Entscheidungsdatum: 13.09.2016
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 11 2009 004 371.2
…
hat der 17. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 13. September 2016 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Phys. Dr. Morawek, der Richterin Eder, der Richterin Dipl.-Phys. Dr. Thum-Rung und des Richters Dipl.-Phys. Dr. Forkel
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Die vorliegende Patentanmeldung geht hervor aus der internationalen Anmeldung PCT/JP2009/065860, die am 10. September 2009 eingereicht wurde und die Priorität einer japanischen Patentanmeldung vom 15. Januar 2009 beansprucht. Sie trägt in der deutschen Übersetzung die Bezeichnung
„Kollisionsbestimmungsvorrichtung und Kollisionsbestimmungsprogramm“.
Die Prüfungsstelle hat die Patentanmeldung mit dem in der Anhörung am 26. Februar 2014 verkündeten Beschluss zurückgewiesen. Zur Begründung führt sie aus, dass der Gegenstand des jeweiligen Patentanspruchs 8 des damals geltenden Hauptantrags und der damals geltenden Hilfsanträge 1 und 2 dem Patentschutz nicht zugänglich seien. Durch die Gegenstände dieser Ansprüche werde kein technisches Problem mit technischen Mitteln gelöst, die über den bestimmungsgemäßen Einsatz einer Datenverarbeitungsanlage hinausgingen.
Gegen den Beschluss wendet sich die am 15. April 2014 eingegangene Beschwerde der Anmelderin.
Die Beschwerdeführerin beantragt,
den angegriffenen Beschluss aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:
gemäß Hauptantrag mit
Patentansprüchen 1 bis 8 vom 18. Juni 2014,
Beschreibung Seiten 1 bis 17 und
4 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1, 2A, 2B, 3 und 4, jeweils vom 13. Juli 2011;
gemäß Hilfsantrag 1 mit
Patentansprüchen 1 bis 8 vom 18. Juni 2014,
im Übrigen wie Hauptantrag;
gemäß Hilfsantrag 2 mit
Patentansprüchen 1 bis 8 vom 18. Juni 2014,
im Übrigen wie Hauptantrag;
gemäß Hilfsantrag 3 mit
Patentansprüchen 1 bis 6, überreicht in der mündlichen Verhandlung,
im Übrigen wie Hauptantrag.
Im Prüfungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt ist folgende Druckschrift genannt worden:
D1: DE 10 2006 059 829 A1.
Vom Senat wurden zusätzlich eingeführt:
D2: US 6 714 213 B1
D3: US 2004/0010346 A1
D4: Y. Huang, J.H. Oliver: “Integrated Simulation, Error Assessment, and Tool Path Correction for Five-Axis NC Milling”, Journal of Manufacturing Systems, Vol. 14, No. 5, pp. 331 – 344.
Der mit einer möglichen Gliederung versehene Patentanspruch 1 des Hauptantrags betrifft eine
a) Kollisionsbestimmungsvorrichtung (100), Folgendes aufweisend:
c) eine Formdatenspeichereinheit (102) zum Speichern sowohl von Voxelmodelldaten (106), die eine Form eines ersten Objekts durch ein Voxelmodell darstellen, als auch Umrissdarstellungsmodelldaten (107), die eine Form eines zweiten Objekts durch ein Umrissdarstellungsmodell darstellen, wobei das Voxelmodell durch ein Koordinatensystem definiert ist, das am ersten Objekt festliegt, wobei das Umrissdarstellungsmodell durch ein Koordinatensystem definiert ist, das am zweiten Objekt festliegt;
d) eine Zielzellenbezeichnungseinheit (101) zum Bezeichnen einer Zielzelle unter den das Voxelmodell bildenden Zellen, um eine Kollision zu bestimmen;
e) eine Bestimmungstestpunktgenerierungseinheit (103) zum Generieren von Bestimmungstestpunkten, um eine Kollision für die Zielzelle zu bestimmen;
f) eine Raumkurvenerzeugungseinheit (104) zum Erzeugen einer räumlichen Kurve als Bahnkurve des Bestimmungstestpunkts, indem eine relative Starrkörperbewegung des ersten Objekts im Hinblick auf das zweite Objekt an jeden der Bestimmungstestpunkte angelegt wird;
g) eine Kurvenüberschneidungsbestimmungseinheit (105) zum Bestimmen, ob jedes Umrisselement des Umrissdarstellungsmodells die räumliche Kurve schneidet oder nicht;
h) eine Abstandsberechnungseinheit (105) zum Berechnen des kürzesten Abstands von der räumlichen Kurve zu einer Umrissfläche des Umrissdarstellungsmodells, wenn ein durch die Kurvenüberschneidungsbestimmungseinheit bereitgestelltes Bestimmungsergebnis zeigt, dass die räumliche Kurve kein Umrisselement schneidet; und
i) eine Kollisionsbestimmungseinheit (101) zum Bestimmen auf Grundlage sowohl des von der Kurvenüberschneidungsbestimmungseinheit bereitgestellten Bestimmungsergebnisses als auch des von der Abstandsberechnungseinheit bereitgestellten Berechnungsergebnisses, ob die Möglichkeit einer Kollision zwischen beiden Objekten besteht.
