Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 26.07.2011


BPatG 26.07.2011 - 17 W (pat) 60/07

Patentbeschwerdeverfahren – "Verfahren zur Unterstützung der Vernetzung von technischen Einrichtungen" – zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit - Berücksichtigung nichttechnischer Merkmale


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
17. Senat
Entscheidungsdatum:
26.07.2011
Aktenzeichen:
17 W (pat) 60/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 101 37 172.1-53

hat der 17. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 26. Juli 2011 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Phys. Dr. Fritsch, des Richters Dipl.-Ing. Prasch, der Richterin Dr. Mittenberger-Huber und des Richters Dipl.-Ing. Baumgardt

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die vorliegende Patentanmeldung wurde am 31. Juli 2001 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht. Sie trägt die Bezeichnung:

2

„Verfahren zur Unterstützung der Vernetzung von technischen Einrichtungen“.

3

Die Anmeldung wurde durch Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patent- und Markenamts mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Es sei bereits nicht ausreichend definiert, was unter den Begriffen „Konfiguration“ und „Konfigurationsdaten“ verstanden werden solle; jedoch lasse der geltende Patentanspruch 1 für beide mögliche Alternativen keine erfinderische Leistung erkennen.

4

Die Anmelderin hat gegen den Zurückweisungsbeschluss Beschwerde eingelegt. Sie stellt den Antrag,

5

den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patent- und Markenamts vom 21. Mai 2007 aufzuheben und das Patent auf der Grundlage der bereits übergebenen Unterlagen zu erteilen.

6

Dazu trägt sie vor, dass sie in ihrer Eingabe vom 21. September 2006 detailliert zur Neuheit und erfinderischen Tätigkeit Stellung genommen habe. Die Begründung des folgenden Zurückweisungsbeschlusses sei jedoch bis auf wenige Worte identisch mit dem Prüfungsbescheid vom 10. Mai 2006. Die Prüfungsstelle habe somit die in der genannten Eingabe vorgebrachten Argumente weder aufgegriffen noch widerlegt. Die vom Senat neu benannte D6 (US 6 169 994 B1) sei ihrer Auffassung nach nicht relevant, da der Fachmann keinen Anlass gehabt hätte, eine Druckschrift aus einem völlig anderen Bereich in Betracht zu ziehen.

7

Der Senat hat in einem Ladungszusatz auf die genannte Druckschrift D6 und ferner auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hingewiesen, wonach bei der Prüfung der Erfindung auf erfinderische Tätigkeit nur diejenigen Anweisungen zu berücksichtigen sind, die die Lösung des technischen Problems mit technischen Mitteln bestimmen oder zumindest beeinflussen (BGH GRUR 2011, 125 – Wiedergabe topografischer Informationen).

8

Der geltende (ursprüngliche) Patentanspruch 1 lautet:

9

1. Verfahren zur Unterstützung der Vernetzung von technischen Einrichtungen, welche unter Verwendung des DICOM-Standardprotokolls miteinander kommunizieren sollen, aufweisend folgende Verfahrensschritte:

10

a) Empfang von neuen Konfigurationsdaten, welche die Vernetzung einer ersten technischen Einrichtung (6) mit einer zweiten technischen Einrichtung (7) betreffen, durch eine zentrale Datenbankstruktur (3),

11

b) Aktualisierung der in der Datenbankstruktur (3) bereits vorhandenen Konfigurationsdaten, welche die Vernetzung einer mit der ersten technischen Einrichtung (6) gleichen technischen Einrichtung mit einer mit der zweiten technischen Einrichtung (7) gleichen technischen Einrichtung betreffen, oder Speichern der neuen Konfigurationsdaten, wenn noch keine Konfigurationsdaten zur Vernetzung einer mit der ersten technischen Einrichtung (6) gleichen technischen Einrichtung mit einer mit der zweiten technischen Einrichtung (7) gleichen technischen Einrichtung vorliegen, und

12

c) Bereitstellung der aktualisierten Konfigurationsdaten bzw. der neu gespeicherten Konfigurationsdaten der zwei miteinander vernetzten technischen Einrichtungen (6, 7) derart, dass diese über ein Kommunikationsnetz (4) abrufbar sind.“

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Bezüglich seiner Unteransprüche 2 bis 6 wird auf die Akte verwiesen.

