Entscheidungsdatum: 02.10.2015
betreffend die Patentanmeldung ...
(hier: Verfahrenskostenhilfe)
hat der 15. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 2. Oktober 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Feuerlein sowie der Richter Heimen, Dr. Wismeth und Dr. Freudenreich
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren und Beiordnung von Rechtsanwalt und Patentanwalt Dr. T...als Vertreter wird zurückgewiesen.
I.
Am 4. April 2013 hat der Antragsteller beim Deutschen Patent- und Markenamt eine von seinem Verfahrensbevollmächtigten unterzeichnete Patentanmeldung mit der Bezeichnung
„V..."
eingereicht. Mit Antrag vom gleichen Tag wurde beantragt, dem anmeldenden Antragsteller Verfahrenskostenhilfe für das Anmelde, Prüfungs- und Erteilungsverfahren, wie mit Schriftsatz vom 16. Juli 2013 klargestellt wurde, zu gewähren und ihm den Verfahrensbevollmächtigten als Vertreter beizuordnen. Eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 29. April 2013 wurde am 4. Mai 2013 nachgereicht, wonach der damals 14-jährige Antragsteller bei seinen Eltern wohne und lediglich Taschengeld i. H. v. 20,- Euro erhalte sowie über ein geringes Sparvermögen verfüge.
Mit Antrag vom 13. April 2015 wurde der Antrag auf Verfahrenskostenhilfe auf die fällig gewordenen Jahresgebühren erweitert.
Auf den patentamtlichen Hinweis, dass es bei der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für minderjährige Patentanmelder auf die Vermögensverhältnisse der unterhaltsverpflichteten Eltern ankomme, hat der Antragsteller mitgeteilt, dass er selbst die Erfindung im Rahmen des Wettbewerbes „Jugend forscht“ eigenständig gemacht habe und daher vorliegend kein Fall der missbräuchlichen Inanspruchnahme von Verfahrenskostenhilfe vorliegen könne.
Mit Beschluss vom 23. Juli 2014 hat die Patentabteilung 44 des Deutschen Patent- und Markenamtes den Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe und Vertreterbestellung zurückgewiesen. Der elektronisch gefertigte Beschluss der Patentabteilung 44 ist nach Aktenlage vom Herrn G... D... elektronisch signiert. Zur Begründung hat die Patentabteilung 44 ausgeführt, dass innerhalb der gesetzten Frist keine Unterlagen über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Eltern des Antragstellers vorgelegt worden seien und eine Bedürftigkeit der Eltern nicht festgestellt werden könne. Zwar sei bei der Prüfung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit von minderjährigen Patentanmeldern auf die finanziellen Verhältnisse des Kindes und nicht auf die der Eltern abzustellen, wenn nicht das Kind rechtsmissbräuchlich als Anmelder und Erfinder vorgeschoben werde. Bei der Prüfung der finanziellen Verhältnisse des Kindes sei allerdings der von den Eltern geschuldete Unterhalt einzubeziehen. Der Unterhalt umfasse den gesamten Lebensbedarf des Kindes, zu dem u. A. Bildung, Ausbildung und die Befriedigung geistiger Interessen zu zählen seien. Die Unterhaltspflicht der Eltern erstrecke sich insoweit auch auf die Verpflichtung, die Kosten für ein Patentanmeldeverfahren als Ergebnis eines geistigen Interesses des minderjährigen Kindes zu übernehmen, soweit dies der Lebensstellung des Minderjährigen nach als angemessen angesehen werden könne. Zur Feststellung, ob die anfallenden Gebühren als Teil des nach den Lebensumständen geschuldeten angemessenen Kindesunterhalts gezahlt werden müssten, sei daher die Offenlegung der finanziellen Verhältnisse der Eltern erforderlich gewesen. Der Unterhaltsanspruch umfasse auch die Leistung eines Prozesskostenvorschusses, dies gelte auch für behördliche Verfahrenskosten, die bezüglich der Unterhaltspflicht in sachlicher Hinsicht nicht von Prozesskosten zu unterscheiden seien. Dieser Unterhaltsanspruch habe Vorrang vor Ansprüchen auf Verfahrenskostenhilfe, sofern dieser alsbald realisiert werden könne, wovon hier mangels gegenteiliger Angaben ausgegangen werden könne.
