Entscheidungsdatum: 14.03.2013
In der Einspruchssache
betreffend das Patent 102 47 440
…
hat der 17. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 14. März 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Phys. Dr. Morawek, der Richterin Eder, des Richters Dipl.-Ing. Baumgardt und des Richters Dipl.-Phys. Dr. Forkel
beschlossen:
Das deutsche Patent 102 47 440 wird widerrufen.
I.
1. Auf die am 11. Oktober 2002 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangene Patentanmeldung 102 47 440.0 - 53, welche die Priorität der Patentanmeldung 101 53 641.0 vom 31. Oktober 2001 in Anspruch nimmt, wurde durch Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F das Patent erteilt unter der Bezeichnung
„ Therapiesystem sowie Therapieverfahren “.
Veröffentlichungstag der Patenterteilung ist der 4. Mai 2005.
2. Gegen das Patent ist am 4. August 2005 Einspruch erhoben worden. Die Einsprechende stützt sich zunächst auf die im Prüfungsverfahren diskutierten Druckschriften D1 und D2 sowie weitere Veröffentlichungen (D3 – D5, s. u.) und macht u. a. als Widerrufsgrund geltend, es fehle die Neuheit bzw. erfinderische Tätigkeit (§ 21 (1) Nr. 1 i. V. m. § 3, 4 PatG).
Sie reicht später die Druckschriften D6 bis D10 und D12 bis D16 nach und hält ihre Einwände auch gegenüber allen Hilfsanträgen aufrecht. Ferner stellten die Einschränkungen in den Verfahrensansprüchen der Hilfsanträge keine Fortbildung des Erfindungsgedankens aus dem Hauptanspruch dar, sondern seien ohne Bezug zum kennzeichnenden Merkmal rein additiv angefügt („Aggregation“), und seien zudem unklar (§ 21 (1) Nr. 2 PatG).
Die Einsprechende beantragt,
das Patent zu widerrufen.
3. Der Patentinhaber tritt der Argumentation der Einsprechenden in allen Punkten entgegen und stellt den Antrag,
das Patent im erteilten Umfang aufrechtzuerhalten,
hilfsweise das Patent mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:
gemäß Hilfsantrag 0 mit Patentansprüchen 1 – 26;
gemäß Hilfsantrag 1 mit Patentansprüchen 1 – 26;
gemäß Hilfsantrag 2 mit Patentansprüchen 1 – 25;
gemäß Hilfsantrag 3 mit Patentansprüchen 1 – 24;
gemäß Hilfsantrag 4 mit Patentansprüchen 1 – 24;
die Hilfsanträge 0 bis 4 jeweils vom 6. März 2013 und am 7. März 2013 eingegangen, noch anzupassender Beschreibung sowie Zeichnungen mit Figuren wie Patentschrift;
gemäß Hilfsantrag 1a mit Patentansprüchen 1 – 23 und Beschreibung Seiten 2 und 3, überreicht in der mündlichen Verhandlung, im Übrigen wie Hilfsanträge 0 bis 4;
gemäß Hilfsantrag 5 mit Patentansprüchen 1 – 2, überreicht in der mündlichen Verhandlung, Patentansprüchen 3 – 15 und noch anzupassender Beschreibung und Zeichnungen mit Figuren wie erteilt.
4. Innerhalb der Einspruchsfrist wurden von der Einsprechenden folgende Druckschriften entgegengehalten:
D1 US 5 558 638 A (im Streitpatent zitiert)
D2 US 2001 / 0 031 998 A1 (im Streitpatent zitiert)
D3 DE 44 30 164 A1
D4 DE 100 53 116 A1
D5 DE 197 47 353 A1
Nach Ablauf der Einspruchsfrist hat die Einsprechende noch folgende Druckschriften benannt:
D6 WO 00 / 11 578 A1
D7 WYDRA, G.: Ein neuer Test zur Beurteilung der Kraft der Bauchmuskulatur. In: Krankengymnastik 7/1995 S. 937-946
D8 BUSKIES, W.; BOECKH-BEHRENS, W.-U.: Probleme bei der Steuerung der Trainingsintensität im Krafttraining auf der Basis von Maximalkrafttests. In: Leistungssport 3/1999 Seite 4-8
D9 undokumentierte, undatierte Seite 102 mit einem Verweis auf Van Wingerden, 1998, S. 319 ff.
D10 MARSCHALL, F.; FRÖHLICH, M.: Überprüfung des Zusammenhangs von Maximalkraft und maximaler Wiederholungszahl bei deduzierten submaximalen Intensitäten. In: Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin, Jahrgang 50 Nr. 10 (1999), Seite 311-315
D12 US 5 810 747 A
D13 US 5 416 695 A
D14 WO 91 / 11 221 A1
D15 US 5 019 974 A
D16 DE 40 31 481 A1.
Zusammen mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung hat der Senat auf den Ausschlusstatbestand gemäß § 1 (3) Nr. 3 PatG (Programme für Datenverarbeitungsanlagen) aufmerksam gemacht, der zwar von der Einsprechenden nicht geltend gemacht wurde, aber im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes vom Senat zu berücksichtigen ist. Dazu wurde auf die einschlägige jüngere Rechtsprechung hingewiesen. Ferner hat der Senat ins Verfahren eingeführt:
D11 EP 1 068 882 A2.
5. Die unabhängigen Patentansprüche 1 und 16 der erteilten Fassung (Hauptantrag), hier mit einer Gliederung ähnlich der des Patentinhabers versehen (siehe Erwiderung vom 18. April 2006, Seite 2 bis 4), lauten:
„ 1. Therapiesystem
(a) mit mindestens einem Therapeutenrechner zur Erstellung bzw. Pflege von Therapieprogrammen
(b) und mit mindestens einem Patientenrechner,
(c) der mit einem mit dem Patienten im Zuge der Therapie interagierenden Therapiesensor mindestens zeitweise verbunden ist
(d) und mit dem Therapeutenrechner mindestens zeitweise über ein Datennetz in Verbindung steht,
(e) wobei ein Kommunikationsmodul (64, 71), welches den Datenfluß zwischen dem Therapeutenrechner (42 bis 44) und dem Patientenrechner (45 bis 47, 59 bis 63) steuert,
(f) derart ausgebildet ist, dass ein zu Beginn eines Therapieabschnitts vom Therapeutenrechner (42 bis 44) zum Patientenrechner (45 bis 47, 59 bis 63) übertragenes Konfigurationsdatenpaket (85) eine Freigabe mindestens eines bestimmten, auf dem Patientenrechner (45 bis 47, 59 bis 63) vorinstallierten Therapieprogramms steuert,
dadurch gekennzeichnet,
(g1) dass das Kommunikationsmodul (64, 71) derart ausgebildet ist, dass mit dem Konfigurationsdatenpaket (85) Daten übertragen werden,
(g2) die eine maximale Wiederholungszahl des jeweiligen Therapierprogramms repräsentieren.
