Entscheidungsdatum: 24.09.2014
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 11 2009 003 386.5
…
hat der 15. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 24. September 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Feuerlein und der Richter Kätker, Dr. Lange und Dr. Freudenreich
beschlossen:
1. Es wird festgestellt, dass der Beschluss der Prüfungsstelle 41 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 29. Oktober 2012 unwirksam ist.
2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.
I.
Die Anmelderin reichte am 6. Oktober 2009 eine Patentanmeldung nach den Vorschriften des Vertrages über die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens (PCT) ein und nahm hierfür die Priorität der deutschen Patentanmeldung 10 2008 050 750.4 vom 6. Oktober 2008 in Anspruch. Die PCT-Patentanmeldung betrifft ein Baukastensystem von Funktionseinheiten zum Mischen, Bearbeiten und/oder Trennen von Proben zur Anwendung in der biologischen/medizinischen Forschung und für die Diagnostik.
In der Veröffentlichung der Anmeldung vom 15. April 2010 durch das Internationale Büro der Weltorganisation für geistiges Eigentum (Internationale Veröffentlichungsnummer WO 2010/040347 A2) ist als Vertreter der Anmelderin vermerkt: „Anwalt: B…; in B…“.
Mit an den o. g. Vertreter (Patentanwalt Dr. B…) adressierten Bescheid vom 27. Juli 2011 hat die Prüfungsstelle 41. PCT Geschäftsstelle mitgeteilt, dass für die PCT-Anmeldung die nationale Phase eingeleitet worden ist und die Anmeldung das Aktenzeichen 11 2009 003 386.5 erhalten hat. Der Anmelderin selbst ist vom Patentamt weder ein an sie adressiertes Exemplar noch eine Kopie des Bescheids zugesandt worden.
Mit Ausnahme des o. g. Bescheids hat die Prüfungsstelle ihre weiteren Bescheide und Nachrichten von da an bis zum Eingang der förmlichen Vertreterbestellung von Patentanwalt Dr. B… vom 19. April 2013 ausschließlich an die Anmel- derin selbst gerichtet. Dies betrifft u. a. die Gebührennachricht über die Fälligkeit der dritten Jahresgebühr vom 4. März 2012 und den formalrechtlichen Mängelbescheid vom 28. März 2012, mit dem sie die Anmelderin zur Einreichung einer Erklärung darüber aufgefordert hat, wie das Recht auf das Patent an sie gelangt ist.
Mit Eingabe vom 12. April 2012 hat Patentanwalt B… auf eine versehent- lich für die bereits erloschene Voranmeldung gezahlte Jahresgebühr hingewiesen und gebeten, den Betrag für die dritte Jahresgebühr der vorliegenden Anmeldung zu verwenden, wobei er eine Einzugsermächtigung für den Verspätungszuschlag beigefügt hat.
Sodann hat die Prüfungsstelle 41, wiederum mit ausschließlich an die Anmelderin selbst gerichteten Bescheid vom 14. August 2012, eine Nachfrist zur Erwiderung auf den Bescheid vom 28. März 2012 gewährt und den Erlass eines Beschlusses in Aussicht gestellt. Nachdem hierauf keine Reaktion der Anmelderin erfolgte, hat sie die Anmeldung mit Beschluss vom 29. Oktober 2012 gemäß § 42 Abs. 3 PatG zurückgewiesen, wobei sie zur Begründung auf den Bescheid vom 28. März 2012 verwiesen hat. Auch dieser Beschluss ist an die Anmelderin selbst adressiert und (nur ihr) mit am 30. Oktober 2012 zur Post gegebenen Einschreiben zugestellt worden.
