Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 15.11.2011


BPatG 15.11.2011 - 17 W (pat) 1/08

Patentbeschwerdeverfahren – vom Patentschutz ausgeschlossenes Verfahren zur Verwaltung von virtuellen Maschinen –


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
17. Senat
Entscheidungsdatum:
15.11.2011
Aktenzeichen:
17 W (pat) 1/08
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 10 2006 006 250.7-53

hat der 17. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 15. November 2011 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Phys. Dr. Fritsch, der Richterin Eder, des Richters Dipl.-Ing. Baumgardt und der Richterin Dipl.-Ing. Wickborn

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die vorliegende Patentanmeldung, welche die Priorität einer Voranmeldung in den USA vom 11. Februar 2005 in Anspruch nimmt, wurde am 10. Februar 2006 beim Deutschen Patent- und Markenamt in englischer Sprache eingereicht. Die deutsche Übersetzung trägt die Bezeichnung:

2

„System und Verfahren für zentralisierte Software-Verwaltung in virtuellen Maschinen“.

3

Die Anmeldung wurde durch Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patent- und Markenamts „aus den Gründen des Bescheides vom 6. Juni 2007“ zurückgewiesen. In diesem Bescheid war bemängelt worden, dass der geltende Patentanspruch 1 keine erfinderische Leistung erkennen lasse, weil sich die beanspruchte Lösung durch einfache Modifikationen der Konzepte von VMware herleiten lasse, die dem Fachmann als solche allgemein bekannt seien. Zu VMware waren im Prüfungsverfahren zwei vorveröffentlichte User’s Manuals der VMware Inc., Palo Alto, Kalifornien, und ein Zeitschriftenartikel zitiert worden.

4

Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde der Anmelderin gerichtet. Sie vertritt die Auffassung, dass die Überlegungen der Prüfungsstelle nicht überzeugend seien. Der Bescheid vom 6. Juni 2007 stelle die Erfindung in einer offensichtlich rückschauenden Betrachtungsweise dar und verkenne ihren Gegenstand weitgehend. Im Ergebnis seien die Ausführungen der Prüfungsstelle nicht geeignet, die Zurückweisung der vorliegenden Anmeldung zu begründen.

5

Der Senat hat in einem Ladungszusatz ausgeführt, dass die beanspruchte Lehre den Ausschlusstatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 3, Abs. 4 PatG erfüllen könnte. Dem hält die Anmelderin entgegen, durch die nach Hauptantrag und nach den Hilfsanträgen jeweils beanspruchten Gegenstände werde ein technisches Problem mit technischen Mitteln gelöst. Nach der BGH-Entscheidung „Webseitenanzeige“ (BlPMZ 2011, 371) liege ein technisches Mittel zur Lösung eines technischen Problems u. a. dann vor, wenn „Gerätekomponenten … grundsätzlich abweichend adressiert“ würden; bereits diese Bedingung sei im vorliegenden Fall erfüllt, weil das gemeinsame Anwendungsimage (40) und die individuellen Software-Images (18) auf der physikalischen Speicher-Hardware (Plattenlaufwerke) anders als zuvor abgelegt seien, so dass die Hardware-Ressourcen des virtuellen Datenzentrums grundsätzlich abweichend adressiert würden. Außerdem sei die Ressourcen-Virtualisierungs-Engine ein technisches Mittel, da sie auf diese technischen Gegebenheiten (Hardware-Adressierung) der Datenverarbeitungsanlage zumindest Rücksicht nehme.

