Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 18.04.2013


BPatG 18.04.2013 - 17 W (pat) 124/08

Patentbeschwerdeverfahren – „Verfahren und Vorrichtung zur Unterstützung der Befehls- und Dateneingabe in Kraftfahrzeugen“ – zur Patentfähigkeit – keine Berücksichtigung der Merkmale, dass Menüfelder für eine manuelle Eingabe mit einem Piktogramm ausgebildet sind und Menüfelder für eine Spracheingabe mit einem alphanumerischen Zeichen – keine technische Problemlösung


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
17. Senat
Entscheidungsdatum:
18.04.2013
Aktenzeichen:
17 W (pat) 124/08
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 100 28 869.3-53

hat der 17. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 18. April 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Phys. Dr. Morawek, der Richterin Eder, des Richters Dipl.-Ing. Baumgardt und der Richterin Dipl.-Phys. Dr. Thum-Rung

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die vorliegende Patentanmeldung, welche die Priorität einer deutschen Voranmeldung vom 6. Juli 1999 in Anspruch nimmt, wurde am 10. Juni 2000 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht. Sie trägt die Bezeichnung:

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„Verfahren und Vorrichtung zur Unterstützung der Befehls-

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und Dateneingabe in Kraftfahrzeugen“.

4

Die Anmeldung wurde durch Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patent- und Markenamts vom 15. September 2008 mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Wesentliche Anspruchsmerkmale seien aus der Entgegenhaltung D1 (s. u.) vorbekannt; die übrigen Aspekte des Anspruchs, welche die optische Hervorhebung von bestimmten Menüfeldern behandelten, beträfen das nicht-technische Gestalten einer Bedienoberfläche und erforderten keine technischen Überlegungen, daher könne durch sie das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit nicht begründet werden. Dazu berief sich die Prüfungsstelle auf die Senatsentscheidungen 17 W (pat) 10/04 - Bedienoberfläche und 17 W (pat) 46/02 - Transaktion im Elektronischen Zahlungsverkehr II.

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Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde der Anmelderin gerichtet. Sie stellt den Antrag,

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den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

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gemäß Hauptantrag mit

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Patentansprüchen 1-12 vom 9. April 2013,

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noch anzupassender Beschreibung Seiten 1-5 und

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3 Blatt Zeichnungen mit 3 Figuren, jeweils vom Anmeldetag;

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gemäß Hilfsantrag mit

12

Patentansprüchen 1-10 vom 9. April 2013,

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im Übrigen wie Hauptantrag.

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Sie erläutert die Unterschiede der Anmeldung gegenüber der Entgegenhaltung D1 und führt aus, warum sie die genannten Senatsentscheidungen hier nicht für einschlägig halte: gemäß der vorliegenden Anmeldung würden Elemente einer Benutzerschnittstelle nicht lediglich umgeordnet, sondern sie würden in besonderer Weise dargestellt, so dass das Spracheingabesystem durch eine optische Rückmeldung unterstützt werde. Eine solche Lehre gehe über eine ergonomische Gestaltung ohne Informationsgewinn hinaus.

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Der geltende Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag, hier mit einer möglichen Gliederung versehen, lautet:

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1. Verfahren zur Unterstützung der Befehls- und Dateneingabe in Kraftfahrzeugen

17

(a) mittels mindestens einer Anzeigeeinheit

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(b) und einem die Anzeigeeinheit ansteuernden Steuergerät,

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(b1) dem mindestens eine Sprachbefehlseingabeeinrichtung zugeordnet ist,

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(c) wobei das Steuergerät über die Anzeigeeinheit einem Nutzer mindestens ein Eingabemenü (1, 10) anzeigt, in dem prinzipiell mögliche Befehls- und Dateneingaben durch Menüfelder (2-9, 11-13) dargestellt sind,

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(d) wobei die Menüfelder (8, 9) einer aktuell zulässigen Sprachbefehls- und/oder Sprachdateneingabe und/oder Anzeigebereiche, in denen die Menüfelder von aktuell zulässigen Sprachbefehls- und/oder Sprachdateneingaben angeordnet sind,

