Entscheidungsdatum: 22.12.2016
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 10 2013 001 773.4 - 53
…
hat der 17. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 22. Dezember 2016 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Phys. Dr. Morawek, der Richterin Eder, des Richters Dipl.-Ing. Baumgardt und des Richters Dipl.-Ing. Hoffmann
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Die vorliegende Patentanmeldung wurde am 31. Januar 2013 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht. Sie trägt die Bezeichnung
„Verfahren zum Betreiben einer Vorrichtung zum Wiedergeben von Medieninhalten sowie Vorrichtung zum Wiedergeben von Medieninhalten“.
Die Anmeldung wurde durch Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patent- und Markenamts in der Anhörung vom 13. März 2015 mit der Begründung zurückgewiesen, dass der jeweilige Gegenstand des Hauptanspruchs des Hauptantrags sowie der Hilfsanträge nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe, weil er jeweils durch die Druckschrift D1 (s. u.) nahegelegt sei.
Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde der Anmelderin gerichtet.
Mit ihrer Beschwerdebegründung vom 16. Juni 2015 hält die Anmelderin den Hauptantrag und die Hilfsanträge 1 bis 4 unverändert aufrecht. Sie erläutert, dass der jeweils beanspruchte Gegenstand nicht nur neu sei, sondern auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Ausgehend von der Lehre der D1 und in Kombination mit dem Fachwissen des Fachmanns wäre dieser nicht zur erfindungsgemäßen Lösung gelangt. Denn der Fachmann erhalte beim Studium der D1 keinerlei Hinweise auf den erfindungsgemäßen zeitlichen und kausalen Zusammenhang, eine Spracheingabefunktion zur Suche nach Medieninhalten erst dann zu aktivieren, wenn vorher erfasst worden ist, dass ein Nutzer eine vorgegebene Geste ausgeführt hat. Gerade dadurch werde aber die zugrundeliegende Aufgabe gelöst, eine besonders fehlerfreie Suche nach Medieninhalten zu ermöglichen, weil verhindert werde, dass jegliche sprachlichen Äußerungen eines Benutzers oder auch Umgebungsgeräusche, wie beispielsweise eine bereits laufende Musikwiedergabe, fälschlicherweise zur Suche nach Medieninhalten verwendet würden.
Die Anmelderin stellt den Antrag,
den angegriffenen Beschluss aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:
gemäß Hauptantrag mit
Patentansprüchen 1 bis 5 vom 16. Juni 2015, eingegangen am 22. Juni 2015, Beschreibung Seiten 1, 1a vom 8. Januar 2014, eingegangen am 13. Januar 2014
Seiten 2 bis 9 und 1 Blatt Zeichnung mit einer Figur,
jeweils vom Anmeldetag;
gemäß Hilfsantrag 1 mit
Patentansprüchen 1 bis 4 vom 16. Juni 2015, eingegangen am 22. Juni 2015, Beschreibung und Zeichnung jeweils wie Hauptantrag;
gemäß Hilfsantrag 2 mit
Patentansprüchen 1 bis 4 vom 16. Juni 2015, eingegangen am 22. Juni 2015, im Übrigen wie Hilfsantrag 1;
gemäß Hilfsantrag 3 mit
Patentansprüchen 1 bis 3 vom 16. Juni 2015, eingegangen am 22. Juni 2015, im Übrigen wie Hilfsantrag 1;
gemäß Hilfsantrag 4 mit
Patentansprüchen 1 bis 5 vom 16. Juni 2015, eingegangen am 22. Juni 2015, im Übrigen wie Hilfsantrag 1.