6

Die Anmelderin stellt den Antrag,

7

den angegriffenen Beschluss aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

8

gemäß Hauptantrag mit Patentansprüchen 1 - 20 vom 13. Februar 2008,Beschreibung Seiten 3, 3a vom 22. Dezember 2006,Beschreibung Seiten 1, 2, 4 - 17 und3 Blatt Zeichnungen mit 3 Figuren, jeweils vom 10. Mai 2006;

9

gemäß Hilfsantrag I mit Patentansprüchen 1 - 20 vom 10. November 2011,

10

Beschreibung und Zeichnungen wie Hauptantrag;

11

gemäß Hilfsantrag II mit Patentansprüchen 1 - 16 vom 10. November 2011, im Übrigen wie Hilfsantrag I;

12

gemäß Hilfsantrag III mit Patentansprüchen 1 - 16 vom 10. November 2011, im Übrigen wie Hilfsantrag I.

13

Sie regt ferner die Zulassung der Rechtsbeschwerde zu folgender Frage an:

14

„Sind

15

 - ein für mehrere virtuelle Maschinen gemeinsames, nur lesbares Anwendungsimage,

16

 - ein Softwareimage für jede virtuelle Maschine, das wenigstens eine Anwendungssystemvorbereitungsdatei aufweist; und

17

 - eine Ressourcen-Virtualisierungs-Engine, die geeignet ist, eine virtuelle Maschineninstanz ablaufen zu lassen durch Auffüllen des für mehrere virtuelle Maschinen gemeinsamen, nur lesbaren Anwendungsimages mit der Anwendungssystemvorbereitungsdatei, um eine Laufzeitinstanz einer Anwendung zu erzeugen

18

technische Mittel zur Lösung eines konkreten technischen Problems, die den Ausschlusstatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 3 PatG überwinden?“

19

Gemäß Hauptantrag lauten die unabhängigen Patentansprüche 1 und 11 (wobei hier der Verfahrensanspruch 11 bei seinem ersten Merkmal in Anlehnung an Anspruch 1 um ein Prädikat ergänzt wurde und ferner mit einer möglichen Gliederung versehen ist):

20

1. Ein System zum Warten von virtuellen Maschinen (12) eines virtuellen Datenzentrums, das System aufweisend:

21

globale Daten, geeignet zum Speichern von mehreren virtuellen Maschinen (12);

22

mehrere virtuelle Maschinen (12)‚ die in den globalen Daten gespeichert sind, wobei jede virtuelle Maschine eine Hardware-Konfiguration (20) aufweist;

23

mehrere Verarbeitungskomponenten (46)‚ auf denen die virtuellen Maschinen (12) laufen können;

24

dadurch gekennzeichnet, dass das System ferner aufweist:

25

ein für mehrere virtuelle Maschinen gemeinsames, nur lesbares Anwendungsimage (40), das in den globalen Daten gespeichert ist;

26

ein Softwareimage (18) für jede virtuelle Maschine, wobei das Softwareimage (18) wenigstens eine Anwendungssystemvorbereitungsdatei (18) aufweist; und

27

eine Ressourcen-Virtualisierungs-Engine (26), die geeignet ist, eine virtuelle n Maschineninstanz (12) auf den Verarbeitungskomponenten (46) laufen zu lassen durch Auffüllen des für mehrere virtuelle Maschinen gemeinsamen, nur lesbaren Anwendungsimages (40) mit der Anwendungs-System v orbereitungsdatei (18), um eine Laufzeitinstanz der Anwendung (42) zu erzeugen.

28

11. Ein Verfahren zum Warten von virtuellen Maschinen (12) eines virtuellen Datenzentrums, das Verfahren aufweisend:

29

(A) Speichern von mehreren virtuellen Maschinen (12) in dem virtuellen Datenzentrum, wobei jede virtuelle Maschine (12) eine Hardwarekonfiguration (20) aufweist ,

30

dadurch gekennzeichnet, dass

31

(B) jede virtuelle Maschine (12) ein Softwareimage (18) aufweist, wobei das Softwareimage (18) eine der Anwendung (42) zugeordnete Anwendungssystemvorbereitungsdatei (18) aufweist;