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(d1) optisch hervorgehoben werden,

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dadurch gekennzeichnet,

24

(e) dass ein Menüfeld (8) einer nur manuell eingebbaren Befehls- und/oder Dateneingabe mit einem Piktogramm ausgebildet

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(f) und ein Menüfeld (8) einer aktuell zulässigen Sprachbefehls- und/oder Sprachdateneingabe mit einem alphanumerischen Zeichen ausgebildet ist,

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(g) wobei die zulässigen Sprachbefehls- und/oder Sprachdateneingabe durch das alphanumerische Zeichen visuell dargestellt ist.“

27

Zum nebengeordneten Anspruch 7, der auf eine entsprechende Vorrichtung gerichtet ist, ansonsten aber bis auf drei unbedeutende Änderungen mit dem Verfahrensanspruch 1 übereinstimmt, und den jeweiligen Unteransprüchen 2 bis 6 sowie 8 bis 12 wird auf die Akte verwiesen.

28

Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag weist gegenüber dem Patentanspruch 1 nach Hauptantrag das folgende zusätzliche Merkmal auf:

29

(h) wobei zur Darstellung von aktuell zulässigen Sprachbefehls- und/oder Sprachdateneingabe die Ausbildung eines Menüfelds (8) mit einem Piktogramm in eine Ausbildung mit einem alphanumerischen Zeichen umgewandelt wird.“

30

Zum nebengeordneten Anspruch 6, der auf eine entsprechende Vorrichtung gerichtet ist, aber bis auf vier unbedeutende Änderungen mit dem Verfahrensanspruch 1 übereinstimmt, und den jeweiligen Unteransprüchen 2 bis 5 sowie 7 bis 10 wird erneut auf die Akte verwiesen.

31

Der Anmeldung soll die Aufgabe zugrunde liegen, ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Unterstützung der Befehls- und Dateneingabe in Kraftfahrzeugen zu schaffen, die im Wesentlichen selbsterklärend den Nutzer bei der Befehls- und Dateneingabe unterstützt (siehe Offenlegungsschrift Spalte 1 Zeile 58 - 62).

32

Im Laufe des Verfahrens sind folgende Druckschriften entgegengehalten worden:

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D1 US 5 757 359 A

34

D2 DE 197 30 297 A1

35

D3 DE 197 15 325 A1

II.

36

Die rechtzeitig eingegangene und auch sonst zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg, weil der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der Fassung nach Hauptantrag wie auch in der Fassung nach Hilfsantrag 1 bei Berücksichtigung nur derjenigen Anweisungen, welche die Lösung eines technischen Problems mit technischen Mitteln bestimmen oder zumindest beeinflussen, nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (§§ 1, 4 PatG).

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1. Die vorliegende Patentanmeldung betrifft die Befehls- bzw. Dateneingabe in einem Kraftfahrzeug, beispielsweise für ein Autotelefon. Die Anmeldung geht aus von einer Bedieneinrichtung mit einem Menübefehlssystem, bei dem wesentliche Gerätebedienungselemente als Menüelemente auf einer Anzeigeeinheit dargestellt sind; die Bedienung kann insbesondere über einen berührungsempfindlichen Bildschirm (Touchscreen - siehe Offenlegungsschrift Spalte 3 Zeile 26 / 27) erfolgen.

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Anmeldungsgemäß ist zusätzlich eine Sprachbedieneinrichtung vorgesehen, d. h. der Fahrzeugführer kann Befehls- und Dateneingaben („Rufnummer wählen“; Ziffern der Rufnummer eingeben) durch gesprochene Sprache vornehmen. Dabei tritt nach den Ausführungen der Anmelderin häufig das Problem auf, dass der Fahrzeugführer die Sprachbefehle vergessen habe und während der Fahrt nicht in das zugehörige Benutzerhandbuch schauen könne. Bekannt sei eine Lösung mit einer Sprachausgabeeinrichtung, über die dem Nutzer die erwarteten Befehle ausgegeben würden; diese könnten aufgrund von Nebengeräuschen jedoch nur schlecht wahrgenommen werden, oder aber der Nutzer könne sich aufgrund der Menge an möglichen Optionen nicht die richtige Befehlsstruktur merken. Des Weiteren könne dieser durch eine Verkehrssituation derart beansprucht werden, dass eine Konzentration auf die Sprachausgabe nicht möglich sei. Permanente Wiederholungen der Sprachausgabe seien jedoch sehr störend (vgl. Offenlegungsschrift Spalte 1 Zeile 6 - 35).

