Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 29.05.2018


BPatG 29.05.2018 - 17 W (pat) 42/16

Patentbeschwerdeverfahren – "AUTENVER-Verfahren (AUTonomes ENergiemanagement und VERteilung)" – Verfahren zur Energielieferung an Energieendverbraucher, welches nur die Auswahl eines Energielieferanten und die Gestaltung des Liefervertrags betrifft - geschäftliche Tätigkeit – Ausschluss des Patentschutzes


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
17. Senat
Entscheidungsdatum:
29.05.2018
Aktenzeichen:
17 W (pat) 42/16
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2018:290518B17Wpat42.16.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 10 2013 010 397.5

hat der 17. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 29. Mai 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Phys. Dr. Morawek, der Richterin Eder, des Richters Dipl.-Ing. Baumgardt und des Richters Dipl.-Ing. Hoffmann

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die vorliegende Patentanmeldung wurde 18. Juni 2013 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht. Sie nimmt eine innere Priorität vom 16. April 2013 in Anspruch. Die vorliegende Anmeldung trägt die Bezeichnung

2

„AUTENVER-Verfahren (AUTonomes ENergiemanagement und VERteilung)

3

als Verbundsystem mit einer AUTENVER- Energieleiteinheit,

4

einem AUTENVER-Energiezähler- und Kommunikationseinheit

5

mit Eingabetastatur und einer AUTENVER- Energieschalteinheit arbeitend,

6

für smarte Energieverteilung mit Einbindung von Energieerzeuger,

7

für optimale Ausnutzung der Energieversorgungsnetze und

8

der Möglichkeit für Energieendverbraucher,

9

ohne Lieferverträge mit diversen Energielieferanten,

10

schnelle kostengünstige Zugriffe auf Energielieferungen

11

zu realisieren.“

12

Die Anmeldung wurde durch Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 Q des Deutschen Patent- und Markenamts vom 14. Juni 2016 zurückgewiesen.

13

Zur Begründung verweist die Prüfungsstelle auf den Bescheid vom 3. Dezember 2015. In diesem Bescheid ist ausgeführt, dass der Anspruch 1 ein rein geschäftliches Verfahren, jedoch nicht eine Lösung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln betreffe, was zum Patentierungsausschluss nach § 1 Abs. 3 und 4 PatG führe.

14

Gegen diesen Beschluss ist die am 1. Juli 2016 eingegangene Beschwerde des Anmelders gerichtet.

15

Der Anmelder beantragt,

16

den angegriffenen Beschluss aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

17

Patentansprüche 1 und 2 sowie

18

Beschreibung Seiten 1 – 9, jeweils vom Anmeldetag.

19

Der geltende Patentanspruch 1 (mit einer denkbaren Gliederung versehen) lautet:

1.

20

M1.0 Verfahren zur Energielieferung an Energieendverbraucher,

21

M1.1 die autonom in Eigeninitiative über das AUTENVER-Verfahren, darauf Einfluss nehmen und auswählen können,

22

M1.1.1 von welchen Energielieferanten,

23

M1.1.2 zu welchen angebotenen Lieferkonditionen,

24

M1.1.3 ohne Vertragsbindung an viele Energielieferanten,

25

M1.2 die gewünschte Energie geliefert werden soll.

26

Zu Anspruch 2 wird auf die Akte verwiesen.

II.

27

Die Beschwerde wurde frist- und formgerecht eingelegt und ist auch sonst zulässig. Sie hat jedoch keinen Erfolg, da das Verfahren des Patentanspruchs 1 gemäß § 1 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 und 4 PatG vom Patentschutz ausgeschlossen ist.

28

1. Die vorliegende Patentanmeldung betrifft ein Verfahren (AUTENVER-Verfahren) welches eine Organisationsplattform darstellt, von der aus Energieendverbraucher nach einheitlichen Verfahrensschritten ihre Energieversorgung eigenständig, unkompliziert und schnell organisieren können (vgl. Offenlegungsschrift Zusammenfassung).

29

Aus dem Stand der Technik seien die Energieverbräuche und damit die Energieproduktion nur mit großer Ungenauigkeit im Voraus zu planen. Dadurch käme es aufgrund der unkoordinierten Einspeisung in vielen Bereichen der Energieversorgungsnetze zu Abschaltungen durch Überlastung.

30

Weiter könnten die Energieendverbraucher nur feste Tarife, in der Regel mit einem Energieanbieter über eine bestimmte Vertragslaufzeit, abschließen.

31

Schließlich wäre es für die Energieendverbraucher nicht möglich kurzfristig auf kostengünstigere Energielieferungen anderer Energielieferanten zuzugreifen (vgl. Offenlegungsschrift S. 2 linke Spalte, erster Absatz).