16. Therapieverfahren mit folgenden Verfahrensschritten:
aa) Erstellen mindestens eines rechnergestützt abarbeitbaren Therapieprogramms;
bb) Installieren des Therapieprogramms auf mindestens einem Patientenrechner;
cc) Erstellen eines Therapieplans;
dd) Übertragen von Therapieinformationen, die den Therapieplan wiedergeben, vom Therapeutenrechner auf den Patientenrechner;
ee) Abarbeiten des Therapieplans durch den Patienten mit Hilfe des Patientenrechners;
wobei
ff) als Therapieinformationen Konfigurationsinformationen (85) übertragen (88) werden, welche zu Beginn eines Therapieabschnitts eine Freigabe (89) mindestens eines bestimmten, auf dem Patientenrechner (45 bis 47, 59 bis 63) vorinstallierten Therapieprogramms steuern,
dadurch gekennzeichnet,
gg1) dass mit den Konfigurationsinformationen Daten übertragen (88) werden,
(g2) die eine maximale Wiederholungszahl des jeweiligen Therapieprogramms repräsentieren.“
Bezüglich der Unteransprüche 2 bis 15 und 17 bis 26 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.
5.1 Gemäß den Hilfsanträgen 0, 1, 2, 3 und 4 werden die erteilten unabhängigen Patentansprüche durch zusätzliche Merkmale eingeschränkt.
Nach Hilfsantrag 0 kommt beim Hauptanspruch wie auch beim nebengeordneten Verfahrensanspruch 16 am Ende das Merkmal hinzu:
(h0) und (dass) das Konfigurationsdatenpaket (85) eine verglichen mit einem neuen Therapieprogramm geringere Datenmenge hat.
Nach Hilfsantrag 1 werden die beiden unabhängigen Ansprüche 1 und 16 eingeschränkt durch das genannte Merkmal (h0) und zusätzlich durch das Merkmal
(h1) und dass das Konfigurationsdatenpaket (85) alle für eine Abänderung der Therapie erforderlichen Informationen enthält.
Im Hilfsantrag 2 ist der Patentanspruch 1 ferner durch das Merkmal
(h2) dass das Kommunikationsmodul (64, 71) mit einem Datenverschlüsselungs- und –decodiermodul (66, 73) zusammenarbeitet
eingeschränkt. Im nebengeordneten Anspruch 15 lautet dieses Merkmal
(h2‘) dass ein Zusammenarbeiten des Kommunikationsmoduls (64, 71) mit einem Datenverschlüsselungs- und -decodiermodul (66, 73) erfolgt.
Der Hilfsantrag 3 ist darüber hinaus durch ein Merkmal eingeschränkt, das aus dem ursprünglichen Unteranspruch 14 stammt. Dieses lautet im Hauptanspruch:
(h3) dass der Therapeutenrechner (42 bis 44) ein Verwaltungsmodul (70) zur Verwaltung von Benutzerdaten des Therapeutenrechners (42 bis 44) und / oder von Patientendaten aufweist.
Im nebengeordneten Verfahrensanspruch 14 heißt es entsprechend:
(h3‘) dass ein Verwalten von Benutzerdaten des Therapeutenrechners (42 bis 44) und / oder von Patientendaten mittels eines Verwaltungsmoduls (17) des Therapeutenrechners (42 bis 44) erfolgt.
Gemäß Hilfsantrag 4 kommt im Hauptanspruch, und identisch im Nebenanspruch 14, zusätzlich noch das Merkmal hinzu:
(h4) wobei das Verwaltungsmodul (70) eine Anmelde-Benutzeroberfläche (1), eine Therapeutenmenü-Benutzeroberfläche (8), eine Therapeutenmodul-Benutzeroberfläche (9) und eine Nachrichten-Benutzeroberfläche (21) zum Verschicken von Nachrichten aufweist.
Bezüglich der jeweiligen Unteransprüche wird auf die Akte verwiesen.
5.2 Der Hilfsantrag 1a ist von seiner Rangfolge zwischen den genannten Hilfsanträgen 1 und 2 einzuordnen. Sein Hauptanspruch lautet (wobei, soweit möglich, die bisherige Merkmalsbezeichnung beibehalten wurde):
„ 1. Therapiesystem
(a) mit mindestens einem Therapeutenrechner zur Erstellung bzw. Pflege von Therapieprogrammen
(b) und mit mindestens einem Patientenrechner,
(c) der mit einem mit dem Patienten im Zuge der Therapie interagierenden Therapiesensor mindestens zeitweise verbunden ist
(d) und mit dem Therapeutenrechner mindestens zeitweise über ein Datennetz in Verbindung steht,
(e) wobei ein Kommunikationsmodul (64, 71), welches den Datenfluß zwischen dem Therapeutenrechner (42 bis 44) und dem Patientenrechner (45 bis 47, 59 bis 63) steuert,
(f) derart ausgebildet ist, dass ein zu Beginn eines Therapieabschnitts vom Therapeutenrechner (42 bis 44) zum Patientenrechner (45 bis 47, 59 bis 63) übertragenes Konfigurationsdatenpaket (85) eine Freigabe mindestens eines bestimmten, auf dem Patientenrechner (45 bis 47, 59 bis 63) vorinstallierten Therapieprogramms steuert,
dadurch gekennzeichnet,
(j1) dass das Kommunikationsmodul (64, 71) derart ausgebildet ist, dass am Ende eines Therapieabschnitts vom Patientenrechner (45 bis 47, 59 bis 63) zum Therapeutenrechner (42 bis 44) ein Ergebnisdatenpaket übertragen wird,
(j2) dass das Konfigurationsdatenpaket (85) in Abhängigkeit des Ergebnisdatenpakets derart angepasst wird, dass eine Abänderung des vorinstallierten Therapieprogramms möglich ist,
(h1) dass das Konfigurationsdatenpaket (85) alle für die Abänderung der Therapie erforderlichen Informationen enthält,
(g1) dass das Kommunikationsmodul (64, 71) derart ausgebildet ist, dass mit dem Konfigurationsdatenpaket (85) Daten übertragen werden,
(g2) die eine maximale Wiederholungszahl des jeweiligen Therapierprogramms repräsentieren, und
(h0) dass das Konfigurationsdatenpaket (85) eine verglichen mit einem neuen Therapieprogramm geringere Datenmenge hat. “
Der ihm nebengeordnete Anspruch 15 ist in vergleichbarer Weise eingeschränkt. Seine genaue Formulierung und die zugehörigen Unteransprüche können der Akte entnommen werden.
