Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 28.06.2012


BPatG 28.06.2012 - 17 W (pat) 72/08

Patentbeschwerdeverfahren – „Verfahren zum Auffinden von Patendokumenten in einer Datenbank“ – zur Patentfähigkeit bei Patentierungsausschluss


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
17. Senat
Entscheidungsdatum:
28.06.2012
Aktenzeichen:
17 W (pat) 72/08
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 101 05 928.0-53

hat der 17. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 28. Juni 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Phys. Dr. Fritsch, der Richterin Eder, der Richterin Dipl.-Ing. Wickborn und des Richters Dipl.-Phys. Dr. Forkel

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die vorliegende Patentanmeldung wurde am 9. Februar 2001 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht. Sie trägt die Bezeichnung

2

„Verfahren zum Auffinden von Patentdokumenten in einer Datenbank“.

3

Die Anmeldung wurde von der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F aus den Gründen des Bescheides vom 12. März 2008 zurückgewiesen.

4

Im o. g. Bescheid führt die Prüfungsstelle aus, bei dem beanspruchten Gegenstand stehe ein Verfahren im Vordergrund, das als solches die Regeln und Pläne eines Benutzers widerspiegele, in einer für ihn vorteilhaften Weise bestimmte Patentdokumente aufzufinden. Solche Pläne und Regeln seien nicht technisch und als solche vom Patentschutz ausgeschlossen. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass eine solche Regel bzw. ein solcher Plan zur Durchführung „vollautomatisch“ auf einer Datenverarbeitungsanlage, insbesondere einem Datenbanksuchsystem üblicher Art ablaufe.

5

Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde der Anmelderin gerichtet.

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Die Anmelderin stellt den Antrag,

7

den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das nachgesuchte

8

Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

9

gemäß Hauptantrag mit

10

Patentansprüchen 1 – 3 vom 25. Juni 2012,

11

noch anzupassender Beschreibung

12

Seiten 1, 4, 4a vom 19. November 2007,

13

eingegangen am 27. November 2007,

14

Seiten 2, 3, 5 – 9 vom Anmeldetag,

15

gemäß Hilfsantrag mit

16

Patentansprüchen 1 – 3 vom 25. Juni 2012,

17

im Übrigen wie Hauptantrag.

18

Der geltende Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag, hier mit einer möglichen Gliederung versehen, lautet (nach Korrektur eines offensichtlichen Schreibfehlers):

19

„Verfahren zum Auffinden von Patentdokumenten in einer Datenbank, die eine Mehrzahl von Familien von untereinander durch eine gemeinsame Priorität verknüpften Patentdokumenten enthält, mit den Schritten:

20

(A) Ermitteln der Patentdokumente, die eine spezifizierte Eigenschaften oder Kombination von Eigenschaften aufweisen;

21

(B) zu jedem ermittelten Patentdokument vollautomatisches Ermitteln wenigstens einer Familie, der das Patentdokument angehört;

22

(C) für eine bestimmte Eigenschaft der Patentdokumente wird eine Präferenzreihenfolge möglicher Werte dieser Eigenschaft festgelegt, wobei die bestimmte Eigenschaft die Sprache oder das veröffentlichende Amt ist;

23

(D) als repräsentatives Patentdokument einer ermittelten Familie wird dasjenige Patentdokument ausgewählt, dessen Wert der bestimmten Eigenschaft in der Präferenzreihenfolge an erster Stelle liegt;

24

(E) Anzeigen eines repräsentativen Patentdokuments jeder ermittelten Familie.“

25

Zu den Unteransprüchen 2 und 3 wird auf die Akte verwiesen.