Im Patentanspruch 1 des Hilfsantrags 1 ist gegenüber dem Anspruch 1 des Hauptantrags das Merkmal f) ersetzt durch
f‘) eine Raumkurvenerzeugungseinheit (104) zum Erzeugen einer räumlichen Kurve als Bahnkurve für jeden Bestimmungstestpunkt durch Bewegen des Bestimmungstestpunkts auf Grundlage von eingelesenen Starrkörperbewegungsdaten (108), die für eine relative Bewegung des starren Körpers des ersten Objekts im Hinblick auf das zweite Objekt stehen;
Der ebenfalls mit einer möglichen Gliederung versehene Patentanspruch 1 des Hilfsantrags 2 betrifft eine
a) Kollisionsbestimmungsvorrichtung (100), Folgendes aufweisend:
b) einen Eingang zum Einlesen von Starrkörperbewegungsdaten (108), die für eine relative Bewegung des starren Körpers eines ersten Objekts im Hinblick auf ein zweites Objekt stehen,
c) eine Formdatenspeichereinheit (102) zum Speichern sowohl von Voxelmodelldaten (106), die eine Form des ersten Objekts durch ein Voxelmodell darstellen, als auch Umrissdarstellungsmodelldaten (107), die eine Form des zweiten Objekts durch ein Umrissdarstellungsmodell darstellen, wobei das Voxelmodell durch ein Koordinatensystem definiert ist, das am ersten Objekt festliegt, wobei das Umrissdarstellungsmodell durch ein Koordinatensystem definiert ist, das am zweiten Objekt festliegt;
d) eine Zielzellenbezeichnungseinheit (101) zum Bezeichnen einer Zielzelle unter den das Voxelmodell bildenden Zellen, um eine Kollision zu bestimmen;
e) eine Bestimmungstestpunktgenerierungseinheit (103) zum Generieren von Bestimmungstestpunkten, um eine Kollision für die Zielzelle zu bestimmen;
f‘‘) eine Raumkurvenerzeugungseinheit (104) zum Erzeugen einer räumlichen Kurve als Bahnkurve für jeden Bestimmungstestpunkts durch Bewegen des Bestimmungstestpunkts auf Grundlage der Starrkörperbewegungsdaten (108);
g) eine Kurvenüberschneidungsbestimmungseinheit (105) zum Bestimmen, ob jedes Umrisselement des Umrissdarstellungsmodells die räumliche Kurve schneidet oder nicht;
h) eine Abstandsberechnungseinheit (105) zum Berechnen des kürzesten Abstands von der räumlichen Kurve zu einer Umrissfläche des Umrissdarstellungsmodells, wenn ein durch die Kurvenüberschneidungsbestimmungseinheit bereitgestelltes Bestimmungsergebnis zeigt, dass die räumliche Kurve kein Umrisselement schneidet;
i) eine Kollisionsbestimmungseinheit (101) zum Bestimmen auf Grundlage sowohl des von der Kurvenüberschneidungsbestimmungseinheit bereitgestellten Bestimmungsergebnisses als auch des von der Abstandsberechnungseinheit bereitgestellten Berechnungsergebnisses, ob die Möglichkeit einer Kollision zwischen beiden Objekten besteht; und
j) eine Ausgabeeinrichtung, die ein Ergebnis der Bestimmung der Möglichkeit einer Kollision ausgibt.
