Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 26.04.2016


BPatG 26.04.2016 - 14 W (pat) 7/11

Patenteinspruchsbeschwerdeverfahren – "Verwendung einer Phosphatmischung zur Herstellung von konzentrierten Lösungen und Salzlaken für die Nahrungsmittelindustrie" - zur unzulässigen Erweiterung - Phosphatmischung aus mehreren Komponenten – Übertreffen der ursprünglich offenbarten Gesamtsumme der Komponenten


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
14. Senat
Entscheidungsdatum:
26.04.2016
Aktenzeichen:
14 W (pat) 7/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend das Patent 101 63 954

hat der 14. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 26. April 2016 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Maksymiw, der Richter Schell und Dr. Jäger, sowie der Richterin Dr. Wagner

beschlossen:

1. Auf die Beschwerde wird der Beschluss der Patentabteilung 41 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 8. November 2010 aufgehoben.

2. Das Patent wird im Umfang des Hilfsantrages vom 26. April 2016 beschränkt aufrechterhalten.

3. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 8. November 2010 hat die Patentabteilung 41 des Deutschen Patent- und Markenamts das Patent 101 63 954 mit der Bezeichnung

2

„Verwendung einer Phosphatmischung zur Herstellung von konzentrierten Lösungen und Salzlaken für die Nahrungsmittelindustrie“

3

beschränkt aufrechterhalten.

4

Dem Beschluss lag der am 8. November 2010 in der Anhörung beim Deutschen Patent- und Markenamt überreichte einzige Patentanspruch des 3. Hilfsantrags zugrunde, der wie folgt lautet:

5

„1. Verwendung einer Phosphatmischung bestehend aus

6

a) 60 bis 84 Gew.-% eines klarlöslichen Kaliumtripolyphosphates mit einem P2O5-Gehalt von 46,0 Gew.-% bis 47,0 Gew.-% und einem K2O/P2O5-Molverhältnis von 1,7 bis 1,78,

7

b) 15 bis 39 Gew.-% Natriumpolyphosphat mit einem P2O5-Gehalt von 60 bis 71,5 Gew.-% und

8

c) 1 bis 5 Gew.-% MxH3-xPO4 mit M = Na, K und x = 1, 2, 3,

9

wobei die Mischung eine pH-Wert von 8 bis 10 hat und eine Trübung in Wasser und Salzlaken von < 5 TE/F aufweist, zur Herstellung von phosphathaltigen Salzlösungen in der Nahrungsmittelindustrie.“

10

Die beschränkte Aufrechterhaltung war im Wesentlichen damit begründet worden, dass die beanspruchte Verwendung nach Hilfsantrag 3 ursprünglich offenbart, ausführbar und neu sei. Darüber hinaus beruhe sie gegenüber dem im Einspruchsverfahren genannten Stand der Technik auch auf einer erfinderischen Tätigkeit. Denn der Stand der Technik

11

D1 DE 2 165 737 A,

12

D2 US 4 867 958,

13

D3 US 4 798 712,

14

D4 WO 01/24639 A1,

15

D5 WO 01/00527 A1,

16

D6 WO 99/00324 A1,

17

D7 WO 98/07336 A1,

18

D8 GB 1 044 226,

19

D9 Anlagenkonvolut zur offenkundigen Vorbenutzung „CARNAL 337”

20

D10 J. R. van Wazer, „Phosphorous and its compounds”, Interscience Publishers, Inc., New York, 1966, Vol. I, Seiten 608 und 609,

21

D11 Ullmann’s Encyclopedia of Industrial Chemistry, 5. Aufl., Vol. A19, VCH-Verlag, 1991, Weinheim, Seiten 491 bis 496 und

22

D12 Richtlinie 96/77/EG der Kommission vom 2. Dezember 1996 zur Festlegung spezifischer Reinheitskriterien für andere Lebensmittelzusatzstoffe als Farbstoffe und Süßungsmittel, Seiten 1 bis 110, http://data.europa.eu/eli/dir/1996/77/1998-12-29

23

offenbare dem Fachmann lediglich die Verwendung eines Phosphats oder einer Mischung aus zwei unterschiedlichen kondensierten Phosphaten, sowie einer nicht genau definierten Phosphatmischung als Lebensmittelzusatzstoff in der Nahrungsmittelindustrie. Die geltend gemachte offenkundige Vorbenutzung Carnal 337 der Einsprechenden lehre dem Fachmann zwar die Verwendung einer Phosphatmischung aus einem Diphosphat, einem Triphosphat und zweier höher kondensierter Polyphosphate als Lebensmittelzusatzstoff in der Nahrungsmittelindustrie, jedoch weise diese Mischung kein Orthophosphat auf. Die streitpatentgemäße Verwendung werde auch nicht nahe gelegt, da bislang der Einsatz von Orthophosphat als Lebensmittelzusatzstoff vermieden worden sei.

24

Ferner sei die Herabsetzung der Obergrenze der Komponente a) von 85 Gew.-% auf 84 Gew.-% zulässig, da diese innerhalb des ursprünglich offenbarten Bereichs erfolge.

25

Ebenso führe die Aufnahme des P2O5-Gehalt mit 60 bis 71,5 Gew.-% der Komponente b) und die Änderung der Summenformeln der Komponente c) in MxH3-xPO4 mit M = Na, K und x = 1, 2, 3 nicht zu einer unzulässigen Erweiterung, da die Tabelle, aus der Merkmale entnommen worden seien, eine verkürzte Version eines ausführlich formulierbaren Textes der Beschreibung darstelle. Dies gelte auch für die Korrektur der ursprünglich offenbarten Summenformel „MxH3-xPO4“ mit x = 0 bis 3, bei der nunmehr x = 0 gestrichen worden sei, da für x = 0 kein Orthophosphat sondern Phosphorsäure vorliege, die jedoch nach dem Offenbarungsgehalt der übrigen Unterlagen weder vorgesehen noch beansprucht worden sei.