39

Zur Verbesserung dieser Situation schlägt die Anmeldung für Menüsysteme mit Sprachbefehlseingabe vor, dass dem Nutzer (Fahrzeugführer) auf einer Anzeigeeinheit das Eingabemenü mit den prinzipiell möglichen Befehls- und Dateneingaben in Form von Menüfeldern anzeigt wird, wobei die aktuell zulässigen Sprachbefehls- bzw. Sprachdateneingaben optisch hervorgehoben werden. Dabei sind die nur manuell eingebbaren Befehls- und/oder Dateneingaben mit einem Piktogramm dargestellt, während die aktuell zulässigen Sprachbefehls- und/oder Sprachdateneingaben mit alphanumerischen Zeichen angezeigt sind, welche den jeweiligen Befehl oder das einzugebende Datum lesbar darstellen.

40

In der Anmeldung ist dazu ausgeführt, weil die jeweils zulässigen Spracheingaben visuell dargestellt und optisch hervorgehoben seien, könne für den Nutzer das Lernen von Befehlssätzen entfallen; außerdem brauche die Gestaltung des Eingabemenüs nicht verändert zu werden, da Menüfelder, die keine Sprachbefehle wiedergeben, optisch zurückträten, aber dennoch stets an gleicher Stelle angeordnet seien. Die Anmelderin hat ferner vorgetragen, durch die lesbare Darstellung der aktuell möglichen Spracheingaben könnten Fehlbedienungen verhindert werden.

41

Gemäß dem Hilfsantrag ist zusätzlich noch vorgesehen, dass zur Darstellung von aktuell zulässigen Sprachbefehls- und/oder Sprachdateneingaben die mit einem Piktogramm ausgebildeten Menüfelder in eine Ausbildung mit alphanumerischen Zeichen umgewandelt werden. Dadurch soll nach dem Vortrag der Anmelderin sichergestellt werden, dass der Nutzer bei einer Umschaltung eines Menüfeldes von manueller Eingabe auf Spracheingabe diese Änderung deutlich wahrnehmen kann und außerdem die Information erhält, durch welchen (abzulesenden) Sprachbefehl die Menüfunktion nun auslösbar ist. Dadurch werde die Verhinderung von Fehlbedienungen noch weiter verbessert.

42

Als Fachmann, der mit der Aufgabe betraut wird, die Befehls- und Dateneingabe in Kraftfahrzeugen für den Nutzer zu vereinfachen und selbsterklärend auszulegen, so dass der Nutzer unterstützt wird und Fehlbedienungen verhindert werden können, sieht der Senat einen Entwicklungsingenieur der Elektrotechnik mit mehrjähriger Berufserfahrung im Bereich der menügesteuerten Gerätebedienung an.

43

2. Der geltende Hauptantrag hat keinen Erfolg, weil dessen Patentanspruch 1 nicht patentfähig ist.

44

2.1 Als nächstliegenden Stand der Technik sieht der Senat die genannte D3 (DE 197 15 325 A1) an. Ihr entnimmt der Fachmann ein Verfahren zur Unterstützung der Befehls- und Dateneingabe in Kraftfahrzeugen mit sämtlichen Merkmalen des Anspruchs 1 des Hauptantrags - auch mit dem Grundprinzip, jedoch nicht mit der konkret beanspruchten Ausbildung der Merkmale (e), (f) und (g).