Mit Eingabe vom 19. April 2013 hat Patentanwalt Dr. B… die Vertretung für die Anmeldung angezeigt und mit weiterer Eingabe vom 3. Mai 2013 einen „Antrag auf Wiedereinsetzung“ gestellt. Darin nimmt er auf ein Telefonat mit dem Patentamt vom 19. April 2013 Bezug, in dem man ihm mitgeteilt habe, dass die Anmeldung wegen Nichtabgabe der geforderten Erklärung „erloschen“ (S. 1 der Eingabe) bzw. „zurückgewiesen“ (S. 2 der Eingabe) sei. Zugleich teilt er in der Eingabe mit, dass die Rechte gemäß §§ 6, 7 ArbnErfG von den Erfindern an die Anmelderin übergegangen seien, so dass die versäumte Handlung hiermit nachgeholt worden sei. Als Wiedereinsetzungsgrund macht er sinngemäß geltend, dass das Patentamt seine Bescheide nicht – wie bei der Voranmeldung und der PCT-Anmeldung (gemeint wohl: in der internationalen Phase) - an ihn als Vertreter, sondern an die Anmelderin selbst zugestellt habe. Die mit der Bearbeitung von Patentanmeldungen nicht vertrauten Mitarbeiter der Anmelderin seien jedoch nicht auf solche Bescheide vorbereitet und mit der sachgerechten Bearbeitung überfordert gewesen, was näher ausgeführt wird.
Nachdem die Prüfungsstelle 41 hierauf mit Zwischenbescheid vom 17. Mai 2013 mitgeteilt hat, dass sie den Wiedereinsetzungsantrag vom 3. Mai 2013 als unzulässig ansieht, da er auf Wiedereinsetzung in eine Frist gerichtet sei, deren Versäumnis nicht automatisch eine Rechtsfolge eintreten lasse, hat Patentanwalt Dr. B… mit Schriftsatz vom 29. Mai 2013 unter Zahlung der Gebühr Beschwerde gegen den Zurückweisungsbeschluss vom 29. Oktober 2012 eingelegt und zugleich einen Antrag auf Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist gestellt. Den neuerlichen Wiedereinsetzungsantrag begründet er im Wesentlichen gleichlautend wie den ersten Antrag vom 3. Mai 2013.
Mit weiterem Beschluss vom 30. Juli 2013 hat die Prüfungsstelle 41 den (ersten) Wiedereinsetzungsantrag vom 3. Mai 2013 als unzulässig verworfen und zugleich darauf hingewiesen, dass über den (zweiten) Wiedereinsetzungsantrag in die Beschwerdefrist separat entschieden werde.
II.
1. Die Beschwerde ist zulässig. Insbesondere ist die Beschwerdefrist des § 73 Abs. 2 PatG nicht versäumt worden. Denn die Beschwerdefrist hat mangels wirksamer Zustellung des angefochtenen Zurückweisungsbeschlusses vom 29. Oktober 2012 (bisher) nicht zu laufen begonnen und konnte damit nicht versäumt werden.
2. Der angefochtene Zurückweisungsbeschluss vom 29. Oktober 2012 ist nicht wirksam zugestellt worden und konnte somit keine Wirksamkeit erlangen.
a) Die vom Patentamt mittels Einschreiben bewirkte Zustellung erfolgte an den falschen Zustellungsadressaten und ist damit unwirksam. Das Patentamt hat die Zustellung zu Unrecht an die Anmelderin selbst gerichtet. Sie hätte jedoch nach § 7 Abs. 1 Satz 1 VwZG i. V. m. § 127 Abs. 1 PatG und Abschnitt 3.5.3 der Hausverfügung Nr. 10 des Deutschen Patent- und Markenamts an den Vertreter der Anmelderin, also Patentanwalt Dr. B…, erfolgen müssen. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 VwZG i. V. m. § 127 Abs. 1 PatG können Zustellungen an den bestellten Bevollmächtigten gerichtet werden. Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 VwZG sind sie an ihn zu richten, wenn er eine schriftliche Vollmacht vorgelegt hat. Das der Verwaltung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 VwZG gesetzlich gewährte Auswahlermessen hat das Deutsche Patent- und Markenamt gemäß Abschnitt 3.5.3 seiner Hausverfügung Nr. 10 dahingehend eingeschränkt, dass unabhängig vom Vorliegen einer Vollmacht stets an den Bevollmächtigten zuzustellen ist. Zustellungen müssen daher an den Vertreter erfolgen, wenn dieser bestellt ist (vgl. Schulte, Patentgesetz, 9. Aufl., § 127,Rn. 53).