26

Darüber hinaus sei auch die Ausführbarkeit der beanspruchten Verwendung gegeben, da für den Fachmann anhand des vorgelegten Phasendiagramms gemäß D10 und der Beschreibung ausreichend deutliche Hinweise vorlägen, wie er die Komponente a) erhalten könne. Hierfür seien zwar einige Versuche erforderlich, jedoch seien keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass eine unverhältnismäßig große Anzahl an Versuchen bis zur erfolgreichen Herstellung notwendig oder gar die Komponente a) nicht herstellbar sei.

27

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Einsprechenden.

28

Die Einsprechende macht geltend, dass eine unzulässige Erweiterung durch die Herabsetzung der Obergrenze des beanspruchten Bereiches des klarlöslichen Kaliumtripolyphosphates von 85 auf 84 Gew.-% vorliege. Denn diese Korrektur des Bereiches sei willkürlich gewählt worden, um dem Mangel Rechnung zu tragen, dass bei einem Wert von 85 Gew.-% zusammen mit den Untergrenzen der weiteren Komponenten b) und c) sich ein Wert von 101 Gew.-% der Gesamtzusammensetzung ergäbe.

29

Auch die Komponenten b) und c) seien in der beanspruchten Form ebenfalls nicht ursprünglich offenbart. Denn der aufgenommene P2O5-Gehalt mit 60 bis 71,5 Gew.-% der in Komponente b) und die Summenformel „MxH3-xPO4“ der Komponente c) seien in der beanspruchten Breite den Herstellungsbeispielen nicht entnehmbar, da die beispielhaften Phosphatmischungen durch das Merkmal des Gesamt-P2O5-Gehalts von 47 bis 55 Gew.-% beschränkt würden, welches aber nicht in den Anspruch aufgenommen worden sei.

30

Darüber hinaus liege bei der nunmehr beanspruchten Komponente c) eine weitere unzulässige Erweiterung vor, da ursprünglich nur die Orthophosphate gemäß der Formel XH2PO4, wobei X = Na und/oder K“ beansprucht gewesen seien und nunmehr eine Vielzahl an Verbindungen beansprucht würden, die nun sämtliche Absättigungen der Orthophosphorsäure mit Natrium und Kalium oder jeder Kombination der Elemente umfassten. Ebenso stelle die Änderung der ursprünglichen Angabe von x = 0 bis 3 in 1, 2 und 3 eine willkürliche Änderung dar.

31

Im Übrigen sei die Komponente a) nicht hinreichend offenbart, so dass ein Fachmann diese herstellen könnte, weil im Streitpatent weder die Konzentration noch das Lösungsmittel und die Temperatur angegeben seien, bei denen die Komponente klarlöslich vorliege. Diese Parameter seien aber essentiell, da bei der Synthese der Komponente schwerlösliche Nebenprodukte entstünden, die eine Trübung der Lösung bewirkten. Wie die Versuche der Einsprechenden gemäß

32

D13 Versuchsbericht „Herstellung von („klarlöslichem“) Kaliumtripolyphosphat gemäß DE 101 63 954 B4 (S. 3, [0015])“, eingegangen mit dem Schriftsatz vom 28. September 2009

33

gezeigt hätten, könne ein klarlösliches Kaliumtripolyphosphat nach den Angaben des Streitpatents nicht erhalten werden.

34

Darüber hinaus weise die Streitpatentschrift kein Ausführungsbeispiel auf, das unter den beanspruchten Gegenstand nach Patentanspruch 1 falle, der nämlich eine Zusammensetzung schütze, die kein Pyrophosphat und kein Metaphosphat aufweise. Denn bei der Herstellung der Komponente a) ausgehend von Kaliumphosphatsalzen oder Kaliumoxid und P2O5 würden immer Tetrakaliumpyrophosphat und Metaphosphate als weitere Nebenprodukte gebildet, die aber nicht unter den Wortlaut von Patentanspruch 1 fielen.

35

Ferner macht die Einsprechende mangelnde erfinderische Tätigkeit im Hinblick auf die offenkundige Vorbenutzung D9 in Verbindung mit D1 oder D4 geltend. Gemäß der im Anlagenkonvolut D9 enthaltenen Produktbeschreibung „L3-17“ aus 9/78 handele es sich bei CARNAL 337 um Kalium- und Natriumpolyphosphate mit einem P2O5-Gehalt von 50 % und mit schneller sowie klarer Löslichkeit, die zur Herstellung von phosphathaltigen Salzlösungen in der Nahrungsmittelindustrie verwendet würden. Dem Produktblatt zu CARNAL 337 vom April 1974 sei zu entnehmen, dass das Produkt 22 % Tetrakaliumpyrophosphat (K 14-01), 60% Kalium/Natriumtripolyphosphat (K 15-12) und 18% Natriumpolyphosphat (N 16-30 und N 16-10) enthalte. Der pH-Wert einer Lösung von CARNAL 337 liege mit 9,1 im beanspruchten Bereich, wobei CARNAL 337 klarlöslich sei, also das Merkmal der Trübung < 5 TE/F erfülle. D9 umfasse weiterhin zwei Auftragsbestätigungen vom 17. Januar 1983 und vom 16. Februar 1983, welche beispielhaft die Lieferung von insgesamt 19 Tonnen CARNAL 337 an zwei verschiedene Abnehmer belegten.

36

Die Komponente a) des Patentanspruchs 1 gemäß dem Streitpatent stelle eine Mischung aus Kaliumphosphat, wobei wohl Kaliumtripolyphosphat gemeint sei, und Tetrakaliumpyrophosphat im Verhältnis von 3:1 dar. Entsprechend sei auch CARNAL 337 zusammengesetzt, das Tripolyphosphat und Tetrakaliumpyrophosphat im Verhältnis 3:1 aufweise. CARNAL 337 unterscheide sich von der anspruchsgemäßen Phosphatmischung einzig darin, dass ein gemischtes Kalium-Natrium-Tripolyphosphat der Formel K3Na2P3O10 vorliege. Der Austausch von Natrium gegen Kalium beruhe jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, weil die Reduzierung des Natriumgehalts in Lebensmitteln ein generelles Bestreben der Fachwelt sei, um durch die Aufnahme von hohen Natriumkonzentrationen ausgelösten Erkrankungen vorzubeugen. Auch komme es gar nicht darauf an, welche Phosphatverbindung der Mischung Natrium oder Kaliumionen aufwiesen, da die Phosphatmischung vollständig gelöst zum Einsatz käme, so dass unabhängig von der jeweiligen Ausgangsverbindung immer Natrium- und Kaliumionen hydratisiert in der Lösung vorlägen.