26

Der geltende Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag, hier mit einer an den Hauptantrag angepassten Gliederung versehen, lautet (nach Korrektur eines offensichtlichen Schreibfehlers; Unterschiede zum Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag sind unterstrichen):

27

„Verfahren zum Auffinden von Patentdokumenten in einer Datenbank, die eine Mehrzahl von Familien von untereinander durch eine gemeinsame Priorität verknüpften Patentdokumenten enthält, mit den Schritten:

28

(A) Ermitteln der Patentdokumente, die eine spezifizierte Eigenschaften oder Kombination von Eigenschaften aufweisen;

29

(B*) zu jedem ermittelten Patentdokument vollautomatisches Ermitteln wenigstens einer Familie, der das Patentdokument angehört;

30

(C) Bereitstellen einer Eingabemöglichkeit, eine Präferenzreihenfolge festzulegen;

31

(D) für eine bestimmte Eigenschaft der Patentdokumente wird die Präferenzreihenfolge möglicher Werte dieser Eigenschaft festgelegt, wobei die bestimmte Eigenschaft die Sprache oder das veröffentlichende Amt ist;

32

(E) als repräsentatives Patentdokument einer ermittelten Familie wird dasjenige Patentdokument ausgewählt, dessen Wert der bestimmten Eigenschaft in der Präferenzreihenfolge an erster Stelle liegt;

33

(F) Anzeigen eines repräsentativen Patentdokuments jeder ermittelten Familie.“

34

Zu den Unteransprüchen 2 und 3 wird auf die Akte verwiesen.

35

Mit Ladungszusatz vom 29. Mai 2012 führte der Senat mit Verweis auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs „Webseitenanzeige“ (BGH GRUR 2011, 610) aus, dass die dem Zurückweisungsbeschluss zugrundeliegende Fassung des Patentanspruchs 1 dem Patentschutz gemäß § 1 Abs. 3 i. V. m. Abs. 4 PatG nicht zugänglich sein dürfte, da es sich bei der beanspruchten Lehre um ein „Computerprogramm für Datenverarbeitungsanlagen als solches“ handle.

36

Die Anmelderin reichte daraufhin mit Haupt- und Hilfsantrag neue Patentansprüche 1 – 3 ein.

37

Sie trägt vor, dass die der Anmeldung zugrundeliegende, objektive Aufgabe technisch sei und darin bestehe, innerhalb eines Informationssystems für gewerbliche Schutzrechte die Datenmenge zur Anzeigeeinheit zu verringern und dadurch die Performance des Datenverarbeitungssystems zu erhöhen. Dabei solle die Recherchequalität verbessert werden. Dies werde insbesondere durch die Bereitstellung einer Eingabemöglichkeit erreicht, mit der eine Präferenzreihenfolge für die Darstellung von Patentdokumenten festgelegt werden könne. Bei der dabei verwendeten Eingabeeinrichtung handle es sich um einen technischen Gegenstand. Unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesgerichtshofs „Steuerungseinrichtung für Untersuchungsmodalitäten“ (BGH GRUR 2009, 479) seien die zum Patent angemeldeten Gegenstände dem Patentschutz grundsätzlich zugänglich, denn die Einstellung von Parametern für eine Sortierreihenfolge von ermittelten Patentdokumenten sei eine technische Handlungsanweisung und trage zur Lösung einer konkreten technischen Aufgabenstellung bei und führe daher einen technischen Erfolg herbei. Die Patentdokumente, die damit sortiert würden, seien technische Gegenstände.

38

Die Lehre nach dem Patentanspruch 1 stelle daher eine Lehre zum technischen Handeln dar. Sie sei darüber hinaus neu und beruhe auch auf erfinderischer Tätigkeit.

II.

39

Die Beschwerde wurde rechtzeitig eingelegt und ist auch sonst zulässig. Sie hat jedoch keinen Erfolg, weil die im geltenden Patentanspruch 1 nach Haupt- und Hilfsantrag beanspruchte Lehre gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 3 i. V. m. Abs. 4 PatG vom Patentschutz ausgeschlossen ist.

