Entscheidungsdatum: 26.04.2018
In der Beschwerdesache
betreffend die Schutzzertifikatsanmeldung 12 2009 000 065.6
für das Grundpatent EP 0961612 B2 (DE 697 39 348)
hat der 14. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 26. April 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Maksymiw, der Richter Schell und Dr. Jäger sowie der Richterin Dr. Wagner
beschlossen:
Das Verfahren über die Beschwerde wird bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshof über das Vorabentscheidungsersuchen des High Court of Justice von England und Wales „Abraxis Bioscience LLC vs Comptroller-General of Patents“ (Az. C-443/17) ausgesetzt.
I.
Die Beschwerdeführerin hat am 8. Oktober 2009 die Erteilung eines ergänzenden Schutzzertifikats für Arzneimittel zu dem Grundpatent EP 0961612 (DE 697 39 348) für das Erzeugnis „Paclitaxel als an Albumin gebundene Nano-partikelFormulierung“ beantragt und sich dabei auf die Genehmigung für das Arzneimittel „Abraxane – paclitaxel“ der Europäischen Kommission vom 14. Januar 2008 mit der Zulassungsnummer EU/1/07/428/001 gestützt. Diesen Antrag hat die Patentabteilung mit Beschluss vom 4. Juli 2017 zurückgewiesen und zur Begründung insbesondere ausgeführt, die Erteilungsvoraussetzungen des Art. 3 (d) EG V 469/2009 (AMVO) seien im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Bei dem durch die arzneimittelrechtliche Genehmigung identifizierten Erzeugnis handle es sich um den Wirkstoff Paclitaxel, für den die im Antrag genannte Genehmigung für das Inverkehrbringen des Erzeugnisses nicht als erste Zulassung in Deutschland angesehen werden könne, da für Paclitaxel bereits früher arzneimittelrechtliche Genehmigungen in Deutschland erteilt wurden. Die neue Formulierung dieses Wirkstoffs in dem Arzneimittel „Abraxane – paclitaxel“ begründe nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) kein neues Erzeugnis im Sinne von Art. 1 (b) AMVO.
Hiergegen hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt und insbesondere geltend gemacht, dass es sich bei dem verfahrensgegenständlichen Erzeugnis gerade nicht um eine neue Formulierung des vorbekannten Wirkstoffs Paclitaxel handle, sondern um einen neuen Wirkstoff nabPaclitaxel. Für diesen neuen Wirkstoff sei die dem Antrag auf Erteilung eines ergänzenden Schutzzertifikats zu Grunde gelegte Genehmigung die erste Zulassung als Arzneimittel in Deutschland.
Hilfsweise beantragt die Antragstellerin, das Verfahren bis zur Entscheidung des EuGH in dem Vorabentscheidungsverfahren „Abraxis Bioscience LLC vs ComptrollerGeneral of Patents“ des High Court of Justice von England und Wales auszusetzen.
Zu den weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Gemäß § 99 PatG i. V. m. § 148 ZPO kann der Senat nach pflichtgemäßem Ermessen die Aussetzung eines Verfahrens anordnen. Im Falle eines beim EuGH anhängigen Vorabentscheidungsverfahrens gemäß Art. 267 Abs. 1 (b), Abs. 3 AEUV erfolgt die Verfahrensaussetzung in analoger Anwendung des § 148 ZPO, um zu vermeiden, dass eine Entscheidung ergeht, die letztlich im Widerspruch zur Auslegung des EuGH stehen könnte. Diesen Grundsätzen entsprechend hält der Senat die Aussetzung des vorliegenden Beschwerdeverfahrens für geboten und sachgerecht, da der parallel erfolgte Schutzzertifikatsantrag für das verfahrensgegenständliche Erzeugnis in Großbritannien vom High Court dem Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorgelegt wurde. Zwar bezieht sich die konkrete Vorlagefrage darauf, ob Art. 3 (d) AMVO dahin auszulegen ist, dass er die Erteilung eines Schutzzertifikats erlaubt, soweit die in Art. 3 (b) AMVO erwähnte Genehmigung für das Inverkehrbringen die erste Genehmigung innerhalb des Geltungsbereichs des Grundpatents für das Inverkehrbringen dieses Erzeugnisses als Arzneimittel ist und das Erzeugnis eine neue Formulierung eines vorbekannten Wirkstoffs darstellt. Es ist jedoch zu erwarten, dass sich der Gerichtshof ggf. auch zu der für den Fall ebenfalls entscheidungsrelevanten Frage äußern wird, welche Anforderungen an das Vorliegen eines neuen Wirkstoffs im Sinne von Art. 1 (b) AMVO zu stellen sind.
Die Aussetzung des Verfahrens liegt auch im – zumindest hilfsweise erklärten – Interesse der Beschwerdeführerin. Entgegenstehende Interessen sind nicht ersichtlich.