5.3 In der Fassung gemäß Hilfsantrag 5 lautet der Hauptanspruch, ebenfalls soweit möglich mit übereinstimmender Merkmalsbezeichnung:
„ 1. Therapiesystem
(a) mit mindestens einem Therapeutenrechner zur Erstellung bzw. Pflege von Therapieprogrammen
(b) und mit mindestens einem Patientenrechner,
(c) der mit einem mit dem Patienten im Zuge der Therapie interagierenden Therapiesensor mindestens zeitweise verbunden ist
(d) und mit dem Therapeutenrechner mindestens zeitweise über ein Datennetz in Verbindung steht,
(e) wobei ein Kommunikationsmodul (64, 71), welches den Datenfluß zwischen dem Therapeutenrechner (42 bis 44) und dem Patientenrechner (45 bis 47, 59 bis 63) steuert,
(f) derart ausgebildet ist, dass ein zu Beginn eines Therapieabschnitts vom Therapeutenrechner (42 bis 44) zum Patientenrechner (45 bis 47, 59 bis 63) übertragenes Konfigurationsdatenpaket (85) eine Freigabe mindestens eines bestimmten, auf dem Patientenrechner (45 bis 47, 59 bis 63) vorinstallierten Therapieprogramms steuert,
dadurch gekennzeichnet,
(g1) dass das Kommunikationsmodul (64, 71) derart ausgebildet ist, dass mit dem Konfigurationsdatenpaket (85) Daten übertragen werden,
(g2) die eine maximale Wiederholungszahl des jeweiligen Therapierprogramms repräsentieren,
(k1) wobei ferner ein orthopädisches Trainingsgerät vorgesehen ist,
(k2) wobei der Therapiesensor an dem orthopädischen Trainingsgerät extern des Patientenrechners angebracht und mit diesem über eine Datenleitung verbunden ist und
(k3) wobei das Trainingsgerät ein Ergometer ist, welches mit Hilfe von Daten, die dieses vom Patientenrechner empfängt, gesteuert und konfiguriert wird. “
6. Als dem Patentgegenstand zugrundeliegende Aufgabe ist angegeben, ein Therapiesystem der in der Beschreibungseinleitung genannten Art derart weiterzubilden, dass die Abänderung eines durchzuführenden Therapieprogramms vereinfacht und sicherer gestaltet wird (siehe Streitpatentschrift Absatz [0008]), sowie ein Therapieverfahren der genannten Art derart weiterzubilden, dass der Aufwand einer Therapieänderung verringert ist (siehe Absatz [0027]).
7. Im Übrigen wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Der Einspruch wurde frist- und formgerecht erhoben. Er erweist sich als zulässig und hat auch in der Sache Erfolg, weil der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche 1 und 16 des erteilten Patents, als auch die Gegenstände zumindest des jeweiligen Anspruchs 1 der Hilfsanträge, bei Berücksichtigung nur derjenigen Merkmale, die die Lösung des zugrundeliegenden konkreten technischen Problems bestimmen oder zumindest beeinflussen, nicht auf einer erfinderische Tätigkeit beruhen (§§ 1, 4 PatG).
1. Der Einspruch ist zulässig.
Zumindest im Falle des geltend gemachten Widerrufsgrundes „Mangelnde Patentfähigkeit“ (PatG § 5 (2); § 3; § 4) sind die Tatsachen, die den Einspruch rechtfertigen sollen, im Einzelnen soweit angegeben, dass daraus ohne eigene Ermittlungen abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen des Widerrufsgrundes gezogen werden können. Das reicht für die grundsätzliche Zulässigkeit des Einspruchs aus. Die Zulässigkeit des Einspruchs wurde auch insoweit von der Patentinhaberin nicht bestritten.
2. Das Streitpatent betrifft nach den Angaben in der Beschreibung ein „Therapiesystem“ und ein „Therapieverfahren“, bei welchen der Patient ohne ständigen persönlichen Kontakt zu seinem Therapeuten, insbesondere zuhause therapiert werden kann: der Therapeut erstellt an seinem Rechner Therapieprogramme und einen Therapieplan, welche über ein Datennetz auf einen Patientenrechner übertragen werden. Der Patient arbeitet mittels dieses Patientenrechners die Therapieprogramme ab; ein angeschlossener Therapiesensor erfasst Daten hierüber.
In der Beschreibungseinleitung ist ausgeführt, derartige Systeme und Verfahren seien unter dem Schlagwort „Teletherapie“ bekannt gewesen. Bei der Teletherapie sei der Patient nicht mehr zwingend auf einen Krankenhausbesuch angewiesen, sondern könne ein vorgegebenes Therapietraining von zuhause aus durchführen (siehe Patentschrift Absatz [0002]).
Dabei sei es erforderlich, die Therapieprogramme von Zeit zu Zeit an den Therapiefortschritt des Patienten oder an sonstige Änderungen anzupassen. Bei bekannten Teletherapie-Systemen bzw. Verfahren erfolge dies, indem ein neues Therapieprogramm vom Therapeutenrechner auf den Patientenrechner übertragen werde. Derartige Vorgänge seien zeitaufwändig und erforderten in der Regel eine Interaktion des Patienten; dadurch sei die Übertragungssicherheit beeinträchtigt, und außerdem könne der Patient unter Umständen Einfluss auf Therapieparameter nehmen (siehe Patentschrift Absatz [0003]).