32

und das Verfahren ferner die Schritte des

33

(C) Speicherns eines für mehrere virtuelle Maschinen gemeinsamen, nur lesbaren Anwendungsimage (40) einer Anwendung (42) in dem virtuellen Datenzentrum; und des

34

(D) Erzeugens einer Laufzeitinstanz einer virtuellen Maschine (12) durch Auffüllen des für mehrere virtuelle Maschinen gemeinsamen, nur lesbaren Anwendungsimage (40) der Anwendung (42) mit der Anwendungssystemvorbereitungsdatei (18) der virtuellen Maschine (12) umfasst.“

35

Ihnen ist außerdem der auf eine dafür ausgelegte „Virtuelle Maschine“ gerichtete Patentanspruch 19 nebengeordnet. Hierzu und hinsichtlich der Unteransprüche 2 bis 10, 12 bis 18 und 20 wird auf die Akte verwiesen.

36

Gemäß Hilfsantrag I lautet der Verfahrensanspruch 11, hier in gleicher Weise ergänzt und mit einer soweit wie möglich entsprechenden Gliederung versehen (Unterschiede kursiv):

37

11. Ein Verfahren zum Warten von virtuellen Maschinen (12) eines virtuellen Datenzentrums, das Verfahren aufweisend:

38

(A) Speichern von mehreren virtuellen Maschinen (12) in dem virtuellen Datenzentrum, wobei jede virtuelle Maschine (12) eine Hardwarekonfiguration (20) aufweist ,

39

dadurch gekennzeichnet, dass

40

(B) jede virtuelle Maschine (12) ein Softwareimage (18) aufweist, wobei das Softwareimage (18) eine der Anwendung (42) zugeordnete Anwendungssystemvorbereitungsdatei (18) aufweist,

41

(B1) wobei das Softwareimage (18) auf einer separaten virtuellen Festplatte für Dateien gespeichert ist, die ausschließlich der individuellen virtuellen Maschine (12) gehören;

42

und das Verfahren ferner die Schritte des

43

(C*) Speicherns eines für mehrere virtuelle Maschinen gemeinsamen, nur lesbaren Anwendungsimage (40) einer Anwendung (42) in einer gemeinsamen virtuellen Festplatte des virtuellen Datenzentrums für mehrere virtuelle Maschinen (12); und des

44

(D*) Erzeugens einer Laufzeitinstanz einer virtuellen Maschine (12) durch Auffüllen des für mehrere virtuelle Maschinen gemeinsamen, nur lesbaren Anwendungsimage (40) der Anwendung (42) von der gemeinsamen virtuellen Festplatte mit der Anwendungssystemvorbereitungsdatei (18) der virtuellen Maschine (12) von der separaten virtuellen Festplatte umfasst.“

45

Wegen der Nebenansprüche 1 und 19, die in vergleichbarer Weise geändert sind, sowie der Unteransprüche wird auf die Akte verwiesen.

46

Hilfsantrag II basiert auf dem Hauptantrag, wobei dessen unabhängiger Verfahrensanspruch in Anspruch 9 umnummeriert und durch die folgenden zusätzlichen Merkmale (E) bis (H) aus den Unteransprüchen 13 und 14 eingeschränkt sowie die Konjunktion „und des“ von Merkmal (C) nach Merkmal (G) verschoben wurde:

47

(D) … der virtuellen Maschine (12) umfasst ,

48

(E) Beendens von einer oder mehreren virtuellen Maschinen (12), auf der die Anwendung (42) läuft;

49

(F) Kopierens eines Aktualisierungs-Patches zu dem nur lesbaren Anwendungsimage (40) der Anwendung (42), um die Anwendung (42) zu aktualisieren;

50

(G) Auffüllens des aktualisierten Anwendungs-Image (40) mit der Anwendungssystemvorbereitungsdatei (18) einer virtuellen Maschine (12), um eine Laufzeitinstanz der virtuellen Maschine (12) zu erzeugen, auf der die aktualisierte Anwendung (42) läuft; und des

51

(H) Neustartens der beendeten virtuellen Maschinen (12) nach dem Kopieren des Aktualisierungspatches umfasst.“

52

Wegen des Systemanspruchs 1 und des umnummerierten Vorrichtungsanspruchs 15, die in vergleichbarer Weise geändert sind, sowie der Unteransprüche wird wiederum auf die Akte verwiesen.