37

Die streitpatentgemäße Verwendung der zusätzlichen Komponente c), Orthophosphat, sei im Hinblick auf D1 oder D4, aus denen jeweils die Verwendung von Phosphatzusammensetzungen für die Fleischbehandlung bekannt seien, die neben höheren Phosphaten auch Orthophosphate enthielten, nicht erfinderisch.

38

Die Einsprechende beantragt,

39

den Beschluss der Patentabteilung 41 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 8. November 2010 aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

40

Die Patentinhaberin beantragt,

41

die Beschwerde zurückzuweisen,

42

hilfsweise das Patent im Umfang des Hilfsantrags vom 26. April 2016 beschränkt aufrechtzuerhalten und die Beschwerde im Übrigen zurückzuweisen.

43

Sie tritt dem Vorbringen der Einsprechenden in allen Punkten entgegen.

44

Im Wesentlichen macht sie geltend, eine Erweiterung liege nicht vor, da für den Fachmann anhand der Beschreibung sowie den Beispielen ohne weiteres ersichtlich sei, dass die streitpatentgemäße Zusammensetzung einen Gehalt an Kaliumtripolyphosphat mit einer Obergrenze von 84 % und die Natriumpolyphosphatkomponente b) einen P2O5-Gehalt von 60 bis 71,5 Gew.-%, sowie Orthophosphate gemäß der generischen Formel MxH3-xPO4 mit M = Na, K und x = 1, 2, 3 enthalten könne.

45

Die Ausführbarkeit sei ebenfalls gegeben. Denn das Streitpatent gebe dem Fachmann ausreichend Informationen an die Hand, wie er die streitpatentgemäße Phosphatzusammensetzung, insbesondere das klarlösliche Kaliumtripolyphosphat gemäß Komponente a) herstellen könne.

46

Darüber hinaus sei die streitpatentgemäße Verwendung einer Phosphatmischung nach Hauptantrag neu und beruhe auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

47

Insbesondere gegenüber D9 sei die beanspruchte Verwendung neu, da CARNAL 337 kein Kaliumtripolyphosphat enthalte. Für den Fachmann sei es auch nicht naheliegend gewesen, das in D9 enthaltene Kalium/Natriumtripolyphosphat durch Kaliumtripolyphosphat zu ersetzen, um den geänderten Ernährungsgewohnheiten Rechnung zu tragen.

48

Hilfsweise verfolgt die Patentinhaberin ihr Patentbegehren auf der Grundlage des in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentanspruchs 1, der wie folgt lautet:

49

„1. Verwendung einer Phosphatmischung bestehend aus

50

a) 60 bis 84 Gew.-% eines klarlöslichen Kaliumtripolyphosphates mit einem P2O5-Gehalt von 46,0 Gew.-% bis 47,0 Gew.-% und einem K2O/P2O5-Molverhältnis von 1,7 bis 1,78,

51

b) 15 bis 39 Gew.-% Natriumpolyphosphat mit einem P2O5-Gehalt von 60 bis 71,5 Gew.-% und

52

c) 1 bis 5 Gew.-% MxH3-xPO4 mit M = Na, K und x = 1, 2, 3,

53

wobei die Mischung eine pH-Wert von 8 bis 10 hat und eine Trübung in Wasser und Salzlaken von < 5 TE/F, sowie einen Gesamt-P2O5-Gehalt von 47 bis 55 % aufweist, zur Herstellung von phosphathaltigen Salzlösungen in der Nahrungsmittelindustrie.“

54

Die Einsprechende rügt den Hilfsantrag als verspätet und beantragt seine Zurückweisung.

55

Mit der Zwischenverfügung vom 18. Dezember 2015 hat der Senat darauf hingewiesen, dass der Vortrag zur geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung als nicht hinreichend substantiiert anzusehen sei, da die vorgelegten Auftragsbestätigungen und Produktbeschreibungen die Offenkundigkeit der angeblich vorbenutzten Phosphatmischung CARNAL 337 nicht hinreichend belegen könnten.

56

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II.

57

Die Beschwerde ist zulässig (PatG § 73), sie konnte jedoch nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zum Erfolg führen.

58

1. Der geltende Patentanspruch 1 nach Hauptantrag ist unzulässig erweitert.

59

Der Patentanspruch 1 beruht auf dem erteilten Patentanspruch 1, wobei in Komponente c) das Merkmal MxH4-xP2O7 mit M = Na und x = 2, 3, 4 und/oder M = K und x = 4 gestrichen worden ist.

60

Gegenüber dem ursprünglich eingereichten Patentanspruch 1 ist die Obergrenze des Anteils der Komponente a), die ursprünglich in einer Menge von 60 bis 85 Gew.-% in der Phosphatmischung angeben war, von 85 auf 84 Gew.-% erniedrigt. Entgegen der Auffassung der Einsprechenden ist diese Änderung nicht zu beanstanden, da nach den BGH-Entscheidungen „Inkrustierungsinhibitoren“ und „Crackkatalysator“ mit der ursprünglich offenbarten numerischen Bereichsangabe von 60 bis 85 Gew.-% grundsätzlich auch alle denkbaren Unterbereiche offenbart sind, wobei es keine Rolle spielt, ob etwas in der Beschreibung gegenüber gleichzeitig offenbarten anderen Lösungen als ebenso zweckmäßig bezeichnet ist (vgl. BGH GRUR 2000, 591 Ls. 1, 593 IV.1 b) - „Inkrustierungsinhibitoren“ sowie BGH GRUR 1990, 510 Ls., 511 III.3.c - „Crackkatalysator“).