Gemäß Hauptantrag lautet der geltende (ursprüngliche) Patentanspruch 1, mit der Merkmalsgliederung aus dem Zurückweisungsbeschluss versehen:
(a) 1. Verfahren zum Betreiben einer Vorrichtung (12) mit einer Wiedergabeeinrichtung (14) zum Wiedergeben von Medieninhalten, bei welchem wenigstens eine vorgebbare Geste eines Nutzers (10) der Vorrichtung (12) mittels einer Gestenerfassungseinrichtung (20) erfasst und in Abhängigkeit von der erfassten Geste wenigstens eine Spracheingabefunktion der Vorrichtung (12) aktiviert wird, mittels welcher die Vorrichtung (12) dem Nutzer (10) eine Möglichkeit bereitstellt, durch wenigstens eine durch den Nutzer (10) bewirkte Spracheingabe in die Vorrichtung (12) von der Wiedergabeeinrichtung (14) wiederzugebende Medieninhalte auszuwählen,
dadurch gekennzeichnet, dass
(b) als die vorgebbare Geste eine solche erfasst wird, bei welcher der Nutzer (10) wenigstens einen von seiner Hand (24) abgespreizten Finger (26) in zumindest teilweise Überdeckung mit einem Ohr (28) des Nutzers (10) bewegt.
Zum auf eine entsprechende Vorrichtung mit einer Wiedergabeeinrichtung zum Wiedergeben von Medieninhalten gerichteten Nebenanspruch 5 und den Unteransprüchen 2 bis 4 wird auf die Akte verwiesen.
Beim Hilfsantrag 1 wird der Patentanspruch 1 des Hauptantrags am Ende durch folgendes Merkmal eingeschränkt:
(c) wobei die Spracheingabefunktion beendet wird, wenn mittels der Gestenerfassungseinrichtung (20) erfasst wird, dass der Nutzer (10) seinen Finger (26) aus der Überdeckung mit dem Ohr (28) bewegt.
Beim Hilfsantrag 2 wird der Patentanspruch 1 des Hauptantrags am Ende (anstelle von Merkmal (c) des Hilfsantrags 1) durch folgendes Merkmal eingeschränkt:
(d) wobei die Vorrichtung (12) dem Nutzer (10) mittels der aktivierten Spracheingabefunktion die Möglichkeit bereitstellt, durch die wenigstens eine Spracheingabe aus einer in einer Speichereinrichtung (18) der Vorrichtung (12) gespeicherten und eine Mehrzahl von auswählbaren Medieninhalten umfassenden Liste einen der Medieninhalte auszuwählen und die Wiedergabe des ausgewählten Medieninhalts zu initiieren.
Gemäß Hilfsantrag 3 umfasst der Patentanspruch 1 das Merkmal (d) des Hilfsantrags 1 und das Merkmal (c) des Hilfsantrags 2 (in dieser Reihenfolge).
Beim Hilfsantrag 4 wird der Patentanspruch 1 des Hauptantrags (d. h. nur mit den Merkmalen (a) und (b)) durch folgendes Merkmal eingeschränkt:
(e) wobei die Spracheingabefunktion aktiviert wird, wenn der menschliche Nutzer (10) seinen von der Hand (24) abgespreizten Finger (26) in die zumindest teilweise Überdeckung mit dem Ohr (28) bewegt.
Zu den jeweiligen Neben- und Unteransprüchen der Hilfsanträge wird wiederum auf die Akte verwiesen.
Der Senat bemängelt in diesem Zusammenhang ausdrücklich, dass die in der Niederschrift über die Anhörung und im Zurückweisungsbeschluss referenzierte „Eingabe vom 27. Februar 2015“ der Anmelderin (betreffend die Hilfsanträge 1 bis 3) nicht Bestandteil der elektronischen Amts-Akte geworden ist und dem Senat daher nicht zur Verfügung stand.
Der Anmeldung soll die Aufgabe zugrundeliegen, ein Verfahren zum Betreiben einer Vorrichtung zum Wiedergeben von Medieninhalten sowie eine solche Vorrichtung bereitzustellen, bei welchen sich eine besonders intuitive und einfache Bedienung der Vorrichtung realisieren lässt (siehe Offenlegungsschrift Absatz [0005]) – insbesondere für einen Kraftwagen oder ein mobiles Kommunikationsendgerät (Absatz [0019]). In der Beschwerdebegründung (Seite 2 letzter Absatz) wird als Aufgabe angegeben, eine besonders fehlerfreie Suche nach Medieninhalten zu ermöglichen (wobei „fehlerfrei“ sich hier auf das Vermeiden von Störungen bei einer Spracheingabe bezieht).
