Entscheidungsdatum: 18.07.2013
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 10 2007 014 821.8-53
…
hat der 17. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 18. Juli 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Phys. Dr. Morawek, der Richterin Eder, der Richterin Dipl.-Phys. Dr. Thum-Rung und des Richters Dipl.-Ing. Hoffmann
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Die vorliegende Patentanmeldung wurde am 28. März 2007 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht. Sie trägt die Bezeichnung:
„System zur Durchführung einer sequenziellen aufsteigenden Anbieterauktion“.
Die Anmeldung wurde durch Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 Q des Deutschen Patent- und Markenamts vom 14. Januar 2009 zurückgewiesen. Die Prüfungsstelle begründete die Zurückweisung damit, dass die beanspruchte Lehre im Hinblick auf das Patentierungsverbot von Verfahren für geschäftliche Tätigkeiten sowie von Programmen für Datenverarbeitungsanlagen (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 und Abs. 4 PatG) vom Patentschutz ausgeschlossen sei.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Beschwerde des Anmelders.
Der Anmelder stellte den Antrag,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:
Patentansprüche 1 – 15 vom 27. Februar 2008, eingegangen am 29. Februar 2008,
Beschreibung Seiten 1 – 5 vom Anmeldetag.
Im Prüfungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt sind folgende Druckschriften genannt worden:
D1: WO 2001 / 45002 A1
D2: WO 2001 / 59658 A1
Zu den Einzelheiten wird auf die Akte verwiesen.
II.
Die Beschwerde wurde frist- und formgerecht eingelegt und ist auch sonst zulässig. Sie hat jedoch keinen Erfolg, da das System des Patentanspruchs 1 nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht (§ 1 Abs. 1 i. V. m. § 4 Satz 1 PatG).
1. Die vorliegende Patentanmeldung betrifft ein Auktionssystem, das sowohl simultan als auch sequentiell durchgeführt werden kann.
In einem Auktionssystem wird eine zu versteigernde Ware von einem Servercomputer im Internet vorgestellt. Der Servercomputer übernimmt darüber hinaus die Durchführung der Auktion nach vorher festgelegten Regeln. Ein Bieter, der sich für die Ware interessiert, kann von seinem Computer aus die Ware begutachten und an der Auktion durch Abgabe von Geboten teilnehmen. Aufgrund festgelegter Regeln wird der zeitliche Ablauf einer Auktion gesteuert. Dabei wird geprüft, ob in einem festgelegten Zeitraum vor Ende der Auktion noch ein Gebot eingeht und wenn dies der Fall ist, wird das Ende der Auktion um einen ebenso vorher festgelegten Zeitraum verlängert. Am Ende der Auktion wird anhand der vorgegebenen Bedingungen ermittelt, ob der letzte Bieter den Zuschlag erhält oder ob unter allen Bietern, die ein gültiges Gebot abgegeben haben, der Zuschlag verlost wird.
Der Anmeldung soll die Aufgabe zugrunde liegen, eine besondere Art der amerikanischen Auktion zur Verfügung zu stellen, welche auch über große Entfernungen zwischen den Bietern und ohne Anwesenheit eines Auktionators durchgeführt werden kann (siehe Beschreibung Seite 2, Z. 1-4).
Diese Aufgabe soll durch das in Patentanspruch 1 angegebene System gelöst werden. Der geltende Patentanspruch 1, hier mit einer möglichen Gliederung versehen, lautet:
1. System zur Durchführung einer sequenziellen aufsteigenden Anbieterauktion,
dadurch gekennzeichnet, dass
a. von einem Servercomputer über ein Computernetzwerk wenigstens Informationen über das zu versteigernde Gut und die Startzeit der Auktion veröffentlicht werden,
b. die Gebote der Teilnehmer über das Computernetzwerk angenommen werden,
c. die Auktion jeweils um den Zeitraum t2 verlängert wird, wenn innerhalb des Zeitraums t1 ein weiteres gültiges Angebot eingeht und die Auktion auf den maximalen Zeitraum t3 begrenzt wird,
d. die Auktion über den Zeitraum t3 – t1, wenn t1 > t2, über den Zeitraum t3 – t2, wenn t2 > t1 oder über den Zeitraum t3 – t1 (oder t2), wenn t1 = t2 auf einem Servercomputer frei geschaltet ist,
e. für ein gültiges Gebot ein vorher festgelegter Geldbetrag G unabhängig vom Erfolg am Servercomputer eingehen muss und,
f. das Ende der Auktion bei Ablauf des Zeitraums t3 – t2 oder t3 – t1 erreicht ist und über das Computernetzwerk veröffentlicht wird, wobei das zu versteigernde Gut unter den Teilnehmern der Auktion verlost wird und jedes einzelne akzeptierte Gebot gewinnberechtigt ist oder
g. das Ende der Auktion bei Ausbleiben des Eingangs eines weiteren gültigen Gebots innerhalb eines Zeitraums t1 erreicht ist und auf dem Servercomputer über das Computernetzwerk veröffentlicht wird, wobei der zuletzt akzeptierte Bieter der Gewinner ist.
Zu den nebengeordneten Ansprüchen 7, 14 und 15, sowie zu den Unteransprüchen 2 bis 6 und 8 bis 13 wird auf die Akte verwiesen.
Mit dem Patentanspruch 1 soll ein System zur Durchführung einer sequentiellen aufsteigenden Anbieterauktion unter Schutz gestellt werden (Merkmal (1)).
In dem System gemäß Patentanspruch 1 werden von einem Servercomputer Informationen an ein Computernetzwerk übertragen und somit veröffentlicht. Diese Informationen geben Auskunft über das zu versteigernde Gut bzw. die zu versteigernde Ware und über die Startzeit der Auktion. Von den Computern der Auktionsteilnehmer (Bieter) können diese Informationen eingesehen werden (Merkmal (a)).
