Entscheidungsdatum: 14.04.2010
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 102 36 574.1-53
…
hat der 17. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 14. April 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Phys. Dr. Fritsch, des Richters Dipl.-Ing. Prasch sowie der Richterinnen Eder und Dipl.-Phys. Dr. Thum-Rung
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Die vorliegende Patentanmeldung ist am 8. August 2002 beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Bezeichnung
"Verfahren zur technisch unterstützten Eingabe von Textnachrichten
auf elektronischen Geräten"
angemeldet worden.
Sie wurde von der Prüfungsstelle für Klasse G06F des Deutschen Patent- und Markenamts mit Beschluss vom 22. November 2004 unter der Begründung zurückgewiesen, dass das Verfahren nach Anspruch 1 in der Fassung nach dem damaligen Hauptantrag und Hilfsantrag nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe und daher nicht patenfähig sei.
Dagegen hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt. Sie beantragt,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und ein Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:
gemäß Hauptantrag mit
Patentansprüchen 1 - 9 vom 28. September 2004, eingegangen am 30. September 2004 (dort als Hilfsantrag bezeichnet) und Beschreibung S. 1 bis 3 vom 25. Juni 2003 sowie Beschreibung S. 4 bis 7 vom Anmeldetag,
gemäß Hilfsantrag 1
mit Patentansprüchen 1 - 9, überreicht in der Anhörung vom 22. November 2004,
Beschreibung wie Hauptantrag,
gemäß Hilfsantrag 2
mit Patentansprüchen 1 - 9 vom 16. März 2005, eingegangen am 17. März 2005,
Beschreibung wie Hauptantrag,
weiter hilfsweise beantragt sie die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung.
Der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag lautet:
"Verfahren zur technisch unterstütz t en Eingabe von Textnachrichten auf elektronischen Geräten, mit den Schritten:
a) Fortlaufendes Registrieren der von einem Benutzer jeweils am häufigsten eingegebenen Begriffe, wobei zusätzlich Begriffe registriert und verwendet werden, die Teil von beim Gerät über externe Schnittstellen eingehenden Informationen oder Nachrichten sind,
b) Automatisches Zuordnen der registrierten Begriffe zu den vom Benutzer verwendeten Eingaben und/oder Eingabesequenzen,
c) Speichern der Begriffe zusammen mit den zugeordneten Eingaben und/oder Eingabesequenzen in einer Auswahlliste,
c1) wobei mehrere Auswahllisten vorgehalten werden, die vom Benutzer je nach der Art oder Sprache der zu erstellenden Textnachricht auswählbar sind, und
d) Abrufen eines Begriffs anhand einer Verwendung von mindestens einer zuvor gespeicherten und dem Begriff zugeordneten Eingabe und/ oder Eingabesequenz."
(Gliederung wie von der Anmelderin ergänzt)
Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 lautet:
"Verfahren zur technisch unterstützten Eingabe von Textnachrichten auf elektronischen Mobilfunkgeräten, mit einem mehrfach belegten Tastenfeld mit den Schritten:
a) Fortlaufendes Registrieren der von einem Benutzer jeweils am häufigsten eingegebenen Begriffe, wobei zusätzlich Begriffe registriert und verwendet werden, die Teil von beim Gerät über externe drahtlose Schnittstellen eingehenden Informationen oder Nachrichten sind,
b) Automatisches Zuordnen der registrierten Begriffe zu den vom Benutzer verwendeten Eingaben und/oder Eingabesequenzen,
c) Speichern der Begriffe zusammen mit den zugeordneten Eingaben und/oder Eingabesequenzen in einer Auswahlliste,
c1) wobei mehrere Auswahllisten vorgehalten werden, die vom Benutzer je nach der Art oder Sprache der zu erstellenden Textnachricht auswählbar sind, und
d) Abrufen eines Begriffs anhand einer Verwendung von mindestens einer zuvor gespeicherten und dem Begriff zugeordneten Eingabe und/ oder Eingabesequenz."
