Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 17.03.2015


BPatG 17.03.2015 - 17 W (pat) 24/11

Patentbeschwerdeverfahren – „Dateimanagement-Verfahren“ – zur Patentfähigkeit – zur Nichtberücksichtigung von Merkmalen, die nicht zu einer technischen Problemlösung beitragen


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
17. Senat
Entscheidungsdatum:
17.03.2015
Aktenzeichen:
17 W (pat) 24/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 11 2005 003 557.3

hat der 17. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 17. März 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Phys. Dr. Morawek, der Richterin Eder, der Richterin Dipl.-Phys. Dr. Thum-Rung sowie des Richters Dipl.-Phys. Dr. Forkel

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die vorliegende Patentanmeldung ist eine PCT-Anmeldung in nationaler Phase, die als WO 2006/114891 A1 in japanischer Sprache veröffentlicht wurde. Ihr Anmeldetag ist der 25. April 2005. Eine deutsche Übersetzung wurde als DE 11 2005 003 557 T5 publiziert. Die Anmeldung trägt in der deutschen Übersetzung die Bezeichnung

2

„Dateimanagement-Verfahren“.

3

Die Anmeldung wurde von der Prüfungsstelle für Klasse G06F des Deutschen Patent- und Markenamts mit Beschluss vom 25. Februar 2011 mit der Begründung zurückgewiesen, dass die jeweiligen Gegenstände des damals geltenden Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag sowie erstem und zweitem Hilfsantrag nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhten.

4

Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde der Anmelderin gerichtet.

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Die Anmelderin stellte den Antrag,

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den angegriffenen Beschluss aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

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gemäß Hauptantrag mit

8

Patentansprüchen 1-12, überreicht in der mündlichen Verhandlung,

9

Beschreibung Seiten 2, 3, 3a vom 31. Oktober 2011,

10

Beschreibung Seiten 1, 4-15 und

11

8 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1-8, jeweils vom 24. Oktober 2007;

12

gemäß erstem Hilfsantrag mit

13

Patentansprüchen 1-12, überreicht in der mündlichen Verhandlung,

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im Übrigen wie Hauptantrag.

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Sie regte die Zulassung der Rechtsbeschwerde an.

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Im Prüfungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt sind die Druckschriften

17

D1: JP 10293833 AA,

18

D2: DE 102 54 614 A1

19

und

20

D3: BECKER, Roland: Fingerabdruckerkennung per Streifensensor, In: elektronik industrie 09-2002, S. 34-35,

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22

genannt worden. Vom Senat wurden zusätzlich die Druckschriften

23

D4: EP 1 179 801 A2

24

und

25

D5: DE 100 01 672 A1

26

eingeführt.

27

Zu den Einzelheiten wird auf die Akte verwiesen.

28

Der geltende Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag, hier mit einer möglichen Gliederung versehen, lautet (mit redaktioneller Änderung):

29

(a) Dateimanagement-Vorrichtung, umfassend:

30

(b) eine Leseeinrichtung (16), welche ausgelegt ist, eine biometrische Information eines bewegten Körpers zu lesen;

31

(c) eine Bestimmungseinrichtung, welche ausgelegt ist, eine Bewegungsrichtung des bewegten Körpers auf Grundlage der durch die Leseeinrichtung (16) gelesenen biometrischen Information zu bestimmen;

32

(d) eine Beurteilungsvorrichtung, welche ausgelegt ist, zu beurteilen, ob die durch die Leseeinrichtung (16) gelesene biometrische Information mit biometrischer Information übereinstimmt, welche in einer Speichervorrichtung (13) abgespeichert ist;

33

(e) eine Sucheinrichtung, welche ausgelegt ist, wenn die Bewegungsrichtung mit einer ersten Richtung übereinstimmt und die gelesene biometrische Information mit der abgespeicherten biometrischen Information übereinstimmt, eine erste Datei zu suchen, zu der eine der biometrischen Information eines Körpers eines ersten Benutzers zugeordnete erste Attributinformation hinzugefügt wurde, und,

34

(f) wenn die Bewegungsrichtung mit einer zweiten, von der ersten Richtung verschiedene n Richtung übereinstimmt und die gelesene biometrische Information mit der abgespeicherten biometrischen Information übereinstimmt, eine zweite Datei zu suchen, zu der eine der biometrischen Information eines Körpers eines zweiten Benutzers zugeordnete zweite Attributinformation hinzugefügt wurde,

35

(g) wobei der zweite Benutzer ein anderer als der erste Benutzer ist, und wobei die erste Datei eine Datei ist, die durch eine Bedienung des ersten Benutzers aufgezeichnet wurde und die zweite Datei eine Datei ist, die durch eine Bedienung des zweiten Benutzers aufgezeichnet wurde.

