Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 03.07.2012


BPatG 03.07.2012 - 17 W (pat) 39/10

Patentbeschwerdeverfahren – eingewurzelte technische Fehlvorstellung – erfinderische Tätigkeit


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
17. Senat
Entscheidungsdatum:
03.07.2012
Aktenzeichen:
17 W (pat) 39/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend das Patent 10 2004 059 045

hat der 17. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 3. Juli 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Phys. Dr. Fritsch, der Richterin Eder, des Richters Dipl.-Ing. Baumgardt und der Richterin Dipl.-Ing. Wickborn

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

1. Auf die am 7. Dezember 2004 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangene Patentanmeldung 10 2004 059 045.1-53 wurde durch Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G06F unter der Bezeichnung

2

"Verfahren zur Kommunikation zwischen einem Management Information System und einem ausführenden System und Kommunikationsmodul"

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ein Patent erteilt und dies am 24. Januar 2008 veröffentlicht.

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Der gegen das Patent erhobene Einspruch der jetzigen Beschwerdegegnerin, der auf mangelnde Patentfähigkeit des Anspruchs 1 nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG gestützt war, hatte Erfolg: das Patent wurde durch den in der Anhörung vom 13. November 2009 verkündeten Beschluss der Patentabteilung 53 widerrufen. Die Patentabteilung gelangte zu dem Schluss, dass das Verfahren nach Patentanspruch 1 der erteilten Fassung (Hauptantrag) gegenüber den von der Patentabteilung im Rahmen der Amtsermittlung aufgefundenen Druckschriften D7 und D8 (s. u.) nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe; auch die jeweiligen Gegenstände der Hauptansprüche gemäß den (damaligen) Hilfsanträgen 1 bis 4 beruhten nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

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Gegen den Widerrufsbeschluss hat die Patentinhaberin Beschwerde eingelegt und ausgeführt, zwar stimme sie zu, dass eine Zusammenschau der Druckschriften D7 und D8 den Fachmann außerhalb des Kontextes einer nach dem "Job Definition Format" (JDF)- Standard vernetzten Druckerei im Wesentlichen zu der erfindungsgemäßen Lösung führen müsse. Entscheidend sei aber, welche Rückschlüsse der Fachmann im Kontext einer JDF-vernetzten Druckerei aus dieser Zusammenschau gezogen hätte. Die JDF-Spezifikationen sähen eine einheitliche JDF-Datei vor und würden eine fallweise empfängerspezifische Anpassung verbieten. Diese Vorgaben seien für den Fachmann vor der Erfindung unumstößlich gewesen. Auch wenn ihm darüber hinausgehende Möglichkeiten (wie sie beispielsweise Druckschrift D8 unbestritten belege) bewusst gewesen wären, habe er sie im - insoweit einengenden – Kontext der JDF-basierten Kommunikation nicht in Betracht ziehen können. Der patentierte Gegenstand sei daher wegen "Überwindung eines Vorurteils der Fachwelt" als erfinderisch anzusehen.

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Die Patentinhaberin und Beschwerdeführerin stellt den Antrag,

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den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent aufrechtzuerhalten gemäß Hauptantrag in der erteilten Fassung, gemäß Hilfsantrag mit Patentansprüchen 1 – 7, überreicht in der mündlichen Verhandlung, und noch anzupassender Beschreibung wie Hauptantrag.

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Die Einsprechende als Beschwerdegegnerin stellt den Antrag,

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die Beschwerde zurückzuweisen.

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Sie trägt vor, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 sowohl in der erteilten Fassung als auch in der Fassung nach Hilfsantrag keine technischen Merkmale aufweise und sich im übrigen für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergebe.