53

Hilfsantrag III schließlich ist auf dieselbe Einschränkung des Verfahrensanspruchs 9 durch die zusätzlichen Merkmale (E) bis (H) gerichtet, basierend jedoch auf der Fassung nach Hilfsantrag 1 (d. h. mit dem zusätzlichen Merkmal (B1) sowie den abgeänderten Merkmalen (C*) und (D*)).

54

Die Nebenansprüche 1 und 15, die in vergleichbarer Weise geändert sind, sowie die Unteransprüche ergeben sich aus der Akte.

55

Eine der Anmeldung zugrundeliegende Aufgabe ist in der Beschreibung nicht explizit angegeben. Wie die Anmelderin ausgeführt hat, geht es darum, für eine größere Anzahl zu pflegender und zu wartender virtueller Maschinen folgende drei Probleme zu lösen:

56

1. sicherzustellen, dass alle dieselbe Softwareversion verwenden („Konsistenz“),

57

2. die Zeitdauer für Updates möglichst kurz zu halten,

58

3. den Speicherbedarf möglichst gering zu halten.

II.

59

Die Beschwerde wurde rechtzeitig eingelegt und ist auch sonst zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet, weil die beanspruchte Lehre kein konkretes technisches Problem mit technischen Mitteln, sondern vielmehr ein Problem der Datenorganisation durch eine bestimmte Anordnung der Dateien löst und deshalb als „Programm als solches“ vom Patentschutz ausgeschlossen ist (PatG § 1 Abs. 3 Nr. 3, Abs. 4; vgl. BGH BlPMZ 2010, 326 - Dynamische Dokumentengenerierung; BGH BlPMZ 2011, 371 - Webseitenanzeige).

60

1. Die vorliegende Patentanmeldung betrifft sog. „Virtuelle Maschinen“ (VM). Eine VM ist ein Computerprogramm, welches als virtuelle Rechenanlage die Hardware-Elemente und das Betriebssystem einer realen Rechenanlage so emuliert, dass Anwendungsprogramme, die für die reale Rechenanlage programmiert wurden, ungestört ablaufen können. VM werden häufig genutzt, um mit Programmen für nicht vorhandene Hardware, oder mit zusätzlichen Betriebssystemen neben dem eigenen arbeiten zu können. Auf einem Hardware- (Host-) Rechner können mehrere, auch unterschiedliche VM gleichzeitig laufen.

61

Die Anmeldung geht von einer großen zentralen Rechenanlage (virtuelles Datenzentrum) aus, die eine Vielzahl von VM verwalten und laufen lassen kann. So könnte eine Firma ihren Mitarbeitern anstelle von PCs nur „einfache“ Terminals am Arbeitsplatz zur Verfügung stellen, von dem aus jeder Mitarbeiter seine eigene VM auf dem Großrechner des Rechenzentrums benutzt. Abgesehen vom Fehlen der Hardware würde der Mitarbeiter den Unterschied idealerweise nicht bemerken.

62

Eine mögliche Art der Realisierung von VM als Ersatz für übliche PCs besteht darin, neben einem speziellen Verwaltungsprogramm (das insbesondere für die Umlenkung von Hardware-Zugriffen zuständig ist) die Abbilder der PC-Festplattenlaufwerke (speziell C:\) als Dateien („Images“) vorzuhalten. Die Image-Datei wird als „virtuelle Festplatte“ eingebunden und ermöglicht den Betriebssystemstart; wenn sie inhaltlich einem üblichen Laufwerk C:\ entspricht, kann der Nutzer sich in seinem virtuellen System wie gewohnt anmelden und hat alle dort vorgesehenen Programme zu seiner Verfügung. Nachdem das (virtuelle) Betriebssystem gestartet ist, können in üblicher Weise neue Programme installiert und Updates durchgeführt werden. Änderungen werden auf dem virtuellen Laufwerk C:\, d. h. in der Image-Datei gespeichert und stehen dauerhaft zur Verfügung.

