Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 19.06.2012


BPatG 19.06.2012 - 17 W (pat) 113/07

Patentbeschwerdeverfahren – „Automatische Indexierung von digitalen Bildarchiven zur inhaltsbasierten, kontextsensitiven Suche“ – unzulässige Erweiterung bei wirksamer Ausscheidungserklärung


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
17. Senat
Entscheidungsdatum:
19.06.2012
Aktenzeichen:
17 W (pat) 113/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 103 33 530.7-53

hat der 17. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 19. Juni 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Phys. Dr. Fritsch, der Richterinnen Eder und Dipl.-Ing. Wickborn sowie des Richters Dipl.-Phys. Dr. Forkel

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

Gründe

I.

1

Die vorliegende Patentanmeldung wurde am 23. Juli 2003 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht. Sie trägt die Bezeichnung

2

„Automatische Indexierung von digitalen Bildarchiven zur inhaltsbasierten, kontextsensitiven Suche“.

3

Die Anmeldung wurde von der Prüfungsstelle für Klasse G06F des Deutschen Patent- und Markenamtes mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Patentanspruch 1 unzulässig sei, da sein Gegenstand im Wesentlichen dem auf den ursprünglichen Patentanspruch 1 rückbezogenen ursprünglichen Patentanspruch 3 entspreche, auf den aber mit der am 7. März 2006 eingegangenen (Ausscheidungs-) Erklärung rechtswirksam verzichtet worden sei.

4

Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde der Anmelderin gerichtet.

5

Die Anmelderin stellt den Antrag,

6

den angegriffenen Beschluss aufzuheben und das nachgesuchte

7

Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

8

gemäß Hauptantrag mit

9

Patentansprüchen 1 – 4 vom 13. August 2007, eingegangen am 24. August 2007,

10

Beschreibung Seiten 1 – 23 vom 2. März 2006, eingegangen am 7. März 2006,

11

5 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 – 4 vom Anmeldetag;

12

gemäß Hilfsantrag mit

13

Patentanspruch 1, überreicht in der mündlichen Verhandlung,

14

Patentanspruch 2 wie Hauptantrag,

15

noch anzupassenden Patentansprüchen 3 und 4 sowie

16

noch anzupassender Beschreibung und Zeichnungen mit Figuren, jeweils wie Hauptantrag.

17

Im Prüfungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt sind die Druckschriften

18

D1: SAKELLARIS, G.C.; FOTIADIS, D.I.: XMedIA Communication System: An XML driven Medical Image Processing and Archiving Environment. 23 rd EMBS International Conference, 2001, Istanbul, Turkey, S. 3630-3633;

19

D2: DE 100 48 479 A1;

20

D3: Le BOZEC, Christel; ZAPLETAL, Eric u.a.: Towards content-based image retrieval in a HIS-integrated PACS. American Medical Informatics Association (AMIA), 2000 http://www.medicine.ucsd.edu/f2000/E001440.

21

htm >, Session S49

22

und

23

D4: LEHMANN, Thomas M.; GULD, Mark O.; THIES, Christian u.a.: Content-based image retrieval in medical applications for picture archiving and communication systems. In: Proceedings of SPIE – Volume 5033, Mai 2003, S. 109-117, DOI: 10.1117/12.481942

24

genannt worden. Vom Senat wurde zusätzlich die Druckschrift

25

D5: HENRY, G.; REIMER, J.: A radiology archive using a digital library, International Journal on Digital Libraries, Springer-Verlag, 1997, S. 231-240

26

eingeführt.

27

Der geltende Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag, hier mit einer möglichen Gliederung versehen, lautet (nach Korrektur eines offensichtlichen Schreibfehlers):

28

„Verfahren zur automatischen Indizierung von Datenarchiven (304c) und Kategorisierung der darin gespeicherten explizit kodierten strukturierten Dokumente (102a-n) zwecks Ermöglichung einer inhaltsbasierten Suche nach bestimmten Dokumenten (102i) und/oder von diesen Dokumenten (102i) gegebenenfalls referenzierten, in einer Bilddatenbank (304a) hinterlegten Bilddateien eines bestimmten Formats und einer betimmten bestimmten Dateistruktur,

29

aufweisend die folgenden Schritte:

30

(A) Merkmalsextraktion (S0a) aus einer Anzahl der von einem Dokumentenmanagementsystem (304) eines Bildretrievalsystems (300) verwalteten Dokumente (102a-n) zur Erzeugung eines aus Elementen mindestens zweier Attribute bestehenden invertierten Indexes (116), welcher auf in diesen Dokumenten (102a-n) enthaltene Indexterme verweist, die neben bestimmten Datenobjekten auch für ein inhaltsbasiertes Bildretrieval zusätzlich benötigte Kontextinformationen zu den jeweiligen Datenobjekten enthalten, und

31

(B) Durchführung eines Parsing-Algorithmus (S0b) und eines Algorithmus (S0c) zur Extraktion von Merkmalen neuer (102o-z), inhaltlich erweiterter oder veränderter Dokumente (102a-n) bei Speicherung dieser Dokumente (102a-z) in einem vom Dokumentenmanagementsystem (304) verwalteten Datenarchiv (304c) zur Aktualisierung des invertierten Indexes (116),

32

dadurch gekennzeichnet,

33

(C) dass der invertierte Index 116 automatisch erweitert und/oder aktualisiert wird (S8), indem die Übermittlung geplanter und/oder ausgewählter Prozessschritte vom Vorgangssteuerungssystem 306 zu der für die Speicherung des Indizes 116 vorgesehenen Speichereinheit 304b des Dokumentenmanagementsystems 304 und die Eintragung dieser Prozessschritte in die Speicherzellen der Elemente dafür vorgesehener Indexattribute erfolgt.“

34

Zum nebengeordneten Patentanspruch 3 und zu den Unteransprüchen 2 und 4 wird auf die Akte verwiesen.