61

Darüber hinaus ist die Bezeichnung des Phosphats der Komponente a) von „Kaliumpolyphosphat“ in „Kaliumtripolyphosphat“ geändert worden. Diese Änderung führt nicht, wie von der Einsprechenden geltend gemacht zu einem neuen Gegenstand, weil es sich hierbei lediglich um eine Einschränkung im Rahmen der ursprünglichen Offenbarung handelt (vgl. ursprünglich eingereichte Beschreibung S. 3, 6. Abs. und letzt. Abs.). Denn Kaliumtripolyphosphat stellt ein spezielles Kaliumpolyphosphat dar, dessen Anzahl an miteinander verknüpften Phosphaten, nämlich drei, beschränkt ist.

62

Die Komponente b) ist gegenüber dem ursprünglich eingereichten Patentanspruch 1 durch die Aufnahme des weiteren Merkmals „mit einem P2O5-Gehalt von 60 bis 71,5 Gew.-%“ aus der ursprünglich eingereichten Beschreibung, Seite 4, Tabelle 1, zulässig beschränkt worden.

63

Des Weiteren sind die Summenformeln „XH2PO4 und/oder X2H4P2O7, wobei X = Na und/oder K“ der Komponente c) durch die Formel MxH3-xPO4 mit M = Na, K und x = 1, 2, 3 ersetzt worden. Diese Änderung geht auf das in Tabelle 1 offenbarte Herstellungsbeispiel auf Seite 4 der ursprünglich eingereichten Beschreibung zurück. Das Herstellungsbeispiel betrifft Phosphatmischungen, die neben den klarlöslichen Kaliumtripolyphosphat und Natriumpolyphosphat mit einem P2O5-Gehalt von 60 bis 71,5 % auch Orthophosphate mit dieser Definition aufweisen, mit dem einzigen Unterschied, dass x ursprünglich auch Null sein kann. Diese Ausgestaltung, welche der Formel H3PO4 von Phosphorsäure entspricht, fällt jedoch nicht unter den Erfindungsgedanken, der Orthophosphate für die pH-Werteinstellung vorsieht. Damit ist die Begrenzung von x auf 1 bis 3 im Rahmen der ursprünglichen Offenbarung erfolgt.

64

Damit entspricht die Zusammensetzung der beanspruchten Phosphatmischung mit den Komponenten a) bis c) der des Herstellungsbeispiel gemäß Tabelle 1 auf Seite 4 der ursprünglich eingereichten Beschreibung, bis auf dass der im Herstellungsbeispiel ausgewiesene Gesamt-P2O5-Gehalt der Phosphatmischung von 47 bis 55 % nicht in Patentanspruch 1 aufgenommen worden ist.

65

Grundsätzlich können zwar, wie von der Patentinhaberin geltend gemacht, in einem Ausführungsbeispiel gezeigte vorteilhafte Ausgestaltung zu einer Beschränkung des Gegenstandes des Patentanspruchs herangezogen, wobei die Patentinhaberin nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht gezwungen ist, sämtliche Merkmale dieses Ausführungsbeispiels in den Patentanspruch zu übernehmen. Sie kann vielmehr, wenn mehrere Merkmale des Ausführungsbeispiels gemeinsam, aber auch je für sich dem erfindungsgemäßen Erfolg förderlich sind, sich darauf beschränken, einzelne dieser Merkmale in den Patentanspruch aufzunehmen. Dabei darf sich aber kein Gegenstand ergeben, den der Fachmann den Ursprungsunterlagen nicht als mögliche Ausführungsform der Erfindung entnehmen kann (vgl. BGH GRUR 2015, 249, 251 III. 2. aa) - Schleifprodukt, BGH GRUR, 2012, 149, 155 [84] - Sensoranordnung).

66

Dies ist hier aber nicht der Fall. Denn im Falle einer Mischung aus 60 % der Komponente a) mit einem P2O5 Gehalt von 47 % und 39 % der Komponente b) mit einem P2O5-Gehalt von 71,5 Gew.-% ergibt sich rechnerisch bereits ein P2O5-Gehalt der beiden Komponenten von 56,1%. Damit liegt aber die Summe der Einzel-P2O5-Gehalte der Komponenten a) und b) über den in Tabelle 1 genannten maximalen P2O5-Gehalt von 55 % der Gesamtzusammensetzung.

67

Von daher handelt es sich bei dem Gesamt-P2O5-Gehalt nicht, wie von der Patentinhaberin vorgetragen, um ein redundantes Merkmal, welches sich zwangsläufig aus der Summe der P2O5-Gehalten der Komponenten a) bis c) ergibt, sondern um ein unabdingbares Merkmal, welches den Streitgegenstand näher charakterisiert und daher in den Anspruch übernommen werden muss, zumal der in der Anmeldung formulierte Patentanspruch 1 und der gesamte Inhalt der Anmeldung an keiner Stelle erkennen lassen, dass ein anderer Gesamt-P2O5-Gehalt der Phosphatmischung als 47 bis 55 Gew.-% auch zu einem pH-Wert von 8 bis 10 der Mischung und einer Trübung in Wasser und Salzlaken von < 5 TE/F führt.

68

Der Patentanspruch 1 des Hauptantrages ist damit schon aus diesem Grunde nicht bestandsfähig.

69

2. Der Gegenstand des einzigen Patentanspruchs des Hilfsantrags ist hingegen zulässig.

70

2.1 Er basiert auf dem erteilten Patentanspruch 1 i. V. m. Tabelle 1 auf Seite 4 der Streitpatentschrift bzw. dem ursprünglich eingereichten Patentanspruch 1 i. V. m. Tabelle 1 auf Seite 4 der ursprünglich eingereichten Beschreibung. Nachdem gegenüber dem Hauptantrag der Gesamt-P2O5-Gehalt mit 47 bis 55 % aufgenommen worden ist, bestehen keine Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit des Anspruchs.

71

2.2 Zwischen den Verfahrensbeteiligten besteht Uneinigkeit darüber, ob die im geltenden Patentanspruch 1 genannte Komponente a), klarlösliches Kaliumtripolyphosphat, eine Reinsubstanz oder aber ein Gemisch darstellt und was der Fachmann unter „klarlöslich“ versteht.