Folgende Druckschriften sind im Laufe des Verfahrens entgegengehalten worden:
D1 US 2012 / 239 642 A1
D2 DE 10 2008 051 756 A1
D3 JP 2007 – 249 021 A
II.
Die Beschwerde ist rechtzeitig eingegangen und auch sonst zulässig. Sie hat jedoch keinen Erfolg, weil der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der Fassung nach Hauptantrag wie auch nach den vier Hilfsanträgen zumindest nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht; dabei werden solche Anspruchsmerkmale nicht berücksichtigt, die zur Lösung eines technischen Problems mit technischen Mitteln nicht beitragen (§§ 1 und 4 PatG).
1. Die vorliegende Patentanmeldung betrifft ein Verfahren zur Steuerung der Wiedergabe von Medieninhalten (Offenlegungsschrift Absatz [0007]: Musikstücke, Radiosendungen, Filme etc.) mittels Spracheingabe, wobei die Spracherkennungsfunktion durch eine bestimmte vom Nutzer auszuführende Geste aktiviert wird; und eine entsprechend ausgebildete Vorrichtung (siehe Abs. [0007], [0014]).
Dabei war es aus dem Stand der Technik bereits bekannt, bei einer Medien-Wiedergabeeinrichtung für die Auswahl der wiederzugebenden Medieninhalte eine Spracheingabefunktion vorzusehen und diese dann zu aktivieren, wenn eine vorgebbare Geste des Nutzers erfasst wird (siehe z. B. Offenlegungsschrift Absatz [0002]).
Zur Realisierung einer besonders intuitiven und einfachen Bedienung schlägt die Anmeldung eine ganz bestimmte Aktivierungs-Geste vor, nämlich die Bewegung (wenigstens) eines von seiner Hand abgespreizten Fingers in zumindest teilweise Überdeckung mit einem Ohr des Nutzers – vereinfacht ausgedrückt: dass der Nutzer einen abgespreizten Finger zu seinem Ohr führt.
Mit den Hilfsanträgen 1 bis 3 werden Merkmale aus den ursprünglichen Unteransprüchen in den Hauptanspruch aufgenommen, nämlich:
(c) eine Beendigung der Spracheingabefunktion, wenn die Ohrüberdeckungs-Geste beendet wird,
und / oder
(d) eine Auswahl der wiederzugebenden Medieninhalte aus einer Liste mittels Spracheingabe.
Beim Hilfsantrag 4 wird ein Teil des Merkmals (a) ein zweites Mal als Merkmal (e) angefügt, um die kausale und zeitliche Abfolge der Gestenerfassung und der darauf basierenden Aktivierung der Spracheingabefunktion deutlicher zu machen (siehe Beschwerdebegründung Seite 6 Absatz 1).
Als Fachmann, der mit der Aufgabe betraut wird, eine besonders intuitive und einfache Bedienung für eine sprachgesteuerte Vorrichtung zum Wiedergeben von Medieninhalten vorzusehen, oder auch: für eine solche Vorrichtung eine störungsfreie Suche nach Medieninhalten zu ermöglichen, sieht der Senat einen Entwicklungsingenieur für Eingabegeräte mit Fachhochschul-Abschluss im Bereich der Elektrotechnik und mehrjähriger Berufserfahrung an.
2. Der Hauptantrag hat keinen Erfolg, weil der Gegenstand seines Patentanspruchs 1 zumindest nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
2.1 Das lässt sich allerdings nicht mit der von der Prüfungsstelle für den Zurückweisungsbeschluss herangezogenen Druckschrift D1 (US 2012 / 239 642 A1) begründen. Die dagegen gerichteten Argumente der Anmelderin sind berechtigt.
Die Druckschrift D1 beschreibt eine Gesten-basierte Suche nach Medien (wie Video-, Audio-, Bild- oder Textdaten – siehe Absatz [0029]), beispielsweise auf einem mobilen elektronischen Gerät wie einem Smartphone oder Laptop (Absatz [0033]). Dabei versteht die Druckschrift unter „Gesten“ die Berührungen auf einem Touchscreen, Bewegungen vor einem Bewegungsdetektor wie z. B. ein Zeigen (z. B. mit dem Finger), oder Bewegungen eines bewegungsempfindlichen Eingabegerätes (Maus, Beschleunigungssensor), Gesichtsausdrücke wie z. B. der Ausdruck des Mundes, Bewegungen oder Fokuspunkte der Augen, Fingerbewegungen – aber auch eine Spracheingabe (siehe Absatz [0046]). Deutlich wird etwa in Anspruch 6 der D1 formuliert, dass die zu erkennende Geste (a) eine bewegungsbasierte Eingabe, oder (b) eine sprachbasierte Eingabe sein kann.
