Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 13.06.2012


BPatG 13.06.2012 - 19 W (pat) 145/09

Patentbeschwerdeverfahren – Anhörung im Prüfungsverfahren – Rückzahlung der Beschwerdegebühr –


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
19. Senat
Entscheidungsdatum:
13.06.2012
Aktenzeichen:
19 W (pat) 145/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 10 2008 023 451.6-34

hat der 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 13. Juni 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Bertl, der Richterin Kirschneck sowie der Richter Dipl.-Ing. Groß und Dipl.-Ing. Müller

beschlossen:

1. Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H01R des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. Juni 2009 aufgehoben und die Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.

2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

Gründe

I.

1

Das Deutsche Patent- und Markenamt - Prüfungsstelle für Klasse H01R - hat die am 14. Mai 2008 eingereichte Patentanmeldung, bei der die Priorität der US 11/890331 vom 6. August 2007 in Anspruch genommen wurde, mit Beschluss vom 19. Juni 2009 (zugestellt am 20. Juli 2009) mit der Begründung zurückgewiesen, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruhe nicht auf einer erfinderischer Tätigkeit.

2

Einen von der Anmelderin hilfsweise gestellten Antrag auf Durchführung einer Anhörung hat die Prüfungsstelle mit der Begründung abgewiesen, die Prüfungsstelle habe zu dem zuletzt eingereichten Patentanspruch 1 mit ausführlicher Begründung Stellung bezogen. Die Anmelderin habe weder erkennen lassen, dass sie von ihrer Sicht des Anmeldegegenstandes abweichen möchte noch habe sie substantiierte Punkte genannt, die in einer Anhörung zu erläutern gewesen wären.

3

Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 12. August 2009 eingegangene Beschwerde der Anmelderin.

4

Sie beantragt,

5

den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H01R des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. Juni 2009 aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

6

Patentansprüche 1 bis 12 gemäß Hauptantrag, überreicht in der mündlichen Verhandlung,

7

Beschreibungsseite 1a vom 20. Mai 2009,

8

übrige Beschreibung und

9

2 Blatt Zeichnungen, Figuren 1 und 2, vom Anmeldetag,

10

sowie außerdem die Rückzahlung der Beschwerdegebühr.

11

Der geltende Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag überreicht in der mündlichen Verhandlung am 13. Juni 2012 lautet unter Einfügung einer Gliederung:

12

"Elektrische Verbindungsanordnung

13

A als Stromverteilungsschaltung, die umfasst:

14

B1 ein Substrat (12) mit

15

B2 einer ersten und

16

B3 einer zweiten Seite (14, 16) und

17

B4 darin ausgebildeten Substratöffnungen (18), wobei

18

B5 das Substrat (12) aus einem elektrisch nicht leitenden Material besteht;

19

C1 eine Sammelschiene (20),

20

C2 die an der ersten Seite (14) des Substrats (12) angebracht ist, wobei

21

C3 die Sammelschiene (20) aus einem elektrisch leitenden Material besteht und

22

C4 in der Sammelschiene (20) mehrere Sammelschienenöffnungen (26) ausgebildet sind;

23

D1 mindestens eine Leiterbahn (30),

24

D2 die an der zweiten Seite (16) des Substrats (12) ausgebildet ist,

25

D3 und zur Verbindung von Bauteilen oder Schaltungen ausgebildet ist, die auf dem Substrat (12) angebracht oder damit verbunden sind,

26

D4 wobei die Leiterbahn (30) aus einem elektrisch leitenden Material besteht;

27

E1 mehrere elektrische Verbinder (40, 50, 52) mit

28

E2 jeweils einem oder zwei Stiften (42), der oder die

29

E3 jeweils sowohl in einer Substratöffnung (18)

30

E4 als auch in einer Sammelschienenöffnung (26) angeordnet ist oder sind,

31

E5 wobei der Stift (42) oder die Stifte (42) in elektrischer Verbindung mit

32

E6 der Sammelschiene (20) und

33

E7 der Leiterbahn (30) steht oder stehen;

34

F1 wobei die Dicke der Leiterbahn (30) an jeden Stift (42) angrenzend geringer ist als die Dicke der Sammelschiene (20) an diesen Stift (42) angrenzend,

35

F2 so dass die Sammelschiene (20) zum Übertragen von relativ starkem Strom ausgeführt ist und

36

F3 die Leiterbahn (30) zum Übertragen von relativ schwachem Strom ausgeführt ist."