72

Vor der Beurteilung der Patentfähigkeit der beanspruchten Verwendung einer Phosphatmischung ist daher der Sinngehalt des geltenden Patentanspruchs 1 in seiner Gesamtheit unter Heranziehung der den Patentanspruch erläuternden Beschreibung und dem allgemeinen Fachwissen durch Auslegung zu ermitteln. Dabei stellt die Patentschrift im Hinblick auf die dort gebrauchten Begriffe gleichsam ihr eigenes Lexikon dar (vgl. BGH GRUR 2007, 410, 412 [18] - Kettenradanordnung; BGH GRUR 1999, 909, Ls.1 und 2. - Spannschraube). Unter Berücksichtigung dessen sind die Begriffe „Kaliumtripolyphosphat“ und „klarlöslich“ folglich so zu deuten, wie sie der angesprochene Fachmann nach dem Gesamtinhalt der Patentschrift versteht (vgl. BGH GRUR 2001, 232 Ls. - Brieflocher).

73

Der Fachmann ist vorliegend ein Team, dem ein Lebensmittelchemiker mit Kenntnissen im Bereich der Lebensmittelzusatzstoffe und ein Chemiker mit einschlägiger Berufserfahrung auf dem Gebiet der Phosphatchemie angehören (vgl. BGH GRUR 2012, 482, 484 [18] - Pfeffersäckchen).

74

Dieser Fachmann entnimmt der Streitpatentschrift wie auch den ursprünglichen Unterlagen, dass „Kaliumtripolyphosphat“ keine Reinsubstanz ist, sondern ein Gemisch aus den Hauptbestandteilen Kaliumtripolyphosphat und Tetrakaliumpyrophosphat, das daneben noch geringe Mengen an Ortho- und Diphosphaten, sowie schwerer löslichen Metaphosphaten aufweist (vgl. Streitpatentschrift S. 3, Abs. [0015], ursprünglich eingereichte Beschreibung S. 3, 6. Abs. i. V. m. S. 3/4, übergreif. Abs.). Nachdem die genannten Bestandteile der Komponente a) vor dem Vermischen mit den anderen Komponenten der streitpatentgemäßen Phosphatmischung nicht getrennt werden, liegt die Komponente a) auch tatsächlich als Mischung in der streitpatentgemäß verwendeten Phosphatmischung vor.

75

Zu dem im Patentanspruch 1 ebenfalls allgemein verwendeten Begriff „klarlöslich“ findet der Fachmann auf Seite 3 in den Absätzen [0010] und [0015], insbesondere unter Punkt 4) und Seite 6, Beispiel 2 der Streitpatentschrift bzw. den ursprünglichen eingereichten Beschreibung auf Seite 3, 1. Absatz, Seite 3/4, übergreifender Absatz und Seite 8, Beispiel 2 den Hinweis, dass eine klare Lösung keine Ausfällungen und keinen Bodenkörper aufweist.

76

Im Hinblick auf dem Einwand der Einsprechenden, dass es sich hierbei um eine rein subjektive Eigenschaft handele, die je nach Betrachter unterschiedlich ausfallen könne, ist anzumerken, dass dem Fachmann bekannt ist, dass auf dem Gebiet der Phosphate die Klarlöslichkeit auch über die Trübung definiert wird. Somit werden Lösungen, die einen TE/F von 1 bis 2 als klarlöslich bezeichnet (vgl. D6, S. 5, 3. Abs. bis einschl. letz. Abs.). Die Trübung lässt sich mit üblichen Messgeräten, wie einem Trübungsphotometer, bestimmen, welches auch in der Streitpatentschrift (vgl. Streitpatentschrift S. 3, Abs. [0014]) bzw. der ursprünglich eingereichten Beschreibung (vgl. S. 3, sechsletzte Zeile) genannt ist. Somit enthält die Streitpatentschrift ausreichend Angaben zur Definition der Klarlöslichkeit der Komponente a).

77

3. Der Gegenstand des Patentanspruchs des Hilfsantrags ist auch in der Weise offenbart, dass ein Fachmann ihn ausführen kann.

78

Die Streitpatentschrift in Verbindung mit den ursprünglich eingereichten Unterlagen und dem darin erwähnten Dokument D10 geben dem Fachmann ausreichende Angaben an die Hand, so dass er in die Lage versetzt wird, das klarlösliche Kaliumtripolyphosphat mit einem P2O5-Gehalt von 46,0 Gew.-% bis 47,0 Gew.-% und einem K2O/P2O5-Molverhältnis von 1,7 bis 1,78 bereitzustellen. Die Herstellung des Kaliumtripolyphosphats kann ausgehend von Kaliumphosphaten oder Kaliumoxid und P2O5 unter Erwärmen auf Schmelztemperatur und Halten bis zur Gleichgewichtseinstellung, erfolgen, wobei Kalium zu Phosphor im gewünschten Molverhältnis vorliegen müssen (vgl. Streitpatentschrift, S. 3, Abs. [0015], ursprünglich eingereichter Patentanspruch 2, ursprünglich eingereichte Beschreibung, S. 3/4, übergr. Abs.).

79

Die von der Einsprechenden gemäß D13 vorgelegten Versuche können dagegen nicht belegen, dass mit den Angaben der Streitpatentschrift kein klarlösliches Kaliumtripolyphosphat erhalten wird. Denn ihnen kann nicht entnommen werden, welche genaue Zusammensetzung das Produkt hat. Die Angabe, dass ein Gemisch aus KTPP und TKPP erhalten worden ist, reicht hierfür nicht aus, da keine Aussage über deren mengenmäßigen Anteil in der Mischung vorliegt. Ebenso ist D13 nicht zu entnehmen wie hoch der Nebenproduktanteil ist und welche Nebenprodukte vorlagen.