14

Als Aufgabe der Anmeldung wird genannt, ein Verfahren anzugeben, um die Vernetzung technischer Einrichtungen miteinander, welche unter Verwendung des DICOM-Standardprotokolls miteinander kommunizieren sollen, zu vereinfachen (siehe Offenlegungsschrift Absatz [0003]).

II.

15

Die rechtzeitig eingelegte Beschwerde ist auch sonst zulässig. Sie hat jedoch keinen Erfolg, weil der Gegenstand des Patentanspruchs 1 bei Berücksichtigung nur derjenigen Anweisungen, die die Lösung eines technischen Problems mit technischen Mitteln bestimmen oder zumindest beeinflussen, nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (§ 1; § 4 PatG).

16

1. Die vorliegende Patentanmeldung bezieht sich auf die Unterstützung eines Servicetechnikers, der zwei (medizintechnische) Geräte vernetzen soll und dazu die richtigen Konfigurationsdaten ermitteln muss (siehe Offenlegungsschrift insbesondere Absätze [0002] und [0005]). Die zu vernetzenden Geräte sollen dabei solche sein, die unter Verwendung des DICOM- („Digital Imaging & Communications in Medicine“-) Standardprotokolls miteinander kommunizieren können.

17

Wie in der Anmeldung ausgeführt, kann es sehr zeitaufwendig sein, die erforderlichen Konfigurationsdaten – sofern noch keine persönlichen Erfahrungen bei der Vernetzung zweier bestimmter technischer Einrichtungen existieren – aus Betriebsanleitungen und Handbüchern der jeweiligen Geräte herauszusuchen (siehe Offenlegungsschrift Absatz [0002]). Zur Verringerung dieses Aufwandes schlägt die Anmeldung eine „zentrale Datenbankstruktur“ vor, an welche derartige Konfigurationsdaten gesendet werden, und welche über ein Kommunikationsnetz (insbesondere Intranet) abrufbar ist.

18

Der geltende Patentanspruch 1 ist auf die Eintragung von neuen Konfigurationsdaten in eine solche Datenbank und auf deren Abrufmöglichkeit gerichtet, wobei die Daten vom Servicetechniker nach erfolgreicher Konfiguration zur Verfügung gestellt werden (siehe Offenlegungsschrift Absatz [0015]). Dabei ist der Patentanspruch aus Sicht der Datenbank formuliert: diese soll die soeben erfolgreich verwendeten Konfigurationsdaten empfangen (Schritt a)); entweder – nämlich wenn für die Vernetzung gleichartiger Geräte bereits Konfigurationsdaten vorhanden sind – sollen die vorhandenen anhand der neuen Daten „aktualisiert“ werden, oder – wenn noch keine Konfigurationsdaten zu den beiden gerade vernetzten Geräten vorliegen – sollen die neuen Daten in einem neuen Datensatz gespeichert werden (beide Alternativen sind Gegenstand von Schritt b)). Anschließend werden die aktualisierten bzw. neuen Konfigurationsdaten zum Abruf über ein Kommunikationsnetz bereitgestellt (Schritt c)).

19

Unter „Aktualisieren“ bereits vorhandener Daten ist gemäß Absatz [0015] entweder ein Überschreiben der alten (jetzt veralteten) Daten, oder eine Ergänzung des Datensatzes (so dass die alten Daten erhalten bleiben) zu verstehen. Somit werden gemäß Schritt b) die erfolgreich verwendeten, neuen Konfigurationsdaten in jedem der verschiedenen Fälle in die Datenbank gespeichert (und zwar entweder als neuer Datensatz, oder durch Überschreiben eines vorhandenen Datensatzes, oder als Ergänzung angehängt an einen vorhandenen Datensatz).