Dagegen hat der Antragsteller Beschwerde eingelegt.
Der Antragsteller hat ferner mit Antrag vom 28. Juli 2014 die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe sowie die Beiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten als Vertreter für das Beschwerdeverfahren beantragt. Zur Darlegung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse verweist er auf das vorangegangene patentamtliche Verfahren, da die Verhältnisse des minderjährigen Schülers unverändert seien.
Er vertritt die Auffassung, dass bei vermögenslosen minderjährigen Anmeldern die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für die amtlichen Gebühren nicht von den Vermögensverhältnissen der Unterhaltspflichtigen abhängig gemacht werden dürfe.
Insbesondere liege kein Fall des § 1360a Abs. 4 BGB analog vor, wonach Eltern ihren Kindern einen Vorschuss für die Kosten eines Rechtsstreits in persönlichen Angelegenheiten schuldeten, denn Erfindungen (und damit Patentanmeldungen) hätten ihre Wurzeln ganz regelmäßig nicht in der familiären Lebensgemeinschaft.
Schließlich bedürfe eine Patentanmeldung eines Minderjährigen auch nicht der Zustimmung der gesetzlichen Vertreter. § 107 BGB verlange eine Einwilligung des gesetzlichen Vertreters nur für Willenserklärungen, durch die nicht lediglich ein rechtlicher Vorteil erlangt werde. Nach Auffassung des Antragstellers sei eine Patentanmeldung zwar eine Willenserklärung, durch sie entstünden aber lediglich rechtliche Vorteile, insbesondere die Anwartschaft auf die Erteilung eines Patents. Soweit auf die Kostenfolge abgestellt werde, sei die Konsequenz einer Nichtzahlung der Anmeldegebühr nur der Untergang der Anmeldung, nicht aber die Eintreibung der Gebühren durch das Amt. Auch das Argument, eine Patentanmeldung habe die Offenlegung der Erfindung zur Folge, die sich als für den Anmelder nachteilig erweisen könne, sei nicht überzeugend, da Nachteile mit einem typischerweise nur ganz geringem Gefahrenpotential bei der Anwendung des § 107 BGB unbeachtet bleiben müssten.
Des Weiteren rügt der Antragsteller, dass die Entscheidung nicht von der zuständigen Patentabteilung getroffen worden sei, sondern von einem Herrn D..., der ohne eigene Prüfung lediglich die Stellungnahme der Rechtsabteilung abgeschrieben habe.
Der Antragsteller hat sinngemäß den Antrag gestellt,
den Beschluss des Patentabteilung 44 vom 23. Juli 2014 aufzuheben und ihm Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen sowie ihm Rechtsanwalt und Patentanwalt T... beizuordnen.
Mit gerichtlichem Hinweis vom 17. März 2015 ist der minderjährige Antragsteller darauf hingewiesen worden, dass Bedenken hinsichtlich seiner Prozessfähigkeit sowohl für das Verfahren auf Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe für die Beschwerdeinstanz als auch für das patentamtliche Erteilungsverfahren bestehen, insbesondere ist er unter Fristsetzung aufgefordert worden, eine Erklärung seiner gesetzlichen Vertreter zur Genehmigung der Verfahrensführung vorzulegen.
Des Weiteren ist der Antragsteller aufgefordert worden, die wirksame Bevollmächtigung des Verfahrensbevollmächtigten zu belegen.
Mit Schriftsatz vom 2. April 2015 hat der Verfahrensbevollmächtigte folgende schriftliche Erklärung der Eltern des Antragstellers als gesetzliche Vertreter vom 30. März 2015 vorgelegt:
„[…] hiermit bewilligen wir den von unserem Sohn gestellten Antrag auf Gewährung der Verfahrenskostenhilfe und die Beauftragung und die Bevollmächtigung von Rechtsanwalt Dr. J... G. T..., K....“
Mit weiterem gerichtlichen Hinweis vom 5. August 2015 wurde der Antragsteller darauf hingewiesen, dass die vorgelegte Genehmigungserklärung sich ausschließlich auf das Verfahrenskostenhilfeverfahren bezieht und nicht auf das Patenterteilungsverfahren. Die Frist zur Stellungnahme hat der Antragsteller fruchtlos verstreichen lassen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist statthaft (§ 135 Abs. 3 PatG) und auch im Übrigen zulässig.