40

1. Die vorliegende Patentanmeldung betrifft ein Verfahren zum Auffinden von Patentdokumenten in einer Datenbank.

41

Laut Beschreibung (siehe Offenlegungsschrift, Absätze [0002] – [0008]) liege die Hauptanwendung des beschriebenen Verfahrens im Bereich der Suche von Dokumenten in Patentdatenbanken und hier insbesondere im Bereich der Recherche von Familienmitgliedern zu Patentanmeldungen, d. h. von Patentdokumenten, die eine gemeinsame Priorität in Anspruch nehmen, wenn also die Patentanmeldung in weiterentwickelter Form erneut angemeldet werde oder wenn Nachanmeldungen dazu im Ausland eingereicht würden. Hierbei könnten sich Erstanmeldung und Nachanmeldungen in Details unterscheiden. Ergebe sich bei einer Patentrecherche, dass eine Nachanmeldung relevant sei, so sei die Wahrscheinlichkeit groß, dass dies auch für die Erstanmeldung gelte. Die Erstanmeldung bei der Recherche zu finden, könne z. B. dann von großer Bedeutung sein, wenn die Nachanmeldung einen nachveröffentlichten, nur für die Neuheitsprüfung relevanten Stand der Technik darstelle, die Erstanmeldung jedoch vorveröffentlicht sei (siehe Offenlegungsschrift, Absätze [0002], [0003]). Zur Unterstützung der Recherchen würden die an den Patentämtern eingereichten Patentanmeldungen bekanntlich nach der internationalen Patentklassifikation IPC, aber auch nach nationalen Klassifikationen eingeteilt. Da die Einteilung von jedem Patentamt unabhängig durchgeführt werde, könnten die IPC-Klassen, in die eine Erstanmeldung und ihre Nachanmeldungen eingeordnet würden, zwischen den Ämtern unterschiedlich sein. Die Folge hiervon sei, dass bei einer auf eine bestimmte Patentklasse beschränkten Recherche auch nur diejenigen Dokumente gefunden würden, die in diese Klasse tatsächlich eingeordnet worden seien, nicht aber inhaltlich weitgehend deckungsgleiche, auf die gleiche Priorität zurückgehende Anmeldungen, die von dem zuständigen Patentamt in der recherchierten Klasse nicht berücksichtigt worden seien (siehe Offenlegungsschrift, Absätze [0004]-[0006]). Herkömmliche Patentdatenbanken würden bei einer Recherche über die Dokumentenbestände jedes Dokument, das ein vorgegebenes Suchkriterium erfülle, als einen Treffer liefern. Eine Gruppierung der Dokumente entsprechend ihrer Zugehörigkeit zu Patentfamilien erfolge jedoch nicht. Ein Benutzer sei nur anhand der zu den Dokumenten gelieferten bibliographischen Informationen in der Lage, Dokumente, die zu einer gemeinsamen Patentfamilie gehören, zu erkennen, um gegebenenfalls nur eines dieser Dokumente prüfen zu müssen. Falls unter den ermittelten Dokumenten eine Nachanmeldung zu finden sei, könne er allerdings anhand der bibliographischen Information feststellen, auf welche Priorität diese Anmeldung zurückgehe. Umgekehrt habe ein Benutzer jedoch keine Möglichkeit, wenn das ermittelte Dokument eine Erstanmeldung sei, weitere Familienmitglieder dieses Dokuments zu erkennen, die - aus welchen Gründen auch immer - im Rechercheergebnis nicht enthalten seien (siehe Offenlegungsschrift, Absatz [0007]). Zur Verbesserung der Recherchequalität werde in Patentdatenbanken auch das Konzept des repräsentativen Dokuments verwirklicht, bei dem Patentdokumente unterschiedlicher Patentämter mit identischer Priorität vorab zu Patentfamilien zusammengefasst würden, von denen jeweils eines, nämlich das repräsentative, in der Regel englischsprachige, Dokument recherchier- und anzeigbar sei. Für den Benutzer sei dieses Konzept bequem, weil er als Rechercheergebnis immer ein Dokument in englischer Sprache erhalte. Das Konzept bringe aber den Nachteil mit sich, dass eine Volltextsuche immer nur dann einen Treffer liefere, wenn die gewählten Suchbegriffe auch wirklich im repräsentativen Dokument vorkämen (siehe Offenlegungsschrift, Absatz [0008]). Die aus dem Stand der Technik bekannten Patentdatenbanksuchsysteme seien lediglich bedingt in der Lage, aus einer ermittelten Dokumentenmenge die jeweils zugrundeliegenden Familien zu bestimmen und für jede dieser Familien nur ein repräsentatives Dokument auszugeben, um damit eine Recherche insgesamt zu vereinfachen.