Wie jedoch die Anmelderin im Laufe des Verfahrens mehrfach aufgezeigt hat, ist der D1 an keiner Stelle entnehmbar, dass eine Spracheingabefunktion zunächst durch eine Bewegungsgeste aktiviert werden müsste.
Hier ist schon fraglich, ob die in der D1 beschriebenen Optionen (nämlich wahlweise eine bewegungs- oder eine sprachbasierte Eingabe als zu erfassende „Geste“ vorzusehen) auch die Lehre nahelegen, zwei aufeinanderfolgende aber unterschiedliche „Gesten“ zu erfassen, wobei die erste eine bewegungsbasierte Eingabe und die zweite eine Spracheingabe sein soll. Die Prüfungsstelle erklärt nicht, was den Fachmann veranlasst haben könnte, eine solche Reihenfolge vorzusehen.
Aber selbst wenn das als Möglichkeit unterstellt würde, fehlt in der D1 immer noch die mit Merkmal (a) beanspruchte Bedingung, dass die Spracheingabefunktion (erst dann) aktiviert wird, wenn eine bestimmte Geste erfasst wurde. Weder beschreibt die D1 diese Bedingung konkret, noch liefert sie irgendeine Anregung oder einen Hinweis in dieser Richtung.
Sonach nimmt D1 das Merkmal (a) entgegen den Ausführungen der Prüfungsstelle nicht vorweg und legt es auch nicht nahe. Deshalb fehlt dem Zurückweisungsbeschluss eine tragfähige Begründung.
2.2 Aus dem Stand der Technik war ein Verfahren gemäß dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1 des Hauptantrags (Merkmal (a)) vorbekannt.
Als nächstliegenden Stand der Technik betrachtet der Senat die in Absatz [0002] der Anmeldung bereits aufgeführte Druckschrift
D2 DE 10 2008 051 756 A1.
Sie beschreibt eine multi-modale Informationseingabe insbesondere in einem Kraftfahrzeug, d. h. es werden unterschiedliche Eingabearten (Modalitäten) miteinander „kombiniert“. Als „erste Modalität“ sind Bedienhandlungen des Nutzers wie Drehen, Drücken, Berühren, Schalten direkt am Erfassungsmodul angegeben (Absatz [0030]). Eine Gesten-Eingabe ist als „zweite Modalität“ genannt, Spracherkennung als „dritte Modalität“ (Abs. [0030] / [0031]). Gemäß Absatz [0108] wird die Spracherkennung automatisch aktiviert, sobald das System den Beginn einer Zeigegeste registriert; dies entspricht dem von der Anmelderin beanspruchten „zeitlichen und kausalen Zusammenhang“ (Teil von Merkmal (a)). Gemäß Absatz [0136] i. V. m. Figur 10B kann eine Musiktitel-Auswahl durch Sprache erfolgen, wobei es für den Fachmann selbstverständlich ist, dass der gewählte Musiktitel dann auch wiedergegeben wird (Rest von Merkmal (a)).
2.3 Das Merkmal (b) des Anspruchs 1 ist bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit nicht zu berücksichtigen.
Merkmal (b) beschreibt die Form der Geste, mit welcher die Spracheingabefunktion des Merkmals (a) aktiviert werden soll: nämlich dass der Nutzer einen abgespreizten Finger zu einem seiner Ohren führt und es damit (zumindest teilweise) überdeckt (siehe Figur).