45

D3 beschreibt eine Anzeige- und Bedienvorrichtung für Menüs und Funktionen von Kraftfahrzeugen, wobei einem Nutzer auf einer Anzeigeeinheit ein Eingabemenü angezeigt wird, in welchem prinzipiell mögliche Befehls- und Dateneingaben durch Menüfelder dargestellt sind (siehe Figur 1, Figur 2 - Merkmale (a), (b), (c)). Ein Druckschalter 2 ist zum Einstellen eines akustischen Auswahl-/Eingabemodus vorgesehen (Anspruch 1; Spalte 1 Zeile 40 ff. - Merkmal (b1)). Die Druckschrift geht von einer ähnlichen Problemstellung wie die vorliegende Anmeldung aus (siehe Spalte 1 Zeile 7 bis 17): Um dem Benutzer anschaulich die Information zu vermitteln, welche Menübefehle durch das Spracherkennungs-System eingegeben werden können und welche nicht, werden nach Betätigen des Druckschalters die mit einer akustischen Bedien- oder Eingabemöglichkeit versehenen Menüs bzw. Funktionen optisch hervorgehoben dargestellt (vgl. Anspruch 1; Spalte 1 Zeile 47 bis 51 - Merkmale (d), (d1)). Die optische Hervorhebung kann durch ein Piktogramm (Pfeil 3) oder einen Farbumschlag erfolgen (Spalte 1 Zeile 51 bis 54).

46

Entsprechend ist auch die abstrakte Lehre zu entnehmen, dass die nur manuell bedienbaren Menüfelder (Figur 1, Bildschirmanzeige 1‘: Audio, Klima, Bordcomputer) gegenüber Menüfeldern, die aktuell für Spracheingabe vorgesehen sind, optisch „anders“ dargestellt werden (teilweise Merkmale (e), (f)). Alle Menüfelder sind dabei durch alphanumerische Zeichen visuell dargestellt (Teil der Merkmale (f) / (g)).

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2.2 Mit den Unterschieden der Lehre der D3 gegenüber der beanspruchten Lehre kann das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit nicht begründet werden.

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2.2.1 In den Unterschieden der Merkmale (e) und (f) zur aus D3 bekannten Ausführung der Befehls- und Dateneingabe kann keine technische Problemlösung gesehen werden, sondern lediglich eine andere Art der Wiedergabe von Informationen, so dass diese Unterschiede bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit nicht zu berücksichtigen sind.

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i) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bei Erfindungen mit Bezug zu Geräten und Verfahren (Programmen) der elektronischen Datenverarbeitung zunächst zu klären, ob der Gegenstand der Erfindung zumindest mit einem Teilaspekt auf technischem Gebiet liegt (§ 1 Abs. 1 PatG). Danach ist zu prüfen, ob dieser Gegenstand lediglich ein Programm für Datenverarbeitungsanlagen als solches darstellt und deshalb vom Patentschutz ausgeschlossen ist. Der Ausschlusstatbestand greift nicht ein, wenn diese weitere Prüfung ergibt, dass die Lehre Anweisungen enthält, die der Lösung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln dienen (BGH GRUR 2011, 610 - Webseitenanzeige). Bei der Prüfung der Erfindung auf erfinderische Tätigkeit sind jedoch nur diejenigen Anweisungen zu berücksichtigen, die die Lösung des technischen Problems mit technischen Mitteln bestimmen oder zumindest beeinflussen (BGH GRUR 2011, 125 - Wiedergabe topografischer Informationen).

50

Dabei hat der Bundesgerichtshof die Nicht-Berücksichtigung von einzelnen Anspruchsmerkmalen für den Ausschlusstatbestand „Programme für Datenverarbeitungsanlagen - als solche“ (§ 1 Abs. 3 Nr. 3, Abs. 4 PatG) begründet. Nach Überzeugung des Senats kann für den Ausschlusstatbestand „Wiedergabe von Informationen“ (§ 1 Abs. 3 Nr. 4 PatG) nichts anderes gelten (vgl. BGH X ZR 3/12 - Routenplanung, insbes. Absatz 43).

