Entscheidungsdatum: 24.06.2010
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 101 46 526.2-53
…
hat der 17. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 24. Juni 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Phys. Dr. Fritsch sowie des Richters Dipl.-Ing. Prasch und der Richterinnen Eder und Dipl.-Phys. Dr. Thum-Rung
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Die vorliegende Patentanmeldung mit der Bezeichnung
"Applikation zum Erstellen, Ändern und/oder Darstellen einer Wörter
enthaltenden Datei und Serverprogramm"
ist am 21. September 2001 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht worden.
Sie wurde von der Prüfungsstelle für Klasse G06F des Deutschen Patent- und Markenamts mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.
Die Anmelderin hat Beschwerde eingelegt und beantragt,
den Beschluss über die Zurückweisung der Patentanmeldung aufzuheben und ein Patent zu erteilen mit folgenden Unterlagen:
Patentanspruch 1 vom 20. Januar 2005, eingegangen am 21. Januar 2005,
Patentansprüche 2 - 7 vom 15. Oktober 2002, eingegangen am 17. Oktober 2002,
Beschreibung, S. 1, 1a vom 20. Januar 2005, eingegangen am 21. Januar 2005,
S. 2 und 3 vom 15. Oktober 2002, eingegangen am 17. Oktober 2002,
S. 4 bis 7 vom 21. September 2001, mit der Maßgabe, dass auf S. 4, Z. 11 hinter Applikationsrechner "1" eingefügt wird,
2 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 - 4 vom 20. Januar 2005, eingegangen am 21. Januar 2005,
hilfsweise mit folgenden Unterlagen:
Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag vom 14. Dezember 2005, eingegangen am 16. Dezember 2005,
Patentansprüche 2 - 7 vom 15. Oktober 2002, eingegangen am 17. Oktober 2002,
Beschreibung S. 1, 2, 2a vom 14. Dezember 2005, eingegangen am 16. Dezember 2005,
S. 3 vom 15. Oktober 2002, eingegangen am 17. Oktober 2002,
S. 4 bis 7 vom 21. September 2001, mit der Maßgabe, dass auf S. 4, Z. 11 hinter Applikationsrechner "1" eingefügt wird,
2 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 - 4 vom 20. Januar 2005, eingegangen am 21. Januar 2005.
Der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:
Applikation in Form eines in einem Rechner (1) abarbeitbaren Computerprogramms zum Erstellen, Ändern und Darstellen einer Wörter enthaltenden Datei (9), mit einem in die Applikation (6) integrierten Abrufprogramm (7),
a) wobei ein Teil der Wörter Schlüsselwörter (21) und ein anderer Teil der Wörter keine Schlüsselwörter sind,
b) wobei den Schlüsselwörtern (21) Codes zuordenbar sind und den anderen Wörtern keine Codes zuordenbar sind,
c) wobei dem Abrufprogramm (7) aus der Applikation (6) heraus durch interaktives Selektieren eines in der Datei (9) enthaltenen Schlüsselwortes (21) und Eingeben eines Bestätigungsbefehls interaktiv das Schlüsselwort (21) bzw. ein mit dem Schlüsselwort (21) korrespondierender Code vorgebbar ist,
d) wobei dem Abrufprogramm (7) zusätzlich auch mindestens ein Auswahlkriterium vorgebbar ist,
e) wobei der Code und das Auswahlkriterium von dem Abrufprogramm (7) über ein Rechnernetz (10) an ein Serverprogramm (13) übermittelbar sind und von dem Abrufprogramm (7) über das Rechnernetz (10) übermittelte, dem Code zugeordnete Informationen empfangbar und einem Anwender (8) der Applikation (6) zur Verfügung stellbar sind.
(Gliederung ergänzt)
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag lautet:
"Applikation in Form eines in einem Rechner (1) abarbeitbaren Computerprogramms zum Erstellen, Ändern und Darstellen einer Wörter enthaltenden Datei (9), mit einem in die Applikation (6) integrierten Abrufprogramm (7),
a) wobei ein Teil der Wörter Schlüsselwörter (21) und ein anderer Teil der Wörter keine Schlüsselwörter sind,
b) wobei den Schlüsselwörtern (21) Codes zuordenbar sind und den anderen Wörtern keine Codes zuordenbar sind,
c) wobei dem Abrufprogramm (7) aus der Applikation (6) heraus durch interaktives Selektieren eines beliebigen in der Datei (9) enthaltenen Schlüsselwortes (21) und Eingeben eines Bestätigungsbefehls interaktiv das Schlüsselwort (21) bzw. ein mit dem Schlüsselwort (21) korrespondierender Code vorgebbar ist, wobei die Selektion des Schlüsselwortes (21) unabhängig davon möglich ist, ob das Schlüsselwort (21) unmittelbar vor dem Selektieren in die Datei (9) eingegeben wurde oder nicht,
d) wobei dem Abrufprogramm (7) zusätzlich zum Schlüsselwort (21) auch mindestens ein Auswahlkriterium vorgebbar ist,
e) wobei der Code und das Auswahlkriterium von dem Abrufprogramm (7) zusammen über ein Rechnernetz (10) an ein Serverprogramm (13) übermittelbar sind und von dem Abrufprogramm (7) über das Rechnernetz (10) übermittelte, dem Code zugeordnete Informationen empfangbar und einem Anwender (8) der Applikation (6) zur Verfügung stellbar sind."