80

4. Die mit dem Anlagenkonvolut D9 geltend gemachte offenkundige Vorbenutzung des erfindungsgemäßen Gegenstands durch die Phosphatmischung CARNAL 337 ist von der Einsprechenden nicht belegt worden. Die eingereichten Auftragsbestätigungen und Produktbeschreibungen lassen für sich genommen keinen Nachweis auf eine Offenkundigkeit des betreffenden Produktes zu. Als frühester Zeitpunkt, zu dem eine öffentliche Zugänglichkeit der fraglichen Phosphatmischung eintreten konnte, kommt im vorliegenden Fall der Zeitpunkt einer vorbehaltlosen Lieferung des Produkts in Betracht. Eine entsprechende Lieferbestätigung ist jedoch nicht vorgelegt worden und eine Lieferung bzw. eine Übergabe auch anderweitig glaubhaft gemacht worden. Damit bleibt völlig offen, ob eine Auslieferung der Produkte überhaupt erfolgt ist, so dass die Offenkundigkeit der geltend gemachten Vorbenutzung bereits aus diesem Grund als nicht nachgewiesen anzusehen ist.

81

5. Die beanspruchte Verwendung einer Phosphatmischung nach Patentanspruch 1 mit den Merkmalen

82

1. Verwendung einer Phosphatmischung bestehend aus

83

a) 60 bis 84 Gew.-% eines klarlöslichen Kaliumtripolyphosphates mit einem P2O5-Gehalt von 46,0 Gew.-% bis 47,0 Gew.-% und einem K2O/P2O5-Molverhältnis von 1,7 bis 1,78,

84

b) 15 bis 39 Gew.-% Natriumpolyphosphat mit einem P2O5-Gehalt von 60 bis 71,5 Gew.-% und

85

c) 1 bis 5 Gew.-% MxH3-xPO4 mit M = Na, K und x = 1, 2, 3,

86

2. zur Herstellung von phosphathaltigen Salzlösungen in der Nahrungsmittelindustrie, wobei

87

3. die Mischung einen pH-Wert von 8 bis 10 und

88

4. eine Trübung in Wasser und Salzlaken von < 5 TE/F hat, sowie

89

5. einen Gesamt P2O5 –Gehalt von 47 bis 55 % aufweist.

90

ist gegenüber den vorliegenden Dokumenten neu, denn keine der vorliegenden Entgegenhaltungen D1 bis D8 und D10 bis D12 beschreibt die Verwendung einer Phosphatmischung mit den Merkmalen 1. a) bis c) und 5.

91

In D1 ist ein Verfahren zur Herstellung salzarmer Fleisch- und Wurstwaren beschrieben, bei dem eine wasserlösliche Kaliumphosphatverbindung aus der Gruppe der Kalium Ortho-, Meta-, Poly- oder Pyrophosphate oder Mischungen dieser Verbindungen in wasserfreier oder hydrierter Form als Bindemittel in Mengen von 0,2 bis 2 Gewichtsprozent des Gesamtgewichts der im Endprodukt enthaltenen Zutaten verwendet wird (vgl. D1, Patentanspruch 1, S. 9/10 übergr. Abs., S. 10 Z. 5 bis 12). Die beispielhaft in D1 beschriebenen Phosphatmischungen bestehen aus maximal zwei verschiedenen Kaliumphosphaten, wie Kalium-Aluminium-Orthophosphat und Tetrakalium-Pyrophosphat, KH2PO4 und K2HPO4 Kalium-Tetrametaphosphat und Bikaliumorthophosphat (vgl. D1, S. 18 Beispiel 1, S. 20/21 Beispiel 3). Die Verwendung einer Phosphatmischung, die klarlösliches Kaliumtripolyphosphat, Natriumpolyphosphat und Orthophosphate in den in Patentanspruch 1 angegebenen Mengenverhältnissen und P2O5-Gehalten enthält und darüber hinaus einen Gesamt P2O5-Gehalt von 47 bis 55 % aufweist, ist jedoch in D1 nicht unmittelbar und eindeutig offenbart.

92

Die Entgegenhaltung D4 betrifft Verfahren zur Behandlung von PSE-Fleisch mit einer Lösung von wasserlöslichen Phosphatmischungen, wobei eine 1% wässrige Lösung der Phosphatmischungen einen pH-Wert von mindestens 6 bzw. bevorzugt größer gleich 8 verwendet wird (vgl. D4, Patentansprüche 1 und 5 bis 8, S. 1, 1. Abs., S. 4, 1. Abs.). Bei den Phosphaten handelt es sich um Orthophosphate, Pyrophosphate und/oder Polyphosphate (vgl. D4, S. 3, 2. Abs.). Die einzigen in D4 beschriebene Phosphatmischung mit drei verschiedenen Phosphaten und einem pH-Wert von mindestens 8 beinhaltet 50 % Dinatriumphosphat, 15% Natriumhydrogenpyrophosphat und 35 % Tetranatriumpyrophosphat (vgl. D4, S. 8, 2. Abs., S. 23, Tabelle 43, 5. Tabelleneintrag). Für die patentgemäß verwendete Phosphatmischung mit den Merkmalen 1. a) bis c) und 5. findet sich demzufolge keine Offenbarung in der Druckschrift D4.

93

Auch in keiner weiteren der dem Senat vorliegenden Entgegenhaltungen wird, von der Einsprechenden unbestritten, die patentgemäße Verwendung einer Phosphatmischung in allen beanspruchten Einzelheiten beschrieben.

94

6. Die streitpatentgemäße Verwendung der Phosphatmischung nach Patentanspruch 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

95

Dem Streitpatent liegt die Aufgabe zugrunde, eine Phosphatmischung zur Herstellung von phosphathaltigen Salzlösungen für die Nahrungsmittelindustrie bereitzustellen, die einen pH-Wert in wässriger Lösung von 8 bis 10 und eine gute Löslichkeit in Wasser sowie in Salzlaken aufweist, wobei die gebildeten Lösungen rückstandsfrei und klar sind und als funktioneller Anteil des zusammengesetzten Lebensmittelzusatzstoffes ein gewisser Anteil an Natrium- und/oder Kaliumdi- und/oder -triphosphate enthalten ist (vgl. Streitpatentschrift, S. 3, Abs. [0010-0012]).

96

Die Aufgabe wird durch die Verwendung einer Phosphatmischung mit den unter Punkt II.5 genannten Merkmalen 1 bis 5 gelöst.