36

In Hinblick auf die Patentansprüche 2 bis 12 wird auf die Akte verwiesen.

37

Der Patentanspruch 1 gemäß erstem Hilfsantrag (im Folgenden einfach als Hilfsantrag bezeichnet) enthält anstelle der Merkmale (e), (f) und (g) die Merkmale (e´), (f´) und (g´) (mit redaktioneller Änderung):

38

(e´) eine Sucheinrichtung, welche ausgelegt ist, wenn die Bewegungsrichtung mit einer ersten Richtung übereinstimmt und die gelesene biometrische Information mit der abgespeicherten biometrischen Information übereinstimmt, eine erste Datei zu suchen, zu der eine der biometrischen Information zugeordnete erste Attributinformation hinzugefügt wurde, und,

39

(f´) wenn die Bewegungsrichtung mit einer zweiten, von der ersten Richtung verschiedene n Richtung übereinstimmt und die gelesene biometrische Information mit der abgespeicherten biometrischen Information übereinstimmt, eine zweite Datei zu suchen, zu der eine einer abweichenden biometrischen Information zugeordnete, andere, zweite Attributinformation hinzugefügt wurde,

40

(g´) wobei die erste Datei eine Datei ist, die durch eine Bedienung eines ersten Benutzers aufgezeichnet wurde, und die zweite Datei eine Datei ist, die durch eine Bedienung eines anderen, zweiten Benutzers aufgezeichnet wurde.

41

In Hinblick auf die Patentansprüche 2 bis 12 wird wieder auf die Akte verwiesen.

42

Die Anmelderin trägt vor, dass der Gegenstand der Anmeldung den Bedienkomfort bei der Dateiauswahl an einem Computersystem erhöhe. In einem einzigen Bedienvorgang könnten mehrere Informationen eingegeben werden, um damit eine Suchanfrage gleich mehrfach zu bestimmen. Insgesamt ergebe sich daraus ein verbessertes Dateimanagement, das die Informationseingabe wesentlich effizienter gestalte.

43

Der Gegenstand nach Patentanspruch 1 sei nicht nur dem Patentschutz grundsätzlich zugänglich, er sei darüber hinaus neu und beruhe auch auf erfinderischer Tätigkeit.

II.

44

Die Beschwerde wurde rechtzeitig eingelegt und ist auch sonst zulässig. Sie hat jedoch keinen Erfolg, da die jeweiligen Gegenstände des Patentanspruchs 1 gemäß Haupt- und Hilfsantrag zumindest nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhen, wobei diejenigen Merkmale, die zu einer technischen Problemlösung nichts beitragen, nicht zu berücksichtigen sind, gemäß BGH GRUR 2011, 125 – Wiedergabe topografischer Informationen, Leitsatz b) (§ 1 Abs. 1 in Verbindung mit § 4 Satz 1 PatG).

45

1. Die vorliegende Patentanmeldung betrifft ein Dateimanagement-Verfahren bzw. eine Dateimanagement-Vorrichtung, welche auf der Verwendung biometrischer Information beruhen. Das Verfahren bzw. die Vorrichtung finden in einem herkömmlichen Computer mit angeschlossenem TV-Empfänger Verwendung (Beschreibung, [0001], [0018], [0019], Fig. 1).