42

Der Anmeldung soll die Aufgabe zugrunde liegen, ein Verfahren zum Auffinden von Patentdokumenten in einer Datenbank anzugeben, die eine Mehrzahl von Familien von untereinander durch eine gemeinsame Eigenschaft verknüpften Patentdokumente enthält, das einerseits möglichst vollständige und umfassende, andererseits für einen Benutzer bequem auszuwertende Suchergebnisse liefert (siehe Seite 4 der geltenden Beschreibung, vierter Absatz).

43

Als Fachmann, der mit der Aufgabe betraut wird, ein Verfahren zum Auffinden von Patentdokumenten in einer Datenbank zu verbessern, ist ein Programmierer oder Informatiker anzusehen, welcher eine mehrjährige Erfahrung in der Entwicklung und Programmierung von Datenbankapplikationen insbesondere auf dem Gebiet der Informationssysteme des gewerblichen Rechtsschutzes besitzt.

44

2. Zum Hauptantrag

45

Das auf dem Gebiet der Technik liegende Verfahren nach dem Patentanspruch 1 ist nicht patentfähig, weil es gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 3 i. V. m. Abs. 4 PatG vom Patentschutz ausgeschlossen ist.

46

2.1 Der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag schlägt seinem Wortlaut nach zur Lösung der Aufgabe ein „Verfahren zum Auffinden von Patentdokumenten in einer Datenbank“ vor. Die Datenbank soll eine Mehrzahl von Familien von Patentdokumenten enthalten, wobei die Patentdokumente einer Familie durch eine gemeinsame Priorität verknüpft sind.

47

Mit dem Merkmal (A) wird vorgeschlagen, eine Menge von Patentdokumenten zu ermitteln, die eine spezifizierte Eigenschaft oder eine Kombination von Eigenschaften aufweisen. Die Ermittlung der Dokumente beruht dabei auf einer Suchanfrage über recherchierbare Eigenschaften, wie bibliographische Daten, Klasseneinteilung, Wörter u. a.

48

Zu jedem gefundenen Patentdokument wird wenigstens eine Familie bestimmt, der das Patentdokument angehört. Die Suche soll „vollautomatisch“ erfolgen (Merkmal (B)).

49

Gemäß Merkmal (C) wird eine Präferenzreihenfolge für die anzuzeigenden Treffer festgelegt. Dies geschieht anhand einer bestimmten Eigenschaft der Patentdokumente, nämlich der Sprache der Anmeldung oder des Namens des die Anmeldung veröffentlichenden Amtes.

50

Entsprechend der Präferenzreihenfolge wird für jede gefundene Familie ein repräsentatives Dokument ausgewählt, dessen Wert der bestimmten Eigenschaft, d. h. dessen Sprache oder dessen Name des veröffentlichenden Amtes, in der Präferenzreihenfolge an erster Stelle liegt (Merkmal (D)). Beispielsweise wird als bevorzugte Reihenfolge der Sprache der Anmeldung Deutsch, Englisch, Französisch festgelegt. Falls es ein deutsches Familienmitglied zu der Suchanfrage gibt, wird dieses als Suchergebnis ausgewählt.

51

Schließlich wird für jede Familie nur das repräsentative Patentdokument (auf einer Anzeigeeinheit) ausgegeben (Merkmal (E)).

52

Das Verfahren wird auf einem (üblichen) Rechner bzw. Netzwerk durchgeführt; es ist keine an das Verfahren angepasste spezielle Rechnerarchitektur ausgewiesen.

53

2.2 Das auf dem Gebiet der Technik liegende Verfahren nach dem Patentanspruch 1 ist nicht patentfähig, da es gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 3 i. V. m. Abs. 4 PatG vom Patentschutz ausgeschlossen ist.

54

Gemäß der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist „bei Erfindungen mit Bezug zu Geräten und Verfahren (Programmen) der elektronischen Datenverarbeitung zunächst zu klären, ob der Gegenstand der Erfindung zumindest mit einem Teilaspekt auf technischem Gebiet liegt (§ 1 Abs. 1 PatG). Danach ist zu prüfen, ob dieser Gegenstand lediglich ein Programm für Datenverarbeitungsanlagen als solches darstellt und deshalb vom Patentschutz ausgeschlossen ist. Der Ausschlusstatbestand greift nicht ein, wenn diese weitere Prüfung ergibt, dass die Lehre Anweisungen enthält, die der Lösung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln dienen“ (BGH, a. a. O. - Webseitenanzeige).