Um diese Situation zu verbessern, ist im Streitpatent im Anspruch 1 ein Therapiesystem unter Schutz gestellt, bei welchem vom Therapeutenrechner zum Patientenrechner (nur) ein Konfigurationsdatenpaket übertragen wird, welches die Freigabe mindestens eines bestimmten vorinstallierten Therapieprogramms steuert, und welches Daten enthält, die eine maximale Wiederholungszahl des jeweiligen Therapieprogramms repräsentieren. Der nebengeordnete Anspruch 16 betrifft ein Therapieverfahren und Konfigurationsinformationen, welche in entsprechender Weise die Freigabe steuern, und mit denen entsprechende Daten für die maximale Wiederholungszahl übertragen werden.
Die Gegenstände der Hilfsanträge sollen einzelne Aspekte des beanspruchten Teletherapiesystems bzw. -verfahrens weiterbilden.
Als Fachmann für eine Verringerung des Aufwands bei Therapieänderungen und Erhöhung der Übertragungssicherheit im Bereich von Teletherapieprogrammen ist ein Informatiker oder Programmierer mit Erfahrungen auf dem Gebiet der Datenkommunikation und insbesondere auf dem Gebiet der Teletherapie anzusehen.
3. Das Streitpatent kann in der erteilten Fassung keinen Bestand haben, weil der jeweilige Gegenstand der unabhängigen Patentansprüche 1 und 16 zumindest nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
3.1 Von den entgegengehaltenen Druckschriften ist die genannte D6 (WO 00 / 11 578 A1) von besonderer Bedeutung für das Streitpatent. Sie lehrt den Fachmann sämtliche Merkmale der unabhängigen Ansprüche 1 und 16 mit Ausnahme von Merkmal (g2).
3.1.1 D6 beschreibt ein System und Verfahren zum Überwachen bzw. Beobachten des Therapiefortschritts eines Patienten aus der Ferne (siehe Zusammenfassung und Figur 2 / 3). Ein Therapeutenrechner (z. B. 62) ist über ein Datennetz (280) mit Patientenrechnern (320) verbunden, wobei letztere mit Therapiesensoren (z. B. 420, siehe Seite 22 Absatz 2) in Verbindung stehen - Merkmale (a), (b), (c), (d). Kommunikationsmodule zur Steuerung des Datenflusses (Merkmal (e)) sind für den Fachmann in diesem Zusammenhang selbstverständlich. Darüber hinaus kann hier der Therapeut dem Patienten eine Nachricht senden, die einen Zeiger (pointer) auf ein bestimmtes Therapieprogramm enthält, welches auf dem Patientenrechner bereits vorinstalliert ist, siehe Figur 12 / 13 und Seite 25 Zeile 21 ff., Seite 22 Zeile 30 - 33. D. h. dass zu Beginn eines Therapieabschnitts vom Therapeutenrechner zum Patientenrechner übertragene Konfigurationsdaten (pointer) die Freigabe eines vorinstallierten Therapieprogramms steuern (Merkmal (f)). Es können auch Informationen betreffend eine Änderung der Medikation automatisch übertragen werden (Seite 20 Zeile 2 - 9, Zeile 11 – 21); hierbei wie bei dem übertragenen Pointer handelt es sich nach dem Verständnis des Fachmanns um eine Form von Konfigurationsdaten (Merkmal (g1)).
In analoger Weise ist durch die aus D6 entnehmbare Lehre das Therapieverfahren nach Anspruch 16 im Umfang der Merkmale aa) bis gg1) vorweggenommen.
3.1.2 Der Patentinhaber hat eingewendet, D6 betreffe die Übermittlung von Lehrprogrammen, insbesondere Videos, an den Patienten (Seite 5 Zeile 17 / 18 „to determine an educational need“; Seite 17 Zeile 31 „instructional programs“; Seite 22 Zeile 30 „educational video“, u. a.). Sie befasse sich nicht mit „Therapieprogrammen“ im Sinne des Streitpatents. Es sei kein Grund erkennbar, warum der Fachmann, der den Aufwand bei der Abänderung eines konfigurierbaren Therapieprogrammes verringern wollte, D6 überhaupt in Betracht ziehen sollte.
Dem ist entgegenzuhalten, dass der Begriff „Therapieprogramm“ bereits im Streitpatent sehr breit verstanden werden muss, vgl. z. B. Absatz [0002]: „neuropsychologische, neurologische oder orthopädische Trainingsprogramme, auch aus der inneren Medizin, oder … Programme zum Monitoring von Vitalparametern“. D6 beschreibt daraus Teilbereiche, siehe z. B. Zusammenfassung „remotely monitoring a patient“ in Verbindung mit Seite 5 Zeile 8 – 10 „measurement of a physical characteristic of the health condition such as blood glucose“, oder Zeile 12 – 14 „measurement of a psychological characteristic of the health condition such as the patient’s knowledge, comprehension”. Sie fällt damit unmittelbar in das technische Gebiet des Streitpatents.
Auch wenn D6 ein „educational video“ als Beispiel nennt, so ist die für den Fachmann erkennbare technische Lehre nicht darauf beschränkt. Auch hier ist der Begriff „educational program“ breiter zu verstehen als „educational video“; ferner sind dem Fachmann Therapiesysteme, welche verschiedenste Arten von konfigurierbaren Therapieprogrammen durchführen, vertraut (vgl. – rein beispielhaft – D1, D11 u. a.), und er wird die Lehre der D6 ganz zwangsläufig auch auf solche, andersartige Therapieprogramme einsetzende Therapiesysteme beziehen.
3.2 Mit dem einzigen aus D6 nicht bekannten Merkmal (g2) (dass nämlich in dem Konfigurationsdatenpaket Daten enthalten sind, die eine maximale Wiederholungszahl des jeweiligen Therapierprogramms repräsentieren) kann für die unabhängigen Patentansprüche 1 und 16 das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit nicht begründet werden.