46

Wie in der Anmeldung ausgeführt, setzen sowohl das Speichern als auch das Suchen einer Datei innerhalb eines von einer Vielzahl von Benutzern gemeinsam benutzten Speicherbereichs das Einrichten eines „assoziativen Zusammenhangs“ zwischen den jeweiligen Benutzern und der Datei voraus, also eine Zuweisung von Zugriffsrechten bzw. eine Benutzerautorisierung (Beschreibung, [0002]). Üblicherweise sei ein solcher „assoziativer Zusammenhang“ zwischen Benutzer und Datei verknüpft mit der Eingabe und Registrierung einer Identifikationsinformation, z. B. eines Benutzernamens und eines Passwortes, um den Benutzer für jede Zieldatei zu spezifizieren (Beschreibung, [0004]). Mit der zunehmenden Verbreitung von Personal-Computern mit angeschlossenen Multimedia-Systemkomponenten wie Digitalkameras, Audiokomponenten oder Fernsehempfängern und der damit verbundenen wachsenden Anzahl von zu verarbeitenden Dateien werde aber auch die Dateiverwaltung insgesamt immer aufwändiger. Dies treffe insbesondere sowohl auf das Auswählen gewünschter Dateien aus einer immer größer werdenden Datenmenge als auch auf die Vergabe und Registrierung der jeweiligen Identifikationsinformationen für die einzelnen Dateien zu (Beschreibung, [0004]).

47

Die der Anmeldung zugrundeliegende objektive Aufgabe sieht der Senat darin, die Dateiauswahl in einem Datenverarbeitungssystem, z. B. in einem Computersystem mit angeschlossenem TV-Empfänger zu vereinfachen und damit den Bedienkomfort zu erhöhen.

48

Als Fachmann, der mit der Aufgabe betraut wird, eine Dateiverwaltung innerhalb eines Datenverarbeitungssystems mit angeschlossenen Multimedia-Systemkomponenten zu verbessern, ist ein Systemprogrammierer mit mehrjähriger Berufserfahrung in der Entwicklung von Informationssystemen anzusehen, der insbesondere über fundierte Kenntnisse auf dem Gebiet biometrischer Erkennungsverfahren bei Multimediaanwendungen verfügt.

49

2. Zum Hauptantrag

50

Der Hauptantrag ist nicht gewährbar, weil der Gegenstand seines Patentanspruchs 1 bei Berücksichtigung nur derjenigen Merkmale, die die Lösung eines technischen Problems mit technischen Mitteln bestimmen oder beeinflussen, zumindest nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (§ 4 Satz 1 PatG).

51

2.1 Der Patentanspruch 1 bedarf der Auslegung.

52

Zur Lösung der genannten Aufgabe schlägt der Patentanspruch 1 eine Vorrichtung mit den Merkmalen (a) bis (g) vor.

53

Bei der Vorrichtung handelt es sich um eine Dateimanagement-Vorrichtung (Merkmal (a)), welche eine biometrische Information eines bewegten Körpers, d. h. eine Information, welche z. B. einen Fingerabdruck beschreibt, verwendet, um nach einer Datei zu suchen. Bei der Datei kann es sich z. B. um ein in eine MPEG-Datei codiertes, aufgezeichnetes TV-Programm handeln (Beschreibung, [0023]).

54

Der Gegenstand nach Patentanspruch 1 sieht die Merkmale einer „Leseeinrichtung“, einer „Beurteilungsvorrichtung“ sowie einer „Sucheinrichtung“ vor. Während durch die Leseeinrichtung die biometrische Information erfasst werden soll, soll mit der „Beurteilungsvorrichtung“ ermittelt werden, ob die gelesene biometrische Information mit einer in einer Speichervorrichtung bereits hinterlegten biometrischen Information übereinstimmt (Merkmale (b) und (d)).

55

Zusätzlich ist noch eine „Bestimmungseinrichtung“ vorgesehen, die die Bewegungsrichtung des bewegten Körpers, also des Fingers, relativ zur Leseeinrichtung bestimmt (Merkmal (c)). Mit Hilfe der „Bestimmungseinrichtung“ kann die Dateimanagement-Vorrichtung feststellen, ob ein Finger von oben nach unten oder von unten nach oben über die Leseeinrichtung bewegt worden ist. Die Information über die Bewegungsrichtung wird dann zusätzlich zur biometrischen Information von der „Sucheinrichtung“ herangezogen, um die Auswahl der zu suchenden Datei weiter einzuschränken. Die Lehre ermöglicht auf diese Weise, in einem einzigen Schritt gleich mehrere Informationen (biometrische Information, Bewegungsrichtung) einzugeben und damit eine Suchanfrage abzusetzen.