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2. Der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag, d. h. in der erteilten Fassung, hier mit der Gliederung aus dem Einspruchsschriftsatz versehen, lautet:

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"Verfahren zur Kommunikation zwischen einem Management Information System, in dem ein Feldinhalt abgelegt ist, und einem ausführenden System (M1),

13

wobei der Feldinhalt im Job Definition Format von dem Management Information System an das ausführende System übermittelt wird (M2),

14

dadurch gekennzeichnet,

15

dass der Feldinhalt zunächst nach einer für das Management Information System und das ausführende System spezifizierten Regel angepasst (M3)

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und anschließend an das ausführende System übermittelt wird (M4)."

17

Wegen der Unteransprüche 2 bis 7 und des formal nebengeordneten, auf ein Kommunikationsmodul, bei dem der Feldinhalt vor der Übermittlung gemäß einem Verfahren nach einem der Patentansprüche 1 bis 7 anpassbar ist, gerichteten Anspruchs 8 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.

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Der Patentanspruch 1 gemäß geltendem Hilfsantrag stimmt in seinem Oberbegriff mit dem Patentanspruch 1 nach Hauptantrag überein; in seinen kennzeichnenden Teil wurden, unter Anpassung der Formulierungen, die Merkmale des erteilten Unteranspruchs 2 aufgenommen. Er lautet mit entsprechender Gliederung:

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"Verfahren zur Kommunikation zwischen einem Management Information System, in dem ein Feldinhalt abgelegt ist, und einem ausführenden System (M1),

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wobei der Feldinhalt im Job Definition Format von dem Management Information System an das ausführende System übermittelt wird (M2),

21

dadurch gekennzeichnet,

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dass eine Mehrzahl von für jeweils ein ausführendes System und für das Management Information System spezifizierten Regeln in einer Konfigurationsdatei abgelegt (M3a)

23

und nach Auswahl des ausführenden Systems der Feldinhalt nach der für dieses spezifizierten Regel angepasst wird (M3b),

24

und wobei der Feldinhalt anschließend an das ausführende System übermittelt wird (M4)."

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Hinsichtlich der in der Nummerierung angepassten Unteransprüche 2 bis 6 und des formal nebengeordneten Anspruchs 7 wird auf die Akte verwiesen.

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3. Dem Streitpatent soll die Aufgabenstellung zugrundeliegen, die Kommunikation zwischen Management Information Systemen und ausführenden Systemen im Job Definition Format zu vereinfachen und weniger fehleranfällig zu gestalten (Streitpatent Absatz [0014]). Gemäß der Beschwerdebegründung (Seite 4 Abs. 3) bestand das Problem darin, innerhalb des JDF-Konzepts verschiedene Maschinen mit unterschiedlichen Kommunikationsanforderungen zu vernetzen.

II.

27

Die Beschwerde der Patentinhaberin hat keinen Erfolg, weil die jeweils beanspruchten Gegenstände nach Haupt- und nach Hilfsantrag nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und deshalb nicht patentfähig sind (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 in Verb. mit §§ 1 und 4 PatG).

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1. Die Einspruchsbeschwerde wurde rechtzeitig eingelegt und ist auch sonst zulässig. Der Einspruch war mit nachprüfbaren Gründen versehen und ebenfalls zulässig.

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2. Das Streitpatent betrifft die Kommunikation zwischen einem "Management Information System" (MIS) und einem "ausführenden System" (Merkmal M1), wobei für die Datenübermittlung das "Job Definition Format" (JDF) eingesetzt wird (Merkmal M2). JDF wurde für die Druckindustrie entwickelt zur Kommunikation zwischen Auftraggebern von Drucksachen wie Designern, Werbeagenturen, und der Druckerei sowie Unterlieferanten, aber auch innerhalb der Druckerei zur Produktionssteuerung (siehe Streitpatent Absatz [0002] bis [0004]). Dabei ist das MIS im Druckereibetrieb zur Auftragsannahme, -planung und auch Kundenverwaltung eingesetzt (vgl. Absatz [0023], [0025] und insbesondere den Stand der Technik gemäß Druckschrift D7). Das "ausführende System", also der eigentliche Druckmaschinenkomplex, stammt i. d. R. aus anderen Händen und betreibt eine proprietäre Datenverarbeitung, so dass die Umsetzung eines Auftrags jeweils eine Umsetzung der Daten zwischen dem MIS-Format und dem Druckmaschinenformat erfordert. Um diesen Systembruch zu beheben, wurde das "Job Definition Format" (JDF) eingeführt: ein einheitliches Datenformat sollte über Sprach- und Plattformgrenzen hinweg für alle Prozessteilnehmer verständlich sein. Der Begriff "Feldinhalt" bezieht sich auf die Daten in Datenbank-Feldern des MIS (siehe insbesondere die Absätze [0007] / [0008] und [0024] bis [0027]).