35

Der geltende Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag, hier mit einer möglichen Gliederung versehen, lautet (nach Korrektur eines offensichtlichen Schreibfehlers):

36

„Verfahren zur automatischen Indizierung von Datenarchiven (304c) und Kategorisierung der darin gespeicherten explizit kodierten strukturierten Dokumente (102a-n) zwecks Ermöglichung einer inhaltsbasierten Suche nach bestimmten Dokumenten (102i) und/oder von diesen Dokumenten (102i) gegebenenfalls referenzierten, in einer Bilddatenbank (304a) hinterlegten Bilddateien eines bestimmten Formats und einer betimmten bestimmten Dateistruktur,

37

aufweisend die folgenden Schritte:

38

(A) Merkmalsextraktion (S0a) aus einer Anzahl der von einem Dokumentenmanagementsystem (304) eines Bildretrievalsystems (300) verwalteten Dokumente (102a-n) zur Erzeugung eines aus Elementen mindestens zweier Attribute bestehenden invertierten Indexes (116), welcher auf in diesen Dokumenten (102a-n) enthaltene Indexterme verweist, die neben bestimmten Datenobjekten auch für ein inhaltsbasiertes Bildretrieval zusätzlich benötigte Kontextinformationen zu den jeweiligen Datenobjekten enthalten, und

39

(B) Durchführung eines Parsing-Algorithmus (S0b) und eines Algorithmus (S0c) zur Extraktion von Merkmalen neuer (102o-z), inhaltlich erweiterter oder veränderter Dokumente (102a-n) bei Speicherung dieser Dokumente (102a-z) in einem vom Dokumentenmanagementsystem (304) verwalteten Datenarchiv (304c) zur Aktualisierung des invertierten Indexes (116),

40

(C1) Zugriff auf eine Verarbeitungseinheit (108), die zur ereignisgesteuerten Umwandlung geparster Dokumente (106) in eine intermediäre Repräsentation dient, die zur Eintragung in den invertierten Index geeignet ist;

41

(D1) wobei der invertierte Index (116) kontextsensitiv ist, so dass die Kontextinformationen bei der Merkmalsextraktion (S0a) erhalten bleiben.“

42

Zum nebengeordneten Patentanspruch3 und zu den Unteransprüchen 2 und 4 wird wieder auf die Akte verwiesen.

43

Die Anmelderin trägt vor, dass die Grundlage des beanspruchten Verfahrens darin bestehe, die in strukturierten Dokumenten vorhandenen Informationen (z. B. medizinische Fachbegriffe, Codes für bestimmte Diagnosen usw.) für die Erzeugung eines invertierten Indexes zu nutzen. Durch die Berücksichtigung von Kontextinformationen im Index werde eine inhaltsbasierte Suche über den gesamten Dokumentenbestand möglich und zwar über beliebige Inhalte. Das beanspruchte Verfahren biete darüber hinaus den Vorteil, heterogene Datensätze aus verteilten Systemen zusammenzuführen und diese so zu verarbeiten, dass Kontextinformationen für ein inhaltsbasiertes Bildretrieval erhalten bleiben.

44

Die jeweiligen Gegenstände nach dem Patentanspruch 1 gemäß Haupt- und Hilfsantrag seien weder durch die Druckschriften D1 bis D4 noch durch die vom Senat nachbenannte Druckschrift D5 nahegelegt.

45

Die jeweiligen Gegenstände nach dem Patentanspruch 1 gemäß Haupt- und Hilfsantrag seien nicht nur neu, sondern würden auch auf erfinderischer Tätigkeit beruhen.

II.

46

Die Beschwerde wurde rechtzeitig eingelegt und ist auch sonst zulässig. Sie hat jedoch keinen Erfolg, weil der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag unzulässig erweitert worden ist (§ 38 PatG) und weil der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (§ 4 Satz 1 PatG).

47

1. Die vorliegende Patentanmeldung betrifft die automatische Indexierung von digitalen Bildarchiven zur inhaltsbasierten, kontextsensitiven Suche.