63

Anmeldungsgemäß wurde erkannt, dass die Vorhaltung und Verwaltung einer größeren Menge vom VM im Großrechenzentrum sehr aufwendig ist: Zum einen ist das Programmlaufwerk C:\ als Abbild für jede VM separat zu speichern, obwohl die Abbilder in großen Bereichen (Betriebssystem, Standard-Programme wie „Office“) übereinstimmen; d. h. es ist viel Speicherplatz identisch, also ineffizient belegt. Zum zweiten dauert ein Programm-Update sehr lange, da jede einzelne virtuelle Maschine gestartet und upgedatet werden muss - das vielfache Wiederholen derselben Operation ist ebenfalls sehr ineffizient. Und zum dritten stimmen während der Zeit, in der das Update läuft, die Version des zu ändernden Programms auf unterschiedlichen VM nicht überein (Inkonsistenz).

64

Zur Verbesserung dieser Situation schlägt die Anmeldung daher grundsätzlich vor, das Laufwerk-Abbild einer VM in zwei Teilen abzuspeichern: in einem „für mehrere VM gemeinsamen, nur lesbaren Anwendungsimage“ einerseits, das im Prinzip die für alle betroffenen VM gemeinsamen Dateien speichert, und in einem separaten zweiten, für die einzelne VM spezifischen Teil (siehe Offenlegungsschrift Absatz [0011]); beide Teile werden beim Start der VM („zur Laufzeit“) zusammengefügt. Es ist offensichtlich, dass die „gemeinsame“ Datei nur einmal gebraucht wird und dadurch die zuvor genannten drei Probleme gelöst werden können: Der Speicherbedarf ist auf das notwendige Maß reduziert, ein Update betrifft nur den „gemeinsamen“ Teil und braucht somit nur einmal zu erfolgen, und damit ist auch eine Inkonsistenz der Programmversionen verschiedener VM vermieden, da alle auf dieselbe „gemeinsame“ Datei zugreifen.

65

Ein konkretes solches Verfahren ist Gegenstand des unabhängigen Patentanspruchs 11 nach Hauptantrag. Gemäß den Hilfsanträgen I und III wird es derart detailliert, dass das für mehrere VM gemeinsame Anwendungsimage einerseits, und die separaten, für die einzelne VM spezifischen Teile andererseits jeweils auf separaten virtuellen Festplatten gespeichert sind. Nach den Hilfsanträgen II und III erfolgt eine weitere Einschränkung durch zusätzliche Verfahrensschritte, welche auf die Durchführung eines Aktualisierungs-Patches gerichtet sind.

66

Als Fachmann, der mit der Aufgabe betraut wird, die Verwaltung einer großen Anzahl „virtueller Maschinen“ auf einem Großrechner zu vereinfachen, sieht der Senat einen Systemprogrammierer oder Informatiker an, der im Bereich der Verwaltung „virtueller Maschinen“ mehrjährige Berufserfahrung besitzt.

67

2. Dieser Fachmann versteht die einzelnen Anweisungen des Verfahrensanspruchs 11 nach Hauptantrag wie auch nach den drei Hilfsanträgen dahingehend, dass sie sich im Wesentlichen an das Betriebssystem des virtuellen Datenzentrums richten, welches die virtuellen Maschinen beherbergt: das Betriebssystem muss so ausgelegt sein, dass es ausgehend von einer vorgegebenen Datenstruktur (insbes. Merkmale (B), (B1)) die beanspruchten Verfahrensschritte ausführen kann, oder muss um eine entsprechende Wartungsroutine ergänzt werden.