Im Patentanspruch 1 des Hilfsantrags 3 (mit Korrektur eines offensichtlichen Fehlers) ist an die Merkmale a) bis i) des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag angefügt, dass
k) die Voxelmodelldaten (106) unter Verwendung eines adaptiv erfassten Distanzfelds zum Darstellen einer Form auf Grundlage eines vorzeichenbehafteten Abstands von jedem Abtastpunkt zum Umriss einer Form des ersten Objekts dargestellt werden, wobei sich der Abtastpunkt auf jedem Rasterpunkt eines Raumunterteilungsrasters in einer Baumstruktur befindet,
l) die Bestimmungstestpunktgenerierungseinheit (103) als Bestimmungstestpunkte Rasterpunkte [generiert], die sich an Ecken der Zielzelle befinden,
m) die Kollisionsbestimmungseinheit (101) auf Grundlage des durch die Kurvenüberschneidungsbestimmungseinheit (105) bereitgestellten Bestimmungsergebnisses, des durch die Abstandsberechnungseinheit bereitgestellten Berechnungsergebnisses und der Distanzfeldwerte der Bestimmungstestpunkte bestimmt, ob eine Möglichkeit einer Kollision besteht, und
n) wenn die Möglichkeit einer die Zielzelle betreffenden Kollision nicht bestimmt werden kann, die Zielzellbezeichnungseinheit eine Tochterzelle als neue Zielzelle bezeichnet.
Zu den übrigen Patentansprüchen und den weiteren Einzelheiten wird auf die Akte verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist frist- und formgerecht eingereicht und auch sonst zulässig. Sie konnte jedoch keinen Erfolg haben, da die Gegenstände des jeweiligen Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag sowie nach den Hilfsanträgen 1, 2 und 3 nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhen (§ 1 Abs. 1 in Verbindung mit § 4 Satz 1 PatG).
1. Die Patentanmeldung betrifft Kollisionsbestimmung. Die Auftrittsmöglichkeit oder Nichtauftrittsmöglichkeit einer Kollision zwischen Objekten soll bestimmt werden, die sich in einem zwei- oder dreidimensionalen Raum bewegen. Im Spezielleren soll eine Kollision zwischen einem mechanischen Bestandteil einer Werkzeugmaschine und einem Werkstück in einer Simulationsvorrichtung zum Simulieren des Schneideprozesses in der Werkzeugmaschine bestimmt werden (deutsche Übersetzung DE 11 2009 004 371 T5 Abs. [0001]).
Bei bekannten technischen Verfahren zum Erfassen einer Kollision zwischen bewegten Objekten wie dem kontinuierlichen Sweep-Verfahren oder dem diskreten Zeitdivisionsverfahren träten Probleme auf, etwa im Hinblick auf die universelle Anwendbarkeit für beliebige Bewegungen eines starren Körpers sowie hinsichtlich der Gesamtspeichermenge (Abs. [0003] bis [0008]).
Auf dem Gebiet der Schneidprozesssimulation für Werkzeugmaschinen werde z. B. ein Werkstück bei fortschreitender Bearbeitung in der Form verändert, wodurch es während des Prozesses kompliziertere Formen aufweise. So werde die Form des Werkstücks oftmals durch ein Raumrastermodell wie etwa ein Voxel-Modell dargestellt, das keine Einschränkungen bezüglich der Phasenstruktur habe. Jedoch habe die Verwendung des Raumrastermodells, um für die Kollisionsbestimmung etwa ein mechanisches Bauteil einer Werkzeugmaschine darzustellen, erhebliche Nachteile bei der zuvor erwähnten Speichermenge und sei nicht praktisch (Abs. [0009]).