32

Eine konkrete Aufgabe ist nicht angegeben, jedoch gibt der Anmelder (Schreiben vom 17.03.2014, S. 5) die beiden folgenden Ziele des Verfahrens an:

33

- Die Installation eines eindeutig beschriebenen technischen Verfahrens zur Energielieferung, dass mit Hilfe technischer Verfahrenselemente von einem mündigen Energieendverbraucher flexibel, eigenständig, zeitunabhängig und kurzfristig auch kostengünstige Energieangebote verschiedener Energieerzeuger, ohne Änderung bestehender Energielieferverträge, frei genutzt werden können.

34

- Angestrebt ist weiterhin ein freier Markt, für an Energieverteilernetze gebundene Energien (Elektroenergie z. B.), wie im Kraftstoffhandel z. B. üblich, bei dem KFZ-Nutzer sich egal von welchem Anbieter auch immer, spontan und preis-orientiert, unabhängig von Ländergrenzen mit Energien (Kraftstoff), egal zu welchem Zeitpunkt, versorgen können.

35

Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt der Patentanspruch 1 ein Verfahren zur Energielieferung an Energieendverbraucher vor (Merkmal M1.0), wobei das Verfahren eine Organisationsplattform darstellt, die den Energieendverbrauchern die Organisation ihrer Energieversorgung unkompliziert und schnell ermöglicht.

36

Dabei können die Endverbraucher über das Verfahren (AUTENVER-Verfahren), in Eigeninitiative eine Auswahl treffen und dadurch darauf Einfluss nehmen (Merkmal M1.1) von welchen Energielieferanten (Merkmal M1.1.1) und zu welchen angebotenen Lieferkonditionen (Merkmal M1.1.2) die gewünschte Energie geliefert werden soll (Merkmal M1.2), wobei zwischen dem Endverbraucher und der Vielzahl der Energielieferanten keine feste Vertragsbindung besteht (Merkmal M1.1.3).

37

Als Fachmann, der mit der Aufgabe betraut wird ein Verfahren für die Organisation der Energielieferung durch einen Endverbraucher zu verbessern, ist ein Wirtschaftsinformatiker oder Wirtschaftsingenieur mit Erfahrung im Bereich der Abwicklung – insbesondere der betriebswirtschaftlichen Organisation – von Energielieferverträgen anzusehen.

38

2. Das Verfahren des Patentanspruchs 1 ist vom Patentschutz ausgeschlossen. Bei dem beanspruchten Verfahren handelt es sich nämlich um ein Verfahren für geschäftliche Tätigkeiten als solche (§ 1 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 und 4 PatG).

39

2.1 In dem beanspruchten Verfahren des Anspruchs 1 können keine Anweisungen bzw. Merkmale erkannt werden, die der Lösung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln dienen.

40

Gemäß der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bei der Prüfung, ob ein Ausschlusstatbestand vorliegt darauf abzustellen, ob ein konkretes technisches Problem mit technischen Mitteln gelöst wird (BGH in GRUR 2010, 613 – Dynamische Dokumentengenerierung, BGH in GRUR 2011, 610 – Webseitenanzeige).

41

Keinem der einzelnen Teilschritte des beanspruchten Verfahrens gemäß Patentanspruch 1 liegt ein technisches Problem zugrunde.

42

Welches Problem durch eine Erfindung gelöst wird, ist objektiv danach zu bestimmen, was die Erfindung tatsächlich leistet (BGH in GRUR 2005, 141 – Anbieten interaktiver Hilfe).

43

Der Patentanspruch 1 schlägt vor, dass ein Energieendverbraucher selbst auswählen kann von welchem Energielieferanten und zu welchen Konditionen er seine Energie bezieht, ohne dass er hierfür eine Vertragsbindung mit den Energielieferanten eingehen muss.

44

Das zugrunde liegende Problem besteht dabei in der Bereitstellung einer Auswahlmöglichkeit des Energielieferanten für den Endverbraucher, die ihm einen unkomplizierten und schnellen Wechsel zwischen den Energielieferanten ermöglicht. Dieses Problem ist geschäftlicher bzw. betriebswirtschaftlicher, jedoch nicht technischer Natur.

45

Denn die Auswahl eines Energielieferanten abhängig von den Lieferkonditionen, wie Strompreis oder u. U. Strom aus Windkraftanlagen, beruht auf rein geschäftlichen bzw. ökologischen Überlegungen.

46

In gleicher Weise basiert die Gestaltung des Vertrages, bspw. ein langfristiger Liefervertrag, ein leistungsabhängiger Vertrag oder eine Lieferbeziehung ohne Vertrag, auf geschäftlichen Überlegungen.