37

Für diesen Gegenstand sieht der Senat die objektive Aufgabe, eine Leiterplatte auch für relativ starken Strom einsetzen zu können.

38

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

39

1. Die statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde hat insoweit Erfolg, als der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H01R vom 19. Juni 2009 aufgehoben und die Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt gemäß § 79 Abs. 3 Nr. 3 PatG zurückverwiesen wird.

40

2. Als zuständiger Fachmann ist hier nach Auffassung des Senats ein Dipl.-Ing. (FH) oder ein Techniker der Fachrichtung Elektrotechnik anzusehen, der sowohl über mehrere Jahre Berufserfahrung in der Konstruktion von Stromverteilern, insbesondere für den Einsatz im Kraftfahrzeugbereich hat.

41

3. Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 ist jedenfalls gegenüber dem bislang recherchierten und entgegengehaltenen Stand der Technik neu (§ 3 PatG) und beruht auch auf erfinderischer Tätigkeit (§ 4 PatG).

42

Der Gegenstand der als Entgegenhaltung 1 im Prüfungsverfahren genannten DE 37 88 047 T2 (Figur 4 in Verbindung mit Seite 4, Absatz 4), die zumindest soweit bislang bekannt geworden, den nächstkommenden Stand der Technik wiedergibt, geht nicht über Folgendes hinaus: eine Elektrische Verbindungsanordnung (Unterschiede zum Wortlaut des Patentanspruchs 1 sind durch Unterstreichung kenntlich gemacht),

43

die umfasst:

44

B1 ein Substrat (CB) mit

45

B2 einer ersten (Oberseite CB) und

46

B3 einer zweiten Seite (Unterseite CB) und

47

B4 einer darin ausgebildeten Substratöffnung (H2), wobei

48

B5 das Substrat (CB) aus einem elektrisch nicht leitenden Material besteht (wie bei Leiterplatten allgemein üblich);

49

C1 einem ersten elektrischen Leiter (P),

50

C2 der an der ersten Seite (oben) des Substrats (CB) angebracht ist, wobei

51

C3 der erste elektrischen Leiter (P) aus einem elektrisch leitenden Material (Metall) besteht und

52

C4 in dem ersten elektrischen Leiter (P) eine Öffnung (H1) ausgebildet ist;

53

D1 einem zweiten elektrischen Leiter (G),

54

D2 der an der zweiten Seite (Unterseite CB) des Substrats (CB) ausgebildet ist,

55

D3 und zur Verbindung von Bauteilen oder Schaltungen ausgebildet ist (Auch die in der Beschreibung der Figur 4 genannten Erdung zielt auf die elektrische Verbindung von Bauteilen und/oder Schaltungen.)

56

D4 wobei der zweite elektrischen Leiter (G) aus einem elektrisch leitenden Material (da nur so die beabsichtigte Erdung möglich ist) besteht;

57

E1 einem elektrischen Verbinder (bei 16) mit

58

E2 einem Stift (2), der

59

E3 sowohl in der Substratöffnung (H1)

60

E4 als auch in der Öffnung (H2) des ersten Leiters (P) angeordnet ist,

61

E5 wobei der Stift (2) in elektrischer Verbindung mit

62

E6 dem ersten elektrischen Leiter (P) und

63

E7 dem zweiten elektrischen Leiter (G) steht (Figur 4 in Verbindung mit Seite 4, Absatz 4); wobei

64

F1 die Dicke des zweiten elektrischen Leiters (G) an den Stift (2) angrenzend geringer ist als die Dicke des ersten elektrischen Leiters (P) an diesen Stift (2) angrenzend,

65

F2 so dass der erste elektrische Leiter (P) zum Übertragen von relativ starkem Strom ausgeführt ist und

66

F3 der zweite elektrische Leiter (G) zum Übertragen von relativ schwachem Strom ausgeführt ist.