48

Laut Beschreibung liege die Hauptanwendung des beschriebenen Verfahrens im Bereich der Bilddatenbanken, d. h. der Datenbanken, die überwiegend Bilddaten umfassen würden. In einer anspruchsvollen Form dieser Datenbanken werde vor Abspeicherung der Gehalt der Bilder interpretiert und das Ergebnis in eine Datenstruktur überführt, die dann eine inhaltsbezogene Auswahl bzw. ein inhaltsbezogenes Bildretrieval erlaube. Inhaltsbezogene bzw. inhaltsbasierte Bildretrievalmethoden hätten den Vorteil, die wesentlichen Merkmale eines Bildes automatisch extrahieren und diese als Beschreibungsgrundlage zur inhaltsbasierten Suche nach Bildern, die in einem Bildarchiv gespeichert seien, nutzen zu können. Derartige Verfahren kämen auf zahlreichen Gebieten zu Einsatz, z. B. in der medizinischen Diagnose beim Vergleich extrahierter Parameter aufgenommener Röntgenbilder eines Patienten mit gespeicherten Bildparametern von Bildern krankhafter Gewebestrukturen aus einer Bilddatenbank (geltende Beschreibung, Seite 3, letzter Absatz – Seite 4, erster Absatz). Aus dem Stand der Technik seien textbasierte Bildretrievalverfahren bekannt, die zum Abruf binär kodierter Bilddateien verwendet würden und die auf einer einfachen Volltextsuche mit geeigneten Suchbegriffen basierten. Dabei würden Bilddateien und Datenobjekte durch Stichwörter innerhalb der Dokumente beschrieben, um sie über eine Suche wiederauffinden zu können. Der Hauptnachteil dieser Vorgehensweise bestehe dabei in der Reduktion eines komplexen Bildinhalts auf wenige Begriffe, die den Inhalt des Bildes oft nur ungenügend wiedergeben könnten. So seien die sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten zur präzisen verbalen Beschreibung von Mustern, Topologien, Oberflächenstrukturen usw. sehr begrenzt (geltende Beschreibung, Seite 3, zweiter Absatz).

49

Im Bereich des medizinischen Text- und Bildretrievals seien insbesondere zwei Kommunikationsstandards zur Beschreibung, Speicherung, Übertragung und Interpretation medizinischer Bilddaten und damit verknüpfter Kontextinformationen von Bedeutung: DICOM SR (Digital Imaging und Communication in Medicine – Structured Reporting) und HL7 (Health Level Seven). Die beiden Kommunikationsstandards würden Beschreibungssprachen (z. B. SNOMED) innerhalb einer explizit kodierten Dokumentenstruktur – zur Kodierung von Patientendaten – verwenden, damit diese indiziert und wiederaufgefunden werden könnten. Strukturierte Dokumente im DICOM SR oder HL7 Format würden selbst keine Bildobjekte enthalten, sondern sog. Unique Identifiers (UIDs), über die Bilddaten und andere Objekte referenziert würden. Innerhalb der Dokumente stünden diese UIDs im Kontext weiterer beschreibender Daten, z. B. Kodes, mit denen ein Untersuchungsverfahren näher bezeichnet werde. Über diese Metadaten ließen sich der Inhalt eines bestimmten referenzierten Objekts sowie diesbezügliche Beobachtungen beschreiben (geltende Beschreibung, Seite 8, letzter Absatz – Seite 10, zweiter Absatz).

50

Herkömmliche Bildretrievalsysteme bzw. –verfahren seien hinsichtlich der benötigten Zeit für die Bearbeitung von Suchanfragen und der Bereitstellung der gewünschten Information durchaus verbesserungswürdig. Außerdem seien die bekannten Systeme nur eingeschränkt in der Lage, den Anwender bei der Planung notwendiger medizinischer Prozessschritte zu unterstützen (geltende Beschreibung, Seite 15, letzter Absatz).

51

Der Anmeldung soll die Aufgabe zugrunde liegen, den Zeitaufwand für eine im Rahmen eines Bild- und/oder Dokumentenretrievalverfahrens durchgeführte Suche nach Dokumenten eines bestimmten Formats und einer bestimmten Dokumentenstruktur und/oder von diesen Dokumenten referenzierten Bilddateien zu verkürzen (geltende Beschreibung, Seite 12, zweiter Absatz).

52

Als Fachmann, der mit der Aufgabe betraut wird, ein Bild- oder Dokumentenretrievalverfahren zu verbessern, ist ein Physiker oder Ingenieur der Elektrotechnik mit Hochschulabschluss anzusehen, welcher über eine mehrjährige Berufserfahrung im Bereich der Medizintechnik und hier insbesondere der digitalen Bildarchivierung in Praxen und Krankenhäusern verfügt.

53

2. Zum Hauptantrag

54

Der Patentanspruch 1 ist nicht gewährbar, da sein Gegenstand unzulässig erweitert worden ist (§ 38 PatG).

55

2.1 Die von der Anmelderin mit Eingabe vom 2. März 2006 abgegebene Erklärung, die Patentansprüche 1, 5 und 6 in der Stammanmeldung zu belassen und die Patentansprüche 2 bis 4 und 7 aus der Stammanmeldung herauszuteilen, stellt eine Ausscheidungserklärung dar.

56

Im Erstbescheid hat die Prüfungsstelle für Klasse G06F gerügt, dass das ursprüngliche Patentbegehren einerseits auf ein Verfahren und Systeme zur automatischen Analyse von Dokumenten zum Zwecke des einfachen Wiederauffindens (Patentansprüche 1, 5, 6 und 7) und andererseits auf ein Vorgangssteuerungssystem zur Steuerung von Prozess-Schritten (Patentansprüche 2 bis 4) gerichtet sei. Diesen Gegenständen fehle ein einheitlicher Zusammenhang.

57

Die von der Anmelderin daraufhin abgegebene Erklärung, die auf das erfindungsgemäße Indexierungsverfahren bzw. auf ein Dokumentenmanagementsystem bezogenen Patentansprüche 1, 5 und 6 in der Stammanmeldung zu belassen und die auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Verfahrensansprüche 2 und 3, den auf einen der Patentansprüche 1 bis 3 rückbezogenen Verwendungsanspruch 4 sowie den auf das Client/Server-System gerichteten Vorrichtungsanspruch aus der Stammanmeldung herauszuteilen, führten zur Trennung der bisherigen Anmeldung in zwei unabhängige Anmeldungen, nämlich die Stammanmeldung DE 103 33 530.7 und die Ausscheidungsanmeldung DE 103 62 149.0 (Schulte, Patentgesetz, 8. Auflage, § 34 Rdn. 264).