Mit der Erklärung vom 30. März 2015 haben die Eltern des minderjährigen Antragstellers sowohl die Verfahrensführung betreffend das vorliegende Verfahrenskostenhilfeverfahren als auch die Bevollmächtigung des Verfahrensbevollmächtigten genehmigt.
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.
Wegen fehlender Prozessfähigkeit des Antragstellers hat die Patentanmeldung keine Aussicht auf Erfolg. Die Patentabteilung 44 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat den Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe im Ergebnis zutreffend zurückgewiesen.
Die Patentabteilung 44 war gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 2 PatG i. V. m. §§ 2, 24 Abs. 1 DPMAV für die Entscheidung über den Verfahrenskostenhilfeantrag im Prüfungs- und Erteilungsverfahren zuständig. Nach diesen Vorschriften konnte auch ein einzelnes Mitglied der Patentabteilung über den Antrag entscheiden oder die Entscheidung von einem Beamten des gehobenen Dienstes oder vergleichbaren Tarifbeschäftigten getroffen werden (§ 7 Abs. 1 WahrnV i. V. m. § 27 Abs. 5 PatG).
Nach § 130 Abs. 1 Satz 1 PatG i. V. m. §§ 114 bis 116 ZPO wird im Patenterteilungsverfahren auf Antrag Verfahrenskostenhilfe gewährt, wenn der Antragsteller bedürftig ist und wenn hinreichende Aussicht auf Erteilung des Patents besteht.
Es kann vorliegend offen bleiben, ob der Antragsteller bedürftig ist. Es ist daher auch nicht entscheidungserheblich, ob bei der Prüfung der Bedürftigkeit allein auf die Verhältnisse des minderjährigen Anmelders, der über keine eigenen Einkünfte und lediglich über ein geringfügiges Vermögen verfügt, abzustellen ist oder ob die wirtschaftlichen Verhältnisse der unterhaltsverpflichteten Eltern maßgeblich sind. Nicht zu entscheiden ist deshalb auch, ob die Übernahme der Kosten für eine Patentanmeldung zum von der jeweiligen Lebensstellung abhängigen angemessenen Unterhalt des minderjährigen Kindes zählt.
Der Antrag auf Erteilung des Patents hat bereits deshalb keine Aussicht auf Erfolg, weil die Verfahrenshandlungen einschließlich Antragstellung des nach wie vor minderjährigen Antragstellers unwirksam sind, da eine Genehmigung durch die gesetzlichen Vertreter nicht vorliegt.
Das Vorliegen von Verfahrensvoraussetzungen ist jederzeit von Amts wegen zu prüfen. Einem minderjährigen und daher gemäß § 52 ZPO i. V. m. § 106 BGB nur beschränkt geschäftsfähigen Antragsteller fehlt die für das patentamtliche Verfahren erforderliche Prozessfähigkeit (allg. M.: vgl. nur Schulte, Patentgesetz, 9. Aufl., § 34 Rn. 14; Benkard, Patentgesetz, 11. Aufl., § 34 Rn. 2 ff.; Busse, Patentgesetz, 7. Aufl., vor § 34 Rn. 31; jeweils m. w. N.). Da die Prozessfähigkeit als Verfahrensvoraussetzung unbeschränkte Geschäftsfähigkeit erfordert (vgl. dazu u. a. Zöller, ZPO, § 52 Rn. 8) kommt es entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht darauf an, ob die Anmeldung eines Patents für einen beschränkt geschäftsfähigen Minderjährigen lediglich rechtlich vorteilhaft i. S. v. § 107 BGB ist. Die Fähigkeit, ein Patentanmeldungsverfahren eigenverantwortlich zu führen, hängt unabhängig von etwa entstehenden Gebühren nicht allein von der möglicherweise rechtlich lediglich vorteilhaften Einreichung einer Anmeldung ab, sie erfordert auch, dass der Anmelder im Laufe des Verfahrens gegebenenfalls für ihn rechtlich nachteilige (z. B. beschränkende) Erklärungen abgibt, abgeben muss oder solche entgegennehmen muss, weshalb keine Zweifel an der Wirksamkeit seiner Verfahrenshandlungen bestehen dürfen. Selbst prozessfähig sind beschränkt geschäftsfähige Minderjährige daher nur dann, wenn dies verfahrensrechtlich vorgesehen ist (z. B. § 71 Abs. 2 SGG, § 9 FamFG) oder eine partielle Geschäftsfähigkeit i. S. v. §§ 112, 113 BGB vorliegt. Beides ist hier weder vorgetragen noch ersichtlich.