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In der Beschreibungseinleitung des Streitpatents wird bemängelt, dass entgegen der JDF-Philosophie und -Konzeption im realen Betrieb vernetzter Druckereien die Datenformate der einzelnen Prozessteilnehmer keinesfalls einheitlich waren, sondern spezifische Unterschiede und vielfältige Restriktionen bestanden (siehe insbesondere Absätze [0005] bis [0009]). Die besonderen Probleme bei der Kommunikation zwischen Teilsystemen mit unterschiedlichen Datenformaten könnten durch den einheitlichen JDF-Ansatz nicht zufriedenstellend gelöst werden. Bekannte Kommunikationsverfahren würden daher entweder die Eingabeformate in Richtung eines kleinsten gemeinsamen Umfangs einschränken, oder aber eine manuelle Nacharbeit erfordern (vgl. Absatz [0010], [0012]).

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Um diese Situation zu verbessern, gibt das Streitpatent die Lehre, für die Kommunikation zwischen einem Management Information System und einem speziellen ausführenden System (Drucksystem) Regeln anzuwenden, die für genau diese Systemkombination spezifiziert sind und eine individuelle Umsetzung der Feldinhalte des MIS für das jeweilige Drucksystem beschreiben (Merkmale M3, M3a und M3b); die Feldinhalte können dann im JDF-Format an das Drucksystem übermittelt werden (Merkmale M2, M4), wobei aber die regelbasierte Umsetzung zur Folge hat, dass letztlich ein Drucksystem-spezifischer JDF-Dialekt erzeugt wird. Das widerspreche zwar der Idealvorstellung einer systemübergreifend einheitlichen JDF-Datei, vereinfache aber die Kommunikation des MIS mit einer Vielzahl unterschiedlicher Drucksysteme und ggf. Unterauftragnehmern (siehe dazu die Absätze [0016] bis [0021]).

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3. Als Fachmann für das Problem, die Kommunikation zwischen Management Information Systemen und ausführenden Systemen im Job Definition Format zu vereinfachen und weniger fehleranfällig zu gestalten, bzw. innerhalb des JDF-Konzepts verschiedene Maschinen mit unterschiedlichen Kommunikationsanforderungen zu vernetzen, hat die Patentabteilung im Widerrufsbeschluss (Seite 9 Absatz 1) einen Informatiker mit Hochschulabschluss angesehen, der mit Branchensoftwarelösungen und mit unterschiedlichen Übertragungsformaten auch vor Einführung des JDF-Formats vertraut war. Die Patentinhaberin stimmt mit der Patentabteilung insoweit überein (Beschwerdeschriftsatz Seite 4 Absatz 1).

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Der Senat sieht keinen Anlass für eine abweichende Definition.

34

4. Der Hauptantrag bleibt ohne Erfolg. Die Merkmale der erteilten unabhängigen Patentansprüche 1 und 8 ergaben sich vor dem Anmeldetag des Streitpatents für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.