20

Die von der Prüfungsstelle als unklar bemängelten Begriffe „Konfiguration“ und „Konfigurationsdaten“ werden vom Senat zu Gunsten der Anmelderin so ausgelegt, dass jegliche Art von Konfiguration bzw. Konfigurationsdaten darunter fallen kann. Im Ergebnis kommt der von der Prüfungsstelle vorgenommenen Unterscheidung keine Bedeutung zu.

21

Als Fachmann, der mit der Aufgabe betraut wird, dem Service-Techniker die Vernetzung technischer Einrichtungen zu erleichtern, sieht der Senat einen Entwicklungs-Ingenieur insbesondere der Fachrichtung Elektrotechnik oder einen Diplom-Physiker an, der mehrjährige Berufserfahrung im Bereich komplexer medizinischer Geräte besitzt und als Betreuer von Service-Technikern eingesetzt ist.

22

2. Bei der Prüfung, ob der Gegenstand des Patentanspruchs 1 auf erfinderischer Tätigkeit beruht, kann lediglich dessen Verfahrensschritt c) berücksichtigt werden.

23

2.1 Die beanspruchte Lehre liegt zumindest teilweise auf technischem Gebiet und ist daher grundsätzlich als Erfindung im Sinne des § 1 PatG einzuordnen.

24

2.1.1 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt ein Verfahren dem grundsätzlichen Technizitätserfordernis bereits dann, wenn es die Verarbeitung, Speicherung oder Übermittlung von Daten mittels eines technischen Gerätes lehrt (BGH, a. a. O. – Wiedergabe topografischer Informationen, III. 1. a, sinngemäß GRUR 2011, 610, 612 - Rn. 15 - Webseitenanzeige). Ein solcher Fall liegt hier fraglos vor, da Konfigurationsdaten gespeichert werden und über ein Kommunikationsnetz abrufbar sein sollen.

25

2.1.2 Die beanspruchte Lehre ist auch nicht nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 oder Nr. 4 PatG vom Patentschutz ausgeschlossen.

26

Dazu genügt es, wenn ein Teilaspekt der beanspruchten Lehre ein technisches Problem bewältigt (BGH, a. a. O. – Wiedergabe topografischer Informationen, III. 1. b BGH a. a. O. - Rn. 17 - Webseitenanzeige). Im vorliegenden Fall kann ein technisches (Teil-) Problem schon darin gesehen werden, die gespeicherten Konfigurationsdaten einer Mehrzahl von Servicetechnikern an unterschiedlichen Orten zur Verfügung zu stellen. Die technische Lösung besteht insoweit gemäß Verfahrensschritt c) darin, die gespeicherten Konfigurationsdaten über ein Kommunikationsnetz abrufbar anzubieten.

27

2.2 Über den genannten technischen Aspekt im Verfahrensschritt c) hinaus enthält der Patentanspruch 1 keine weiteren Anweisungen, die die Lösung irgendeines technischen (Teil-) Problems mit technischen Mitteln bestimmen oder zumindest beeinflussen.

28

2.2.1 Dass das beanspruchte Verfahren die Vernetzung von lediglich solchen technischen Einrichtungen betrifft, die „unter Verwendung des DICOM-Standardprotokolls miteinander kommunizieren sollen“, kann hier keine besondere Bedeutung haben. Zwar ist in der Anmeldung ausgeführt, dass das DICOM-Standardprotokoll keine Aussagen über die Interoperabilität der miteinander zu vernetzenden technischen Einrichtungen trifft (siehe Offenlegungsschrift Absatz [0002]). Konkrete technische Probleme, die speziell daraus entstehen könnten, und die mit technischen Maßnahmen gelöst würden, sind jedoch nicht dargelegt. Vielmehr handelt es sich um ein Informationsproblem, das durch Studium der jeweiligen Betriebsanleitungen und Handbücher behoben werden kann. Der Fachmann, der Servicetechniker betreut und sich fragt, wie die Daten einer erfolgreichen Konfiguration möglichst vielen Kollegen auf einfache Weise zur Verfügung gestellt werden könnten, wird dieses Problem ganz selbstverständlich verallgemeinern und Beispiele aus der Konfiguration jeglicher Art von technischen Geräten heranziehen.