Der Patentanmeldung soll die Aufgabe zugrunde liegen, diese Probleme zu lösen und eine Kollisionsbestimmungsvorrichtung und ein Kollisionsbestimmungsprogramm bereitzustellen, das die Notwendigkeit einer Bearbeitung bei hohem Rechenaufwand abschafft und Kollisionen bei hohen Geschwindigkeiten mit hoher Zuverlässigkeit unter Einsatz einer reduzierten Datenspeichermenge bestimmen kann, während die Möglichkeit gesenkt wird, dass Kollisionen versehentlich nicht erfasst werden (Abs. [0010]).
Die Lehre der vorliegenden Anmeldung besteht im Wesentlichen in Folgendem:
Für die Kollisionsbestimmung zweier Objekte werden Daten der beiden Objekte gespeichert, und zwar für das erste (bewegbare) Objekt Voxelmodelldaten, die eine Form des ersten Objekts durch ein Voxelmodell darstellen, dessen Koordinatensystem am ersten Objekt festliegt, und für das zweite (ortsfeste) Objekt Umrissdarstellungsmodelldaten, die eine Form des zweiten Objekts durch ein Umrissdarstellungsmodell darstellen, dessen Koordinatensystem am zweiten Objekt festliegt (Merkmale a), c)). In einem Umrissdarstellungsmodell wird im Fall eines dreidimensionalen Objekts dessen Oberfläche durch eine Vielzahl von Flächen, Kannten und Ecken und deren Beziehungen zueinander dargestellt (Abs. [0020]). Das Voxelmodell kann als adaptives Distanzfeld ausgebildet sein, in dem in einer Baumstruktur (von grob zu fein) für Raumpunkte deren kürzeste Entfernung zum Umriss der dargestellten Form (mit Vorzeichen) enthalten ist (Abs. [0021], Merkmal k)).
Unter den das Voxelmodell bildenden Zellen wird eine Zielzelle festgelegt, um eine Kollision zu bestimmen (Merkmal d)). Als Zielzelle wird im Ausführungsbeispiel gemäß Fig. 2A eine im Bereich der Oberfläche des ersten Objekts liegende Zelle (202) gewählt.
Sodann werden Bestimmungstestpunkte generiert, um eine Kollision für die Zielzelle zu bestimmen (Merkmal e)). Insbesondere können Eckpunkte (204, 205) der Zielzelle als Bestimmungstestpunkte gewählt werden (Fig. 2B, Merkmal l)); diese können aufgrund der Oberflächenlage der Zielzelle außerhalb (204) oder innerhalb (205) des Objekts liegen.
Für jeden Bestimmungstestpunkt (204, 205) wird eine räumliche Bahnkurve (206, 207 in Fig. 2B) erzeugt, anhand einer (vorgegebenen) relativen Starrkörperbewegung des ersten Objekts im Hinblick auf das zweite Objekt (Merkmal f)). Die Starrkörperbewegung kann z. B. aus der Kombination einer Rotation und einer Translation über die Zeit bestehen, wodurch sich eine parametrierte Bahnkurve ergibt (Abs. [0025]).
Es wird ermittelt, ob „jedes“ Umrisselement des Umrissdarstellungsmodells (des zweiten Objekts) die räumliche Kurve schneidet oder nicht (Merkmal g)). Wie der Fachmann (hier ein Informatik-Ingenieur mit Erfahrung auf dem Gebiet der computergestützten Simulation und Modellierung, insbesondere für Werkzeugmaschinen) erkennt, ist damit gemeint, dass die Überschneidungsbestimmung für jedes Umrisselement des Umrissdarstellungsmodells durchgeführt wird bzw. dass bestimmt wird, ob irgendeines der Umrisselemente die Kurve schneidet.
Falls die räumliche Kurve kein Umrisselement schneidet, wird der kürzeste Abstand von der räumlichen Kurve zu einer Umrissfläche des Umrissdarstellungsmodells berechnet (Merkmal h)).