97

Zur Lösung der Aufgabe konnte der Fachmann von der Druckschrift D1 ausgehen, da die in D1 beschriebenen Phosphatmischungen auch zur Herstellung von phosphathaltigen wässrigen Pökellaken verwendet werden, die bei der Herstellung von Fleisch- und Wurstwaren mit einem niedrigen Natriumgehalt eingesetzt werden (vgl. D1, Patentansprüche 1 und 9, Beschreibung S. 2, 1. und 4. Abs., S. 6, 4. und 5. Abs.). Für die Phosphatmischungen werden gemäß D1 Kaliumorthophosphate, Kaliummetaphosphate, Kaliumpolyphosphate, Kaliumpyrophosphate und Mischungen dieser Phosphate in wasserfreien oder hydrierten Modifikationen verwendet, wobei beispielhaft als Orthophosphate KH2PO4, K2HPO4, K3PO4, K2HPO4, als Metaphosphate (KPO3)4·2H2O, als Polyphosphate K5P3O10 und als Pyrophosphat K4P2O7 genannt sind (vgl. D1, Patentansprüche 3 bis 8, S. 7, 2. Abs., S. 9, letzt. Abs. bis S. 10, einschl. 2. Abs., S. 20/21, Beispiel 3B). Als Phosphatmischungen werden Kombinationen von KH2PO4 und K2HPO4 bzw. von K4P2O7 und K2HPO4 angegeben (vgl. D1, S. 16, 3. Abs., S. 18/19, Beispiel 1, S. 19/20, Beispiel 2, S. 20/21, Beispiel 3). Für eine längere Haltbarkeit kann der pH-Wert der Laken in den alkalischen Bereich eingestellt werden (vgl. D1, S. 11, 3. Abs., S. 12, 2. und 3. Abs.). In der D1 wird jedoch keine Phosphatmischung angesprochen, die drei unterschiedliche Phosphate aufweisen und die sowohl Kalium- als auch Natriumsalze vorliegen. Demzufolge liefert die D1 dem Fachmann keinen Anhaltspunkt für eine Phosphatmischung mit den Merkmalen 1a) bis c) und 5.

98

Anregungen, die in Richtung der patentgemäßen Lösung weisen, erhält der Fachmann auch aus den ebenfalls mit Phosphatmischungen für die Lebensmittelindustrie befassten Druckschriften D4 bis D7 nicht.

99

Aus der D4 ist ihm eine Methode zur Kontrolle der PSE-Zustand in Muskelfleisch bekannt. Bei PSE-Fleisch handelt es sich um Fleisch, das blass (Pale), weich (Soft) und wässrig (Exudative) ist. Zur Verbesserung der Fleischqualität wird das Fleisch mit einer wässrigen Lösung behandelt, die mindestens ein wasserlösliches Phosphat enthält. Die phosphathaltige Lösung hat einen pH-Wert von mindestens 6 bzw. bevorzugt größer gleich 8 (vgl. D4, Patentanspruch 1, S. 3, 1. vollst. Abs., S. 4, 1. Abs.). Die phosphathaltige Lösung kann eine Mischung aus mehreren Phosphaten beinhalten, wie Orthophosphaten und Polyphosphaten mit einer Kettenlänge von mindestens 2, wobei Natriumtripolyphosphat und Tetranatriumpyrophosphate besonders geeignet sind, da diese Phosphatkombination den Vorteil bietet, dass das Orthophosphat eine hohe Neutralisierungskapazität hat und das Polyphosphat eine optimale Muskelfleischveränderung bewirkt (vgl. D4, Patentansprüche 6 bis 8, S. 4, 2. Abs., S. 8, 2. Abs., S. 17, Beispiel 2). Aus D4 sind folgende Lösungen mit einem pH-Wert von mindestens 8 beschrieben, die Phosphatmischungen aus

100

- 50% Dinatriumphosphat, 15% Natriumdihydrogenpyrophosphat und 35% Tetranatriumpyrophosphat,

101

- 50% Dinatriumphosphat und 50% Tetranatriumpyrophosphat,

102

- 80% Natriumtripolyphosphat und 20% Natriumdihydrogenpyrophosphat bzw.

103

- 96% Dinatriumphosphat und 4% Mononatriumphosphat

104

aufweisen (vgl. D4, S. 23, Tabelle 43, Einträge 5, 7, 21, 22). Des Weiteren sind noch Phosphatlösungen mit einem pH-Wert von kleiner 8 beschrieben, die Mischungen aus

105

- 50% Natriumpolyphosphat, 30% Natriumdihydrogenpyrophosphat und 20% Natriumhexametaphosphat,

106

- 50% Dinatriumphosphat, 30% Natriumphosphat und 20% Natriumhexametaphosphat,

107

- 14% Dinatriumphosphat, 66% Natriumphosphat und 20% Natriumhexametaphosphat oder

108

- 50% Dinatriumphosphat, 35% Natriumdihydrogenphosphat und 15% Tetranatriumpyrophosphat

109

beinhalten (vgl. D4, S. 23, Tabelle 43, Einträge 1 bis 4).

110

Hinweise ein klarlösliches Kaliumtripolyphosphat neben Natriumpolyphosphat und Orthophosphaten gemäß den Merkmalen 1a) bis c) zu verwenden, wobei die Phosphatmischung einen Gesamt P2O5-Gehalt von 47 bis 55% und diese eine Trübung in Wasser oder Salzlaken von < 5 TE/F aufweist, kann der Fachmann der Entgegenhaltung jedoch nicht entnehmen.