(Gliederung wie von der Anmelderin ergänzt, Änderungen gegenüber Hauptantrag unterstrichen)
Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 lautet:
"Verfahren zur technisch unterstützten Eingabe von Textnachrichten auf elektronischen Mobilfunkgeräten, mit einem mehrfach belegten Tastenfeld mit den Schritten:
a) Fortlaufendes Registrieren der von einem Benutzer jeweils am häufigsten eingegebenen Begriffe, wobei zusätzlich Begriffe registriert und verwendet werden, die Teil von beim Gerät über externe drahtlose Schnittstellen eingehenden Informationen oder Nachrichten sind,
a1) wobei die Registrierung der Begriffe durch Auswertung von eingehenden und ausgehenden Kurznachrichten, SMS, erfolgt,
b) Automatisches Zuordnen der registrierten Begriffe zu den vom Benutzer verwendeten Eingaben und/oder Eingabesequenzen,
c) Speichern der Begriffe zusammen mit den zugeordneten Eingaben und/oder Eingabesequenzen in einer Auswahlliste,
c1) wobei mehrere Auswahllisten vorgehalten werden, die vom Benutzer je nach der Art oder Sprache der zu erstellenden Textnachricht auswählbar sind, und
d) Abrufen eines Begriffs anhand einer Verwendung von mindestens einer zuvor gespeicherten und dem Begriff zugeordneten Eingabe und/ oder Eingabesequenz."
(Gliederung wie von der Anmelderin ergänzt, Änderungen gegenüber Hilfsantrag 1 unterstrichen)
Zur Begründung ihrer Beschwerde führt die Anmelderin aus, dass die geltenden Ansprüche nach Hauptantrag und dem (damaligen) Hilfsantrag gegenüber dem entgegengehaltenen Stand der Technik neu und erfinderisch seien.
Mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde der Anmelderin mitgeteilt, dass zu erörtern sein werde, in wie weit das beanspruchte Verfahren so deutlich und vollständig offenbart ist, dass ein Fachmann es ausführen kann, ob das Verfahren auf technischem Gebiet liegt und welche konkrete technische Aufgabenstellung ihm zugrunde liegt.
Die Anmelderin hat auf die mündliche Verhandlung verzichtet und Entscheidung nach Aktenlage beantragt.
II.
Die in rechter Frist und Form erhobene Beschwerde ist zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet, da der Gegenstand des nachgesuchten Patents als Programm für eine Datenverarbeitungsanlage als solches nach § 1 Abs. 3 und 4 PatG nicht als Erfindung im Sinne des § 1 Abs. 1 PatG anzusehen ist.
1. In der Beschreibung der Anmeldung wird einleitend ausgeführt, dass im Bereich der Mobiltelefonie die Erstellung von SMS-Nachrichten sehr beliebt sei. Das Verfassen dieser Textnachrichten könne durch eine spezielle Eingabesoftware unterstützt werden. Dabei handele es sich um die sogenannte T9-Software, die im Allgemeinen in der Betriebsanleitung der die T9-Software unterstützenden Mobiltelefone beschrieben sei. Bei der Eingabe mit dieser Software halte das Endgerät eine gespeicherte Auswahlliste von Begriffen vor, die auf dem Display als Vorschlag angezeigt werde, wenn die bisher durchgeführten manuellen Tastenbetätigungen mit einem bereits hinterlegten Begriffsmuster übereinstimmten.
Vor diesem Hintergrund wird als der Anmeldung zugrunde liegende Aufgabe genannt, ein Verfahren zur technisch unterstützten Eingabe von Textnachrichten auf elektronischen Geräten vorzuschlagen, "das neben einer einfachen und komfortablen Erstellung von Textnachrichten erweiterte Möglichkeiten zur Registrierung von Begriffen ermöglicht" (vgl. S. 1 Abs. 3 - S. 2 Abs. 3 der geltenden Beschreibung).
2. Der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag geht entsprechend davon aus, dass die von dem Benutzer des Geräts am häufigsten eingegebenen Begriffe fortlaufend registriert, d. h. in einer Auswahlliste abgespeichert werden. Den Begriffen werden die zugehörigen Eingaben und/oder Eingabesequenzen (automatisch) zugeordnet und gemeinsam mit den Begriffen gespeichert (vgl. Merkmale a), b) und c)). Im unterstützten Eingabemodus wird bei der Eingabe eines Begriffes durch den Benutzer die Eingabe und/oder Eingabesequenz (Begriffsmuster) unter Zuhilfenahme der Auswahlliste ausgewertet und der zugehörige Begriff abgerufen (und auf dem Display angezeigt, vgl. S. 2, Abs. 2 der Beschreibung).