Auf Grundlage sowohl der Überschneidungsbestimmung als auch der Abstandsberechnung einschließlich des Distanzfeldwerts wird in einer Kollisionsbestimmungseinheit (101) bestimmt, ob die Möglichkeit einer Kollision zwischen beiden Objekten besteht (Merkmale i), m)), wobei ein Sicherheitsabstand einbezogen werden kann, vgl. Abs. [0027], [0033].
Gemäß Fig. 3 und 4 mit Beschreibung wird das beschriebene Verfahren zunächst in einer relativ groben Rasterung für im Oberflächenbereich des ersten Objekts liegende Zielzellen durchgeführt. Wenn für eine Zielzelle nicht festgestellt werden kann, ob eine Kollision auftritt oder nicht, wird die Zielzelle unterteilt (in acht kleinere Zellen), und eine der durch die Teilung entstehenden Tochterzellen wird als neue Zielzelle bezeichnet (Merkmal n)). Mit den für eine Kollision in Frage kommenden Teilzellen als Zielzellen kann das Verfahren erneut durchlaufen werden.
Im Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 ist in Merkmal f‘) klargestellt, dass die Bahnkurve für jeden Bestimmungstestpunkt durch Bewegen des Bestimmungstestpunkts auf Grundlage von eingelesenen Starrkörperbewegungsdaten berechnet wird, die für eine relative Bewegung des starren Körpers des ersten Objekts im Hinblick auf das zweite Objekt stehen.
Sinngemäß ist diese Ergänzung auch in den Merkmalen b) i. V. m. f‘‘) des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 enthalten. Zudem wird hier nach Merkmal j) das Ergebnis in einer Ausgabeeinrichtung ausgegeben.
Da der Fachmann bereits bei Merkmal f) des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag mitliest, dass die Starrkörperbewegung des ersten Objekts relativ zum zweiten Objekt vorgegeben und somit zu irgendeinem Zeitpunkt von irgendwoher (z. B. von einer Eingabeschnittstelle oder von einem anderen Softwaremodul) eingelesen werden muss, und er zudem bei Merkmal i) gedanklich ergänzt, dass das Ergebnis der Kollisionsbestimmung irgendwohin (z. B. an einen Bildschirm) ausgegeben werden muss, geht der jeweilige Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 und 2 inhaltlich nicht über den Anspruch 1 des Hauptantrags hinaus.
2. Die Vorrichtung des Anspruchs 1 nach Hauptantrag und ebenso die Vorrichtungen des jeweiligen Anspruchs 1 nach den Hilfsanträgen 1 bis 3 sind nicht patentfähig, da diese Vorrichtungen nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhen.
Aus der Druckschrift D1 ist ein Universalcomputer bekannt, in dem alle notwendigen Hardware- und Softwarekomponenten in einem Gehäuse vereinigt sind (Mikroprozessor, Hard-Disk, Arbeitsspeicher, Monitor, DVD/CD-Laufwerke, Tastatur usw.), siehe die Zeichnung und die Bezugszeichenliste.
D1 zeigt somit einen übliche Komponenten aufweisenden Computer, also eine Vorrichtung, die für Berechnungen auf unterschiedlichsten Gebieten einsetzbar ist.
Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit sind nur solche Anweisungen zu berücksichtigen, welche die Lösung eines technischen Problems, das durch zumindest einen Teilaspekt der unter Schutz gestellte Lehre bewältigt wird, mit technischen Mitteln bestimmen oder beeinflussen; vgl. BGH GRUR 2011, 125 – Wiedergabe topografischer Informationen (m. w. N.).
Im Fall einer Datenverarbeitung verwendenden Lehre liegt gemäß der Entscheidung „Dynamische Dokumentengenerierung“ (BGH GRUR 2010, 613) die Lösung eines technischen Problems mit technischen Mitteln vor, wenn eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist:
- Es werden Systemkomponenten modifiziert oder in neuartiger Weise adressiert, oder
- der Ablauf eines Datenverarbeitungsprogramms, das zur Lösung des Problems eingesetzt wird, wird durch technische Gegebenheiten außerhalb der Datenverarbeitungsanlage bestimmt, oder
- die Lösung besteht gerade darin, ein Datenverarbeitungsprogramm so auszugestalten, dass es auf die technischen Gegebenheiten der Datenverarbeitungsanlage Rücksicht nimmt.