58

2.2 Die ausgeschiedenen Gegenstände sind nicht mehr Bestandteil der vorliegenden Stammanmeldung.

59

Durch Wirksamwerden der Ausscheidungserklärung sind die in der Stammanmeldung ursprünglich vorhandenen Gegenstände der damals geltenden Patentansprüche 2 bis 4 und 7 zusammen mit dem jeweiligen Ausführungsbeispiel in der Beschreibung aus der Stammanmeldung ausgeschieden worden. Dadurch sind die Verfahrensschritte (S1) bis (S7) des damals geltenden Patentanspruchs 2 sowie der darauffolgende Schritt (S8), wonach die Erweiterung des invertierten Indexes durch Übermittlung geplanter und/oder ausgewählter Prozessschritte vom Vorgangssteuerungssystem zu einer Speichereinheit des Dokumentenmanagementsystems und die Eintragung dieser Prozessschritte in die Speicherzellen der Elemente dafür vorgesehener Indexattribute vorgesehen sind, der Gegenstand des damals geltenden Patentanspruchs 3 war, zusammen mit dem dazugehörigen Ausführungsbeispiel nicht mehr Bestandteil der vorliegenden Stammanmeldung.

60

2.3 Der Patentanspruch 1 enthält eine ausgeschiedene Merkmalsgruppe und ist daher unzulässig.

61

Der Patentanspruch 1 enthält im kennzeichnenden Teil (Merkmalsgruppe (C)) die redaktionell angepassten Merkmale des ursprünglichen Patentanspruchs 3, welche gemäß der abgegebenen Erklärung zwar ausgeschieden, jedoch in der Beschreibung der Stammanmeldung belassen wurden.

62

Da die Merkmale des Patentanspruchs 3 nicht unabhängig, sondern ausschließlich im Zusammenhang mit den im Patentanspruch 2 beanspruchten Verfahrensschritten offenbart sind, sind diese Merkmale zusammen mit dem dazugehörigen Ausführungsbeispiel voll und ganz den jeweiligen ausgeschiedenen Gegenständen zuzurechnen.

63

Die Stammanmeldung kann sich auch dann nicht mehr auf den ausgeschiedenen Teil erstrecken, wenn die Erläuterung dieses Teils in der Beschreibung verblieben ist (Benkard, Patentgesetz, 10. Auflage, § 34 Rdn. 117 m. w. N.). In der vorliegenden Stammanmeldung kann auf die Merkmale des ursprünglichen Patentanspruchs 3 daher nicht mehr zurückgegriffen werden.

64

Es muss dabei dahingestellt bleiben, ob die Rüge der Uneinheitlichkeit durch die Prüfungsstelle überhaupt zutreffend war, da eine Bindung an die Ausscheidungserklärung eintritt, sobald über die beantragte Ausscheidung mit dem DPMA Einverständnis erzielt ist (Schulte, a. a. O. § 34 Rdn. 272, 275).

65

Der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag ist damit nicht gewährbar. Mit dem Patentanspruch 1 fallen zwangsläufig auch die übrigen Patentansprüche, da über einen Antrag nur einheitlich entschieden werden kann.

66

3. Zum Hilfsantrag

67

Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag ist nicht gewährbar, weil sein Gegenstand nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (§ 4 Satz 1 PatG).

68

3.1 Der Anspruch 1 bedarf der Auslegung.

69

Gegenstand ist ein Verfahren, mit dem die in Datenarchiven (beispielsweise einem medizinischen Datenarchiv) gespeicherten Dokumente einer automatischen Indizierung unterzogen und eine Sortierung der Dokumente nach Kategorien vorgenommen werden soll. Die Dokumente sind explizit kodiert und strukturiert (d. h. sie enthalten Kodes für medizinische Fachbegriffe oder Diagnosen). In diesem Datenarchiv soll nach bestimmten Dokumenten bzw. von diesen Dokumenten gegebenenfalls referenzierten Bilddateien (z. B. Röntgenbilder) inhaltsbasiert (z. B. nach) gesucht werden können. Die in einer Bilddatenbank gespeicherten Bilddateien weisen ein bestimmtes Format und eine bestimmte Dateistruktur auf.

70

Hierzu ist Folgendes vorgesehen:

71

(A) Es wird ein invertierter Index erzeugt:

72

- Die Dokumente werden von einem Dokumentenmanagementsystem eines Bildretrievalsystems verwaltet (Merkmal (A1)).

73

- Bei einer Anzahl der Dokumente wird eine Merkmalsextraktion durchgeführt (Merkmal (A2)).

74

- Die Merkmalsextraktion dient zur Erzeugung eines invertierten Indexes (Merkmal (A3)). Gemäß Abs. [0045] und  [0047] der Offenlegungsschrift ist der invertierte Index ein Primärschlüssel zum Zugriff zu den Dokumenteninhalten. Der invertierte Index ist einem Patienten oder einer Patientengruppe zugeordnet und enthält die während eines Untersuchungszeitraums erfassten Patientendaten. Gemäß Fig. 2 der Offenlegungsschrift enthält das Dokument als Attribute (Dokumentenfelder) beispielsweise die Identifikationsnummer des Patienten, den Patientennamen, die Diagnose, die angewandten Untersuchungsmethode (z. B. CT Schädel), die Therapie, ein Bild (Bilddaten des Patienten), ein Dokument (Text) etc. Zur Erzeugung des invertierten Indexes wird statt des üblicherweise als Index benutzen Attributes „Patientenidentifikationsnummer“ das Attribut „Bilddaten des/der untersuchten Patienten“ als Primärschlüssel zum Zugriff zu den Dokumenteninhalten verwendet.