51

ii) Die grundsätzliche Technizität (§ 1 Abs. 1 PatG) eines Verfahrens zur Befehls- und Dateneingabe mittels bedienbarer Menüfelder steht hier außer Frage.

52

iii) Nach der Lehre der D3 sind die Menüfelder der aktuell zulässigen Spracheingabe beispielsweise durch Piktogramme (3) unterscheidbar gekennzeichnet, im Übrigen aber mit alphanumerischen Zeichen ausgebildet (siehe Figur 1 - Merkmal (f)). Auch die nur manuell eingebbaren Menüfelder sind nach D3 mit alphanumerischen Zeichen ausgebildet (siehe Figur 1); der anspruchsgemäße Unterschied liegt somit darin, dass die nur manuell eingebbaren Menüfelder durch Piktogramme dargestellt werden sollen (Merkmal (e)). Dabei handelt es sich jedoch lediglich um eine andere Art einer optisch unterscheidbaren Darstellung, die nicht aus technischen Erkenntnissen heraus gewählt wurde und die kein technisches Problem löst. Allenfalls steht im Vordergrund, wie der Nutzer die jeweilige Art der Darstellung empfindet, d. h. es handelt sich um eine „auf die Bedürfnisse und Fähigkeiten der Bedienperson zugeschnittene Gestaltung“ (vgl. den o. g. Senatsbeschluss „Bedienoberfläche“) ohne technischen Bezug. Daher ist dieser Unterschied bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit nicht zu berücksichtigen.

53

iv) Die Anmelderin hat eingewendet, das Spracheingabesystem sehe für jede mögliche Sprachbefehls- oder Sprachdateneingabe genau einen zulässigen Befehl vor, den der Nutzer aussprechen müsse. Wenn der eine mögliche Begriff im jeweiligen Menüfeld lesbar angezeigt werde, nehme diese Maßnahme „auf die technischen Gegebenheiten der Datenverarbeitungsanlage Rücksicht“ (siehe BGH GRUR 2010, 613 - Dynamische Dokumentengenerierung) und dürfe deshalb nicht von der Berücksichtigung ausgeschlossen werden.

54

Dem ist der Senat nicht gefolgt. In der genannten Entscheidung des Bundesgerichtshofs war ein Programm unter Berücksichtigung der beschränkten Leistungsfähigkeit der Hardware und Software des verwendeten Computersystems in spezieller Weise angepasst worden (vgl. dazu auch BGH X ZR 121/11 vom 18. Dezember 2012, Absatz 28: „…ein Datenverarbeitungsprogramm so auszugestalten, dass es auf die technischen Gegebenheiten der Datenverarbeitungsanlage im Sinne einer relevanten Optimierung Rücksicht nimmt“); dieser Aspekt genügte, um den Ausschlusstatbestand zu überwinden. Der vorliegende Fall ist damit jedoch nicht vergleichbar: Hier ist das Problem nicht die Leistungsfähigkeit des zugrundeliegenden technischen Eingabesystems, sondern die Erkennbarkeit und Interpretation der Anzeige in den Menüfeldern durch den Benutzer. Die Auswahl von Piktogrammen für die Anzeige erfolgt nach dem Motto „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“ und hat vor allem den Vorteil, dass auf unterschiedliche Landessprachen keine Rücksicht genommen zu werden braucht. Insofern wird lediglich Rücksicht auf den Benutzer genommen, nicht jedoch auf das technische System.

55

2.2.2 Ein zweiter Unterschied soll nach dem Vortrag der Anmelderin darin liegen, dass nach Merkmal (g) die zulässigen Sprachbefehls- und/oder Sprachdateneingaben durch alphanumerische Zeichen visuell dargestellt sind. Die Anmelderin versteht darunter, dass ein möglicher Sprachbefehl (bzw. das per Sprache eingebbare Datum) lesbar angezeigt wird, so dass der Benutzer nicht auswendig wissen muss, wie eine zulässige Eingabe in Sprache auszudrücken ist, sondern diese jeweils ablesen kann (vgl. Offenlegungsschrift Spalte 3 Zeile 19 - 22).