67

Die gegenüber der Verbindungsanordnung gemäß DE 37 88 047 T2 andere Bezeichnung des ersten elektrischen Leiters als Sammelschiene statt Platte, sowie des zweiten elektrischen Leiters als Leiterbahn statt Erdungsfläche, ändert an dem konstruktiven Aufbau und dem elektrischen Verhalten der Anordnung nichts, so dass bei lediglich jeweils einer Öffnung in den beiden elektrischen Leitern sowie in dem dazwischen angeordneten Substrat zu unterstellen wäre, dass es sich de facto um wirkungsgemäß identische Gegenstände handelt.

68

Demgegenüber ist jedoch im geltenden Patentanspruch 1 angegeben, dass es sich um eine Stromverteilungsschaltung handelt. Weiter stellt sich nunmehr der Begriff Sammelschiene durch die Konkretisierung auf jeweils mehrere Öffnungen sowohl in der Sammelschiene als auch in der Leiterbahn sowie in dem dazwischen angeordneten Substrat nicht mehr als eine leere Worthülse dar. Vielmehr es ist tatsächlich möglich, dass der elektrische Leiter auf der der Leiterbahn gegenüberliegenden Seite des Substrats im Sinne einer Sammelschiene in einem Stromverteiler - sei es in einem Verteilerkasten oder in einem Kraftfahrzeug - relativ starke Ströme an mehrere Verbraucher übertragen kann, ohne dass die Leiterbahnen der Leiterplatte einen darauf abgestimmten Querschnitt aufweisen müssen.

69

Selbst wenn der Fachmann die aus der DE 37 88 047 T2 bekannte Verbinderanordnung für eine Stromverteilungsschaltung in Betracht ziehen würde, was aus Sicht des Senats keineswegs selbstverständlich ist, da dort lediglich die Verwendung als Erdungsschaltung erwähnt ist, also das Bereitstellen eines definierten Bezugspotentials, Abschirmung gegen elektromagnetische Störungen sowie Ableiten von Kurzschlussströmen, regt diese Entgegenhaltungen nicht dazu an, die Platte P zu einer Sammelschiene zu erweitern. Vielmehr sind in den dem Senat bekannten Stromverteilern in Kraftfahrzeugen, Werkzeugmaschinen oder Gebäudeinstallationskästen üblicherweise bereits separate Sammelschienen vorhanden, von denen ausgehend mittels Kabel oder Stromschienen die elektrische Energie verteilt wird, so dass es gleichermaßen denkbar wäre, von dieser entfernt von der Leiterplatte platzierten Sammelschiene mehrere parallele Verbindungen zur Leiterplatte vorzusehen oder auch eine einzige und dafür für die Leiterbahnen für entsprechend große Stromtragfähigkeit auszulegen.

70

Auch die weiteren bislang im Verfahren berücksichtigten Druckschriften nehmen den Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 weder vorweg noch regen sie den Fachmann dazu an, in naheliegender Weise in Zusammenschau mit der DE 37 88 047 T2 dahin zu gelangen. So ist zwar aus der DE 34 33 038 A1 (Entgegenhaltung 6 des Prüfungsverfahrens) ein elektrischer Verbinder für Leiterplatten bekannt, der für hohe Stromdichten ausgelegt ist (Seite 4, Zeilen 15 bis 19; Seite 5, Zeilen 3 bis 9), der einen einer Sammelschiene entsprechenden Grundteil 1 aufweist, an den beliebig viele Stifte 4 angeformt sind. In dieser Druckschrift wird jedoch keine Relation zwischen der Stromtragfähigkeit des der Sammelschiene entsprechenden Grundteils und den Leiterbahnen auf der Leiterplatte thematisiert. Im Übrigen ist für den Senat kein Anlass ersichtlich, weshalb er von der einstückigen Ausgestaltung dieses elektrischen Verbinders hätte abweichen sollen und statt dessen im Grundteil Öffnungen vorzusehen und die Stifte als separate Bauteile zu realisieren.