75

- Der invertierte Index besteht aus Elementen mindestens zweier Attribute (Merkmal (A4)), d. h. er enthält Elemente aus wenigstens zwei Dokumentenfeldern (z. B. Bilddaten des Patienten und die Diagnose).

76

- Der invertierte Index verweist auf in den Dokumenten (102a-n) enthaltene Indexterme (Merkmal (A5)), d. h. Terme, die durch Kodierungs- und Klassifikationsschemata definiert sind (Offenlegungsschrift Abs. [0033]).

77

- Die Indexterme enthalten neben bestimmten Datenobjekten auch für ein inhaltsbasiertes Bildretrieval zusätzlich benötigte Kontextinformationen zu den jeweiligen Datenobjekten (Merkmal (A6)), z. B. Diagnosen, Untersuchungsmethoden, Therapieverfahren.

78

(B) Zur Aktualisierung des invertierten Indexes werden bei Eingabe neuer, inhaltlich erweiterter oder veränderter Dokumente (z. B. Eingabe einer neuen Diagnose oder neuer Bilddaten durch den Arzt) bei Speicherung dieser Dokumente in dem vom Dokumentenmanagementsystem verwalteten Datenarchiv eine syntaktische Analyse (Parsing-Algorithmus) der entsprechenden Dokumente durchgeführt sowie ein Algorithmus zur Merkmalsextraktion.

79

(C1) Durch eine Verarbeitungseinheit erfolgt eine ereignisgesteuerte Umwandlung der (gemäß Merkmal B) einer syntaktischen Analyse unterzogenen (geparster) Dokumente in eine geeignete parametrisierte Darstellung (intermediäre Repräsentation), die zur Eintragung in den invertierten Index geeignet ist. Gemäß Abs. [0048] der Offenlegungsschrift werden dabei aus den geparsten Dokumenten und von diesen referenzierten Bilddateien automatisch Merkmale extrahiert, die zur Erzeugung des invertierten Indexes benötigt werden.

80

(D1) Der invertierte Index ist kontextsensitiv, so dass die Kontextinformationen bei der Merkmalsextraktion erhalten bleiben. Gemäß Abs. [0048] der Offenlegungsschrift ist dadurch ein inhaltsbasiertes Bildretrieval bei der Suche nach in den Bilddatenbanken gespeicherten Bilddateien möglich.

81

3.2 Zur Beurteilung der beanspruchten Lehre sind die Druckschriften D5 und D3 von besonderer Bedeutung.

82

Aus Druckschrift D5 ist Folgendes entnehmbar:

83

In einem medizinischen Daten-Archiv sind Patienteninformationen mit Patientendaten, Bildern und Diagnose-Berichten enthalten, die aus einem Bildarchivierungs- und Kommunikationssystem PACS (Picture Archiving and Communication System) und einem Krankenhaus-Informationssystem HIS (Hospital Information System) stammen. Das Archiv stellt einen zentralen Datenbankindex bereit, welcher sicherstellt, dass der Benutzer jederzeit Zugriff auf vollständige und aktuelle Datensammlungen hat (Seite 233, linke Spalte, zweiter Absatz – rechte Spalte, erster Absatz; Fig. 2; Fig. 3; Seite 235, Abschnitt „Integration of the digital library with current operations“; Seite 235, rechte Spalte, Abschnitt „Overall radiology archive system structure“, erster bis dritter Absatz). Die Daten werden einer automatischen Indizierung unterzogen (Seite 233, linke Spalte, zweiter Absatz; Seite 236, rechte Spalte, Schritt D, siehe „SearchManager will collect these at a regularly scheduled interval for building an inverted index.“) und die darin abgelegten explizit kodierten strukturierten Dokumente (DICOM objects) gemäß dem Datenmodell des Archivs in Kategorien eingruppiert (Seite 236, rechte Spalte, Schritt C, siehe „These DICOM objects are parsed to identify the information needed for the index classes and attributes, as defined in the Radiology Archive data model.“).

84

Das bekannte Verfahren ermöglicht eine inhaltsbasierte Suche, nämlich eine Volltextsuche (Seite 236, rechte Spalte, Schritt D, siehe „full text search“), nach bestimmten Dokumenten, die die in einer Bilddatenbank hinterlegten Bilddateien eines bestimmten Formats und einer bestimmten Dateistruktur referenzieren (Seite 235, Abschnitt „Integration of the digital library with current operations“; Seite 235, rechte Spalte, Abschnitt „overall radiology archive system structure“, erster bis dritter Absatz, siehe „radiology images in DICOM format“; Seite 236, rechte Spalte, Schritt C, siehe „The medical record number will be the primary key in matching patient demographics with images, with additional information used to further qualify the correlation between the patient, the study and the images.“ und Schritt D).