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Dieses Prinzip ist jedoch für Spracheingabe üblich und auch in D3 bereits realisiert.

57

Zwar wendet die Anmelderin ein, die dort ausgeschriebenen Worte „Navigation“, „Telefon“ u. a. (siehe D3 Figur 1, 2) seien keine ablesbaren Sprachbefehle, weil in D3 nur allgemein von einem „akustischen Auswahl-/Eingabemodus“ die Rede sei (vgl. D3 Anspruch 1, Anspruch 3 und Spalte 1 Zeile 47 - 51, Zeile 54 - 64); nirgendwo sei angegeben, dass gerade die ablesbaren Begriffe die jeweils auszusprechenden Spracheingaben darstellten.

58

Nach Überzeugung des Senats würde der Fachmann bei der Lektüre der D3 jedoch ganz sicher erwarten, dass die in den Figuren der D3 gezeigten Begriffe die möglichen Sprachbefehle darstellen. Es wäre geradezu widersinnig, auf der Menüanzeigefläche etwa den Begriff „Telefon“ durch alphanumerische Zeichen darzustellen, aber die Spracheingabe nicht auf diesen, sondern einen anderen Begriff („Anrufen“?) reagieren zu lassen.

59

Im Übrigen gilt auch für dieses Merkmal, dass die Anzeige der lesbaren Begriffe erfolgt, damit der Benutzer erkennt, was er als Befehl sprechen kann oder muss. Insofern wird wiederum Rücksicht auf den Benutzer genommen, nicht jedoch auf das technische System; ein konkretes technisches Problem wird damit nicht gelöst. Aus diesem Grunde wäre Merkmal (g) bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit ohnehin nicht zu berücksichtigen.

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2.3 Mit dem Patentanspruch 1 fallen auch der nebengeordnete, auf eine entsprechende Vorrichtung gerichtete Anspruch 7 und die Unteransprüche, da über einen Antrag nur einheitlich entschieden werden kann (BGH GRUR 1997, 120 - Elektrisches Speicherheizgerät).

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3. Der geltende Hilfsantrag kann nicht anders beurteilt werden, der Gegenstand seines Patentanspruchs 1 beruht gleichfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

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3.1 Wie oben angegeben, weist der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag gegenüber dem Patentanspruch 1 nach Hauptantrag das folgende zusätzliche Merkmal auf:

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(h) wobei zur Darstellung von aktuell zulässigen Sprachbefehls- und/ oder Sprachdateneingabe die Ausbildung eines Menüfelds (8) mit einem Piktogramm in eine Ausbildung mit einem alphanumerischen Zeichen umgewandelt wird.“

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Diese Maßnahme betrifft den besonderen Fall einer Zustandsänderung des Eingabesystems, so dass ein bisher nur manuell bedienbares Menüfeld nunmehr (auch) durch Spracheingabe bedient werden kann; um dies dem Nutzer zu signalisieren und ihm den erforderlichen Eingabebegriff anzuzeigen, wird das ursprüngliche Piktogramm in alphanumerische Zeichen umgewandelt.

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3.2 Damit kann das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit nicht begründet werden.

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Eine Umschaltung von manueller Bedienung auf Spracheingabe ist in D3 bereits vorbeschrieben (Druckschalter 2, siehe kennzeichnendes Merkmal des dortigen Anspruchs 1). Daraufhin erfolgt eine optische Hervorhebung möglicher Sprachbefehle durch ein Symbol (Pfeil 3), einen Farbumschlag o. ä. (Spalte 1 Zeile 44 - 54).

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Hiervon unterscheidet sich das zusätzliche Merkmal (h) nur noch durch eine andere Art der optischen Hervorhebung, nämlich in Form alphanumerischer Zeichen. Eine solche Maßnahme ist hier aber nicht anders zu bewerten als beim Hauptantrag (s. o. 2.2), sie kann bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit nicht berücksichtigt werden.