Entscheidungsdatum: 30.01.2014
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 10 2007 041 912.2-53
…
hat der 17. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 30. Januar 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Phys. Dr. Morawek, der Richterin Eder, der Richterin Dipl.-Phys. Dr. Thum-Rung und des Richters Dipl.-Phys. Dr. Forkel
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.
I.
Die vorliegende Patentanmeldung ist am 4. September 2007 beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Bezeichnung
„Verfahren zur Darstellung von Bilddaten mehrerer Bilddatenvolumina in wenigstens einer gemeinsamen Bilddarstellung und zugehörige medizinische Einrichtung“
eingereicht worden.
Die Prüfungsstelle für Klasse G06T hat am 23. Oktober 2009 die Anmeldung zurückgewiesen, da der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Gegen den Beschluss wendet sich die am 27. November 2009 eingegangene Beschwerde der Anmelderin.
Die Beschwerdeführerin beantragt,
den angegriffenen Beschluss aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:
- Patentansprüche 1 bis 15, überreicht in der mündlichen Verhandlung,
- Beschreibung Seiten 1 bis 20 und
- 4 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1a bis e, 2 bis 7, jeweils vom Anmeldetag.
Sie regt die Rückzahlung der Beschwerdegebühr an.
Im Prüfungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt sind folgende Druckschriften genannt worden:
D1: US 2002/0009224 A1
D2: US 2002/0090119 A1
D3: US 2007/0183644 A1.
Der Senat hat zusätzlich die Druckschriften
D4: US 2007/0140537 A1D5: WO 2006/018774 A1
in das Verfahren eingeführt.
Zu den Einzelheiten wird auf die Akte verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist frist- und formgerecht eingereicht und auch sonst zulässig. Sie konnte jedoch keinen Erfolg haben, da das Verfahren des Patentanspruchs 1 nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht (§ 1 Abs. 1 in Verbindung mit § 4 Satz 1 PatG).
1. Die Patentanmeldung betrifft ein Verfahren zur Darstellung von Bilddaten mehrerer Bilddatenvolumina in wenigstens einer gemeinsamen Bilddarstellung an einer mit einer Recheneinrichtung verbundenen Bildanzeigevorrichtung, insbesondere ein Verfahren zur Darstellung von medizinischen Bilddaten, sowie eine zugehörige medizinische Einrichtung.
In der Beschreibungseinleitung ist ausgeführt, dass es, beispielsweise zur Diagnosefindung oder bei der Schulung von Ärzten bzw. von im medizinischen Bereich tätigen Personal oft hilfreich sei, bei der Aufnahme von Bilddaten nicht nur ein Bilddatenvolumen, sondern mehrere Bilddatenvolumina zu erstellen. Dies biete den Vorteil, dass Informationen aus mehreren (im häufigsten Fall: zwei) verschiedenen Volumina genutzt werden könnten. Beispielsweise könnten Hirngefäße im Rahmen einer ersten Aufnahme als Bilddatenvolumen A erhalten werden, während bei einer weiteren Bilddatenaufnahme das umgebende Gewebe bzw. umgebende Strukturen als ein Volumen B aufgenommen würden. Das die Gefäße zeigende Bilddatenvolumen ermögliche es dann, beispielsweise Verengungen (Stenosen) oder Erweiterungen (Aneurysmen) zu detektieren. Das umgebende Gewebe bzw. die umgebenden Strukturen des zweiten Volumens ermöglichten die räumliche Zuordnung der Informationen des ersten Volumendatensatzes.
Für eine optimale Zuordnung der Informationen der beiden Datensätze zueinander sei eine Visualisierung wünschenswert, die die Daten beider Volumendatensätze in einer einzigen Darstellung zeige. Anhand dieser Darstellung könnten Pathologien detektiert werden und gleichzeitig könne eine Lokalisierung im Raum erfolgen. Dementsprechend gebe es Ansätze, die beiden Volumenbilddatensätze in einer verschmolzenen Darstellung zu visualisieren. Dabei werde ein bestimmtes festes Mischungsverhältnis für die Daten der beiden Volumina eingestellt. Problematisch sei jedoch, dass unter Umständen bestimmte Details eines ersten Bilddatenvolumens, die beispielsweise für eine Diagnose wichtig seien, durch die Informationen des zweiten Bilddatenvolumens, das beispielsweise der räumlichen Orientierung diene, verdeckt würden. Dies könne gegebenenfalls zu erheblichen Beeinträchtigungen bei der Verwertbarkeit bzw. Auswertung der Bilddaten führen.
Der Anmeldung soll die Aufgabe zugrunde liegen, ein diesbezüglich verbessertes Verfahren anzugeben.