Zur Erweiterung der Möglichkeiten zur Registrierung von Begriffen wird mit Merkmal c1) vorgeschlagen, nicht lediglich eine, sondern mehrere Auswahllisten vorzuhalten, die vom Benutzer je nach Sprache oder Art der zu erstellenden Textnachricht auswählbar sind. Wie auf S. 3, Abs. 4 erläutert, ist die Wortwahl bei der Erstellung von Nachrichten individuell geprägt. Beispielsweise kann sich ein privater Informationsaustausch von einem geschäftlichen Informationsaustausch hinsichtlich der Verwendung von Begriffen deutlich unterscheiden. Auch die in der Textnachricht verwendete (Fremd-)Sprache spiele eine Rolle. Aus diesem Grund erscheint es nachvollziehbar, dass sich durch das Vorsehen mehrerer Auswahllisten, die nach Art oder Sprache ausgewählt werden, eine höhere Trefferquote und damit eine verbesserte Unterstützung bei der Eingabe von Textnachrichten ergibt.
Dem Anspruch 1 lässt sich jedoch nicht entnehmen, wie eine solche Verbesserung in Bezug auf Begriffe erzielt werden kann, die über externe Schnittstellen eingehen (vgl. Merkmal a)). Denn i. d. R. wird zu extern eingehenden Nachrichten weder die Eingabesequenz noch die Art oder Sprache der Nachricht übermittelt, so dass nicht nachvollziehbar ist, in welche der Auswahllisten eine extern eingehende Textnachricht einzutragen ist.
3. Das Verfahren nach Anspruch 1 gemäß Hauptantrag kann nicht als Erfindung auf technischem Gebiet i. S. d. § 1 PatG anerkannt werden.
In Hinsicht auf computerimplementierte Erfindungen führt der Bundesgerichtshof in der Entscheidung "Suche fehlerhafter Zeichenketten" (vgl. BGH in GRUR 2002, 143) aus, aufgrund der gesetzlichen Regelung in § 1 PatG, dass Programme für Datenverarbeitungsanlagen "als solche" nicht als Erfindungen anzusehen sind, könne eine beanspruchte Lehre nicht schon deshalb als patentierbar angesehen werden, weil sie bestimmungsgemäß den Einsatz eines Computers erfordert. Die Abgrenzung der für Datenverarbeitungsanlagen bestimmten Programme, für die als solche Schutz begehrt wird, von computerbezogenen Gegenständen, die § 1 Abs. 2 Nr. 3 PatG (nunmehr § 1 Abs. 3 Nr. 3 PatG) nicht unterfallen, führt dazu, dass Ansprüche, die zur Lösung eines Problems, das auf den herkömmlichen Gebieten der Technik besteht, die Abarbeitung bestimmter Verfahrensschritte durch einen Computer vorschlagen, grundsätzlich patentierbar sind. "Danach kann ein Programm patentiert werden, wenn es in technische Abläufe eingebunden ist, etwa dergestalt, dass es Messergebnisse aufarbeitet, den Ablauf technischer Einrichtungen überwacht oder sonst steuernd bzw. regelnd nach außen wirkt".
Eine derartige Außenwirkung entfaltet das vorliegende Verfahren bzw. Programm nicht; es ist nicht in technische Abläufe eingebunden, sondern befasst sich mit der Unterstützung der Eingabe von Textnachrichten auf elektronischen Geräten durch Auswertung der Häufigkeit der bisher eingegebenen Begriffe abhängig von Art und Sprache.
Einen Ansatzpunkt dafür, dass das beanspruchte Verfahren als auf technischem Gebiet liegend anerkannt werden könnte, bietet auch die weitere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht. Wie in den jüngsten Entscheidungen ausgeführt, kann eine beanspruchte Lehre erst dann als auf technischem Gebiet liegend anerkannt werden, wenn sie Anweisungen enthält, die der Lösung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln dienen (vgl. "Suche fehlerhafter Zeichenketten" a. a. O., ebenso "Anbieten interaktiver Hilfe" in GRUR 2005, 141 und "Steuerungseinrichtung für Untersuchungsmodalitäten" in GRUR 2009, 479, 480).
Solche Anweisungen finden sich im Anspruch 1 gemäß Hauptantrag nicht.