Nach diesen Kriterien tragen die über einen Computer mit üblichen Komponenten (wie er etwa aus D1 bekannt ist) hinausgehenden Merkmale des Anspruchs 1 nach Hauptantrag und nach den Hilfsanträgen 1, 2 und 3 nicht zur Lösung eines technischen Problems mit technischen Mitteln bei und sind daher bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht zu berücksichtigen.
Welches technische Problem durch eine Erfindung gelöst wird, ist objektiv danach zu bestimmen, was die Erfindung tatsächlich leistet (BGH GRUR 2005, 141 – Anbieten interaktiver Hilfe).
Die beanspruchte Lehre leistet es, für als Datensätze in einem Computer gespeicherte, virtuelle Objekte, die sich entlang vorgegebener, im Computer gespeicherter Bahnen (ebenfalls virtuell) bewegen sollen, eine Kollisionsbestimmung durchzuführen, und löst damit ein entsprechendes Problem. Die Objekte und ebenso die Bewegungen, die diese ausführen sollen, sind als Daten in einem Computer vorhanden. Einen Bezug auf reale Objekte oder reale Bewegungen enthält der Anspruch nicht. Die gesamte Kollisionsbestimmung für diese virtuellen Datenobjekte einschließlich aller Berechnungsschritte wird ausschließlich im Computer durchgeführt. Für die einzelnen hierfür verwendeten Einheiten werden übliche Komponenten eines Computers wie Speicher und Prozessoren verwendet.
Die Kollisionsbestimmung selbst erschöpft sich in einer reinen Modellierung und Simulation unter Zuhilfenahme mathematischer Methoden. Ein technisches Problem wird hierdurch nicht gelöst, es handelt sich vielmehr um ein reines Problem der Datenverarbeitung ohne technischen Bezug; vgl. BGH GRUR 2011, 610 – Webseitenanzeige.
An dieser Feststellung vermögen auch die einzelnen Einheiten der beanspruchten Vorrichtung nichts zu ändern. Diese tragen über die Verwendung üblicher Komponenten eines Computers hinaus nicht zur Lösung eines technischen Problems bei.
Dies gilt zum Einen für die Formdatenspeichereinheit (Merkmal c)), welche eine übliche, technisch nicht näher ausgebildete Speichereinheit darstellt, in der spezielle Daten (Voxelmodelldaten und Umrissdarstellungsmodelldaten) gespeichert sind. Die Art der gespeicherten Daten (siehe auch Merkmal k)) ist bedingt durch den speziellen Kollisionsbestimmungsalgorithmus, der im Rahmen der Modellierung und Simulation verwendet wird und lediglich Probleme der Datenverarbeitung löst. Einen Beitrag zur Lösung eines technischen Problems liefern weder dieser Algorithmus noch die zu seiner Durchführung gespeicherten, speziellen Daten.
Auch der Eingang zum Einlesen von Daten und die Ausgabeeinheit (vgl. die Merkmale b) und j)) sind in technischer Hinsicht nicht speziell ausgebildet und stellen lediglich Komponenten eines üblichen Computers dar. Die durch sie eingelesenen bzw. ausgegebenen Daten sind reine Modelldaten, ein Bezug zu realen Objekten ist nicht erkennbar. Ein technisches Problem wird durch die Art der eingelesenen bzw. ausgegebenen Daten nicht gelöst.