68

3. Das beanspruchte Verfahren zum Warten von virtuellen Maschinen stellt sowohl nach Hauptantrag als auch nach den drei Hilfsanträgen ein Programm für Datenverarbeitungsanlagen „als solches“ im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dar.

69

Denn „bei Erfindungen mit Bezug zu Geräten und Verfahren (Programmen) der elektronischen Datenverarbeitung ist zunächst zu klären, ob der Gegenstand der Erfindung zumindest mit einem Teilaspekt auf technischem Gebiet liegt (§ 1 Abs. 1 PatG). Danach ist zu prüfen, ob dieser Gegenstand lediglich ein Programm für Datenverarbeitungsanlagen als solches darstellt und deshalb vom Patentschutz ausgeschlossen ist. Der Ausschlusstatbestand greift nicht ein, wenn diese weitere Prüfung ergibt, dass die Lehre Anweisungen enthält, die der Lösung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln dienen“ (BGH, a. a. O. - Webseitenanzeige).

70

3.1 Das beanspruchte Verfahren gibt grundsätzlich eine technische Lehre an. Denn bei einem Verfahrensanspruch genügt es für das Technizitätserfordernis bereits, wenn er die Nutzung der Komponenten einer Datenverarbeitungsanlage lehrt; schon damit gibt er eine Anweisung zum technischen Handeln (vgl. BGH, a. a. O. - Dynamische Dokumentengenerierung, Absatz 20).

71

3.2 Der Verfahrensanspruch 11 nach Hauptantrag und Hilfsantrag I, bzw. die entsprechenden unabhängigen Verfahrensansprüche 9 nach Hilfsantrag II und III enthalten jedoch keine Anweisungen, die der Lösung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln dienen, und die beanspruchten Lehren fallen deshalb unter den Ausschlusstatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 3 i. V. m. Abs. 4 PatG.

72

Welches technische Problem durch eine Erfindung gelöst wird, ist dabei objektiv danach zu bestimmen, was die Erfindung tatsächlich leistet (BGH in BIPMZ 2005, 77 – Anbieten interaktiver Hilfe).

73

3.2.1 Die Leistung des Verfahrens gemäß Hauptantrag liegt darin, in einem Datenzentrum, das eine Vielzahl von virtuellen Maschinen beherbergt, die Mehrfachspeicherung identischer Daten und die vielfache Durchführung ein und desselben Updates deutlich geringer zu halten, als es im Falle völlig unabhängig voneinander gespeicherter virtueller Maschinen erforderlich wäre.

74

Daraus ist das objektive Problem zu erkennen, die Ablage einer Vielzahl von virtuellen Maschinen in einem Datenzentrum so zu strukturieren, dass der Speicherplatzbedarf möglichst gering wird, und dass ein Update der in den virtuellen Maschinen gespeicherten Programme möglichst schnell und mit kleinem Aufwand erfolgen kann.

75

Gelöst wird dieses Problem nach Patentanspruch 11 des Hauptantrags durch eine geeignete Strukturierung der zu speichernden Daten derart, dass einerseits individuelle, nur bestimmten VM zugeordnete Daten jeweils separat gespeichert werden (Anwendungssystemvorbereitungsdatei 18 - Merkmal (B)), andererseits die für alle VM gemeinsamen Dateien extrahiert und nur einmal in einem speziellen Image zusammengefasst werden (Anwendungsimage 40 – Merkmal (C)). Das Auffüllen des speziellen, gemeinsamen Images mit den individuellen Daten zur Laufzeit (Merkmal (D)) ergibt sich daraus dann zwangsläufig.