85

Parsing und Merkmalsextraktion finden über einer Menge von Dokumenten statt, welche von einem Bildretrievalsystem verwaltet werden (Seite 236, rechte Spalte, Schritt C, siehe „These DICOM objects are parsed to identify the information needed for the index classes and attributes“ – Merkmale (A1), (A2)). Zur Unterstützung von Suchanfragen wird ein invertierter Index erzeugt (Seite 236, rechte Spalte, Schritt D – Merkmal (A3)). Dass der invertierte Index auf Indexterme bzw. Indexbegriffe verweist, welche in den Dokumenten enthalten sind (Seite 236, rechte Spalte, Schritt D, siehe „Text searchable parts will be identified … for building an inverted index that will support full text search.“), wird vom Fachmann mitgelesen (Merkmal (A5)). Solche Indexterme sind gewöhnlich als beliebige Wörter, Wortgruppen oder auch als Schlüsselwörter in einem Index gespeichert. Ein invertierter Index hat gerade die Eigenschaft, dass er für jeden Indexterm Referenzen auf die Dokumentenstellen enthält, wo er vorkommt. Die Indexterme können hierdurch beliebige Datenobjekte oder Informationen zu diesen in den Dokumenten eines Informationssystems referenzieren. Die Röntgenbilder (images) stellen solche Datenobjekte dar; die patientenbezogenen Daten (patient demographics, study) beschreiben als referenzierbare Informationen in den Dokumenten einen Kontext zu den Bildern, fungieren demnach als Kontextinformationen (Merkmal (A6)). Zwar handelt es sich bei den Kontextinformationen nicht um bildbeschreibende Informationen sondern vielmehr um Informationen, die den Zusammenhang zwischen einem Patienten und dessen Krankenstudien sowie Bildern herstellen und beschreiben. Ungeachtet dessen können diese Informationen im Archivsystem für ein Bildretrieval genutzt werden (Seite 236, rechte Spalte, Schritt C, siehe „The medical record number will be the primary key in matching patient demographics with images, with additional information used to further qualify the correlation between the patient, the study and the images.”).

86

Der Fachmann entnimmt dieser Druckschrift auch, dass jede Veränderung an den DICOM Dokumenten im Bibliotheksserver nachgezogen wird (Seite 240, rechte Spalte, erster Absatz, siehe „Updates to objects are reflected in the library server, thereby assuring that subsequent usage anywhere in the system will result in the most current version being provided to the user.“). Falls – wie in dieser Druckschrift angegeben - für Suchanfragen immer der aktuellste Datenbestand bereitgestellt werden soll, bedeutet dies aber auch, dass der Datenbankindex und damit verbunden auch der invertierte Index aktualisiert werden muss (Seite 233, linke Spalte, siehe auch im letzten Absatz „Centralized index information ensures that users who are properly authorized to access the database will search against complete and current information, …“; Seite 236, rechte Spalte, Schritt D, siehe „Text searchable parts will be identified as such so that SearchManager will collect these at a regularly scheduled interval …“). Werden Dokumente verändert oder neu eingepflegt, so geschieht dies unter Anwendung der bereits oben genannten Schritte, zu denen neben einem Parsing auch eine Extraktion von Merkmalen aus den jeweiligen Dokumenten gehört (Seite 236, rechte Spalte, Schritt C, siehe „These DICOM objects are parsed to identify the information needed for the index classes and attributes…“ – Merkmal (B)).

87

Das Parsing erfolgt ereignisgesteuert unter Zugriff auf eine Verarbeitungseinheit (Seite 236, rechte Spalte, Schritte C und D, siehe „The DICOM Gateway component receives DICOM-formatted messages from the PACS entities …“ – teilweise Merkmal (C1)).

88

Jede erfolgreiche Aktualisierung der relevanten Datenstrukturen, z. B. des invertierten Indexes, beinhaltet zudem, dass einerseits die Kontextinformationen möglichst vollständig aus den DICOM Dokumenten extrahiert und im Index abgebildet werden und dass andererseits die im Index bereits vorhandenen und von keiner Änderung betroffenen Kontextinformationen auch nach einer Veränderung von DICOM Dokumenten mit anschließender Merkmalsextraktion erhalten bleiben. Dies ergibt sich zwangsläufig aus der Forderung nach Vollständigkeit und Widerspruchsfreiheit des Datenbestandes im Archiv. Die Datenstrukturen berücksichtigen somit jederzeit den „richtigen“ Kontext und sind in diesem Sinne „kontextsensitiv“ (Merkmal (D1)).

89

Ein inhaltsbasiertes Bildretrieval, z. B. auf Basis eines Vokabulars zur Beschreibung bildbasierter Studien, ein aus mindestens zwei Attributen bestehender invertierter Index (Merkmal (A4)) sowie die Umwandlung geparster Dokumente in eine intermediäre Repräsentation, die zur Eintragung in den invertierten Index geeignet ist (Merkmal (C1)), sind der Druckschrift allerdings nicht entnehmbar.