b) Vorliegend ist nach den Gesamtumständen davon auszugehen, dass Patentanwalt Dr. Baumbach spätestens zum Zeitpunkt des Eingangs seiner Eingabe vom 12. April 2012 (Bitte um Umbuchung von eingezahlten Gebühren) und damit auch bei Erlass des Zurückweisungsbeschlusses vom 29. Oktober 2012 bestellter Vertreter der Anmelderin war.
aa) Möglicherweise umfasste bereits die Bestellung des Anwalts für die internationale Phase der PCT-Anmeldung zugleich auch deren nationale Phase. Eine solche Erstreckung einer Anwaltsbestellung auf die nationale Phase wird allerdings im Hinblick auf die gänzlich unterschiedlichen Vertretungsvorschriften der verschiedenen Bestimmungsländer nach der wohl herrschenden Meinung verneint (vgl. Schulte, a. a. O., § 25, Rn. 17, m. w. N., vgl. insb. DPMA-„Merkblatt für internationale (PCT-) Anmeldungen“ (derzeitiger Stand: Sept. 2013), Ziff. 1.6 a. E.). Auch der Senat ging in einer jüngeren Entscheidung davon aus, dass die Bestellung eines anwaltlichen Vertreters bei Eintritt in die nationale Phase nicht fortwirkt (Senatsentscheidung vom 11. Januar 2007, S. 3/4 (15 W (pat) 37/03)).
Jedenfalls für die Fälle, in denen – wie hier – das Deutsche Patent- und Markenamt sowohl das Anmelde- als auch das Bestimmungsamt ist, erscheint diese Ansicht allerdings überdenkenswert. Denn auch bei einer Anmeldung, die nach den Vorschriften des PCT eingereicht wird, handelt es sich um ein rechtlich einheitliches Anmeldeverfahren. Dies ergibt sich bereits aus dem Bestimmungen des PCT. Nach dessen Art. 11 Abs. 3 und 4 steht jede internationale Anmeldung, die die Erfordernisse des Absatzes 1 erfüllt, einer vorschriftsmäßigen nationalen Anmeldung gleich. Zudem wird im PCT sowohl in den die sogenannte internationale Phase betreffenden Artikeln 1-21, als auch den die nationale Phase betreffenden Art. 22 ff. stets von der (!) „internationalen Anmeldung“ gesprochen. Gleiches gilt für das Gesetz über internationale Patentübereinkommen (IntPatÜG), in dessen Bestimmungen ebenfalls nur einheitlich von einer „internationalen Anmeldung“ die Rede ist (vgl. Art. III §§ 1-8 IntPatÜG). Es muss sich also um eine einheitliche Patentanmeldung handeln, egal in welcher Phase sie sich befindet.
Zwar sind bestimmte Handlungen vorzunehmen und Fristen einzuhalten, um das Verfahren in die sog. nationale Phase zu überführen, das Deutsche Patent- und Markenamt führt jedoch, unabhängig von rein verwaltungsmäßigen Zäsuren, wie der Vergabe eines neuen Aktenzeichens, nur ein einziges Anmeldeverfahren aufgrund eines einzigen Erteilungsantrags durch.
Ist das Deutsche Patent- und Markenamt dann sowohl Anmelde- als auch Bestimmungsamt, so erscheint es bei inländischen Anmeldern, bei denen Fragen des Inlandsvertretererfordernisses keine Rolle spielen, fraglich, ob mit dem Eintritt in die nationale Phase automatisch von einer Beendigung der Vertreterbestellung auszugehen ist. Die von der herrschenden Meinung und auch bisher vom Senat dazu vertretene Auffassung könnte insoweit zu pauschal formuliert sein.
bb) Dies bedarf vorliegend aber keiner abschließenden Klärung. Selbst wenn man mit der herrschenden Meinung davon ausgeht, dass die Bestellung eines anwaltlichen Vertreters für die internationale Phase selbst bei gleichem Anmelde- und Bestimmungsamt nicht auch die spätere nationale Phase mit erfasst, ja selbst, wenn die Vertreterbestellung sogar ausdrücklich auf die internationale Phase begrenzt worden wäre, so liegt hier nach den Gesamtumständen - bereits zum Datum des angefochtenen Beschlusses - eine (evt. erneute) Bestellung von Patentanwalt Baumbach als Vertreter der Anmelderin vor.