76

3.2.2 Das so identifizierte objektive Problem ist jedoch offensichtlich kein technisches, denn die im vorliegenden Fall entscheidende Frage der Strukturierung von Daten und der Kategorisierung von Dateien erfordert keinerlei technische Überlegungen; vielmehr genügt die Erkenntnis, dass es für alle VM gemeinsame Daten gibt. Irgendwelche „auf technischen Überlegungen beruhenden Erkenntnisse“ (BGH BlPMZ 2000, 273 - Logikverifikation) sind nicht erforderlich. Ebenso ist die Lösung, die allen VM gemeinsamen Daten nur einmal zu speichern, völlig losgelöst von technischem Fachwissen oder technischen Erkenntnissen.

77

Auch dass irgendwelche technischen Mittel zur Problemlösung eingesetzt würden, ist nicht erkennbar. Als Mittel zur Lösung könnte abstrakt die Trennung in gemeinsame und individuelle Daten, oder konkret ein Programm dafür verstanden werden, das so eine Trennung nach irgendwelchen vorgebbaren Kriterien automatisch ausführte (vgl. z. B. Offenlegungsschrift Absatz [0027]: SYSPREP). Beides vermag der Senat jedoch nicht als „technisches Mittel“ zu akzeptieren, da weder die abstrakte Trennung noch ein konkret dafür geschriebenes Programm technisches Wissen oder technische Überlegungen nutzen oder auch nur erfordern.

78

Der Senat gelangt daher zu dem Schluss, dass das Verfahren gemäß Anspruch 11 des Hauptantrags, und überhaupt die prinzipielle Lösung, nicht über den Bereich der Datenverarbeitung als solche hinausgeht (vgl. BGH, a. a. O. - Webseitenanzeige, Absatz 28).

79

3.2.3 Der Verfahrensanspruch 11 gemäß Hilfsantrag I sowie die Ansprüche 9 gemäß den Hilfsanträgen II und III sind nicht anders zu bewerten.

80

Ersichtlich unterscheiden sich die Hilfsanträge I und III durch das zusätzliche Merkmal (B1) und die Änderungen in den Merkmalen (C*) und (D*) von den jeweils übergeordneten Anträgen. Diese Änderungen betreffen aber lediglich eine Konkretisierung dahingehend, dass das gemeinsame Anwendungsimage und die separaten, für die einzelne VM spezifischen Teile jeweils auf separaten „virtuellen Festplatten“ gespeichert sind. Unter „virtuelle Festplatte“ ist anmeldungsgemäß ein Software-Image zu verstehen, welches ein Festplattenlaufwerk der virtuellen Maschine darstellt (siehe Offenlegungsschrift Absatz [0004] Mitte). Allein durch die geänderte Bezeichnung, die aber keine sachliche Änderung bedeutet, lässt sich die fehlende Bezugnahme auf konkrete technische Gegebenheiten nicht herstellen.

81

Ähnlich sind die zusätzlichen Verfahrensschritte (E) bis (H) nach den Hilfsanträgen II und III zu beurteilen, welche auf die Durchführung eines Aktualisierungs-Patches gerichtet sind. Der in einzelnen Schritten beanspruchte Aktualisierungsvorgang stellt keine technische Maßnahme dar, sondern beschränkt sich auf das Heraussuchen und Ändern von Daten, und löst damit ebenfalls kein konkretes technisches Problem mit technischen Mitteln.

82

Daher unterfallen auch die Verfahrensansprüche nach den drei Hilfsanträgen dem Ausschlusstatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 3 i. V. m. Abs. 4 PatG.

83

3.2.4 Auf die unabhängigen Vorrichtungsansprüche braucht nicht eingegangen zu werden, da über einen Antrag nur einheitlich entschieden werden kann (BGH GRUR 1997, 120 – Elektrisches Speicherheizgerät).