35

4.1 Die Patentabteilung hat im Widerrufsbeschluss dargelegt, dass der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 in Hinblick auf die aus den Druckschriften

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D7 KLEEBERG, Dieter: Ganzheitliche Vernetzung, CIM und den End-to-End-Workflow realisieren mit JDF. In: Beilage zur Kundenzeitschrift KBA Report Nr. 24, 09/2004

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D8 WALMSLEY, Priscilla: XML – Managing Multiple Dialects. In: Information Management Magazine, April 2001

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entnehmbaren Kenntnisse keine erfinderische Tätigkeit erkennen lasse. Dem tritt der Senat im Ergebnis bei.

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Druckschrift D7 befasst sich mit der Vernetzung aller Geräte und Arbeitsgebiete (Kundenservice, Administration, Produktion) im Druckereibereich auf Basis des JDF-Standards. Gemäß Seite 2 rechte Spalte / Seite 3 benutzt JDF den XML-Standard (Codierung im Klartext, Baumstruktur) als Rahmen für die einzelnen Inhalte (Feldinhalte), welche in beiden Richtungen (vom MIS zu den Druckmaschinen und zurück) übermittelt werden können. Somit wird hier das gesamte Umfeld der beanspruchten Lehre beschrieben, und konkret zumindest die Merkmale M1 und M2 des Patentanspruchs 1. Ferner ist Seite 6 rechte Spalte unten / Seite 7 entnehmbar, dass die Anpassung an die unterschiedlichen vorhandenen Maschinen noch nicht ohne weiteres automatisch geschieht ("noch keine Plug-and-play-Angelegenheit"). Vielmehr müssten die Maschinen mitteilen, welche Funktionen sie aufweisen und wie diese sich ansprechen lassen; dabei träten "leider auch herstellerindividuelle JDF-Dialekte auf". D. h. der Fachmann entnimmt der Druckschrift D7, dass im Jahr 2004 zur Kommunikation mit unterschiedlichen Druckmaschinen JDF-Dialekte üblich waren, dass dies aber ein zu vermeidender Missstand sei. Ein expliziter Hinweis auf eine automatische regelbasierte Erzeugung dieser Dialekte findet sich hingegen nicht (Merkmal M3 nur insoweit vorhanden, als der Feldinhalt an das ausführende System angepasst wird – allerdings nicht explizit nach einer dafür spezifizierten Regel; Merkmal M4 entspricht Merkmal M2 - es ist für den Fachmann selbstverständlich, dass die Übermittlung an das ausführende System erst "anschließend", d. h. nach der Anpassung der Feldinhalte erfolgen darf).

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Eine Anpassung von XML-Dateien automatisch auf der Grundlage von dafür spezifizierten Regeln durchzuführen, war dem Fachmann jedoch vertraut, wie beispielsweise Druckschrift D8 zeigt (siehe insbesondere den Abschnitt "Use flexible tools to translate between dialects" auf Seite 3 Absatz 2: "…keep a repository of the meta data and dialect mappings"). Gerade der Hinweis in der Druckschrift D7 "noch keine Plug-and-play-Angelegenheit" zeigt den Wunsch der Fachwelt, den Anpassungsvorgang zu automatisieren, und der Fachmann kennt auch die Mittel dazu (flexible Software-Werkzeuge, die auf der Grundlage von spezifischen Regeln eine automatische Umsetzung vornehmen, wie Druckschrift D8 belegt). Es lag daher für ihn nahe, ausgehend von der Lehre der Druckschrift D7 die Feldinhalte auf der Grundlage von Regeln automatisch anpassen zu lassen; damit gelangte er ohne erfinderische Tätigkeit zum Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1.

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Auch die Patentinhaberin hat eingeräumt, dass eine Zusammenschau der Druckschriften D7 und D8 den Fachmann außerhalb des Kontextes einer JDF-vernetzten Druckerei im Wesentlichen zu der erfindungsgemäßen Lösung führen müsse (siehe Beschwerdebegründung Seite 2 Absatz 3).

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4.2 Der Argumentation der Patentinhaberin, der Fachmann habe dagegen im Kontext einer JDF-vernetzten Druckerei nicht zur beanspruchten Lösung gelangen können, kann nicht gefolgt werden.