Der geltende Patentanspruch 1 lautet (mit eingefügten Gliederungszeichen):
a) Verfahren zur Darstellung von Bilddaten mehrerer Bilddatenvolumina in wenigstens einer gemeinsamen Bilddarstellung (1) an einer mit einer Recheneinrichtung verbundenen Bildanzeigevorrichtung, insbesondere zur Darstellung von medizinischen Bilddaten,
dadurch gekennzeichnet, dass
b) in der oder wenigstens einer Bilddarstellung (1) unterschiedlichen Bereichen der Bilddarstellung (1) zuzuordnende oder zugeordnete Bilddaten wenigstens eines Bilddatenvolumens seitens der Recheneinrichtung, zumindest teilweise, mit voneinander abweichender Opazität dargestellt werden,
c) wobei im Rahmen einer Festlegung der Opazität einer Bilddarstellung (1) für Bilddaten wenigstens eines Bilddatenvolumens im Bilddatenvolumen und/oder in wenigstens einer Bilddarstellung wenigstens ein interessierender Punkt und/oder Bereich bestimmt wird,
d) wobei Bilddaten wenigstens eines Bilddatenvolumens mit ausgehend von wenigstens einem interessierenden Punkt und/oder Bereich zunehmender oder abnehmender Opazität dargestellt werden.
Gemäß der Lehre der Anmeldung werden mehrere, z. B. mit unterschiedlichen Bildaufnahmetechniken aufgenommene Volumendaten in einer Bilddarstellung gemeinsam angezeigt - Merkmal a); z. B. sollen Gefäßdaten und Knochendaten gemeinsam angezeigt werden (Fig. 1). Zunächst wird ein besonders interessierender Punkt oder Bereich bestimmt – Merkmal c). Um zu verhindern, dass in dem interessierenden Bereich der Bilddarstellung (d in Fig. 1c) Strukturen des einen Datensatzes (etwa Knochen) Strukturen des anderen Datensatzes (etwa Gefäße) verdecken, werden in dem interessierenden Bereich der Bilddarstellung die Strukturen des einen Datensatzes mit einer anderen Opazität dargestellt als die Strukturen des anderen Datensatzes – Merkmal b); z. B. werden dort Knochenstrukturen des einen Datensatzes besonders transparent dargestellt, während die Strukturen des anderen Datensatzes (Gefäße) besonders opak (undurchsichtig) dargestellt werden, so dass diese im Bild deutlich sichtbar sind (Fig. 1e). Vom interessierenden Punkt oder Bereich nach außen hin werden die Bilddaten des einen Datensatzes mit zunehmender oder abnehmender Opazität dargestellt – Merkmal d); dadurch kann sich die Opazitätszuordnung wieder einer „normalen“ Zuordnung annähern (Fig. 3, 4, 5), so dass in den äußeren Displaybereichen die Knochenstrukturen wie üblich zur lokalen Zuordnung der Gefäßstrukturen dienen können.
Als Fachmann für eine derartige Lehre sieht der Senat einen in der Darstellung insbesondere medizinischer Bilddaten erfahrenen Informatiker an.
2. Das Verfahren des Patentanspruchs 1 beruht nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit sind nur solche Merkmale zu berücksichtigen, welche die Lösung eines technischen Problems, das durch zumindest einen Teilaspekt der unter Schutz gestellten Lehre bewältigt wird, mit technischen Mitteln bestimmen oder zumindest beeinflussen; vgl. BGH GRUR 2011, 125 – Wiedergabe topografischer Informationen (m. w. N.). In dieser Entscheidung leistete eine für Navigationszwecke geeignete Darstellung und deren Einzelheiten, die zwar zu benutzerfreundlichen Verbesserungen bei der Informationswiedergabe führten, keinen Beitrag zur technischen Lösung des dem Patentanspruch zugrunde liegenden technischen Problems.
Technische Mittel liegen vor, wenn Gerätekomponenten modifiziert oder grundsätzlich abweichend adressiert werden, wenn der Ablauf eines zur Problemlösung eingesetzten Datenverarbeitungsprogramms durch technische Gegebenheiten außerhalb der Datenverarbeitungsanlage bestimmt wird oder wenn die Lösung gerade darin besteht, ein Datenverarbeitungsprogramm so auszugestalten, dass es auf die technischen Gegebenheiten der Datenverarbeitungsanlage Rücksicht nimmt, vgl. BGH GRUR 2010, 613 - Dynamische Dokumentengenerierung; BGH GRUR 2011, 610 - Webseitenanzeige.
Als relevant für die Beurteilung der Patentfähigkeit des geltenden Anspruchs 1 sieht der Senat die Druckschrift D4 (US 2007/0140537 A1) an. In dieser Druckschrift werden unterschiedliche Volumendatensätze eines medizinischen Objekts in einem Computer überlagert und gemeinsam auf einer Anzeige dargestellt - Merkmal a), wobei das eine Volumenbild durch das andere hindurch sichtbar ist (Abstract). Fig. 7 und 8 mit Beschreibung zeigen kombinierte Knochen- und Gefäßbilder, wobei die Transparenz durch einen verstellbaren Schieber (16a) unterschiedlich (für jeden Datensatz örtlich konstant) eingestellt ist. Durch Modifizieren der Farb- und Transparenzwerte kann der Benutzer dynamisch Teile der 3D-Datensätze hervorheben oder verstecken (Abs. [0056]).