56

Falls die Bewegungsrichtung mit einer ersten (vorgegebenen) Richtung übereinstimmt (z. B. über die Leseeinrichtung abwärts) und die gelesene biometrische Information mit einer abgespeicherten Information übereinstimmt, wird nach einer Datei gesucht, der eine Attributinformation zugeordnet ist, die der erfassten biometrischen Information des Benutzers entspricht (Merkmal (e)). Mit der Attributinformation ist laut Beschreibung eine sogenannte „Management-Zahl“ gemeint, die die gewünschte, vom Benutzer zuvor selbst am TV-Empfänger aufgezeichnete Datei etwa durch Angabe eines Pfadnamens referenziert (Beschreibung, [0028]).

57

Wenn zwar die erfasste biometrische Information mit einer vorab gespeicherten Information übereinstimmt, die Bewegungsrichtung jedoch mit einer von der ersten Richtung verschiedenen Richtung übereinstimmt (z. B. über die Leseeinrichtung aufwärts), soll gemäß Merkmal (f) nach einer anderen Datei gesucht werden, der eine zweite Attributinformation zugeteilt wurde, die der biometrischen Information eines anderen Benutzers entsprechen soll. Mit anderen Worten: bei der Attributinformation soll es sich jetzt um die „Management-Zahl“ eines anderen Benutzers handeln und dementsprechend bei der zu suchenden Datei um eine Datei, die von einem anderen Benutzer aufgezeichnet und registriert worden ist.

58

Merkmal (g) konkretisiert, dass die beiden Dateien am TV-Empfänger von jeweils unterschiedlichen Benutzern aufgezeichnet worden und damit auch verschiedenen Benutzern zugewiesen sein sollen.

59

2.2 Zur Beurteilung der beanspruchten Lehre ist die Druckschrift D4 von besonderer Bedeutung. Sie beschreibt insbesondere eine Vorrichtung nach den Merkmalen (a) bis (d) des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag.

60

Die Druckschrift D4 befasst sich mit einem System bzw. Verfahren zur Erfassung von Fingerabdruckbildern. Das System der Druckschrift D4 umfasst eine integrierte Sensorschaltung, die mit einem Personalcomputer verbunden ist. Der Sensorchip verfügt über eine integrierte Navigationsmaschine, mit der eine Positionsänderung eines Fingers bestimmt werden kann (z. B. eine Änderung in x-und y-Richtung). Er beinhaltet weiterhin ein Bildsensorarray (ISA) zum Abbilden eines Abschnitts des Fingerabdrucks sowie ein Navigationssensorarray (NSA, navigation sensor array) zum Aufnehmen eines Navigationsbilds des Fingerabdrucks als Antwort auf ein festgestelltes Navigationssensorarray-Abtastsignal. Navigationsarray und –maschine werden verwendet, um eine Bewegungsinformation des Fingers zu erhalten, der sich relativ zur Bilderfassungsvorrichtung bewegt ([0032]-[0034]). Mit Hilfe der aufgenommenen Fingerabdruckbilder wird u. a. der Zugriff auf Ressourcen eines Computersystems, z. B. auf Dateien benutzerindividuell gesteuert ([0045]).

61

Alles in allem offenbart die Druckschrift D4 damit eine Vorrichtung zur Verwaltung von Dateien. Die auf dem dort beschriebenen Host Computer ablaufenden Anwendungen ermöglichen nicht bloß die Erfassung von Fingerabdruckinformation und deren geordnete Speicherung, sondern ebenso die hierauf basierende Verwaltung von Zugriffsrechten für bestimmte Ressourcen, wie z. B. Dateien (Spalte 7, [0045]). Eine solche Rechte-Verwaltung ist immer unverzichtbarer Bestandteil eines Ressourcen- bzw. Dateimanagements (Merkmal (a)).