Diese Geste wird in der Anmeldung als „besonders intuitiv“ bezeichnet, weil das Ohr üblicherweise mit dem Wahrnehmen von Tönen und somit Medieninhalten assoziiert werde (Offenlegungsschrift Absatz [0009]). Irgendwelche technischen Überlegungen für die Wahl gerade dieser Geste sind der Anmeldung hingegen nicht zu entnehmen und sind auch nicht ersichtlich.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind aber bei der Prüfung einer Erfindung auf erfinderische Tätigkeit nur diejenigen Anweisungen zu berücksichtigen, die die Lösung eines technischen Problems mit technischen Mitteln bestimmen oder zumindest beeinflussen (BGH GRUR 2011, 125 – Wiedergabe topografischer Informationen, Leitsatz b). So können beispielsweise Anweisungen zur Auswahl von Daten, deren technischer Aspekt sich auf die Anweisung beschränkt, hierzu Mittel der elektronischen Datenverarbeitung einzusetzen, bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht berücksichtigt werden (BGH GRUR 2013, 275 – Routenplanung, Leitsatz a). Generell kann mit Merkmalen, die zu einer technischen Problemlösung nichts beitragen, das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit nicht begründet werden (vgl. 17 W (pat) 65/09, Beschluss vom 3. April 2014, II. Abschnitt 2.3; u. a.). Auch eine besonders ergonomische Gestaltung einer Benutzeroberfläche trägt zu einer technischen Problemlösung i. d. R. nicht bei (vgl. die Senatsentscheidungen 17 W (pat) 10/04 – Bedienoberfläche, Beschluss vom 5. September 2006, und 17 W (pat) 124/08, Beschluss vom 18. April 2013, m. w. N.).
Nachdem im vorliegenden Fall die besondere Form der Geste (Merkmal (b)) wegen ihrer Assoziation mit der beabsichtigten Funktion, jedoch ersichtlich nicht aufgrund von technischen Überlegungen gewählt wurde, fällt sie unter das zitierte Ausschlusskriterium. Die Form der Geste löst kein technisches Problem, sondern allenfalls ein Optimierungsproblem bezüglich der Benutzerakzeptanz, für dessen nicht-technische Lösung ein Patentschutz grundsätzlich nicht vorgesehen ist.
2.4 Somit legt die Druckschrift D2 den Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag zumindest nahe, weil das Merkmal (b) bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit nicht zu berücksichtigen ist.
2.5 Mit dem Patentanspruch 1 fallen auch die übrigen Ansprüche des Hauptantrags, weil über einen Antrag nur einheitlich entschieden werden kann.
3. Die Hilfsanträge sind nicht günstiger zu beurteilen.
3.1 Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 unterscheidet sich vom Patentanspruch 1 des Hauptantrags durch das zusätzliche Merkmal
(c) wobei die Spracheingabefunktion beendet wird, wenn mittels der Gestenerfassungseinrichtung (20) erfasst wird, dass der Nutzer (10) seinen Finger (26) aus der Überdeckung mit dem Ohr (28) bewegt.
Damit kann das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit jedoch nicht begründet werden. Die beanspruchte Maßnahme, die Spracheingabefunktion zu beenden, wenn die „Finger-überdeckt-Ohr“-Geste beendet wird, lag für den Fachmann nahe.
Denn der typische Nutzer einer Spracheingabe-Funktionalität wird erwarten, dass die Spracheingabe nicht nur aktivierbar ist, sondern – irgendwann oder irgendwie – auch wieder beendet wird. Daher bestand Anlass für den Fachmann, Überlegungen hinsichtlich einer Beendigung der Spracheingabefunktion anzustellen.
Die Druckschrift D2 verweist in Absatz [0137] darauf, dass die vorgeschlagene Gesteneingabe zur Aktivierung einer Spracheingabe als Übergang von einem vorbekannten „push-to-talk“ (Drücken einer Auslösetaste) zu einem „point-to-talk“ (Zeige-Geste) verstanden werden kann. Das Drücken einer Auslösetaste ist z. B. aus der Druckschrift D3 (JP 2007 – 249 021 A, dort: „trigger key“) bekannt und wird dort ebenfalls als „push-to-talk“-Funktionalität beschrieben (D3 Übersetzung Absatz [0006]: „performing speaks after depressing the speech recognition trigger keys“ = „Push To Talk system“). Als Alternative ist dort jedoch auch eine „Push While Talk“-Funktionalität vorgeschlagen: „performing the utterance while pressing the speech recognition trigger key“ – d. h. die Spracheingabe beginnt mit dem Drücken der Auslösetaste und dauert fort; sie endet erst, wenn das Drücken der Taste beendet wird. Wenn der Fachmann diese bekannte Vorgehensweise auf die aus Druckschrift D2 bekannte Aktivierung der Spracheingabe durch eine Geste (statt durch Drücken einer Auslösetaste) anwendet, ergibt sich die mit Merkmal (c) beanspruchte Beendigung durch Beenden der Geste ganz zwangsläufig.