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4.2.1 Die Patentinhaberin steht auf dem Standpunkt, der Fachmann wäre im Kontext einer JDF-vernetzten Druckerei von dem Vorurteil dominiert worden, dass JDF als einheitliches Datenformat eingesetzt werden müsse, und dass vom ausführenden System abhängige unterschiedliche JDF-Dateien ("Dialekte") diesem Ziel widersprächen. Daher hätte er den beanspruchten Weg, an das jeweilige ausführende System angepasste JDF-Dateien zu erzeugen, gar nicht wählen können, weil dieser Weg für ihn wegen des Widerspruchs zur Aufgabenstellung (einheitliche JDF-Datei) als mögliche Lösung nicht in Betracht gekommen wäre. Erst die Patentinhaberin habe dieses Vorurteil mit der Lehre des Streitpatents überwunden.

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Dem ist zu widersprechen. Eingewurzelte technische Fehlvorstellungen, deren Überwindung als sicheres Anzeichen für das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit gewertet werden kann, liegen nur dann vor, wenn die Fehlvorstellungen in dem Sinne technisch begründet gewesen sind, dass die beanspruchte Lehre zum Anmeldezeitpunkt entweder für technisch nicht ausführbar oder der mit ihr erzielte technische Erfolg für nicht erreichbar gehalten und dieser Irrtum durch die Erfindung widerlegt worden ist (BGH GRUR 1996, 857 – Rauchgasklappe, III. 2 c Absatz 1). So liegt der Fall hier zweifellos nicht. D7 zeigt gerade, dass JDF-Dialekte technisch ohne Weiteres möglich waren und wegen der damit verbundenen Möglichkeit, Druckmaschinen unterschiedlicher Hersteller zu vernetzen, auch eingesetzt wurden.

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Die Patentinhaberin sieht das Vorurteil darin, dass die Vorgabe, den JDF-Standard einzuhalten, dem Fachmann den Blick für andere Lösungen verstellt hätte. Darin liegt aber kein technisches Vorurteil. Ob das Einhalten des Standards auf der einen Seite, oder eine weitergehende Nutzung der Fähigkeiten unterschiedlicher Druckmaschinen auf der anderen Seite, höhere Priorität bekommt, ist vielmehr eine Frage des Abwägens von Vorteilen gegenüber damit vorhersehbar verbundenen Nachteilen. Derartiges Abwägen ist typisches fachmännisches Handeln und kann das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit nicht begründen.

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4.2.2 Die Patentinhaberin macht noch geltend, unter der Prämisse der unbedingten Einhaltung des JDF-Standards hätte der Fachmann allenfalls eine Vielzahl unterschiedlicher "private"-Felder in eine einzige JDF-Datei zusammenfassen können. Diese Datei wäre dadurch aber sehr groß und – u. a. wegen der Rückmeldungs-Schreibzugriffe mehrerer Maschinen auf dieselbe Datei – fehleranfällig geworden. Dieses Problem bestehe bei den erfindungsgemäßen mehreren kleineren, gerätespezifischen JDF-Dateien nicht.

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Auch mit diesem Argument lässt sich das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit nicht begründen, weil Druckschrift D7 bereits den Hinweis auf die Nutzung herstellerindividueller JDF-Dialekte enthält. Wie bereits dargelegt, bestand bezüglich einer "unbedingten" Einhaltung des JDF-Standards kein technisches Vorurteil. Der Fachmann war nicht gehindert, den Nachteil einer Verletzung des Standards gegenüber dem Vorteil der weitergehenden Nutzung der Fähigkeiten von Maschinen unterschiedlicher Hersteller abzuwägen.

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4.3 Mit dem Patentanspruch 1 fallen auch dessen Unteransprüche 2 – 7, für welche die Patentinhaberin einen eigenen erfinderischen Gehalt nicht geltend gemacht hat.