62

Die in der Druckschrift D4 beschriebene Vorrichtung umfasst eine Leseeirichtung, mit der die biometrische Information eines bewegten Körpers eingelesen werden kann. In der Druckschrift handelt es sich bei der Leseeinrichtung um einen Sensorchip mit einem Bildsensorarray (ISA) zur streifenweisen Aufnahme eines Fingerabdrucks sowie einem Navigationsarray zur Aufnahme eines Navigationsbilds des Fingerabdrucks (Spalte 5, [0034] – Merkmal (b)).

63

Die bekannte Vorrichtung verfügt weiterhin über eine Navigationsmaschine („navigation engine“), mit der die Bewegungsrichtung des Fingers relativ zum Sensorarray anhand der vom Navigationsarray aufgenommenen Fingerabdruckbilder bestimmt werden kann (Spalte 5, [0033]). Damit geht auch die Bestimmungseinrichtung zur Ermittlung einer Bewegungsrichtung eines bewegten Körpers auf Grundlage der gelesenen biometrischen Information i. S. d. Merkmals (c) aus der Druckschrift hervor.

64

Die Vorrichtung der Druckschrift D4 kann zur Authentifizierung von Benutzern Verwendung finden (Spalte 7, [0045]). In Absatz [0045] wird beschrieben, dass eine Anwendung zur Authentifizierung aus dem jeweils durch das Sensorarray aufgenommenen Bild Merkmale eines Fingerabdrucks, also biometrische Information extrahiert, um diese dann mit vorab gespeicherten Fingerabdruckmerkmalen zu vergleichen („authentication application 470 that extracts minutia information from the fingerprint …“). Die Anwendung beurteilt, ob die erfassten mit den gespeicherten Fingerabdruckmerkmalen übereinstimmen. Im Falle einer Übereinstimmung wird für den Benutzer eine Datei freigegeben. Damit ist auch Merkmal (d) verwirklicht.

65

2.3 Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist durch die Druckschrift D4 zumindest nahegelegt, da die Unterschiedsmerkmale (e), (f) und (g) zu einer technischen Problemlösung nicht beitragen und daher bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht zu berücksichtigen sind (BGH a. a. O. – Wiedergabe topografischer Informationen; BGH GRUR 2013, 275 - Routenplanung).

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Die Anmeldung geht davon aus, dass sich die bekannten Lösungen für eine Dateiverwaltung in Computersystemen mit einem von mehreren Benutzern gemeinsam genutzten Speicherbereich sowohl in Hinblick auf die Zuweisung von Zugriffsrechten als auch die Dateiauswahl mitunter als aufwändig und wenig benutzerfreundlich erweisen. Um in einem Computersystem den Zugriff auf eine Datei zu erleichtern, sieht bereits die Druckschrift D4 die Zuordnung einer biometrischen Information, nämlich einer Fingerabdruckinformation, zu der Datei vor, anhand der eine Zugriffsberechtigung für einen Benutzer im Rahmen einer Authentifizierung überprüft und ein Dateizugriff gegebenenfalls gewährt werden können (Seite 5, [0045]; Seite 6, [0054]). Die Anmeldung macht zusätzlich den Vorschlag einer Sucheinrichtung, die es erlaubt, eine Dateiauswahl dadurch vorzunehmen, dass sowohl die biometrische Information des Benutzers als auch die Bewegungsrichtung des über die Leseeinrichtung bewegten Körpers bzw. Fingers als Suchmerkmal herangezogen wird, welches dann darüber entscheidet, ob nach einer vom Benutzer selbst aufgezeichneten Datei oder aber nach einer von einem anderen Benutzer am selben Computersystem aufgezeichneten Datei gesucht wird (Merkmale (e), (f), (g)). Die Unterschiedsmerkmale zeigen, dass sich die beanspruchte Lehre von dem aus der Druckschrift D4 bekannten Stand der Technik lediglich in Merkmalen einer Datenauswahl unterscheidet, bei der es sich um einen gedanklichen Prozess handelt, der zwar in Abhängigkeit von biometrischer Information und Bewegungsrichtung automatisch erfolgen kann, bei der sich der technische Aspekt aber darauf beschränkt, dass die Auswahl mit Hilfe der elektronischen Datenverarbeitung erfolgt. Die Merkmale (e), (f) und (g) sind auf die Zuordnung von biometrischer und Bewegungsrichtungsinformation zu den „Management-Zahlen“ bzw. deren Referenz auf Dateien zurückzuführen, also auf Maßnahmen der Datenorganisation. Das darauf basierende Suchen und Auffinden von Dateien, was durch einen logischen Vergleich von einzelnen Dateimerkmalen bewerkstelligt wird, ist dem Gebiet der mathematischen Logik und nicht etwa einem Gebiet der Technik zuzurechnen. Eine technische Leistung, wie sie möglicherweise für die Umsetzung der beanspruchten Dateiauswahl bei Gebrauch von technischen Mitteln zu erbringen war, ist ersichtlich nicht Gegenstand des Patentanspruchs 1. Die Unterschiedsmerkmale beruhen allenfalls auf Überlegungen aus der Datenorganisation und setzen damit keine auf technischen Überlegungen beruhenden Erkenntnisse voraus. Sie sind daher bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit nicht zu berücksichtigen (Merkmale (e), (f), (g)).