111

Bei den Phosphaten nach D5 handelt es sich um Natrium/Kalium-Polyphosphate der Summenformel (K, Na)(n+2)O(PO3)n, deren Kalium- zu Natrium-Verhältnis 0,5 bis 3,8 beträgt, wobei n größer 10 ist und mindestens 85% der Phosphatspezies mehr als drei Phosphateinheiten aufweisen. Eine 1%-Lösung der Polyphosphate hat einen pH-Wert von 7,0 bis 7,4 (vgl. D5, Patentanspruch 1, S. 3, Z. 24, S. 11, Tabelle 2, Beispiele 2 bis 4, S. 12, Tabelle 3, Beispiel 9). Dieses Polyphosphat wird Getränken oder Salzlaken für die Behandlung von Muskelfleisch zugesetzt (vgl. D5, Patentansprüche 5 und 11, S. 2, Z. 26 bis 33, S. 6, Z. 1 bis 4, S. 7, Z. 20 bis S. 8, Z. 20). Nachdem es sich bei den verwendeten Polyphosphaten nicht um eine Mischung aus drei verschiedenen Phosphaten handelt, erschließen sich dem Fachmann auch die patentgemäßen Merkmalen 1a) bis c) und 5 durch die Angaben in der D5 nicht.

112

Auf den Vorteil einer Phosphatmischung aus einer Kombination von drei verschiedenen Phosphaten gemäß den patentgemäßen Merkmalen 1a) bis c), die einen Gesamt P2O5-Gehalt von 47 bis 55 % aufweisen, deuten auch nicht die Dokumente D6 und D7 hin, die beide saure Natriumpolyphosphate betreffen, die nur nach D7 in Kombination mit einem weiteren Phosphat eingesetzt werden.

113

Mit dem Verfahren nach D6 werden lösliche, saure Natriumpolyphosphate mit einem P2O5-Gehalt von über 77 Gew.-% hergestellt, die als Stabilisierungsmittel in Schmelzkäse verwendet werden (vgl. D6, Patentansprüche 1 und 7, S. 4, 2. Abs., vorletzt. und letzt. Satz).

114

Das Dokument D7 betrifft die Verwendung von sauren Natriumpolyphosphaten zur Keimhemmung von Schimmel und Hefen in Lebensmitteln. Der P2O5-Gehalt des Polyphosphat beträgt 70 bis 77 Gew.-%. Das Natriumpolyphosphat kann vorzugsweise im Gemisch mit Trinatriumorthophosphat eingesetzt werden, welches den pH-Wert der phosphathaltigen wässrigen Lösung auf einen pH-Wert von 5,5 bis 6,5 puffert (vgl. D7, Patentansprüche 1, 4, 5, 7 und 8, S. 1, 1. Abs., S. 3, 2. Abs. bis 7. Abs.).

115

Auch die Berücksichtigung der weiteren Dokumente D2, D3, D8 und D10 bis D12, die weiter ab liegen, führt zu keiner anderen Beurteilung des Sachverhalts.

116

Den Dokumenten D2 und D3 kann die Herstellung von festen Mischungen aus Alkalimetallpyrophosphat und –orthophosphat bzw. von Alkalimetallpyrophosphat und –tripolyphosphat entnommen werden (vgl. D2, Patentanspruch 1, Sp. 1, Z. 9 bis 12, Sp. 2, Z. 22 bis 34, D3, Patentanspruch 1, Sp. 1, Z. 7 bis 10, Sp. 2, Z. 7 bis 32).

117

Aus der D8 ist die Herstellung von Alkali-/Erdalkalimetall-Phosphaten ausgehend von einer Alkali- oder Erdalkaliverbindung und P2O5 bekannt (vgl. D8, Patentansprüche 1, 9 und 11, S. 5/6, Beispiele 1 bis 5).

118

Das Phasendiagramm nach D10 ist nur relevant im Hinblick auf die Herstellung von Kaliumtripolyphosphat, da aus ihm die zu verwendenden Molverhältnisse von K2O/P2O5 und Temperaturen für dessen Synthese hervorgehen (vgl. D10, S. 608, Fig. 10-2).

119

Der Fachbuch-Auszug nach D11 betrifft insbesondere die Verwendung verschiedener Phosphate in der Lebensmittelindustrie (vgl. D11, S. 495 und 496).

120

Die Richtlinie D12 hat die Festlegung spezifischer Reinheitskriterien für andere Lebensmittelzusatzstoffe als Farbstoffe und Süßungsmittel zum Gegenstand (vgl. D12, S. 1 und 2). Unter diesen Zusatzstoffen sind auch verschiedene Phosphate genannt, die in Lebensmittel verwendet werden dürfen (vgl. D12, S. 52, ab E339 bis S. 57, E341, S. 79, ab E 450 bis S. 86, E452).

121

Damit können diese Dokumente dem Fachmann weder für sich noch in der Zusammenschau Hinweise zur Verwendung einer Phosphatmischung zur Herstellung von phosphathaltigen Salzlösungen in der Nahrungsmittelindustrie mit den im Patenanspruch 1 angegebenen Merkmalen vermitteln.

122

7. Nach alledem weist die Verwendung einer Phosphatmischung nach Patentanspruch 1 des Hilfsantrages alle Kriterien der Patentfähigkeit auf. Dieser Anspruch ist daher rechtsbeständig.

III.

123

Der in der mündlichen Verhandlung von der Patentinhaberin vorgelegte Hilfsantrag war trotz der Rüge der Einsprechenden nicht als verspätet zurückzuweisen. Zum einen ist eine Anwendung der zivilprozessualen Verspätungsvorschriften (§§ 530, 296 ZPO) in den dem Untersuchungsgrundsatz (§ 87 Abs. 1 PatG) unterliegenden, patentgerichtlichen Einspruchs-Beschwerdeverfahren ausgeschlossen (vgl. Schulte/Püschel, PatG, 9. Aufl., § 87, Rdn. 4). Ein Patentinhaber ist deshalb im Einspruchsverfahren weder hinsichtlich der Zahl seiner Hilfsanträge noch hinsichtlich des Zeitpunkts der Antragsstellung eingeschränkt, es sei denn, es liegen Anhaltspunkte für eine rechtsmissbräuchliche Ausübung seines Antragsrechts vor, was vorliegend nicht der Fall ist und auch von der Einsprechenden nicht geltend gemacht wurde. Zudem konnte der Hilfsantrag noch ohne Weiteres in die mündliche Verhandlung einbezogen werden, ohne dass dies zu einer Verfahrensverzögerung geführt hätte.