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4.4 Der Gegenstand des nebengeordneten Patentanspruchs 8, welcher auf ein Kommunikationsmodul gerichtet ist, bei welchem ein zu übermittelnder Feldinhalt gemäß einem Verfahren nach einem der Patentansprüche 1 bis 7 anpassbar ist, beruht gleichfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

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Ein "Kommunikationsmodul" als abgeschlossene Programm-Einheit im Rahmen eines MIS (siehe Streitpatent Absatz [0022]) leistet in technischer Hinsicht nichts Zusätzliches, sondern vereinfacht durch die benachbarte Anordnung der programmierten Routinen allenfalls die Programmerstellung und Wartung. Im Übrigen sind derartige Programm-Module dem hier zuständigen Fachmann vertraut (vgl. Druckschrift D7 Seite 3 Spalte 2 unten: "Module für den Datenaustausch"). Außer dem Kommunikationsmodul selbst enthält der Patentanspruch 8 keine zusätzlichen Merkmale, die eine andere Beurteilung als für den Patentanspruch 1 rechtfertigen könnten.

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5. Auch der Hilfsantrag hat keinen Erfolg. Denn die zusätzlichen Merkmale des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag können das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit nicht begründen.

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5.1 Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag unterscheidet sich vom Patentanspruch 1 nach Hauptantrag (außer durch eine erforderliche Anpassung im Wortlaut des Merkmals M4, der inhaltlich keine Bedeutung zukommt) durch die Merkmale M3a und M3b, mit welchen die Lehre des erteilten Patentanspruchs 2 mit in den Anspruch 1 aufgenommen wird.

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Demnach soll nunmehr eine Mehrzahl von für jeweils ein ausführendes System und für das Management Information System spezifizierten Regeln in einer Konfigurationsdatei abgelegt sein (Merkmal M3a). Zur Ansteuerung eines bestimmten ausführenden Systems soll aus dieser Mehrzahl von Regeln diejenige ausgewählt werden, welche für das bestimmte ausführende System spezifiziert ist (Merkmal M3b).

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5.2 Diese Maßnahmen lagen für den hier zuständigen Fachmann ebenfalls nahe.

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Der zugrundeliegende Gedanke, unterschiedliche ausführende Systeme mit jeweils individuellen Befehlsdaten anzusprechen, findet sich bereits in Druckschrift D7 (s. o. Abschnitt 4.1). Dass die Regeln für die Umsetzung abgespeichert sein sollten, lässt sich aus Druckschrift D8 ableiten: Der Passus auf Seite 3 Absatz 2, Abschnitt "Use flexible tools to translate between dialects", "…keep a repository of the meta data and dialect mappings" bedeutet nichts anderes, als dass eine Mehrzahl von Umsetzungsregeln für unterschiedliche Dialekte, also für unterschiedliche Zielsysteme vorgehalten werden soll. Diese "Vorhalten" geschieht in der Datenverarbeitung typischerweise in Form von gespeicherten Daten. Die Zusammenfassung solcher Daten zu einer Konfigurationsdatei drängt sich in diesem Zusammenhang geradezu auf, da dem Fachmann Konfigurationsdateien geläufig waren.

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5.3 Mit dem Patentanspruch 1 des Hilfsantrags fallen auch die übrigen Ansprüche, da über einen Antrag nur einheitlich entschieden werden kann.

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6. Bei dieser Sachlage kann dahingestellt bleiben, inwieweit das Streitpatent überhaupt Anweisungen enthält, die der Lösung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln dienen (BGH BlPMZ 2011, 371 – Webseitenanzeige); nur solche Anweisungen, die diese Lösung des technischen Problems mit technischen Mitteln bestimmen oder zumindest beeinflussen, könnten bei der Prüfung der Erfindung auf erfinderische Tätigkeit berücksichtigt werden (BGH GRUR 2011, 125 – Wiedergabe topografischer Informationen).