67

Nach Überzeugung des Senats kann auch die Tatsache, dass es sich bei der Bewegungsrichtung des bewegten Körpers um technische Information und bei den zugehörigen Daten damit um technische Daten handeln soll, allein keine Grundlage dafür liefern, den Unterschiedsmerkmalen einen Teilaspekt zuzubilligen, der ein technisches Problem bewältigt (vgl. BGH GRUR 2005, 143 – Rentabilitätsermittlung, III. 4c letzter Absatz).

68

2.4 Die Anmelderin argumentiert, die Bedienung eines Computersystems in Hinblick auf eine Dateiauswahl zu vereinfachen, stelle grundsätzlich ein technisches Problem dar. Dementsprechend seien auch alle Merkmale der Lehre nach Patentanspruch 1 bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit zu berücksichtigen.

69

Dem Einwand konnte nicht gefolgt werden. Die beanspruchte Lehre setzt sich aus zwei Grundbestandteilen zusammen, von denen der erste Bestandteil die Erfassung einer biometrischen Information, die Bestimmung einer Bewegungsrichtung eines bewegten Körpers und den Vergleich der gelesenen biometrischen Information mit vorab gespeicherter Information betrifft (Merkmale (a)-(d)). Der zweite Bestandteil betrifft die bloße Dateiauswahl (Merkmale (e)-(g)), die aber nach Überzeugung des Senats keinen Teilaspekt beinhaltet, der ein technisches Problem bewältigt; denn eine über die allgemeine Zielsetzung, die Dateiauswahl mit Hilfe der elektronischen Datenverarbeitung automatisiert ablaufen zu lassen, hinausgehende, auf technischen Überlegungen beruhende Erkenntnis ist den Merkmalen (e) bis (g) nicht zu entnehmen. Insbesondere resultiert der von der Anmelderin geltend gemachte Vorteil, in der Dateiauswahl die Anzahl erforderlicher Bedienschritte reduzieren zu können, zum einen aus der gleichzeitigen Erfassung der biometrischen Information und der Bewegungsrichtung des über die Leseeinrichtung bewegten Körpers. Das zugrundeliegende, technische (Teil-)Problem wird aber bereits in der Druckschrift D4 gelöst. Zum anderen beruht der angeführte Vorteil auf einer geeigneten Formulierung von Suchanfragen, die unter Zugrundelegung passender Datenstrukturen automatisch abgearbeitet werden. Dazu bedurfte es, abgesehen von entsprechenden Rechenkapazitäten, nur des Handwerkszeugs eines Programmierers; eine auf technischen Überlegungen beruhende Erkenntnis war hierzu nicht erforderlich.

70

2.5 Da über einen Antrag nur einheitlich entschieden werden kann, sind auch die nebengeordneten Patentansprüche 5 und 9 sowie die abhängigen Patentansprüche 2 bis 4, 6 bis 8 sowie 10 bis 12 nicht gewährbar (BGH GRUR 1997, 120 – Elektrisches Speicherheizgerät).

71

3. Zum Hilfsantrag

72

Der Hilfsantrag kann nicht günstiger beurteilt werden, da die jeweiligen Merkmale (e´), (f´) und (g´) nicht zu berücksichtigen sind.

