einen Dritten handelt, sondern dass die Firmen T… und T1…-… gemeinsam einen neuen Stecker entwickelten. Die Vergütung von 4000 DM für 50 Stecker kann lebensnah nur als Beitrag zu Entwicklungskosten durch die T1… aufgefasst werden. Die Lebenserfahrung spricht dafür, dass diese Firma kein Interesse hatte, die von ihr zumindest mitfinanzierte Neuentwicklung Dritten bekannt zu machen, zumal weder sie, noch die Einsprechende I diese durch eine Schutzrecht geschützt hatte. Vielmehr folgert der Senat aus diesen Indizien, dass die Firma T1… ein eigenes Interesse an der Geheimhaltung den geänderten Konstruktion des koaxialen Steckverbinders und der damit verbundenen vereinfachten Konfektionierbarkeit der von ihr vertriebenen Koaxialkabel haben musste.
Soweit eine vorbehaltlose (Weiter-)lieferung des Steckers an die T2… I1…möglich erscheint, fehlt es insofern an Vortrag. Da die Lieferung der Stecker an die T1… am 10. Oktober 2001 erfolgte und das Prioritätsdatum des Streitpatents 17. November 2001 nur wenige Wochen später liegt ist, nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht von einer Weitergabe an die T2… I1… vor dem Prioritätstag auszugehen.
4. Gegenüber dem druckschriftlich vorveröffentlichten Stand der Technik ist der koaxiale Steckverbinder gemäß Patentanspruch 1 neu (§ 3 PatG) und beruht auf erfinderischer Tätigkeit (§ 4 PatG).
Die EP 0 576 785 A2 (D1, E2) geht nicht über Folgendes hinaus (vgl. dort Figuren 2 - 4): einen koaxialen Steckverbinder (siehe Titel),
a) dessen Steckerkopf 120 kabelseitig eine Ausnehmung 136 zur Aufnahme, Kontaktierung und Abfangung des Endes 88 des Außenleiters 82 eines Koaxialkabels 80 hat,
b) deren Boden (rechte Begrenzung der Ausnehmung 136) mittig einen Durchgang 56 zu einer steckseitigen Ausnehmung (innerhalb derer die Isolierstoffstütze 50 angeordnet ist) hat,
c) in der beabstandet zu dem Boden eine Isolierstoffstütze 50 sitzt (ist aus der zeichnerischen Darstellung ersichtlich), die einen Steckverbinderinnenleiter 70 haltert,
d) der kabelseitig eine axiale Bohrung zur Einführung des Endes des Innenleiters 86 des Koaxialkabels 80 hat.
Anders als im Patentanspruch 1 (Merkmal d) angegeben, hat der Steckverbinderinnenleiters 70 dieses Steckverbinders weder eine axiale Bohrung noch ist vorgesehen, den Innenleiter 86 des Koaxialkabels mit dem Steckverbinderinnenleiter zu verlöten, vielmehr wird das Ende des Innenleiters der Koaxialkabels selbst zu einem Steckstift geformt, das mit einer entsprechend gestalteten, federnden Buchse 74 am kabelseitigen Ende des Steckverbinderinnenleiters 70 zusammenwirkt.
Selbst wenn der Fachmann - nach Überzeugung des Senats bei metallischen Federwerkstoffen unbegründete - Bedenken haben sollte, dass die Buchse 74 im Lauf der Zeit ermüden könnte, führte dies nicht in naheliegender Weise dazu, die im Zusammenhang mit der Festlegung und Kontaktierung des Kabelmantels 80 vorgesehene Anordnung eines Lotdepots 132 an einem erweiterten Innendurchmesser einer axialen Bohrung 136 des Steckverbinderaußenleiters 130, das induktiv erwärmbar ist, auf den Steckverbinderinnenleiter zu übertragen, da dies sowohl die vollständige Neukonstruktion des Steckverbinderinnenleiters als auch einen völlig anderen Montagevorgang nach sich ziehen würde.