55

2.2.1 Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 liegt auf dem Gebiet der Technik gemäß § 1 Abs. 1 PatG.

56

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 liegt schon deshalb zumindest mit einem Teilaspekt auf technischem Gebiet, weil er eine bestimmte Nutzung der Komponenten einer Datenverarbeitungsanlage lehrt und damit eine Anweisung zum technischen Handeln gibt (vgl. BGH BIPMZ 2010, 326 - Dynamische Dokumentengenerierung).

57

2.2.2 Das Verfahren nach dem Patentanspruch 1 ist vom Patentschutz ausgeschlossen, da keine Anweisungen erkannt werden können, die der Lösung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln dienen.

58

Welches technische Problem durch eine Erfindung gelöst wird, ist objektiv danach zu bestimmen, was die Erfindung tatsächlich leistet (vgl. BGH BIPMZ 2005, 77 – Anbieten interaktiver Hilfe).

59

Im vorliegenden Fall liegt die tatsächliche Leistung der beanspruchten Lehre darin, aus einem vorhandenen Datenbestand eine Menge von Patentdokumenten unter Berücksichtigung von Suchkriterien zu ermitteln, jedem dieser Dokumente zumindest eine Familie zuzuordnen und aus der Familie ein repräsentatives Dokument gemäß einer gewählten Präferenzreihenfolge automatisch auszuwählen und auszugeben.

60

Das objektive Problem besteht somit darin, eine ursprünglich gedanklich logische Anweisung zur Zuordnung von Patentdokumenten zu Familien, also zu übergeordneten Gruppen, zu automatisieren und anhand dieser Zuordnung gemäß einer vorgebbaren Reihenfolge die Dokumente innerhalb der Gruppen zu sortieren.

61

Dieses Problem ist aber ein reines Problem der Datenverarbeitung. Die Auswahl und Zuordnung von Dokumenten unter Anwendung von Suchkriterien in herkömmlichen Datenbankabfragen und unter Anwendung einer Sortierreihenfolge innerhalb von Teilmengen dieser Dokumente geht nicht über die Bereitstellung von Daten, deren Aufbereitung, Abruf und Auswertung hinaus.

62

Die Lösung durch Verwendung einer Datenbank in solcher Weise, dass eine Auswahl von Datensätzen bzw. von diesen referenzierten Dokumenten vorgenommen werden kann, verlangt keine technischen Überlegungen. Entsprechendes gilt für die Anwendung einer Präferenzreihenfolge für die Darstellung der Datensätze bzw. Dokumente.

63

Die der beanspruchten Lehre zugrundeliegenden Datenbanken stellen allenfalls eine strukturierte Sammlung von Datensätzen dar, die wiederum mit den Patentdokumenten verknüpft sind. Nach der BGH-Entscheidung „Steuerungseinrichtung für Untersuchungsmodalitäten“ handelt es sich bei den Vorgängen der Sammlung und Speicherung von Daten jedoch um außertechnische Vorgänge (vgl. BGH, a. a. O. Abschnitt II 3.). Die Speicherung von Daten in einer Datenbank ist daher als nicht-technisch einzustufen, unabhängig vom Inhalt der Daten, also unabhängig davon, ob die gespeicherten Daten technische, wirtschaftliche oder kaufmännische Größen beschreiben.

64

Das Absetzen von Suchanfragen sowie die Zuweisung der gefundenen Dokumente zu einer übergeordneten Gruppenstruktur wird im Wesentlichen durch eine Verwaltungssoftware geleistet, welche eine Datenbanksprache anbietet. Damit handelt es sich bei der Ermittlung der Patentdokumente und deren „vollautomatischer“ Zuweisung zu Familien um reine Softwaremaßnahmen aus der Welt der Programmierung, die keine Lösung einer technischen (Teil-)Problemstellung zum Gegenstand haben (Merkmale (A) + (B)).