3.2.1 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bei Erfindungen mit Bezug zu Geräten und Verfahren (Programmen) der elektronischen Datenverarbeitung zunächst zu klären, ob der Gegenstand der Erfindung zumindest mit einem Teilaspekt auf technischem Gebiet liegt (§ 1 Abs. 1 PatG). Danach ist zu prüfen, ob dieser Gegenstand lediglich ein Programm für Datenverarbeitungsanlagen als solches darstellt und deshalb vom Patentschutz ausgeschlossen ist. Der Ausschlusstatbestand greift nicht ein, wenn diese weitere Prüfung ergibt, dass die Lehre Anweisungen enthält, die der Lösung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln dienen (BGH GRUR 2011, 610 – Webseitenanzeige). Bei der Prüfung der Erfindung auf erfinderische Tätigkeit sind jedoch nur diejenigen Anweisungen zu berücksichtigen, die die Lösung des technischen Problems mit technischen Mitteln bestimmen oder zumindest beeinflussen (BGH GRUR 2011, 125 – Wiedergabe topografischer Informationen).
3.2.2 Der jeweilige Gegenstand der Patentansprüche 1 und 16 weist die erforderliche Technizität (§ 1 Abs. 1 PatG) hier schon deshalb auf, weil beide der Verarbeitung, Speicherung und Übermittlung von Daten mittels eines technischen Geräts dienen (vgl. BGH GRUR 2009, 479 – Steuerungseinrichtung für Untersuchungsmodalitäten).
3.2.3 Ob ein konkretes technisches Problem durch eine Erfindung mit technischen Mitteln gelöst wird, ist objektiv danach zu bestimmen, was die Erfindung tatsächlich leistet. Dies ist durch Auslegung des Patentanspruchs zu entwickeln. Die in der Patentschrift angegebene Aufgabe fungiert lediglich als Hilfsmittel bei der Ermittlung des objektiven technischen Problems (BGH, a. a. O. – Webseitenanzeige, Rn. 20, m. w. N.).
Die mit den Ansprüchen 1 und 16 unter Schutz gestellt Lehre bewirkt, dass ein Patient ein vom Arzt vorgegebenes Therapieprogramm für sich allein, ohne unmittelbare persönliche Betreuung, rechnerunterstützt und -überwacht abarbeiten kann („Teletherapie“). Durch die beanspruchte „Freigabe … eines … vorinstallierten Therapieprogramms“ kann die zwischenzeitlich zu übertragende Datenmenge reduziert werden.
Das „objektive technische Problem“, das dem Streitpatent zugrundeliegt, sieht der Senat deshalb zunächst allgemein in dem Bereitstellen eines DV-Systems, das die Überwachung und Abarbeitung eines Therapieprogramms ermöglicht, ohne dass der Patient persönlichen Kontakt zum Therapeuten aufnehmen oder überhaupt seine Wohnung verlassen muss. Die Lösung dieses Problems erfolgt i. w. durch ein Therapiesystem mit den Merkmalen (a) bis (d). Ob ferner ein technisches Teil-Problem in der Verringerung der zu übertragenden Datenmenge liegt – was durch Merkmal (f) gelöst werden könnte –, kann hier offenbleiben.
3.2.4 Dass in dem nach Merkmal (g1) zu übertragenden Konfigurationsdatenpaket auch Daten enthalten sind, denen die besondere Bedeutung zukommen soll, „eine maximale Wiederholungszahl des jeweiligen Therapieprogramms“ zu repräsentieren (Merkmal (g2)), liegt jedoch außerhalb des Bereichs der Technik.
Denn für die Festlegung, wie oft ein bestimmter Patient ein bestimmtes Therapieprogramm wiederholen soll oder darf, sind keine technischen Erkenntnisse erforderlich; die Festlegung erfolgt vielmehr durch den Therapeuten aufgrund seines therapeutischen Fachwissens über Patient und Therapie. Es liegt auch nicht im Aufgabenbereich des Informatikers oder Programmierers, sondern allein beim Therapeuten, zu erkennen, ob für einen bestimmten Patienten oder für ein bestimmtes Therapieprogramm eine maximale Wiederholungszahl vorgegeben werden muss. Ebensowenig erfordert es irgendwelche „auf technischen Überlegungen beruhenden Erkenntnisse“, solche Daten, welche die maximale Wiederholungszahl des jeweiligen Therapieprogramms repräsentieren, mit in das beanspruchte Konfigurationsdatenpaket zu packen, das vom Therapeutenrechner zum Patientenrechner übertragen werden soll.
3.2.5 Weil sonach nicht erkennbar ist, dass durch das Übertragen gerade dieser maximalen Wiederholungszahl (Merkmal (g2)) die Lösung eines konkreten technischen Problems bestimmt oder beeinflusst würde, ist das Merkmal bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit nicht zu berücksichtigen.
3.2.6 Der Patentinhaber hat demgegenüber die Auffassung vertreten, dass das Merkmal nicht unbeachtlich sei. Durch das Übertragen der Daten des Konfigurationsdatenpakets werde ein komplexes Therapieprogramm gesteuert. Die maximale Wiederholungszahl stelle eine Steuerinformation dar, die sich direkt an das Endgerät richte und dieses konfiguriere. Nach Ablauf der so vorgegebenen Anzahl von Wiederholungen schalte das Gerät automatisch ab. Daher komme dem Merkmal technischer Charakter zu.
Dieser Argumentation konnte der Senat nicht folgen. Dem Patentinhaber ist insoweit zuzustimmen, dass die Steuerung eines Endgeräts i.d.R. einen technischen Vorgang darstellt, welcher einem Patentschutz grundsätzlich zugänglich ist. Eine solche Steuerung ist aber aus D6 vorbekannt, beispielsweise wenn ein Pointer übertragen wird, der ein vorinstalliertes Programm auf den Patientenrechner aufruft. Der einzige Unterschied, also die Bedeutung der übertragenen Daten – dass es sich um eine maximale Wiederholungszahl handelt – ist nicht durch technische Überlegungen begründet, wie dargelegt. Daher entspricht es der geltenden Rechtsprechung (s. o. 3.2.1), dieses Merkmal unberücksichtigt zu lassen.