71

Die US 5 263 247 A (Entgegenhaltung 5 des Prüfungsverfahrens) zeigt, wie die DE 37 88 047 T2, lediglich einen einzelnen Hochstromkontakt 2 durch den eine Leiterplatte 6, die sicherlich Leiterbahnen aufweist, mit einer Stromschiene 1 kontaktiert wird. Eine Sammelschiene mit mehreren elektrischen Kontaktierungsstellen mit der Leiterplatte, ist gemäß dieser Druckschrift nicht vorgesehen.

72

Die Übrigen von der Prüfungsstelle oder der Anmelderin selbst genannten Druckschriften geben dem Fachmann weder für sich noch in Zusammenschau mit anderen Druckschriften aus dem Verfahren einen Anlass, zu der elektrischen Verbindungsanordnung zu gelangen, die im geltenden Patentanspruch 1 angegeben ist.

73

Soweit für dem Senat aus der Akte ersichtlich, hat die Prüfungsstelle jedoch nach dem Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1, der nun auf eine elektrische Verbindungsanordnung als Stromverteilungsschaltung gerichtet ist, bislang nicht recherchiert, da diese Konkretisierung erst im Laufe der mündlichen Verhandlung in die Patentansprüche aufgenommen wurde.

74

Gleiches gilt für die klarstellende Konkretisierung, wonach die Verbindungsanordnung mehrere elektrische Verbinder und dem entsprechend mehrere Sammelschienenöffnungen sowie mehrere Substratöffnungen umfasst.

75

Daher hat der Senat davon abgesehen, war die angefochtene Entscheidung aufzuheben ohne in der Sache selbst zu entscheiden, und das Verfahren gemäß § 79 Abs. 3 Nr. 3 PatG zur ergänzenden Prüfung auf Patentfähigkeit an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.

76

4. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird aus Gründen der Billigkeit angeordnet (§ 80 Abs. 3 und 4 PatG).

77

Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr ist veranlasst, wenn es aufgrund besonderer Umstände unbillig wäre, die Gebühr einzubehalten. Solche besonderen Umstände können u. a. in einem fehlerhaften Verfahren der Prüfungsstelle liegen (vgl. Schulte, PatG, 8. Aufl., § 80 Rdn. 110 ff., § 73 Rdn. 132 ff. m. Nw.; BPatGE 49, 111, 112 - Anhörung im Prüfungsverfahren), soweit der Verfahrensverstoß ursächlich für die Beschwerdeeinlegung war, mithin bei einwandfreier Verfahrensbehandlung durch das Amt die Beschwerde nicht erforderlich gewesen wäre (vgl. Benkard, PatG, 10. Aufl., § 80 Rdn. 23 und 28 m. Nw.; BPatGE 30, 207, 210 f.; 47, 224, 231 - Mikroprozessor; 49, 154, 161 ff. - Tragbares Gerät; BPatG Mitt. 2010, 41, 43 - Mobilfunknetzwerk). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

78

Die Prüfungsstelle hat verfahrensfehlerhaft gehandelt, indem sie die von der Anmelderin in ihrer Erwiderung vom 20. Mai 2009 auf den einzigen Prüfungsbescheid vom 6. November 2008 hilfsweise beantragte Anhörung als nicht sachdienlich abgelehnt und die Patentanmeldung ohne vorherige Anhörung zurückgewiesen hat.

