Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 13.12.2016


BPatG 13.12.2016 - 14 W (pat) 30/15

Patenteinspruchsbeschwerdeverfahren – zur Zulässigkeit des Einspruchs – Erfordernis der eindeutigen Identifizierung des Einsprechenden


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
14. Senat
Entscheidungsdatum:
13.12.2016
Aktenzeichen:
14 W (pat) 30/15
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend das Patent 10 2011 054 364

hat der 14. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 13. Dezember 2016 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Maksymiw, des Richters Schell, der Richterin Dr. Münzberg sowie des Richters Dr. Jäger

beschlossen:

Auf die Beschwerde wird der angefochtene Beschluss aufgehoben und die Sache zur weiteren Prüfung und Entscheidung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.

Gründe

I.

1

Gegen das Patent wurde mit anwaltlichem Schriftsatz vom 12. Dezember 2013 Einspruch erhoben. Auf der ersten Seite des Einspruchsschriftsatzes wurde ausgeführt: „Namens und im Auftrag von S… GmbH in G…, Deutschland, gesetzlich vertreten durch Herrn R…, wird hiermit nach § 59 PatG …. Einspruch eingelegt“. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 16. Juli 2015 hat die Patentabteilung 44 des DPMA den Einspruch als unzulässig verworfen, da die Person der Einsprechenden nicht eindeutig identifiziert werden könne. Zwar entsprächen die auf Seite 1 des Einspruchsschriftsatzes enthaltenen Angaben den üblichen Angaben inlandsansässiger, im Handelsregister eingetragener Firmen, so dass hier die Firma auch ohne Adressangabe eindeutig ermittelbar sei. Allerdings würden in der Einspruchsbegründung zwei offenkundige Vorbenutzungen geltend gemacht, für die verschiedene, als „Dokumente der Einsprechenden“ bezeichnete Unterlagen eingereicht worden seien. Der überwiegende Teil dieser Dokumente ließe sich jedoch einer anderen Firma, der „S1… GmbH in M…“ bzw.G1…“ zuordnen und lediglich eines der „S… GmbH“. Darüber hinaus werde im Einspruchsschriftsatz durch den Bezug auf die beigefügten Unterlagen wiederholt auf die Firma „S1… GmbH“ als Einsprechende verwiesen. Damit lasse der Gesamtinhalt des Einspruchsschriftsatzes aus Empfängersicht mehrere Alternativen zu und ermögliche somit keine eindeutige Identifizierung der Einsprechenden.

2

Hiergegen wendet sich die Einsprechende mit ihrer Beschwerde. Nach Auffassung der Patentabteilung werde die Identität der ausdrücklich als solche benannten Einsprechenden durch den Umstand in Zweifel gezogen, dass im Einspruchsschriftsatz bestimmte Handlungen und Unterlagen in Bezug auf die vorgebrachten offenkundigen Vorbenutzungen als der Einsprechenden zugehörig beschrieben würden, während diese tatsächlich einer Tochter der Einsprechenden, der S1… GmbH, zuzuordnen seien. Entgegen dieser Wertung könne diese Unschärfe beim Verweis auf die offenkundigen Vorbenutzungen jedoch keine berechtigten Zweifel an der Identität der ausdrücklich bezeichneten Einsprechenden begründen. Aus objektiver Empfängersicht, wobei insbesondere ein „objektiv nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der üblichen Gestaltung von Einspruchsschreiben gerechtfertigtes Empfängerverständnis“ angesetzt werden müsse, sei vielmehr die explizit als solche bezeichnete S… GmbH als Einsprechende anzusehen. Bei verständiger Würdigung des Einspruchsschriftsatzes könne somit als Einsprechende eindeutig und zweifelsfrei die S… GmbH identifiziert werden. Der Einspruch sei daher zulässig.

3

Die Patentinhaberin hält den Einspruch für unzulässig und trägt zur Begründung im Wesentlichen vor, dass die Angaben zur Person der Einsprechenden im Antrag sowie im übrigen Schriftsatz und den in Bezug genommenen Anlagen nicht als lediglich unscharf angesehen werden könnten. Stattdessen enthalte der Einspruchsschriftsatz durch die Nennung der S… GmbH einerseits und die Referenz auf die S1… GmbH als Einsprechende und Autorin der Anlagen andererseits widersprüchliche Angaben zur Identität der Einsprechenden. Aus objektiver Empfängersicht könne somit nicht zweifelsfrei erkannt werden, welche der Personen den Einspruch eingelegt habe. Bei Würdigung der innerhalb der Einspruchsfrist eingereichten Unterlagen kämen aus Empfängersicht insoweit mindestens zwei juristische Personen in Betracht. Der Zweifel an der Identität der Einsprechenden lasse sich auch nicht dadurch ausräumen, dass lediglich der einleitende Teil auf Seite 1 des Einspruchsschriftsatzes berücksichtigt werde, da dies aus der maßgeblichen Empfängersicht eine willkürliche Auswahl darstellen würde. Darüber hinaus sei in diesem Zusammenhang auch die Angabe der Adresse der Einsprechenden keineswegs entbehrlich. Da diese im Einspruchsschriftsatz nicht genannt werde, müsse der Einspruch auch unter diesem Gesichtspunkt als unzulässig verworfen werden.