Die Vertretung eines Anmelders muss nicht ausdrücklich oder förmlich erfolgen, sie kann auch konkludent vorgenommen werden oder sich aus den Gesamtumständen ergeben. Hier hatte das Patentamt bei Einleitung der nationalen Phase die Mitteilung hierüber nicht etwa an die Anmelderin sondern an Patentanwalt Dr. B… adressiert (Bescheid vom 27. Juli 2011). Ob dies versehentlich geschehen ist, worauf dem Senat bekannt gewordene Hinweise hindeuten, ist dabei unmaßgeblich. Der Adressat des Bescheides, Patentanwalt Dr. B…, durfte sich angesichts dieses Bescheids bis auf weiteres noch als Ansprechpartner des Patentamts, mithin als anwaltlicher Vertreter der Anmelderin ansehen.
Spätestens durch den Schriftsatz von Patentanwalt Dr. B… vom 12. April 2012, mit dem er um Umbuchung der versehentlich zur erloschenen Voranmeldung gezahlten Jahresgebühr auf die vorliegende Anmeldung gebeten hat, musste dann klar sein, dass er die Vertretung der Anmeldung auch für die nationale Phase übernommen und konkludent angezeigt hat. Zwar mögen Erklärungen eines Patentanwalts in Zusammenhang mit der Zahlung von Jahresgebühren für sich genommen nicht ohne weiteres als (konkludente) Anzeige der Vertretung auszulegen sein, zumal nicht nur der Anmelder sondern auch jeder Dritte Jahresgebühren entrichten kann. Hat aber zuvor das Patentamt einen Bescheid (hier: Mitteilung über den Eintritt in die nationale Phase vom 27. Juli 2011) an den bereits in der internationalen Phase tätigen Anwalt adressiert und gibt es von keiner Seite eine „Korrektur“ bzw. Richtigstellung der damit suggerierten Anwaltsvertretung, so muss, wenn der betreffende Anwalt dann weiter für die Anmeldung aktiv wird, aufgrund der Gesamtumstände davon ausgegangen werden, dass er als Vertreter der Anmelderin auftreten will. Spätestens in der Eingabe vom 12. April 2012 ist demnach eine konkludente Bestellung als Vertreter zu sehen.
Damit hätten alle weiteren Bescheide und Beschlüsse an Patentanwalt Dr. Baumbach als den bestellten Bevollmächtigten der Anmelderin zugestellt werden müssen (§ 7 Abs. 1 Satz 1 VwZG i. V. m. § 127 Abs. 1 PatG und Abschnitt 3.5.3 der Hausverfügung Nr. 10 des Deutschen Patent- und Markenamts). Die Zustellung des angefochtenen Beschlusses an die Anmelderin statt an den bestellten Bevollmächtigten ist damit unwirksam (vgl. Schulte, a. a. O., § 127, Rn. 31). Folglich hat der angefochtene Beschluss keine Wirksamkeit erlangt.
3. Das Patentamt wird das Prüfungsverfahren nunmehr fortsetzen und dabei zu prüfen haben, ob ihm die in den beiden Wiedereinsetzungsanträgen enthaltenen Erklärungen über den Übergang der Erfinderrechte aufgrund von §§ 6, 7 ArbNErfG ausreichen, um den gerügten Mangel zu beheben.
4. Die Beschwerdegebühr ist nach § 70 Abs. 3 PatG aus Billigkeitsgründen zurückzuzahlen. Infolge der fehlerhaften Zustellung liegt ein Verfahrensfehler vor, der von vornherein das Wirksamwerden des angefochtenen Beschlusses verhindert und so zu einer – bei ordnungsgemäßer Verfahrensführung – vermeidbaren Beschwerde geführt hat. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr entspricht daher der Billigkeit (vgl. Schulte, a. a. O., § 73, Rn. 152).