(Gliederung ergänzt, Änderungen gegenüber Hauptantrag unterstrichen)
Zur Begründung ihrer Beschwerde führt die Anmelderin im Schriftsatz vom 14. Dezember 2005 aus, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 in den Fassungen nach Hauptantrag und Hilfsantrag auf erfinderischer Tätigkeit gegenüber den entgegengehaltenen Druckschriften beruhe.
Mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung war der Anmelderin mitgeteilt worden, dass die beanspruchte Applikation in Form eines Computerprogramms zum Erstellen, Ändern und Darstellen einer Wörter enthaltenden Datei möglicherweise schon aufgrund von § 1 Abs. 3 Nr. 3 i. V. m. Abs. 4 PatG nicht als Erfindung angesehen werden könne.
Die Anmelderin hat sich hierzu nicht geäußert. Zur mündlichen Verhandlung ist sie nicht erschienen.
II.
Die in rechter Frist und Form erhobene Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet, da der Gegenstand des nachgesuchten Patents in den beantragten Fassungen als Programm für Datenverarbeitungsanlagen als solches nicht als Erfindung auf technischem Gebiet anzusehen ist (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 i. V. m. Abs. 4 PatG).
1. In der Beschreibung der Anmeldung wird eingangs erläutert, dass zur Dokumentierung medizinischer Untersuchungen früher mit Textverarbeitungsprogrammen Freitextdokumente erstellt wurden. Zur Zeit setze sich aber mehr und mehr die Erstellung von Dokumenten in strukturierter Form, das sogenannte "Structured Reporting" durch. Ein wichtiger Bestandteil dieser strukturierten Dokumente sei die Verwendung von Code-Bibliotheken, mit denen Freitext zur Beschreibung medizinischer Sachverhalte durch eine standardisierte Nomenklatur ersetzt oder ergänzt werde. Beispielsweise könne einer Arterie im Finger der Code T-47260.1 zugeordnet werden. Werde ein derartiger Code verwendet, ergebe sich eine Vereinheitlichung der Dokumentation, die bspw. zur automatisierten Abrechnung oder zum Wiederauffinden von Sachverhalten herangezogen werden könne.
Entsprechend soll der Anmeldung die Aufgabe zugrunde liegen, eine Applikation und ein hiermit korrespondierendes Serverprogramm zu schaffen, mittels derer einem Anwender aus der Applikation heraus auf einfache Weise gezielt Informationen zu Schlüsselwörtern zur Verfügung stellbar sind (vgl. S. 2, Z. 18 - 22 der ursprünglichen Beschreibung bzw. die entsprechenden Passagen der geltenden Beschreibungen).
2. Entsprechend geht der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag davon aus, dass das mit der Applikation, d. h. mit dem Textverarbeitungsprogramm erstellte Dokument, also die (Text-) Datei, zu einem Teil aus Wörtern besteht, die keine Schlüsselwörter sind (z. B. Freitext) und zu einem anderen Teil aus Schlüsselwörtern (vgl. Merkmal a). Nur den Schlüsselwörtern sollen Codes zuordenbar sein (Merkmal b).
Um wie beabsichtigt zu den in der (Text-) Datei enthaltenen Schlüsselwörtern auf einfache Weise den korrespondierenden Code oder andere Informationen zur Verfügung stellen zu können, schlägt Merkmal c) vor, das Textverarbeitungsprogramm um ein Abrufprogramm zu ergänzen. Dieses soll veranlassen, dass nach interaktiver Selektion eines Schlüsselwortes und Eingabe eines Bestätigungsbefehls (z. B. per Maustaste, vgl. S. 5, Z. 24 - 28 der Beschreibung) das Schlüsselwort bzw. der korrespondierende Code "vorgebbar ist".
Merkmal d) schlägt ergänzend vor, dass auch mindestens ein Auswahlkriterium vorgegeben werden kann. Der interaktiv ausgewählte Code und das Auswahlkriterium werden von dem Abrufprogramm über ein Rechnernetz an einen Server bzw. ein Serverprogramm übermittelt, der die zugeordnete Information dem Anwender der Applikation zur Verfügung stellt (Merkmal e), bspw. als Darstellung auf dem Monitor (vgl. S. 7, Z. 14 - 17 i. V. m. Figur 2).