84

Im Übrigen ergäbe sich im Ergebnis kein Unterschied, da auch bei der vorrichtungsmäßigen Einkleidung einer Lehre, die sich der elektronischen Datenverarbeitung bedient, deren Patentfähigkeit nur dann zu bejahen ist, sofern hierbei eine (neue und erfinderische) Lösung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln gelehrt wird (vgl. BGH, a. a. O. – Anbieten interaktiver Hilfe).

85

3.3 Die Anmelderin hält dem entgegen, bereits die Verminderung des erforderlichen Speicherplatzes und die Beschleunigung der Update-Vorgänge stellten technische Probleme dar. Außerdem liege gemäß der BGH-Entscheidung „Webseitenanzeige“ ein technisches Mittel zur Lösung eines technischen Problems u. a. dann vor, wenn „Gerätekomponenten … grundsätzlich abweichend adressiert“ würden oder „auf die technischen Gegebenheiten der Datenverarbeitungsanlage Rücksicht“ genommen würde; diese Bedingungen seien hier erfüllt, weil das gemeinsame Anwendungsimage 40 und die individuellen Software-Images 18 auf der physikalischen Speicher-Hardware (Plattenlaufwerke) anders als zuvor abgelegt seien, so dass die Hardware-Ressourcen des virtuellen Datenzentrums grundsätzlich abweichend adressiert werden müssten. Damit sei gleichzeitig eine Rücksichtnahme auf die technischen Gegebenheiten der Datenverarbeitungsanlage verbunden.

86

Dieser Argumentation konnte der Senat nicht folgen.

87

Wie bereits dargestellt, sind die Verminderung des erforderlichen Speicherplatzes und die Beschleunigung der Update-Vorgänge hier nicht als technische Probleme zu bewerten, sondern als rein organisatorische.

88

Darüber hinaus ist zwar nicht abzustreiten, dass die zitierte BGH-Entscheidung (dort Absatz 21/22) in der angegebenen Weise missverstanden werden könnte. Der Bezug auf „Gerätekomponenten“ und das vorangestellte Beispiel „modifiziert“ verdeutlichen aber, dass hier Maßnahmen gemeint sind, welche die physikalischen Gegebenheiten betreffen. An anderer Stelle befasst sich dasselbe Urteil mit der Verlagerung von Operationen der Datenverarbeitung vom Client-Rechner auf den Server; für den Fachmann ist selbstverständlich, dass auch hierbei Gerätekomponenten (Server statt Client-Rechner) abweichend adressiert werden müssten. Dazu stellt der Bundesgerichtshof aber fest (Absatz 25): „Selbst wenn diese [Umverlagerung] mittelbar ermöglichen sollte, einfacher ausgestattete Computer einzusetzen, wäre darin nur eine Maßnahme der Datenverarbeitung zu sehen und nicht die Lösung eines konkreten technischen Problems“. Es genügt demnach nicht, allein die Hardware-Adressierung zu verändern, um aus einem Problem der Datenorganisation ein „konkretes technisches Problem“ zu machen.

III.

89

Die Anregung der Anmelderin auf Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 100 Abs. 2 PatG war nicht aufzugreifen.

90

Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden ist oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert.

91

Durch die vorliegende Anmeldung wird jedoch keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen, zu der eine höchstrichterliche Rechtsprechung noch nicht vorläge. Gerade in den zitierten Entscheidungen „Webseitenanzeige“, „Dynamische Dokumentengenerierung“, „Anbieten interaktiver Hilfe“ und „Logikverifikation“ hat der Bundesgerichtshof die wesentlichen und auch für den vorliegenden Anmeldungsgegenstand relevanten Kriterien dargelegt, nach denen ein Verfahren der Datenverarbeitung als dem Patentschutz zugängliche Erfindung anerkannt werden kann. Der Senat sieht sich in Übereinstimmung mit dieser Rechtsprechung. Eine vom vorliegenden Beschluss abweichende Rechtsprechung eines anderen Senats des Bundespatentgerichts ist nicht erkennbar.