Die fortlaufende Speicherung der von einem Benutzer eingegebenen Begriffe in Abhängigkeit von Häufigkeit und Art und Sprache, der Vergleich von (teilweise) eingegebenen Begriffen mit den in Auswahllisten gespeicherten Begriffen bzw. Eingaben und das Abrufen des entsprechenden Begriffes verlangen vom Datenverarbeitungsfachmann nicht die Lösung einer konkreten technischen Problemstellung, also eine Auseinandersetzung mit den zur Ausführung des Verfahrens verwendeten technischen Mitteln (elektronisches Gerät), sondern beruhen letztlich auf der (nichttechnischen) Erkenntnis, dass Begriffe abhängig von der Art des Textes und der verwendeten Sprache verschieden häufig auftreten und folglich in einer der Art oder Sprache des Textes entsprechenden Auswahlliste - entsprechend einem Wörterbuch für Fremdsprache oder Geschäftssprache - treffgenauer zugeordnet und aufgefunden bzw. abgerufen werden können. Allein in der Sammlung, Speicherung, Auswertung und Verwendung von Daten (hier sprachlichen Begriffen) können nur außertechnische Vorgänge erkannt werden (vgl. BGH "Steuerungseinrichtung für Untersuchungsmodalitäten" a. a. O., 480, re. Sp.).
Der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag betrifft daher ein Programm für eine Datenverarbeitungsanlage als solches, das nach § 1 Abs. 3 PatG nicht als Erfindung anzusehen ist. Dem Hauptantrag der Anmelderin war daher nicht zu folgen.
4. Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheidet sich vom Hauptantrag durch die Einschränkung, dass die Unterstützung der Eingabe von Textnachrichten bei Mobilfunkgeräten mit einem mehrfach belegten Tastenfeld und nicht bei beliebigen elektronischen Geräten erfolgen soll. Entsprechend wird davon ausgegangen, dass die Begriffe, die von externen Quellen eingehen, über eine drahtlose Schnittstelle eingehen.
Wie zum Hauptantrag ausgeführt, kann das beanspruchte Verfahren zur Eingabe von Textnachrichten bei beliebigen elektronischen Geräten unter Berücksichtigung der geltenden Rechtsprechung nicht als auf technischem Gebiet liegende Erfindung anerkannt werden. Auch in dem Umstand, dass das beanspruchte Verfahren in einem Mobilfunkgerät (programmgesteuert) ausgeführt wird und externe Nachrichten entsprechend drahtlos eingehen, kann keine Anweisung erkannt werden, die den technischen Charakter des beanspruchten Verfahrens zur Eingabe von Textnachrichten begründen könnten. Eine besondere Ausprägung des erläuterten Verfahrens zur Texteingabe zur Verwendung bei Mobilfunkgeräten ist weder aus dem Anspruch erkennbar, noch ist sie anderweitig veranlasst.
Im Übrigen ist auch dieser Fassung des Anspruchs 1 nicht entnehmbar, wie die mit der Anmeldung angestrebte Verbesserung in Bezug auf Begriffe erzielt werden kann, die über externe Schnittstellen eingehen (vgl. Merkmal a)).
Hinsichtlich der Patentfähigkeit des Verfahrens gemäß Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 ist daher entsprechend auf die Ausführungen zum Hauptantrag zu verweisen.
5. Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 unterscheidet sich von der Fassung nach Hilfsantrag 1 lediglich dahingehend, dass es sich bei den extern eingehenden Informationen und Nachrichten um Kurznachrichten, sog. SMS handeln soll. In Hinsicht auf den sachlichen Gehalt des Verfahrens zur unterstützten Eingabe von Textnachrichten ändert dieser Umstand nichts. Es ergibt sich daraus insbesondere auch nicht, wie eine Zuordnung von extern eingehenden Text- bzw. Kurznachrichten zu einer der Auswahllisten erfolgen kann. Denn auch mit Kurznachrichten wird gewöhnlich nicht übermittelt, von welcher Art die jeweilige Nachricht ist oder in welcher Sprache sie abgefasst ist.
Das Verfahren zur unterstützten Eingabe von Textnachrichten kann daher auch in der Fassung von Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2 nicht als Erfindung auf technischem Gebiet anerkannt werden.
6. Bei dieser Sachlage konnte weder dem Hauptantrag noch einem der Hilfsanträge gefolgt werden. Die Beschwerde der Anmelderin gegen den Zurückweisungsbeschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patent- und Markenamts war folglich zurückzuweisen.