73

3.1 Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag unterscheidet sich vom Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag durch die Merkmale (e´), (f´) und (g´) (mit unterstrichener redaktioneller Änderung):

74

(e´) eine Sucheinrichtung, welche ausgelegt ist, wenn die Bewegungsrichtung mit einer ersten Richtung übereinstimmt und die gelesene biometrische Information mit der abgespeicherten biometrischen Information übereinstimmt, eine erste Datei zu suchen, zu der eine der biometrischen Information zugeordnete erste Attributinformation hinzugefügt wurde, und,

75

(f´) wenn die Bewegungsrichtung mit einer zweiten, von der ersten Richtung verschiedene n Richtung übereinstimmt und die gelesene biometrische Information mit der abgespeicherten biometrischen Information übereinstimmt, eine zweite Datei zu suchen, zu der eine einer abweichenden biometrischen Information zugeordnete, andere, zweite Attributinformation hinzugefügt wurde,

76

(g´) wobei die erste Datei eine Datei ist, die durch eine Bedienung eines ersten Benutzers aufgezeichnet wurde, und die zweite Datei eine Datei ist, die durch eine Bedienung eines anderen, zweiten Benutzers aufgezeichnet wurde.

77

Die Merkmalsgruppe (e´), (f´) und (g´) unterscheidet sich von der Merkmalsgruppe (e), (f) und (g) im Wesentlichen dadurch, dass bei der Dateisuche anstelle einer der biometrischen Information eines Körpers eines ersten Benutzers zugeordneten ersten Attributinformation (vgl. Merkmal (e)) bzw. einer der biometrischen Information eines Körpers eines zweiten Benutzers zugeordneten zweiten Attributinformation (vgl. Merkmal (f)) ganz allgemein auf eine der biometrischen Information zugeordnete erste Attributinformation (vgl. Merkmal (e´)) bzw. eine einer abweichenden biometrischen Information zugeordnete andere zweite Attributinformation (vgl. Merkmal (f´)) als Suchkriterium abgestellt werden soll. Die neuen Merkmale beinhalten somit nichts anderes, als dass bei erfolgreicher Authentifizierung eines Benutzers über dessen zugeordneter biometrischer Information je nach Bewegungsrichtung des bewegten Körpers über der Leseeinrichtung entweder die „Management-Zahl“ des Benutzers bzw. dessen eigene, aufgezeichnete Datei oder aber die Datei eines anderen registrierten Benutzers angezeigt werden soll. Insoweit geht die Lehre nach Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag inhaltlich nicht über die Lehre nach Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag hinaus.

78

Daher ist für den Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag eine andere Beurteilung als für den Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag nicht gerechtfertigt.

79

3.2 Mit dem Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag sind auch sind auch die nebengeordneten Patentansprüche 5 und 9 sowie die abhängigen Patentansprüche 2 bis 4, 6 bis 8 sowie 10 bis 12 nicht gewährbar.

III.

80

Nachdem keiner der gestellten Anträge Erfolg hatte, war die Beschwerde der Anmelderin gegen den Zurückweisungsbeschluss der Prüfungsstelle für Klasse G06F des Deutschen Patent- und Markenamts zurückzuweisen.

IV.

81

Die Anregung der Anmelderin auf Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 100 Abs. 2 PatG war nicht aufzugreifen.

82

Danach ist die Rechtsbeschwerde dann zuzulassen, wenn eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden ist oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert.

83

Durch die vorliegende Anmeldung wird jedoch keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen, zu der eine höchstrichterliche Rechtsprechung nicht vorläge.

84

In den angeführten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH, a. a. O. – Wiedergabe topografischer Informationen; BGH a. a. O. – Routenplanung; BGH a. a. O. – Rentabilitätsermittlung) sind diejenigen Erfordernisse wiedergegeben, nach denen einem Verfahren bzw. einer Vorrichtung der Datenverarbeitung die Zugänglichkeit zum Patentschutz zuerkannt werden kann und deren Erfüllung auch beim Gegenstand der Anmeldung zu überprüfen war. Der Senat sieht sich in Übereinstimmung mit dieser Rechtsprechung. Eine vom vorliegenden Beschluss abweichende Rechtsprechung eines anderen Senats des Bundespatentgerichts ist nicht erkennbar.