65

Nichts Anderes gilt für die Implementierung eines Sortier- und Auswahlverfahrens für die zugewiesenen Familienmitglieder auf Basis einer vorgegebenen Präferenz, die sich an den konkret genannten Eigenschaften der Familienmitglieder orientiert (Merkmale (C) + (D)).

66

Die Merkmale (A) bis (D) betreffen die Automatisierung einer ursprünglich gedanklich logischen Anweisung auf der Basis üblicher Programmiermethoden und gehen damit nicht über die allgemeine Zielsetzung hinaus, sich zur Erreichung eines aussertechnischen Ergebnisses - der Ermittlung von Patentdokumenten - der elektronischen Datenverarbeitung zu bedienen. Dies begründet für sich aber noch kein technisches Problem.

67

Der Vorschlag, gemäß einer vorgegebenen Präferenzreihenfolge ein repräsentatives Patentdokument einer Patentfamilie anstelle aller Familienmitglieder auszuwählen, betrifft dabei nicht die prinzipielle Funktionsfähigkeit einer Datenverarbeitungsanlage in technischer Hinsicht. In technischer Hinsicht arbeitet die Datenverarbeitungsanlage entsprechend ihrer Bestimmung. Der geltend gemachte Vorteil einer Datenreduktion durch Ausgabe nur eines präferierten Familienmitglieds einer Familie beruht nicht auf technischen Überlegungen, sondern ist allein bedingt durch die gezielte Nutzung von in den Dokumenten bekannterweise enthaltenen Datenfeldern und damit durch die Art der Organisation der Datensätze, die dazu führt, dass anstelle mehrerer Datensätze nur ein Datensatz ausgegeben wird. Die Art der Verwaltung und Sortierung von Datensätzen begründet für sich aber noch keine technische Leistung.

68

Das beanspruchte Verfahren führt auch nicht zu einer Leistungssteigerung der Datenverarbeitungsanlage. Denn der Auftrags-Durchsatz als Maß für die Leistungsfähigkeit einer Datenverarbeitungsanlage wird durch die vorgeschlagenen Maßnahmen nicht beeinflusst. Die vorgeschlagenen Maßnahmen lehren weder die Einrichtung besonderer Zugriffsstrukturen noch die Auswahl möglichst effizienter Zugriffspfade für die Folge von Lese- und ggfs. Schreibbefehlen innerhalb der Datenbank.

69

Die geltend gemachte Verbesserung einer Recherchequalität gründet sich allein auf der Auswahl eines für den Anwender „passenden“ Patentdokuments aus einer Menge von Familienmitgliedern, welches einem Anwender aufgrund seiner Vorlieben am geeignetsten erscheint. Die Auswahl der Eigenschaften, wie etwa der Sprache des Dokuments oder des Namens des veröffentlichenden Amtes, bleibt dem Anwender überlassen und gibt keinen Anlass, der beanspruchten Lehre die Lösung einer technischen Problemstellung mit technischen Mitteln zuzuerkennen.

70

Das Anzeigen repräsentativer Patentdokumente betrifft die bloße Darstellung von Information. Eine solche Anweisung hat keine Lösung einer technischen Problemstellung mit technischen Mitteln zum Gegenstand, weil sich die Art der Darstellung der Patentdokumente allenfalls an der menschlichen Auffassungsgabe orientiert. Auch die Erzeugung und Übermittlung einer derartigen Darstellung an eine Anzeigevorrichtung wird nicht etwa durch technische Parameter sondern durch eine Anforderung  des Anwenders ausgelöst, die über herkömmliche Eingabemittel erzeugt wird (BGH a. a. O. – Webseitenanzeige). Das Merkmal einer Anzeige von repräsentativen Patentdokumenten geht demnach nicht über den Bereich der Datenverarbeitung als solche hinaus (Merkmal (E)).