29

2.2.2 Das in Verfahrensschritt a) beanspruchte „Empfangen neuer Konfigurationsdaten … durch eine zentrale Datenbankstruktur“ weist ebenfalls keinen konkreten technischen Bezug auf. Eine Datenbankstruktur stellt lediglich ein Ordnungsschema für die Ablage von Daten dar. Auf welchem Weg die Daten in die Datenbank gelangen, ist nicht Gegenstand des Schritts a).

30

Die Anmelderin hat hier eingewandt, dass die Konfigurationsdaten selbst technischen Charakter hätten und somit ein technisches Merkmal vorläge.

31

Dem kann nicht gefolgt werden. Allein der Charakter von Daten (technisch oder nicht) kann einem Arbeitsschritt, welcher diese Daten verarbeitet oder verwendet, keinen technischen Charakter verleihen (so würde etwa die Anweisung, Daten auswendig zu lernen, nicht zu einer technischen Anweisung, falls es sich um technische Daten handelte). Vgl. auch BGH BlPMZ 2005, 177 – Rentabilitätsermittlung: „Dass die im Rahmen des Verfahrensschritts a verarbeiteten Gerätedaten ihrerseits "technische Daten" sein mögen, ist ebenso ohne Belang …“.

32

2.2.3 Auch das Speichern der Konfigurationsdaten in der Datenbankstruktur anhand bestimmter, von Daten abhängiger Bedingungen gemäß Verfahrensschritt b) gibt keine technische (Teil-) Lehre. Dass hier „Gerätekomponenten modifiziert oder grundsätzlich abweichend adressiert“ würden, dass „der Ablauf eines zur Problemlösung eingesetzten Datenverarbeitungsprogramms durch technische Gegebenheiten außerhalb der Datenverarbeitungsanlage bestimmt“ würde, oder dass die Lösung gerade darin bestünde, „ein Datenverarbeitungsprogramm so auszugestalten, dass es auf die technischen Gegebenheiten der Datenverarbeitungsanlage Rücksicht“ nähme (vgl. BGH GRUR 2011, 610 – Webseitenanzeige), ist ersichtlich nicht der Fall. Irgendwelche anderen technischen Aspekte sind nicht erkennbar und wurden auch nicht vorgetragen.

33

2.3 Somit besteht der einzige Aspekt des Gegenstands des Patentanspruchs 1, welcher die Lösung eines technischen (Teil-) Problems betrifft, entsprechend Verfahrensschritt c) in der Abrufbarkeit der Konfigurationsdaten über ein Kommunikationsnetz. Nur diese Anweisung kann auf erfinderische Tätigkeit geprüft werden (BGH, a. a. O. – Wiedergabe topografischer Informationen, Leitsatz b).

34

3. Der Verfahrensschritt c) als Lösung des technischen Problems, einer Mehrzahl von Servicetechnikern an unterschiedlichen Orten gespeicherte Konfigurationsdaten zur Verfügung zu stellen, ergab sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.

35

Kommunikationsnetzwerke, mittels denen Informationen von unterschiedlichen Orten aus abgerufen werden konnten, insbesondere in Form des Internets oder firmeneigener Intranets, waren vor dem Anmeldetag der vorliegenden Patentanmeldung allgemein bekannt, vgl. – rein beispielhaft – Druckschrift D6 (US 6 169 994 B1) Figur 2 in Verbindung mit Spalte 9 Zeile 15 – 20, oder D5 (US 6 219 700 B1) Zusammenfassung / Spalte 5 Zeile 59 – Spalte 6 Zeile 14.

36

Sonach war keine erfinderische Tätigkeit erforderlich, um zur Lösung nach Verfahrensschritt c), und damit zu den technischen Maßnahmen des Patentanspruchs 1 zu gelangen.

37

4. Patentanspruch 1 ist nach alledem nicht gewährbar. Mit ihm fallen auch seine Unteransprüche 2 – 6, da über einen Antrag nur einheitlich entschieden werden kann.