Letztlich schlägt der Patentanspruch 1 vor, ein Textverarbeitungsprogramm um ein "Abrufprogramm" zu ergänzen, das auf die durch einen Anwender erfolgende Auswahl von Schlüsselwörtern und ggf. weiterer Auswahlkriterien hin zusätzliche Informationen abruft und anzeigt. Wie auf Seite 7, Z. 19 - 24 i. V. m. Figur 4 ausgeführt, kann diese Information bspw. aus einer Beschreibung des Codes und weiteren Informationen zu dem abgefragten Code bestehen. Für den einschlägigen Fachmann, einen Informatiker mit Erfahrung auf dem Gebiet der Dokumentierung und Textverarbeitung ist insoweit nachvollziehbar, dass mit der vorgeschlagenen Ergänzung eines Textverarbeitungsprogramms um das Abrufprogramm dem Anwender auf einfache Weise gezielt zusätzliche Informationen zu Schlüsselwörtern zur Verfügung gestellt werden können.
3. Die Applikation in Form eines Computerprogramms zum Erstellen, Ändern und Darstellen einer Datei gemäß Anspruch 1 nach Hauptantrag ist jedoch als Programm für Datenverarbeitungsanlagen als solches gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 3 i. V. m. Abs. 4 PatG nicht als Erfindung auf dem Gebiet der Technik anzusehen.
Wie sich schon aus dem Wortlaut des Anspruchs ergibt, betrifft die Anmeldung ein Computerprogramm. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss eine Anmeldung, die ein Computerprogramm oder ein durch Software realisiertes Verfahren zum Gegenstand hat, wegen des Patentierungsausschlusses von Computerprogrammen als solchen "verfahrensbestimmende Anweisungen enthalten, welche die Lösung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln zum Gegenstand haben" (vgl. GRUR 2009, 479 Abs. [0011] - Steuerungseinrichtung für Untersuchungsmodalitäten -).
Der Vorschlag, bestimmten Wörtern einer Textdatei, sog. Schlüsselwörtern, Codes zuzuordnen, stellt für sich eine gedankliche Tätigkeit dar, die bspw. auf medizinischem Gebiet liegt, wenn einer Arterie im Finger ein bestimmter Code zugeordnet wird. Auch die Zuordnung von zusätzlichen (fachlichen) Informationen zu den Schlüsselwörtern, bspw. einer Beschreibung des Codes, unter denen ein Anwender eine (sinnvolle) Auswahl treffen kann, beruht auf einer solchen gedanklichen Tätigkeit. Dass eine gedankliche Tätigkeit mit Mitteln der Datenverarbeitung automatisiert ausgeführt wird, stellt für sich jedoch noch keine technische Leistung dar. Wie vom Bundesgerichtshof in der o. g. Entscheidung ausgeführt, sind in der Sammlung, Speicherung, Auswertung und Verwendung von Daten allein nur außertechnische Vorgänge zu sehen (vgl. a. a. O., Abs. [0013]). Eine darüber hinaus gehende Anweisung, die die Lösung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln zum Gegenstand hat, kann im Anspruch 1 gemäß Hauptantrag nicht erkannt werden.
Eine solche Anweisung kann auch nicht in dem Umstand gesehen werden, dass die gedankliche Tätigkeit auf mehrere Computer verteilt ausgeführt wird, nämlich auf Rechner und Server. Denn der Fachmann wird nicht darüber belehrt, aus welchen technischen Gründen eine bestimmte Verteilung der Tätigkeiten vorteilhaft ist. Bei einer Prüfung auf erfinderische Tätigkeit ist somit keine Aussage darüber möglich, ob eine Bereicherung der Technik vorliegt, die einen Patentschutz rechtfertigt (vgl. hierzu BGH in GRUR 2004, 667 Leitsatz - Elektronischer Zahlungsverkehr -).
4. Der Patentanspruch 1 in der Fassung gemäß Hilfsantrag unterscheidet sich von der nach Hauptantrag dahingehend, dass in der Datei beliebige Schlüsselwörter selektierbar sein sollen, die Selektierbarkeit unabhängig davon möglich sein soll, ob das Schlüsselwort unmittelbar vor dem Selektieren eingegeben wurde, das Auswahlkriterium zusätzlich zum Schlüsselwort vorgebbar ist und der Code und das Auswahlkriterium zusammen an ein Serverprogramm übermittelbar sind (vgl. im Anspruchswortlaut unterstrichene Passagen).
Mit diesen Merkmalen soll nach den Ausführungen der Anmelderin im Schriftsatz vom 14. Dezember 2005 eine Klarstellung des Gegenstands des Anspruchs 1 nach Hauptantrag bewirkt werden.
Die von der Anmelderin vorgenommenen Ergänzungen fügen dem Anspruch 1 nach Hauptantrag jedenfalls in Hinsicht auf die technischen Anweisungen nichts hinzu. Insoweit kann die Fassung des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag nicht zu einer anderen Bewertung führen.
Der Patentanspruch 1 in der Fassung gemäß Hilfsantrag ist daher ebenfalls als Programm für Datenverarbeitungsanlagen als solches gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 3 i. V. m. Abs. 4 PatG nicht als Erfindung anzusehen und vom Patentschutz ausgeschlossen.
Es konnte daher keinem der Anträge der Anmelderin gefolgt werden.
Die Beschwerde der Anmelderin war daher zurückzuweisen.