Ein Prozessunfähiger kann deshalb zwar einstweilen entsprechend § 56 Abs. 2 Satz 1 ZPO vorläufig zur Verfahrensführung zugelassen werden, es ist jedoch zu klären, ob die gesetzlichen Vertreter der Verfahrensführung zustimmen oder nicht. Eine solche Genehmigungserklärung haben die gesetzlichen Vertreter des Antragstellers im Laufe des Verfahrens weder ausdrücklich noch stillschweigend abgegeben. Der Antragsteller hat auf Nachfrage des Gerichts vom 17. März 2015, ob die Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 29. April 2013 vom Antragsteller selbst oder von einem gesetzlichen Vertreter unterschrieben wurde, keine Angaben gemacht. Andere Anhaltspunkte für eine stillschweigende Billigung des Anmeldeverfahrens durch die Eltern liegen nicht vor. Die Genehmigung kann insbesondere auch nicht in der Erklärung vom 30. März 2015 gesehen werden. Bereits dem Wortlaut nach beschränkt sich die Genehmigungserklärung der Eltern des Antragstellers auf das Verfahrenskostenhilfeverfahren, sie umfasst jedoch nicht das maßgebliche Anmeldeverfahren. Nach den weiteren Ausführungen des Verfahrensbevollmächtigen des Antragstellers, dessen Bevollmächtigung von den Eltern ebenfalls ausdrücklich genehmigt wurde, wonach eine solche Genehmigung durch die gesetzlichen Vertreter im Hinblick auf § 107 BGB ausdrücklich nicht erforderlich sei, verbietet sich auch eine über den Wortlaut hinausgehende Auslegung der Erklärung der Eltern, dass von der Genehmigung auch das Anmeldeverfahren umfasst sein könnte.
Auf den gerichtlichen Hinweis vom 5. August 2015, dass die Erklärung vom 30. März 2015 keine Genehmigung der Patentanmeldung selbst enthalte und deshalb die Prozessfähigkeit weiterhin fehle, hat der Anmelder die Frist zur Einreichung einer diesen Mangel ausräumenden Erklärung seiner gesetzlichen Vertreter fruchtlos verstreichen lassen. Damit spätestens gilt die Genehmigung endgültig als verweigert.
Ob die übrigen Voraussetzungen für die Erteilung eines Patentes vorliegen, war bei dieser Sachlage nicht zu prüfen.
Die Beschwerde war demnach zurückzuweisen.
Der Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe war ebenfalls zurückzuweisen.
Verfahrenskostenhilfe für ein Beschwerdeverfahren gemäß § 135 Abs. 3 PatG gegen einen die Verfahrenskostenhilfe verweigernden Beschluss der Patentabteilung kann nicht bewilligt werden, da die insoweit abschließenden Regelungen des Patentgesetzes hierfür keine Verfahrenskostenhilfe vorsehen (vgl. Schulte, PatG, 9. Aufl., § 129 Rn. 8; Benkard, PatG, 11. Aufl., § 135 Rn. 22; Busse, PatG, 7. Aufl., § 129 Rn. 3).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 135 Abs. 3 PatG.
Feuerlein Heimen Wismeth Freudenreich