90

Aus Druckschrift D3 ist Folgendes entnehmbar:

91

Gegenstand ist ein Bildarchivierungs- und Kommunikationssystem PACS (Picture Archiving and Communication System) für medizinische Bildaufnahmen im Rahmen der Entwicklung und Integration eines PACS in ein krankenhausspezifisches Informationssystem HIS (Hospital Information System), in dem Aufnahmen, Patientendaten, technische Informationen und Daten zu Untersuchungsmethoden explizit kodiert (im Standardvokabulars SNOMED) und strukturiert (im DICOM Format) gespeichert vorliegen (Seite 1, rechte Spalte; Seite 2 linke Spalte, Abschnitt „Methods“; Seite 2, rechte Spalte, Abschnitt „Procedure Transmission to the PACS“) und eine Suche nach Dokumenten und Bilddateien sowie ein inhaltsbasiertes Bildretrieval ermöglicht wird (Seite 1, Abstract; Seite 3, rechte Spalte; Seite 4, linke Spalte). Die in der Bilddatenbank gespeicherten Bilddateien weisen daher ein bestimmtes Format und eine bestimmten Dateistruktur auf. Das Verfahren verwendet das Standardvokabular SNOMED zur Beschreibung von Bildinhalten (Seite 1, rechte Spalte; Seite 2 linke Spalte, Abschnitt „Methods“). Werden die Bilder und die zugehörigen Dokumente im DICOM Format ins Bildarchiv exportiert, so bleiben Kontextinformationen erhalten. Die Kontextinformationen beschreiben hier nicht nur den Zusammenhang der Merkmale innerhalb ein und desselben Dokuments sondern auch einen fallübergreifenden inhaltlichen Zusammenhang zwischen verschiedenen Dokumenten. Es wird dadurch ein inhaltsbasiertes Bildretrieval ermöglicht, welches z. B. zu einer neuen Studie bereits vorhandene, ähnliche Studien ermittelt und diese in einen gemeinsamen Zusammenhang stellt (Seite 3, rechte Spalte, Abschnitt „Content-based image retrieval and browsing for patient care“ – Seite 4, linke Spalte; Fig. 5).

92

Die Indexterme enthalten neben bestimmten Datenobjekten auch für ein inhaltsbasiertes Bildretrieval zusätzlich benötigte Kontextinformationen (Seite 5, linke Spalte, zweiter Absatz, siehe „multiexpert image descriptions“ und dritter Absatz, siehe „demographic and procedure data“) zu den jeweiligen Datenobjekten (Merkmal (A6)).

93

Die über eine inhaltsbasierte Suchanfrage ermittelten Resultate können vom Anwender jederzeit gesichtet, in Studien aufgenommen und ins Datenbanksystem eingepflegt werden (Seite 3, rechte Spalte, Abschnitt „Content-based image retrieval and browsing for patient care“), was eine Anpassung der relevanten Datenstrukturen impliziert (teilweise Merkmal (B)).

94

3.3 Das Verfahren nach dem Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag beruht nicht auf erfinderischer Tätigkeit (§ 4 Satz 1 PatG).

95

Wenn der Fachmann die objektive Aufgabe hat, eine inhaltsbasierte Suche nach bestimmten Dokumenten in einem Datenarchiv zu ermöglichen, erhält er in Kenntnis der Druckschriften D5 und D3 die Anregung, das er das aus D5 entnehmbare Bildretrievalsystem wie in D3 inhaltbasiert ausgestalten kann. In Druckschrift D3 wird ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass gerade das inhaltsbezogene Informations- und Bildretrieval die medizinische Diagnose nachhaltig unterstützt (Seite 5, linke Spalte, erster Absatz).

96

Denn zu den routinemäßigen Aufgaben, die sich dem Fachmann stellen, der sich insbesondere mit Problemen beim Informationsretrieval in Bildarchiven befasst, gehört es, die Funktionalität des Archivs ständig zu verbessern. Da das Informationsretrieval nicht nur im Bereich von Bildarchiven der Radiologie sondern auch in anderen medizinischen Bereichen Anwendung findet, lag es für den Fachmann nahe, sich überall dort nach Anregungen umzusehen, wo effektive und vielseitige Bilddatenbanksysteme für die medizinische Diagnose zum Einsatz kommen. Hierbei konnte der Fachmann auf die Druckschrift D3 stoßen, welche lehrt, ein inhaltsbasiertes Bildretrieval in einem medizinischen Bildarchiv der Pathologie zu ermöglichen, welches nicht nur die medizinische Diagnose sondern auch die Ansammlung und Wiederverwendung medizinischen Wissens unterstützt. Für den Fachmann bot es sich daher an, das aus der Druckschrift D5 bekannte Verfahren um die Funktionalität eines inhaltsbasierten Bildretrievals nach dem Vorbild der D3 zu erweitern, damit auf Basis eines standardisierten Vokabulars zur Bildbeschreibung die Bildarchive unterschiedlicher medizinischer Bereiche (Radiologie, Kardiologie, Pathologie, Nuklearmedizin) integriert werden können, um medizinisches Wissen aus unterschiedlichen Quellen zusammenzuführen (vgl. D3 Seite 5, linke Spalte, erster Absatz).

97

Dabei lag es für den Fachmann nahe, den invertierten Index gemäß Druckschrift D5 über mehrere Attribute zu bilden, d. h. einen zusammengesetzten Index zu bilden (Merkmal (A4)). Denn dies ist dem zuständigen Fachmann als geeignete Maßnahme zur Unterstützung eines schnellen Datenzugriffs bei bestimmten Anfragen bzw. Update-Operationen hinreichend bekannt. Dabei handelt es sich um eine Maßnahme, um auch verfeinerte Suchanfragen effizient ausführen zu können.

98

Dem Fachmann ist auch geläufig, dass ein Parsing im Wesentlichen in der Umwandlung einer Symbolfolge in eine strukturierte Repräsentation besteht, die maschinell interpretierbar ist und damit für weitere Auswertungsprogramme zur Verfügung steht, sowie dass auch für eine Aktualisierung vorhandener Datenbanktabellen und -indizes zu importierende Quelldaten in der Regel konvertiert werden müssen, um Kompatibilität mit der vorhandenen Datenbank zu erreichen. Letzteres geschieht dann unter Verwendung einer intermediären Repräsentation bzw. eines Standardformats, das sich für einen Datenaustausch als geeignet erweist, wie z. B. XML (Merkmal (C1)).