Entsprechendes gilt für die übrigen Einheiten des jeweiligen Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag und gemäß den Hilfsanträgen 1 und 2 (Zielzellenbezeichnungseinheit, Bestimmungstestpunktgenerierungseinheit, Raumkurvenerzeugungseinheit, Kurvenüberschneidungsbestimmungseinheit, Abstandsberechnungseinheit, Kollisionsbestimmungseinheit), zu deren Ausbildung in technischer Hinsicht der Anmeldung nichts zu entnehmen ist. Aus dem Kontext heraus erkennt der Fachmann, dass es sich hierbei um reine Softwaremodule handelt. Die durch diese Einheiten ausgeführten Vorgänge sind reine Berechnungsschritte des zur Kollisionsbestimmung verwendeten Algorithmus ohne technischen Bezug. Auch hier ist kein Beitrag zur Lösung eines technischen Problems ersichtlich.
Im Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 sind weitere Schritte des Modellierungsalgorithmus angegeben, die in den bereits erwähnten Einheiten durchgeführt werden. Auch diese Schritte gehen nicht über reine Datenverarbeitung hinaus, ohne Bezug zur realen Welt. Ein technisches Problem wird dadurch nicht gelöst.
Letztendlich verbleibt als Gegenstand des jeweiligen Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag und Hilfsantrag 1, 2 und 3 ein herkömmliches Datenverarbeitungssystem, auf dem ein Kollisionsberechnungsverfahren als Computerprogramm implementiert ist, welches keine Lösung einer technischen Problemstellung zum Inhalt hat.
Die Anmelderin bringt vor, die beanspruchte Vorrichtung skizziere einen Algorithmus, der zu Zeit- und Speicherplatzersparnis führe. Die verwendete Datenstruktur (Baumstruktur, Hilfsantrag 3) trage hierzu bei. Zudem weist sie auf die Entscheidung des Bundespatentgerichts 17 W (pat) 32/09 hin, der ein ähnlicher Sachverhalt zugrunde liege wie der vorliegenden Anmeldung.
Dieses Vorbringen konnte zu keiner anderen Beurteilung führen.
Der in der Anmeldung skizzierte Algorithmus stellt eine reine Maßnahme der Datenverarbeitung dar und hat keinen technischen Hintergrund. Insbesondere dient die Verwendung einer Baumstruktur allein einer effizienten Organisation von Daten und löst allenfalls organisatorische Probleme. Eine möglicherweise durch die Lehre der Anmeldung erreichte Zeit- und Speicherplatzersparnis beruht ausschließlich auf dem verwendeten Datenverarbeitungsalgorithmus. Dies kann nicht als Lösung eines technischen Problems mit technischen Mitteln angesehen werden, nachdem in der gesamten Anmeldung weder eine besondere technische Ausgestaltung zu erkennen ist, etwa in Form einer speziellen verwendeten Hardware, noch eine Rücksichtnahme auf spezielle Gegebenheiten der Datenverarbeitungsanlage, noch irgendein Bezug auf technische Gegebenheiten außerhalb der Datenverarbeitungsanlage, etwa in Form einer Verarbeitung von Messdaten oder einer Auswirkung auf technische Gegebenheiten (z. B. auf die Bewegung einer Werkzeugmaschine).
Auch die von der Anmelderin genannte Entscheidung 17 W (pat) 32/09 steht dieser Beurteilung nicht entgegen. Dort wurde ein Patent erteilt für ein Verfahren, mit dem Messwerte ausgewertet wurden, wobei in den Messwerten spezielle Muster (Lumen in einer anatomischen Struktur) segmentiert wurden. Im vorliegenden Fall ist Derartiges nicht ersichtlich.
Damit sind diejenigen Merkmale des jeweiligen Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag und gemäß den Hilfsanträgen 1, 2 und 3 bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht zu berücksichtigen, welche über einen Computer mit üblichen Komponenten (wie er etwa in D1 ausgewiesen ist) hinausgehen.
Der jeweilige Anspruch 1 des Hauptantrags und der Hilfsanträge 1, 2 und 3 ist nicht gewährbar.
3. Auch die übrigen Patentansprüche des Hauptantrags und der Hilfsanträge 1, 2 und 3 sind nicht gewährbar, da über einen Antrag nur einheitlich entschieden werden kann (BGH GRUR 1997, 120 „Elektrisches Speicherheizgerät“).