47

Auch sind den Details des Verfahrens (AUTENVER-Verfahren) keine technischen Überlegungen zu entnehmen. Die angegebenen Einheiten dienen der Lieferung und der Abrechnung der Energie, sowie der Organisation des Wechsels zwischen den Energieanbietern. Diese Einheiten können nach ständiger Rechtsprechung nicht dazu beitragen den Ausschlusstatbestand zu überwinden, da keine besondere technische Ausgestaltung, sondern lediglich die organisatorische Abarbeitung des Verfahrens beansprucht wird. Dies ist aber kein konkretes technisches Problem, sondern geht nicht über allgemeine Zielsetzung hinaus, sich zur Erreichung eines nichttechnischen Ergebnisses der bekannten Energielieferstrukturen sowie einer Datenverarbeitungsanlage zu bedienen. Diese allgemeine Zielsetzung führt aber gerade nicht zur Überwindung des Ausschlusstatbestandes.

48

Insgesamt wird somit durch das mit dem Anspruch 1 beanspruchte Verfahren kein technisches Problem mit technischen Mitteln gelöst.

49

2.2 Die Argumentation des Anmelders konnte zu keiner anderen Beurteilung führen.

50

Der Anmelder stellte dar, dass aufgrund der derzeitigen langen Vertragslaufzeiten ein kurzfristiger Wechsel des Energieanbieters nicht möglich sei. Dies sei auch dadurch bedingt, dass eine minutengenaue Abrechnung der Energielieferung nicht möglich wäre.

51

Die Länge der Vertragslaufzeiten ist, wie bereits angegeben, ein geschäftliches Problem.

52

Auch die Einführung einer minutengenauen Abrechnung und somit ein Wechsel des Anbieters innerhalb einer relativ kurzen Zeit ist kein technisches, sondern ein geschäftliches bzw. organisatorisches Problem. Bei einem Wechsel des Anbieters ist die Übermittlung des Zählerstandes zum Wechselzeitpunkt notwendig und bekannt. Der Anbieter kann, basierend auf den Daten (Zählerstand zu Beginn der Lieferung und Zählerstand zum Ende der Lieferung), den Preis für die von ihm gelieferte Energie ermitteln. Somit ist das verbleibende Problem eine Verkürzung der bekannten und üblichen Vertragslaufzeiten und die Rechnungstellung für entsprechend kurze Energielieferungen. Dieses Problem betrifft aber die Organisation des Geschäftsprozesses.

53

Weiter führte der Anmelder aus, dass eine Zuordnung der gelieferten Energie zu einem ausgewählten Energieerzeuger nicht gegeben sei, da jeder Energieerzeuger die erzeugte Energie in ein Netz einspeist und der Endverbraucher aus diesem Netz seine Energie ohne eine konkrete Zuordnung beziehe.

54

Dieser Ausführung ist insoweit zuzustimmen, als die verbrauchte Energiemenge mit dem ausgewählten Erzeuger verrechnet wird, wobei nicht sichergestellt ist, dass die Energie tatsächlich von dem Erzeuger stammt. Eine Zuordnung, wie vom Anmelder angegeben, ist jedoch aus den beanspruchten Merkmalen des Anspruchs 1 nicht zu entnehmen und würde überdies nur eine Änderung des geschäftlichen Ablaufs bedeuten.

55

Darüber hinaus führte der Anmelder aus, dass gemäß dem beanspruchten Verfahren eine Software die aktuellen Energietarife überwacht und beim Erkennen eines günstigeren Lieferanten, abhängig von den eingestellten Vorgaben, zu diesem Lieferanten wechselt und von diesem die Energie bezieht.

56

Auch diese Ausführung betrifft ein betriebswirtschaftliches Problem. Mit den Vorgaben des Endverbrauchers wird durch den Einsatz einer herkömmlichen Datenverarbeitungsanlage ein Vergleich von aktuellen Daten mit den eingestellten Parametern durchgeführt. Das Ergebnis des Vergleichs wird für die Auswahl des Anbieters genutzt. Damit liegt auch hier kein technisches Problem, wie bspw. die besondere Ausgestaltung der Datenverarbeitungsanlage vor, sondern es wird eine betriebswirtschaftliche Überlegung abgebildet.

57

Schließlich verwies er auf die einzelnen Elemente des Verfahrens, welche als sogenannte „Zukaufteile“ bereits existieren und mit denen eine Umsetzung des beanspruchten Verfahrens ermöglicht werde.

58

Aus der Anmeldung sind keine Details der Elemente zu entnehmen, die zu Lösung eines technischen Problems beitragen. Die Elemente werden lediglich in einer Organisationsstruktur zusammengefasst um eine geschäftliche Aufgabe zu lösen.

59

3. Mit dem Anspruch 1 fällt auch der Anspruch 2, da über einen Antrag nur einheitlich entschieden werden kann (BGH in GRUR 1997, 120 – Elektrisches Speicherheizgerät).

60

4. Eine Aufzeichnung der mündlichen Verhandlung durch den Anmelder mittels eines Tonträgers war nicht zuzulassen (§ 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG). Besondere Umstände, die eine Ausnahme von diesem Grundsatz rechtfertigen, wurden weder vorgetragen noch waren sie ersichtlich.