3.2.7 Der Patentinhaber hat ferner geltend gemacht, es sei keine höchstrichterliche Rechtsprechung bekannt, in der einzelne Merkmale eines Vorrichtungsanspruchs isoliert analysiert und auf Technizität qualifiziert worden wären. Die zitierte Rechtsprechung sei auf den erteilten Vorrichtungsanspruchs 1 des Streitpatents nicht anwendbar.
Dem ist entgegenzuhalten, dass es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf die sprachliche Einkleidung einer Lehre nicht ankommt. Ein Verfahrensschritt („dass … Daten übertragen werden“) wird nicht dadurch technischer Natur, dass er als funktionelle Eigenschaft einer Vorrichtung („Kommunikationsmodul … derart ausgebildet …“) beansprucht wird. „… Auch bei der vorrichtungsmäßigen Einkleidung einer Lehre, die sich der elektronischen Datenverarbeitung bedient, [ist] deren Patentfähigkeit nur dann zu bejahen …, sofern hierbei die Lösung eines konkreten technischen Problems … gelehrt wird“ (BGH GRUR 2005, 143 – Rentabilitätsermittlung, III. 4 a).
3.3 Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents, und in analoger Betrachtung der Gegenstand des Verfahrensanspruchs 16, beruhen daher gegenüber dem aus D6 Bekannten zumindest nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
4. Das Streitpatent kann auch nicht in der Fassung nach einem der Hilfsanträge (beschränkt) aufrechterhalten werden.
4.1 Hilfsantrag 0 lässt sich nicht anders als der Hauptantrag beurteilen.
Der Patentanspruch 1 ist gemäß Hilfsantrag 0 am Ende um das Merkmal ergänzt
(h0) und dass das Konfigurationsdatenpaket (85) eine verglichen mit einem neuen Therapieprogramm geringere Datenmenge hat.
Dieses Merkmal findet sich wörtlich im Streitpatent, Absatz [0012] Satz 2. Es schränkt den Patentanspruch 1 jedoch nicht ein, sondern hat allenfalls klarstellenden Charakter: es bringt zum Ausdruck, dass das unter Schutz gestellte Therapiesystem die Menge der zu übertragenden Daten verringert, weil nicht ein komplettes neues Therapieprogramm zum Patientenrechner übertragen werden muss, sondern lediglich ein vorinstalliertes Therapieprogramm freigegeben und konfiguriert wird, wofür ein kleines Konfigurationsdatenpaket ausreicht. Daher geht Merkmal (h0) nicht über die Lehre von Merkmal (f) hinaus, d. h. der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 0 ist nicht anders als der erteilte Patentanspruch 1 zu bewerten. Auch im Ausführungsbeispiel der D6 (Seite 25 Zeile 21 – 23) wird zum Aufruf eines vorinstallierten Programms lediglich ein Pointer übertragen, der eine verglichen mit einem neuen Therapieprogramm geringere Datenmenge hat.
Der Patentinhaber hat ausgeführt, gemäß D6 werde eine E-Mail mit einem Link auf ein externes Programm übertragen; der Start eines externen Programms belaste den Datenverkehr jedoch erheblich. Diese Argumentation hat keinen Erfolg. Zum einen ist D6 Seite 25 Zeile 21 – 23 gerade das Gegenteil zu entnehmen („ … an embedded pointer to a selected program installed on patient computing device“); zum anderen ist der Start eines Therapieprogramms nicht Gegenstand des Patentanspruchs 1, wohingegen die tatsächlich beanspruchte Maßnahme (Merkmal (h0)) in Form des gemäß D6 übertragenen Pointers vorbekannt ist.
Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 0 ist somit nicht gewährbar, da sein Gegenstand zumindest nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Mit dem Patentanspruch 1 fällt der gesamte Hilfsantrag (vgl. BGH BlPMZ GRUR 2007, 862 - Informationsübermittlungsverfahren II).
4.2 Für den Hilfsantrag 1 gilt nichts anderes.
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheidet sich vom erteilten Patentanspruch 1 durch die zusätzlichen Merkmale
(h0) dass das Konfigurationsdatenpaket (85) eine verglichen mit einem neuen Therapieprogramm geringere Datenmenge hat,
(h1) und dass das Konfigurationsdatenpaket (85) alle für eine Abänderung der Therapie erforderlichen Informationen enthält.
Beide Merkmale finden sich wörtlich im Streitpatent, Absatz [0012] Satz 2.
Zum Merkmal (h0) wird auf den vorhergehenden Abschnitt 4.1 verwiesen.
Mit dem zusätzlichem Merkmal (h1) soll zum Ausdruck gebracht werden, dass mittels des Konfigurationsdatenpakets eine Änderung der Therapie möglich ist (vgl. Streitpatent Absatz [0089]). Diese Maßnahme fügt dem erteilten Patentanspruch 1 insoweit etwas hinzu, als dieser sich bis dahin nicht mit Therapieänderungen befasst.
Jedoch beschreibt auch D6 bereits Änderungen der Therapiemedikation (siehe D6 Seite 17 Zeile 28 – 34). Der Fachmann findet in D6 ein technisches System vor, das die Übertragung von Nachrichten, Informationen und Parametern vom Therapeuten über ein Datennetz zu einem räumlich entfernten Patientenrechner leistet. Auch wenn die konkret beschriebene Änderung der Medikation möglicherweise nur in Form einer Nachricht erfolgt – was der Patentinhaber entgegenhält –, ist es für den Fachmann naheliegend, statt der Nachricht direkt einen Parameter an das Therapieprogramm zu übergeben (vgl. D6 Seite 25 Zeile 25 – 28 „The pointer may … include specific data and instructions to be executed by the selected program“). Das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit kann damit nicht begründet werden.
Dass merkmalsgemäß „alle“ für die Therapieänderung erforderlichen Informationen in einem Konfigurationsdatenpaket enthalten sein sollen, stellt lediglich eine übliche Maßnahme der Datenverarbeitung dar, mit der sich eine erfinderische Tätigkeit ebenfalls nicht begründen lässt.
Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 ist somit nicht gewährbar, da sein Gegenstand nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Mit dem Patentanspruch 1 fällt der gesamte Hilfsantrag.