79

Nach überwiegender Auffassung in der Rechtsprechung, der sich der Senat anschließt, ist eine einmalige Anhörung im Prüfungsverfahren vor dem Patentamt grundsätzlich als sachdienlich i. S. d. § 46 Abs. 1 Satz 2 PatG anzusehen ist. Denn eine mündliche Erörterung bietet dem Anmelder und dem Prüfer die Möglichkeit, ihre - gegensätzlichen - Auffassungen ausführlich in Rede und Gegenrede zu erörtern, was in der Regel eine schnellere und bessere Klärung der Sach- und Rechtslage als eine schriftliche Auseinandersetzung und damit eine Förderung des Verfahrens verspricht (vgl. u. a. BPatGE 47, 224, 231 – Mikroprozessor; BPatGE 49, 111, 112 - Anhörung im Prüfungsverfahren; BPatG v. 10. August 2007, 14 W (pat) 16/05; BPatG v. 1. August 2008, 20 W (pat) 31/08; BPatG v. 21. April 2009, 21 W (pat) 47/05; Schulte, a. a. O., § 46 Rdn. 8-9 m. Nw.). Eine Anhörung kann danach nur ausnahmsweise als nicht sachdienlich abgelehnt werden, wenn triftige Gründe vorliegen, insbesondere die Anhörung zu einer überflüssigen Verfahrensverzögerung führen würde, etwa in einfach gelagerten – aussichtslosen – Fällen oder in Fällen, in denen der Anmelder überhaupt keine Bereitschaft zeigt, eine als notwendig erachtete Anpassung der Patentansprüche vorzunehmen (vgl. Schulte, a. a. O., § 46 Rdn. 8-9 m. Nw.; BPatG v. 10. Dezember 2008 – 17 W (pat) 58/08), mithin in Fällen, in denen aufgrund der jeweiligen Umstände des Einzelfall, keine weitere Aufklärung der Sach- und Rechtslage durch eine Anhörung zu erwarten ist.

80

Ein solcher Ausnahmefall war hier jedoch ersichtlich nicht gegeben. Insbesondere kann nach nur einem Prüfungsbescheid und einer daraufhin erfolgten Erwiderung der Anmelderin nicht von verfestigten gegensätzlichen Auffassungen ausgegangen werden. Im Gegenteil hat die Anmelderin durch die Einreichung geänderter Patentansprüche in ihrer Eingabe vom 20. Mai 2009 erkennbar ihre Bereitschaft zum Ausdruck gebracht, das Patentbegehren auf möglicherweise patentfähige Merkmale auszurichten, wie dies im Übrigen auch das Ergebnis der mündlichen Verhandlung vor dem Patentgericht gezeigt hat. Entgegen der Meinung des Prüfers ist es für die Sachdienlichkeit einer Anhörung ferner nicht erforderlich, dass die Anmelderin substantiierte Punkte nennt, die in einer Anhörung zu erörtern wären. Nach der Bestimmung des § 46 Abs. 1 PatG genügt der schriftliche Antrag auf Anhörung; eine Begründungspflicht sieht das Gesetz nicht vor.

81

Vorliegend war die Sachdienlichkeit einer Anhörung zudem im Hinblick auf die ausreichende Wahrung rechtlichen Gehörs (Art. 103 GG) zu bejahen. Mit ihrer Eingabe vom 20. Mai 2009 hat die Anmelderin einen geänderten Anspruch 1 eingereicht, der auf den ursprünglichen Ansprüchen 1 und 4 beruht. Die Gründe für die negative Beurteilung der Patentfähigkeit dieses neuen Anspruchs hat die Prüfungsstelle der Anmelderin nicht bzw. nicht genügend substantiiert vor der Zurückweisung der Anmeldung mitgeteilt (§ 48 Satz 2 i. V. m. § 42 Abs. 3 Satz 2 PatG). Zwar hat sich der Prüfer bereits in dem Bescheid vom 6. November 2008 zur Patentfähigkeit des ursprünglichen Anspruchs 4 geäußert, allerdings nur sehr summarisch unter beispielhafter Nennung einiger Stellen in den Entgegenhaltungen E1, E3 oder E5. Nachvollziehbar dargelegt worden ist die nach Auffassung der Prüfungsstelle fehlende erfinderische Tätigkeit gegenüber der Druckschrift DE 37 88 047 T2 (E1) aber erst in dem Zurückweisungsbeschluss.

82

Die fehlerhafte Verfahrensführung der Prüfungsstelle war des Weiteren ursächlich für die Einlegung der Beschwerde. Nachdem das Beschwerdeverfahren mit - erneut - geänderten Patentansprüchen zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt geführt hat, ist nicht auszuschließen, dass sich die Beschwerde der Anmelderin erübrigt hätte, wenn eine Anhörung im Verfahren vor der Prüfungsstelle durchgeführt worden wäre, in der das Patentbegehren der Anmelderin umfassend erörtert und - im Anschluss daran - mit entsprechend geänderten Ansprüchen nochmals recherchiert und geprüft worden wäre.