Wesentlich einfacher und damit naheliegender erschiene es vielmehr, auf die aus der DE 32 29 899 A1 (E5) und der EP 0 660 970 B1 (D2, E4) bekannte Lösung zurückzugreifen, bei der das Lotdepot jeweils auf dem Boden eines Sacklochs einer Buchse angeordnet ist.
Auch aus der DE 100 55 992 A1 (D3, E1), die schon in den ursprünglichen Unterlagen genannt war, ist in den Worten des Streitpatents ausgedrückt, lediglich Folgendes bekannt (vgl. insbesondere Figur 3): ein
Koaxialer Steckverbinder (siehe Titel),
a) dessen Steckerkopf kabelseitig eine Ausnehmung (im rechten Bereich von 14b) zur Aufnahme, Kontaktierung und Abfangung des Endes des Außenleiters (3) eines Koaxialkabels hat,
b) deren Boden (Stufe am linken Ende von 14a) mittig einen Durchgang (Gehäuseteil, der die Isolierstoffstütze 12 umgibt) zu einer steckseitigen Ausnehmung (Öffnung von links) hat,
c) in der beabstandet zu dem Boden eine Isolierstoffstütze 12 sitzt, die einen Steckverbinderinnenleiter 10 haltert,
Aber schon das noch im Oberbegriff genannte Merkmal d, dass der Steckverbinderinnenleiter kabelseitig eine axiale Bohrung zur Einführung des Endes des Innenleiters des Koaxialkabels hat, ist aus der DE 100 55 992 A1 nicht bekannt. Vielmehr ist der als Rohrleiter ausgeführte Innenleiter 1 des Koaxialkabels auf den Steckverbinderinnenleiter 10 aufgeschoben.
Dadurch bedingt sind auch die Merkmale e und f, die auf das Merkmal d aufbauen aus dieser Druckschrift nicht bekannt.
Wenngleich gemäß der DE 100 55 992 A1 zwischen Steckverbinderinnenleiter 10 und dem vorderen Ende des Innenleiters 1 des Koaxialkabels bereits ein Lotdepot 20 vorgesehen ist, regt diese Druckschrift allenfalls dazu an, bei Übertragung des Montageprinzips auf ein Koaxialkabel mit einem massiven Innenleiter, das Lotdepot am steckerseitigen Ende der axialen Bohrung des Steckverbinderinnenleiters anzuordnen, während im Streitpatent gefordert ist, das Lotdepot am kabelseitigen Eingang anzuordnen. Dies führte jedoch wiederum zu der Überlegung das Lotdepot in ein Sackloch ohne einen Bereich mit erweitertem Durchmesser des Steckverbinderinnenleiters einzulegen, wie auch die DE 32 29 899 A1 (E5) und die EP 0 660 970 B1 (D2, E4) lehren.
Gemäß US 3 541 495 (E3) mündet das kabelseitige Ende des Kabelinnenleiters 34 in zwei Zinken 24, 25 eines Steckverbinderinnenleiters 20, um die herum ein Lotdepot 27 angeordnet ist (Fig. 4). Daher kann auch dieser Druckschrift keine Anregung entnommen werden die zu einem erfindungsgemäßen Steckverbinder führen würde.
5. Auch die geltenden, auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 9 sowie die übrigen Unterlagen genügen den an sie zu stellenden Anforderungen, wobei der Fachmann nach Überzeugung des Senats den Patentanspruch 7 so versteht, dass das dort genannte Lotdepot in der kabelseitigen Ausnehmung des Steckerkopfes, die der im bereits im Merkmal a) des Patentanspruchs 1 genannten Aufnahme, Kontaktierung und Abfangung des Endes des Außenleiters des Koaxialkabels dient, von dem gemäß den Merkmalen e und f des Patentanspruchs 1 in der axialen Bohrung des Steckverbinderinnenleiters angeordneten Lotdepot zu unterscheiden ist.