4.3 Auch Hilfsantrag 1a ist nicht patentfähig.
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1a unterscheidet sich vom erteilten Patentanspruch 1 durch die zusätzlichen Merkmale (h0) und (h1) – in gegenüber Hilfsantrag 1 geänderter Reihenfolge, was aber für die Beurteilung keine Bedeutung hat – und durch die nach Merkmal (f) und „dadurch gekennzeichnet“ eingefügten Merkmale
(j1) dass das Kommunikationsmodul (64, 71) derart ausgebildet ist, dass am Ende eines Therapieabschnitts vom Patientenrechner (45 bis 47, 59 bis 63) zum Therapeutenrechner (42 bis 44) ein Ergebnisdatenpaket übertragen wird,
(j2) dass das Konfigurationsdatenpaket (85) in Abhängigkeit des Ergebnisdatenpakets derart angepasst wird, dass eine Abänderung des vorinstallierten Therapieprogramms möglich ist.
Dabei entspricht Merkmal (j1) dem erteilten Unteranspruch 9 des Streitpatents, und Merkmal (j2) geht zurück auf Absatz [0089].
Es kann dahingestellt bleiben, ob durch diese zusätzlichen Maßnahmen überhaupt ein konkretes technisches Problem gelöst wird; denn die Maßnahmen werden in D6 bereits beschrieben. Die Übertragung von Ergebnisdaten im Sinne von Merkmal (j1) findet sich beispielsweise auf Seite 6 Zeile 6 – 9 oder Seite 15 Zeile 8 - 24; siehe ferner D6 Anspruch 9. Auch hier kann der Therapeut in Reaktion auf die vom Patienten übermittelten Daten neue Konfigurationsdaten zum Patientenrechner senden (vgl. Seite 27 Zeile 10 ff. – Merkmal (j2)). Dies wird in D6 Seite 6 Zeile 9 – 12, Seite 28 Zeile 32 – 37 ausdrücklich als „feedback loop“ bezeichnet und entspricht somit vollständig der Intention der Merkmale (j1) und (j2).
Die Merkmale (h0) und (h1) betreffen andere Aspekte und liefern keinen kombinatorischen Effekt.
Der Patentinhaber wendet hier ein, die in D6 beschriebene Rückkoppelung beziehe sich lediglich auf Lehrprogramme, die der Therapeut für den Patient auswähle, nicht aber auf Therapieprogramme. Dies führt nicht weiter, denn in technischer Hinsicht weist das beanspruchte System keinen Unterschied zum System der D6 auf.
Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1a ist somit nicht gewährbar, da sein Gegenstand nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Mit dem Patentanspruch 1 fällt der gesamte Hilfsantrag.
4.4 Hilfsantrag 2 ist nicht anders zu beurteilen.
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 unterscheidet sich vom erteilten Patentanspruch 1 durch die zusätzlichen Merkmale (h0) und (h1) sowie das Merkmal
(h2) dass das Kommunikationsmodul (64, 71) mit einem Datenverschlüsselungs- und –decodiermodul (66, 73) zusammenarbeitet.
Dieses Merkmal entspricht dem erteilten Unteranspruch 13 des Streitpatents.
Auch hier stellt sich die Frage, ob das Merkmal der Lösung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln dient – insbesondere wenn lediglich beansprucht ist, dass zwei Programm-Module „zusammenarbeiten“.
Unabhängig davon liegt eine Verschlüsselung von Patientendaten in jedem Fall für den Fachmann nahe. Auch schon vor dem Prioritätstag des Streitpatents gab es gesetzliche Vorgaben, die eine Verschlüsselung solch sensibler Daten verlangten. In D6 findet sich bereits der Hinweis, dass der Therapeut sich vor einem Zugriff auf die Patientendaten autorisieren muss (siehe Seite 16 Zeile 18 – 22); eine zusätzliche Verschlüsselung der Patientendaten stellt dann für den Fachmann den nächsten logischen Schritt dar. Sie ist auch beispielsweise in D2 (US 2001 / 31 998 A1) insbesondere Absatz [0041] konkret beschrieben.
Merkmal (h2) stellt sonach eine für den Fachmann naheliegende Maßnahme dar. Die Merkmale (h0) und (h1) betreffen andere Aspekte und können auch in Verbindung mit Merkmal (h2) das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit nicht begründen.
Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 ist somit nicht gewährbar, da sein Gegenstand nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Mit dem Patentanspruch 1 fällt der gesamte Hilfsantrag.
4.5 Den Hilfsanträgen 3 und 4 kann ebenfalls nicht gefolgt werden.
Gemäß Hilfsantrag 3 wird der Patentanspruch 1 zusätzlich zu den Merkmalen (h0), (h1) und (h2) weiter eingeschränkt durch das Merkmal
(h3) dass der Therapeutenrechner (42 bis 44) ein Verwaltungsmodul (70) zur Verwaltung von Benutzerdaten des Therapeutenrechners (42 bis 44) und / oder von Patientendaten aufweist.
Im Hilfsantrag 4 kommt im Patentanspruch 1 darüber hinaus noch das Merkmal hinzu:
(h4) wobei das Verwaltungsmodul (70) eine Anmelde-Benutzeroberfläche (1), eine Therapeutenmenü-Benutzeroberfläche (8), eine Therapeutenmodul-Benutzeroberfläche (9) und eine Nachrichten-Benutzeroberfläche (21) zum Verschicken von Nachrichten aufweist.
Dass die Therapeuten- und Patientendaten verwaltet werden müssen, liegt auf der Hand (vgl. etwa D6 Seite 16 Mitte; Figur 3, siehe Master Patient Database 180). Die Zusammenfassung von Programmteilen in „Modulen“ gehört zum typischen Handwerkszeug eines Programmierers und löst jedenfalls kein technisches Problem.
Die mit Merkmal (h4) zusätzlich beanspruchten vier verschiedenen „Benutzeroberflächen“ liefern gleichfalls keine technischen Problemlösungen. Allenfalls beachtenswert könnte sein, dass das beanspruchte Therapiesystem die Möglichkeit umfasst, Nachrichten zwischen Therapeut und Patient zu verschicken. Derartige Nachrichten sind aber bereits in D6 vorbeschrieben, vgl. dort Figur 12 – 14 und Seite 25 Abs. 3.