3.2 Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 unterscheidet sich vom Patentanspruch 1 des Hauptantrags durch das zusätzliche Merkmal
(d) wobei die Vorrichtung (12) dem Nutzer (10) mittels der aktivierten Spracheingabefunktion die Möglichkeit bereitstellt, durch die wenigstens eine Spracheingabe aus einer in einer Speichereinrichtung (18) der Vorrichtung (12) gespeicherten und eine Mehrzahl von auswählbaren Medieninhalten umfassenden Liste einen der Medieninhalte auszuwählen und die Wiedergabe des ausgewählten Medieninhalts zu initiieren.
Dieses Merkmal kannte der Fachmann bereits aus Druckschrift D2, so dass auch der Hilfsantrag 2 keinen Erfolg hat.
Denn die Druckschrift D2 offenbart etwa in Figur 10B die Anzeige einer Liste mit einer Mehrzahl von auswählbaren Medieninhalten (Musik-Titeln), aus welcher der Nutzer u. a. durch erneute Spracheingabe einen Medieninhalt auswählen und dessen Wiedergabe initiieren kann (siehe Absatz [0136] letzter Satz).
3.3 Gemäß Hilfsantrag 3 umfasst der Patentanspruch 1 das Merkmal (c) des Hilfsantrags 1 und das Merkmal (d) des Hilfsantrags 2. Er ist aber ebenfalls nicht patentfähig.
Denn die in Verbindung mit dem Patentanspruch 1 des Hauptantrags beanspruchte Aggregation der beide Merkmale ((c): dass die Spracheingabefunktion beendet wird, wenn die „Finger-überdeckt-Ohr“-Geste beendet wird; (d): dass zum Initiieren einer Medienwiedergabe eine Liste mit einer Mehrzahl von auswählbaren Medieninhalten zur Auswahl mittels Spracheingabe angeboten wird) ist nicht anders zu beurteilen als die jeweils nur ein einzelnes der Merkmale aufweisenden Patentansprüche 1 der Hilfsanträge 1 und 2, weil beide Merkmale völlig unabhängig voneinander sind und deswegen auch kein kombinatorischer Effekt auftreten kann.
3.4 Der Patentanspruch 1 des Hilfsantrags 4 basiert auf dem Patentanspruch 1 nach Hauptantrag, d. h. das Verfahren gemäß den Merkmalen (a) und (b) wird weiter eingeschränkt durch folgendes Merkmal:
(e) wobei die Spracheingabefunktion aktiviert wird, wenn der menschliche Nutzer (10) seinen von der Hand (24) abgespreizten Finger (26) in die zumindest teilweise Überdeckung mit dem Ohr (28) bewegt.
Dadurch soll die kausale und zeitliche Abfolge der Gestenerfassung und die darauf basierende Aktivierung der Spracheingabefunktion deutlicher gemacht werden (siehe Beschwerdebegründung Seite 6 Absatz 1).
Die mit Merkmal (e) beanspruchten Maßnahmen gehen aber bereits deutlich aus den Merkmalen (a) und (b) hervor (wonach „in Abhängigkeit von der erfassten Geste wenigstens eine Spracheingabefunktion … aktiviert wird“ und die Geste als „abgespreizter Finger in zumindest teilweise Überdeckung mit einem Ohr“ beansprucht ist), so dass Merkmal (e) nur eine Überbestimmung darstellt und der Lehre des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag nichts hinzufügt.
Daher kann der Hilfsantrag 4 nicht anders als Hauptantrag beurteilt werden.