71

Dass die in der Datenbank gespeicherten Daten einen Bezug zu den „technischen Gegenständen“ von Patentdokumenten haben mögen, ist ebenso ohne Belang. Denn der Bedeutungsinhalt der gespeicherten und verarbeiteten Daten kann die Zugänglichkeit zum Patentschutz ebenfalls nicht begründen, da die Art der Daten oder die Frage ihres Ursprungs für die Beurteilung der Zugänglichkeit der beanspruchten Lehre zum Patentschutz keine Relevanz hat (BGH GRUR 2005, 143 – Rentabilitätsermittlung).

72

Die Anmelderin vertritt die Auffassung, dass das beanspruchte Verfahren nach der Entscheidung „Steuerungseinrichtung für Untersuchungsmodalitäten“ (BGH, a. a. O.) dem Patentschutz zugänglich sei, da dort einer Lehre, die die programmgesteuerte Einstellung von Geräteparametern ermögliche, die Zugänglichkeit zum Patentschutz zugestanden worden sei. Im Gegensatz dazu fehlt im vorliegenden Fall jeglicher Bezug zur Steuerung einer technischen Einrichtung, so dass bereits aus diesem Grund die Argumentation der Anmelderin nicht greift.

73

Die Festlegung einer Präferenzreihenfolge anhand einer bestimmten, ausgewählten Eigenschaft der ermittelten Patentdokumente bedeutet lediglich die Festlegung eines Sortierkriteriums für eine Menge von Datensätzen, wodurch keinerlei Aussenwirkung im Sinne einer Steuerung einer technischen Einrichtung oder eines Prozesses erfolgt.

74

Da mit dem beanspruchten Verfahren ein Datenverarbeitungsproblem durch Maßnahmen aus dem Bereich der reinen Informatik gelöst wird, liegt keine „schutzwürdige Bereicherung der Technik vor“ (BGH BIPMZ 2002, 114 – Suche fehlerhafter Zeichenketten; BIPMZ 2004, 428 – Elektronischer Zahlungsverkehr). Das Verfahren nach dem Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag ist als „Programm als solches“ gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 3 i. V. m. Abs. 4 PatG dem Patentschutz nicht zugänglich.

75

2.3 Mit dem Patentanspruch 1 fallen zwangsläufig auch die übrigen Patentansprüche, da über einen Antrag nur einheitlich entschieden werden kann.

76

3. Zum Hilfsantrag

77

Der auf dem Gebiet der Technik liegende Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag ist gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 3 i. V. m. Abs. 4 PatG vom Patentschutz ausgeschlossen.

78

3.1 Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag unterscheidet sich von Patentanspruch 1 nach Hauptantrag durch das Merkmal (B*)

79

(B*) „ Bereitstellen einer Eingabemöglichkeit, eine Präferenzreihenfolge festzulegen“.

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Damit wird Merkmal (C) des Hauptanspruchs dadurch konkretisiert, dass zur Festlegung einer Präferenzreihenfolge eine Möglichkeit bzw. ein Mittel zur Eingabe (von Dokumenteneigenschaften) durch den Benutzer vorgesehen ist.

81

Das Mittel zur Eingabe ist eine übliche Eingabevorrichtung einer Datenverarbeitungsanlage. Weder die einzugebenden Daten selbst noch der mittels einer bekannten Eingabevorrichtung durchgeführte Eingabevorgang, mit dem die Daten an die Verwaltungssoftware der Datenbank übergeben werden, können für sich eine technische Problemstellung begründen. Die Übergabe der Daten über die Benutzerschnittstelle wird nicht durch technische Parameter sondern durch eine Standardeingabe des Benutzers ausgelöst. Damit geht das Merkmal (B*) nicht über den Bereich der Datenverarbeitung als solche hinaus.

82

Zwar steht der technische Charakter der angeführten Eingabemöglichkeit ebenso außer Zweifel wie die Technizität der zur Datenverarbeitung verwendeten Systemkomponenten. Hieraus ergibt sich aber noch kein technisches (Teil-)Problem, welches mit dem genannten Merkmal gelöst würde.

83

Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag kann deshalb nicht anders als der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag beurteilt werden, weil der darüber hinaus gehenden Lehre keine Anweisungen zur Lösung eines technischen Problems mit technischen Mitteln entnehmbar sind.

84

3.2 Mit dem Patentanspruch 1 fallen ebenfalls die Patentansprüche 2 und 3.