Die hierüber hinausgehenden Merkmale b), c) und d) des geltenden Anspruchs 1 (Auswahl eines interessierenden Punktes bzw. Bereiches für die Bilddarstellung, Darstellung eines der Bilddatenvolumina in diesem Punkt oder Bereich mit einer ersten Opazität, ausgehend von diesem Punkt oder Bereich nach außen hin mit zu- oder abnehmender Opazität) dienen lediglich dazu, die Daten in einer an das Auffassungsvermögen eines menschlichen Benutzers besonders angepassten Art und Weise darzustellen, so dass dieser die dargestellten Informationen leichter aufnehmen kann. Dies führt zwar zu benutzerfreundlichen Verbesserungen bei der Informationswiedergabe, leistet jedoch keinen Beitrag zur Lösung eines technischen Problems (BGH a. a. O. - Wiedergabe topografischer Informationen).
Zudem sind in diesen Merkmalen keine technischen Mittel zur Problemlösung zu erkennen. Das beanspruchte Verfahren wird offensichtlich in Form eines Computerprogramms auf einer Datenverarbeitungsanlage implementiert. Ersichtlich werden hierbei keine Gerätekomponenten modifiziert oder grundsätzlich abweichend adressiert. Auch sind die besagten Verfahrensschritte für aufgenommene Datensätze von beliebigen Objekten geeignet, der Ablauf ist nicht durch spezielle Aufnahmebedingungen oder sonstige technische Gegebenheiten außerhalb der Datenverarbeitungsanlage bestimmt. Weder wird in den Verfahrensablauf von außen her steuernd eingegriffen, noch entfaltet das Verfahren eine steuernde Außenwirkung. Zudem ist nicht erkennbar, dass die zur Durchführung verwendete Datenverarbeitungsanlage eine spezielle technische Ausgestaltung aufwiese, auf welche das Datenverarbeitungsprogramm Rücksicht nähme; insbesondere ist keine besondere Anpassung des Programms an die Betriebsmittel der Datenverarbeitungsanlage erkennbar. Damit ist keines der in den BGH-Entscheidungen „Dynamische Dokumentengenerierung“ und „Webseitenanzeige“ (a. a. O.) aufgestellten Kriterien für das Vorhandensein technischer Mittel erfüllt.
Der Einwand der Anmelderin, die Erfindung leiste eine besonders aussagekräftige Bilddarstellung, ermögliche eine sinnvolle Auswertung der Daten und löse damit ein technisches Problem, kann nicht überzeugen. Wie oben erläutert, wird durch die benutzerfreundliche Wiedergabe von Informationen kein technisches Problem gelöst. Eine Auswertung der dargestellten Informationen leistet die Erfindung nicht; dies bleibt allein dem Benutzer überlassen, der das dargestellte Bild betrachtet und daraus seine Schlüsse zieht.
Somit tragen die Merkmale b), c) und d) nicht zur Lösung eines technischen Problems mit technischen Mitteln bei und sind demnach bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht zu berücksichtigen.
Wie oben erläutert, war ein Verfahren mit den übrigen Merkmalen des Anspruchs 1 aus D4 bekannt.
Damit beruht das Verfahren gemäß Anspruch 1 zumindest nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
3. Der Anspruch 1 ist nicht gewährbar. Auch die übrigen Patentansprüche 2 bis 15 sind nicht gewährbar, da über einen Antrag nur einheitlich entschieden werden kann (BGH in GRUR 1997, 120 „Elektrisches Speicherheizgerät“).
4. Die Beschwerdegebühr ist zurückzuzahlen.
Die Anmelderin hat in ihrer Eingabe vom 20. Mai 2008 zwar die Patentansprüche nicht geändert; sie ist jedoch auf die Argumentation der Prüfungsstelle im einzigen Prüfungsbescheid ausführlich eingegangen und hat ihre von der Beurteilung der Prüfungsstelle abweichende Sicht der Dinge erläutert. Hilfsweise hat sie eine Anhörung beantragt. Daraufhin folgte der Zurückweisungsbeschluss, in welchem die Durchführung einer Anhörung mit einer standardisierten, nicht stichhaltigen Begründung (die Argumente seien bekannt, es bestehe kein weiterer Klärungsbedarf, eine Anhörung würde lediglich zu einer unnötigen Verfahrensverzögerung führen) abgelehnt wurde.
Wie der Senat in früheren Entscheidungen (vgl. etwa 17 W (pat) 71/09, oder 17 W (pat) 127/08) bereits mehrfach dargelegt hat, war das Prüfungsverfahren in solchen Fällen regelmäßig mängelbehaftet; es kann nicht ausgeschlossen werden, dass dieser Mangel ursächlich für die Beschwerdeerhebung war.
Es entspricht daher der Billigkeit, die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.
5. Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich einzulegen.