99

Der Einwand der Anmelderin, die Duckschrift D5 gebe keinen Hinweis auf die Aktualisierung eines invertierten Index, vermochte nicht zu überzeugen. Denn, wie in Bezug zu Merkmal (B) bereits ausgeführt, wird in der Druckschrift D5 hervorgehoben, dass eine Aktualisierung der Dokumentenobjekte im Bibliotheksserver berücksichtigt wird (Seite 240, rechte Spalte, siehe „Updates to objects are reflected in the library server…“), was wiederum im zentralen Datenbankindex abgebildet werden muss (Seite 233, linke Spalte, siehe „Centralized index information ensures that users who are properly authorized to access the database will search against complete and current information…“), wenn dem Benutzer ein aktueller und vollständiger Datenbestand zur Verfügung gestellt werden soll. Wird der zentrale Datenbankindex angepasst, so gilt dies ebenso für den invertierten Index aus Gründen einer Datenkonsistenz im Gesamtsystem. Der Anmelderin kann daher nicht gefolgt werden, dass sich die Passage auf Seite 240, rechte Spalte, Absatz 1 auf die im darauffolgenden Absatz erwähnte Cacheaktualisierung bezieht.

100

Im Unterschied zur Auffassung der Anmelderin stellt in Druckschrift D5 die Verwendung des DICOM-Formats eine wesentliche Grundlage für die Architektur des Bildarchivs dar (Seite 232-233, Abschnitt 1 „Phase 1 radiology archive overview“; Seite 236, Abschnitt 2 „Flow of data into the radiology archive“).

101

Der Anmelderin wird darin gefolgt, dass die Druckschrift D5 keinen Hinweis auf die Verwendung einer einheitlichen Begriffsbasis über die in Kodierungs- und Klassifikationsschemata festgelegten Definitionen von Konzepten gebe. Die Verwendung eines solchen Klassifikationsschemas im Rahmen eines inhaltsbasierten Bildretrievals ist aber – wie bereits ausgeführt – aus der Druckschrift D3 bekannt. Aus dieser Druckschrift erhält der Fachmann somit den entscheidenden Hinweis für die Lehre gemäß Patentanspruch 1.

102

Die Lehre nach dem Patentanspruch 1 ergibt sich somit für den Fachmann durch eine Zusammenschau der Druckschriften D5 und D3.

103

3.4 Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag beruht demnach nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Mit dem Patentanspruch 1 fallen auch die übrigen Patentansprüche, da über einen Antrag nur einheitlich entschieden werden kann.

III.

104

Nachdem keiner der gestellten Anträge Erfolg hatte, war die Beschwerde der Anmelderin gegen den Zurückweisungsbeschluss der Prüfungsstelle für Klasse G06F des Deutschen Patent- und Markenamtes zurückzuweisen.

IV.

105

Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr war gemäß § 80 Abs. 3 PatG anzuordnen. Danach ist die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen, wenn dies der Billigkeit entspricht. Maßgebend sind dafür alle Umstände des Falles (Benkard, Patentgesetz, 10. Aufl., § 80 Rdn. 21; Schulte, PatG, 8. Auflage (2008), § 73 Rdn. 124 ff., § 80 Rdn. 110 ff.). Die Billigkeit der Rückzahlung kann sich danach aus einem Verfahrensverstoß durch das Deutsche Patent- und Markenamt ergeben (Schulte, a. a. O. § 73 Rdn. 132, 147; Benkard a. a. O. § 80 Rdn. 23, 26).

106

1. Die Prüfungsstelle hat mit der Begründung des Zurückweisungsbeschlusses eine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Anmelderin begangen.

107

Der Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs beinhaltet, dass eine Entscheidung nur auf Gründen beruhen darf, zu denen sich der Beteiligte äußern konnte (vgl. auch § 42 Abs. 3 Satz 2 PatG, § 45 Abs. 2 PatG und § 48 Satz 2 PatG).

108

Die Anmelderin konnte sich im vorliegenden Verfahren aber nicht zu allen Gründen, auf denen der Zurückweisungsbeschluss beruht, äußern. So hat es die Prüfungsstelle versäumt, unter konkreter Bezeichnung den aus ihrer Sicht noch bestehenden Mangel fehlender Einheitlichkeit in einem weiteren Bescheid zu rügen (siehe Schulte Patentgesetz, 8. Auflage, S. 651, Rdn. 282).

109

2. Wie der Senat bereits mehrfach ausgeführt hat, stellt bereits die Ablehnung eines Antrags auf Anhörung einen Verfahrensfehler dar, wenn rechtfertigende Gründe für die Ablehnung nicht ersichtlich sind.

110

Im vorliegenden Fall hat sich die Anmelderin mit den von der Prüfungsstelle in den beiden Prüfungsbescheiden geäußerten Bedenken auseinandergesetzt und hat diese bei der Abfassung neuer Ansprüche berücksichtigt. Sie durfte so damit rechnen, vor einem Zurückweisungsbeschluss gehört zu werden.

111

Der Auffassung der Prüfungsstelle, eine Anhörung sei aus Gründen der Verfahrensökonomie nicht sachdienlich gewesen, kann nicht gefolgt werden.