Daher lässt sich weder mit dem Merkmal (h3) allein, noch mit (h3) in Verbindung mit dem Merkmal (h4), das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit begründen. Auch in Verbindung mit den damit nicht unmittelbar zusammenhängenden Merkmalen (h0), (h1) und (h2) ergibt sich keine andere Beurteilung.
Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 3 wie auch nach Hilfsantrag 4 ist somit nicht gewährbar, da sein jeweiliger Gegenstand nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Mit dem Patentanspruch 1 fällt der gesamte Hilfsantrag.
4.6 Auch der Hilfsantrag 5 muss abgelehnt werden.
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 5 unterscheidet sich vom erteilten Patentanspruch 1 allein durch die zusätzlichen Merkmale (k1), (k2) und (k3)
(k1) wobei ferner ein orthopädisches Trainingsgerät vorgesehen ist,
(k2) wobei der Therapiesensor an dem orthopädischen Trainingsgerät extern des Patientenrechners angebracht und mit diesem über eine Datenleitung verbunden ist und
(k3) wobei das Trainingsgerät ein Ergometer ist, welches mit Hilfe von Daten, die dieses vom Patientenrechner empfängt, gesteuert und konfiguriert wird.
4.6.1 Es ist fraglich, ob ein Therapiesystem mit diesen zusätzlichen Merkmalen in seiner Gesamtheit unter die ursprüngliche Offenbarung fällt. Die Frage kann indes offen bleiben.
Zur ursprünglichen Offenbarung der zusätzlichen Merkmale verweist der Patentinhaber auf Absatz [0080] der Streitpatentschrift. Die Einsprechende wendet ein, zwar sei dort ein orthopädisches Trainingsgerät (k1) mit den Merkmalen (k2) und (k3) offenbart, jedoch völlig losgelöst vom erteilten Patentanspruch 1 mit dessen Besonderheit (Merkmale (g1), (g2)). Der Fachmann habe daher den Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 5 in seiner Gesamtheit nicht als „unmittelbar und eindeutig“ offenbart erkennen können.
Dies braucht hier jedoch nicht entschieden zu werden, da der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 5 bereits aus anderen Gründen nicht patentfähig ist (s. u.).
4.6.2 Ein Therapiesystem mit allen Merkmalen des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 5 ergab sich in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.
Zunächst ist festzustellen, dass in der Fassung des Hilfsantrags 5 tatsächlich zwischen dem orthopädischen Trainingsgerät nach den Merkmalen (k1), (k2) und (k3) und dem System aus Therapeutenrechner und Patientenrechner nach dem erteilten Patentanspruch 1 kein besonderer Zusammenhang besteht. Letztlich wird durch die zusätzlichen Merkmale nur zum Ausdruck gebracht, dass der Therapiesensor des Merkmals (c) an einem bestimmten Trainingsgerät, nämlich dem Ergometer der Merkmale (k1), (k2) und (k3), angebracht ist. Zwar werden Konfigurationsdaten für ein Therapieprogramm vom Therapeutenrechner auf den Patientenrechner übertragen; dass diese aber zur Einstellung gerade des orthopädischen Trainingsgeräts nach Merkmal (k1) / (k3) vorgesehen sein sollten, ist nicht beansprucht – die neuen Merkmale beinhalten nur, dass das orthopädischen Trainingsgerät vom Patientenrechner aus „mit Hilfe von Daten“ – irgendwie – gesteuert und konfiguriert wird.
Der Senat sieht hierin lediglich eine Aggregation von Merkmalen: auf der einen Seite ein Teletherapiesystem nach dem erteilten Patentanspruch 1, auf der anderen Seite ein Ergometer mit einem Therapiesensor, das vom Patientenrechner aus gesteuert und konfiguriert wird.
Das Teletherapiesystem im Umfang des erteilten Patentanspruchs 1 beruht jedoch, wie bereits dargelegt, gegenüber der Druckschrift D6 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Ein orthopädisches Trainingsgerät nach den Merkmalen (k1), (k2) und (k3) war beispielsweise aus der Druckschrift D11 (EP 1 068 882 A2) vorbekannt. D11 beschreibt ein computerisiertes Steuersystem für Trainingsgeräte, wie sie zum Beispiel in Fitness-Centern, Reha-Zentren, Kliniken eingesetzt werden (Absatz [0001]). Die einzelnen Übungsgeräte 2, 3, 4, 5 besitzen voneinander unabhängige elektronische Steuerungen 2a, 3a, 4a, 5a, welche zur Einstellung des jeweiligen Gerätes und zur Erfassung von Übungsdaten des Trainierenden eingerichtet sind (Absatz [0018], [0026]). Die Steuerungen sind über ein Datennetz 7 mit einem entfernt aufgestellten Zentralrechner 6 verbunden, welcher individuelle Trainingsprogramme für die Benutzer erstellt (Absatz [0019]) und die einzelnen Trainingsgeräte entsprechend einstellt (Absatz [0026]). Damit findet der Fachmann hier ein orthopädisches Trainingsgerät in Form eines Ergometers nach den Merkmalen (k1), (k2) und (k3).
Weil sonach die beiden im Patentanspruch 1 zusammentreffenden Gegenstände, für sich allein betrachtet, jeweils aus dem Stand der Technik vorbekannt oder zumindest nahegelegt sind, und die Merkmale der Gegenstände keinen kombinatorischen technischen Effekt aufweisen, ist erfinderische Tätigkeit mehr erforderlich um zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 zu gelangen.
Die Frage des Patentinhabers, welche Veranlassung der Fachmann haben könnte, die Druckschriften D6 und D11 miteinander zu verknüpfen, ist dabei ohne Bedeutung, weil auch der Patentanspruch 1 seine beiden Teilgegenstände nicht miteinander verknüpft.
Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 5 ist sonach nicht gewährbar, da sein Gegenstand zumindest nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Mit dem Patentanspruch 1 fällt der gesamte Hilfsantrag.
5. Nachdem somit keiner der Anträge des Patentinhabers Erfolg hatte, war das Patent zu widerrufen.