Der Servercomputer nimmt die Gebote der Teilnehmer, welche über das Computernetzwerk übertragen werden, an (Merkmal (b)).
Die Auktion wird um die Zeit t2 verlängert, falls innerhalb eines Zeitraums t1 ein weiteres Gebot eingeht. Dabei ist die Gesamtzeit der Auktion auf den maximalen Zeitraum t3 begrenzt (Merkmal (c)).
Weiterhin ist vorgegeben, dass die Auktion
- im ersten Fall (t1 > t2) für den Zeitraum t3 – t1,
- im zweiten Fall (t2 > t1) für den Zeitraum t3 – t2, und
- im dritten Fall (t1 = t2) für den Zeitraum t3 – t1 (oder t2)
auf dem Servercomputer freigeschaltet ist (Merkmal (d)).
Ein gültiges Gebot liegt vor, wenn ein vorher festgelegter Geldbetrag G unabhängig vom Erfolg am Servercomputer eingeht (Merkmal (e)).
Die Auktion wird beendet und über das Computernetzwerk veröffentlicht, wenn
- der Zeitraum t3 – t2 oder t3 – t1 erreicht ist, wobei das zu versteigernde Gut dann unter den Teilnehmern der Auktion verlost wird und jedes einzelne akzeptierte Gebot gewinnberechtigt ist (Merkmal (f)) oder
- kein weiteres gültiges Gebot innerhalb eines Zeitraums t1 mehr eingeht, wobei in diesem Fall der zuletzt akzeptierte Bieter der Gewinner ist (Merkmal (g)).
Als Fachmann, der mit der Aufgabe betraut wird, eine Auktion auf einem Computersystem zu implementieren, sieht der Senat einen Informatiker oder Programmierer mit Berufserfahrung auf dem Gebiet der Programmierung von geschäftlichen Transaktionen an.
2. Das System nach Anspruch 1 beruht nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
2a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bei Erfindungen mit Bezug zu Geräten und Verfahren der elektronischen Datenverarbeitung zunächst zu klären, ob der Gegenstand der Erfindung zumindest mit einem Teilaspekt auf technischem Gebiet liegt (§ 1 Abs. 1 PatG). Da das Gesetz Programme für Datenverarbeitungsanlagen (ebenso wie Pläne, Regeln und Verfahren für Spiele und für geschäftliche Tätigkeiten) als solche durch § 1 Abs. 3 Nr. 3 i. V. m. Abs. 4 PatG vom Patentschutz ausschließt, sind bei der anschließenden Prüfung der Erfindung auf erfinderische Tätigkeit nur diejenigen Anweisungen zu berücksichtigen, die die Lösung eines technischen Problems mit technischen Mitteln bestimmen oder zumindest beeinflussen (BGH GRUR 2011, 125 – Wiedergabe topografischer Informationen; BGH X ZR 27/12 – Fahrzeugnavigationssystem).
2b) Die grundsätzliche Technizität (§ 1 Abs. 1 PatG) eines Systems zur Durchführung einer Auktion, welches über einen Servercomputer und ein Computernetzwerk verfügt, steht hier außer Frage.
2c) Jedoch sind zumindest die Merkmale, die eine Verlängerung der Auktion (Merkmal (c)) und die Dauer der Freischaltung (Merkmal (d)) definieren, bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit nicht zu berücksichtigen. Gleiches gilt für die Vorgabe eines festgelegten Geldbetrags für ein gültiges Gebot, für die Festlegung des Endes der Auktion und der Vorgabe, wer die versteigerte Ware letztendlich erhält (Merkmale (e), (f) und (g)).
Denn diesen Merkmalen liegt kein technisches Problem zugrunde. Sie definieren Regeln (im Sinne von Spielregeln), mit denen Anweisungen für die Durchführung der Auktion vorgegeben werden. Diese Regeln und Anweisungen beruhen lediglich auf geschäftlichen Überlegungen; sie dienen zur Erhöhung des geschäftlichen Erfolgs einer Auktion, welche durch die Art der Regeln für die Mitspieler möglichst interessant gestaltet werden soll. Die Implementierung auf dem Computernetzwerk mit Servercomputern erfolgt durch ein Computerprogramm, wozu es lediglich des Handwerkszeugs eines Programmierers bedurfte. Technische Überlegungen waren hierfür nicht erforderlich. Auch ist eine besondere technische Ausgestaltung, etwa im Sinne einer speziell angepassten Hardware, nicht ersichtlich.
2d) Die für die Prüfung der erfinderischen Tätigkeit danach allenfalls in Betracht kommenden Merkmale (1), (a) und (b) sind aus dem Stand der Technik zu entnehmen.
D1 zeigt (insbes. Abstract, S. 6 Z. 17 – S. 7 Z. 14, S. 8 Z. 17-24 und Fig. 1) ein System zur Durchführung einer Anbieterauktion mit einem Servercomputer und einem Computernetzwerk, bei dem die Ware und auch der Start der Auktion auf einem Bietercomputer angezeigt werden (Merkmale (1) und (a)). Eine Übertragung der Gebote des Bieters über das Computernetzwerk (Merkmal (b)) ist ebenso in D1 (bspw. S. 8 Z. 25-29) beschrieben.
Der Anspruch 1 ist demnach nicht gewährbar.
3. Mit dem Patentanspruch 1 fallen auch die nebengeordneten Ansprüche 7, 14 und 15 sowie die Unteransprüche 2 bis 6 und 8 bis 13, da über einen Antrag nur einheitlich entschieden werden kann (BGH GRUR 1997, 120 – Elektrisches Speicherheizgerät).