4

Die Einsprechende und Beschwerdeführerin beantragt,

5

den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent zu widerrufen, hilfsweise die Sache zur weiteren Prüfung der Patentfähigkeit an die Patentabteilung zurückzuverweisen.

6

Die Patentinhaberin und Beschwerdegegnerin beantragt,

7

1. die Beschwerde zurückzuweisen,

8

2. für den Fall, dass der Beschwerde stattgegeben und der Einspruch als zulässig erachtet werde, die Sache an die Patentabteilung zur weiteren Prüfung der Patentfähigkeit zurückzuverweisen.

9

Mit Schriftsatz vom 2. Dezember 2016 hat die Beschwerdegegnerin ihren Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurückgenommen.

II.

10

Auf die zulässige Beschwerde der Einsprechenden war der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache an das DPMA zurückzuverweisen, wo über die Begründetheit des Einspruchs erstinstanzlich zu entscheiden sein wird. Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung ergehen, nachdem die Patentinhaberin und Beschwerdegegnerin ihren Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung zurückgenommen hat, dem Antrag der Beschwerdeführerin stattgegeben wurde und auch der Senat die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht für sachdienlich erachtet hat (§ 78 PatG).

11

Die ordnungsgemäße Einlegung eines Einspruchs setzt voraus, dass die Person des Einsprechenden eindeutig benannt wird. Die insoweit erforderlichen Angaben müssen dabei nicht zwingend in der Einspruchsschrift selbst enthalten sein, vielmehr genügt es, wenn sie sich aus anderen, dem Gericht vorliegenden Unterlagen innerhalb der Einspruchsfrist eindeutig entnehmen lassen (vgl. Benkard/Schwarz PatG, § 59, Rdn. 42 m. w. N.). Der Einspruch ist unzulässig, wenn auch bei verständiger Würdigung aller innerhalb der Einspruchsfrist vorgelegten Unterlagen Zweifel an der Person des Einsprechenden bestehen bleiben (BGH GRUR 1990, 108 – Meßkopf).

12

Im vorliegenden Fall kann die Einsprechende eindeutig identifiziert werden. Die ausdrückliche Benennung der S… GmbH als Einsprechende in dem Schriftsatz vom 12. Dezember 2013 wird den anzulegenden Anforderungen gerecht, da sich die Person des Einsprechenden durch diese Benennung in eindeutiger Weise identifizieren lässt. Der Umstand, dass im weiteren Text der Einspruchsschrift verschiedene Dokumente als „Dokumente der Einsprechenden“ bezeichnet werden, die sich dann bei näherer Betrachtung jedoch als Dokumente anderer Unternehmen erweisen, stellt die zuvor erfolgte eindeutige Benennung der Einsprechenden nicht in Frage. Eine solche Interpretation bzw. Auslegung käme allenfalls dann in Betracht, wenn in der Einspruchsschrift hinreichend eindeutige Angaben zur Einsprechenden fehlten, was hier gerade nicht der Fall ist. Durch die ausdrückliche Benennung der „S… GmbH in G…, Deutschland, gesetzlich vertreten durch Herrn R…“, namens und in deren Auftrag der Einspruch eingelegt werde, verbleiben insoweit keine Zweifel. Die von der Patentabteilung und der Patentinhaberin angeführten Unklarheiten in Bezug auf die von der Einsprechenden zu den geltend gemachten Vorbenutzungen eingereichten Belege sind ersichtlich als „handwerkliche“ Fehler bzw. Ungenauigkeiten beim Abfassen des betreffenden Sachvortrags zu werten. Sie bewirken keine Zweifel an der zuvor explizit als solche benannten Person der Einsprechenden. Dabei ist maßgeblich zu berücksichtigen, welcher Sinngehalt diesem Sachvortag bei objektiver Betrachtungsweise und Berücksichtigung des maßgeblichen Empfängerhorizonts der im Patentrecht tätigen Kreise zuzuordnen ist. Danach ist der Sachvortrag zu den geltend gemachten Vorbenutzungen ohne weiteres ersichtlich nicht dazu bestimmt, die zu Beginn des Schriftsatzes und damit an der üblicherweise zu erwartenden Stelle aufgeführten Angaben zur Person der Einsprechenden zu ersetzen bzw. zu konkretisieren. Hierin unterscheidet sich der vorliegende Fall auch von der in dem angefochtenen Beschluss angeführten Entscheidung 21 W (pat) 20/06, denn der dortige Einspruchsschriftsatz enthielt gerade keine ausdrückliche Aussage darüber, welche Person Einsprechende sein sollte. Insbesondere war an keiner Stelle erwähnt, in wessen Namen der Einspruch erhoben worden ist.

13

Soweit der Bundesgerichtshof in einer Entscheidung ausgeführt hat (BGH GRUR 1990, 108 – Meßkopf), dass zu einer ordnungsgemäßen Klageerhebung die Angabe der ladungsfähigen Anschrift des Klägers grundsätzlich auch dann erforderlich ist, wenn seine Identität als solche für die Verfahrensbeteiligten zweifelsfrei feststeht, können gegen eine derartige, sich letztlich an rein formalen Gesichtspunkten orientierende Wertung, unter dem Gesichtspunkt der verfassungsrechtlichen Garantie eines effektiven Rechtschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) nicht unerhebliche Bedenken vorgebracht werden. Unter dem Aspekt der gebotenen Rechtssicherheit spricht insoweit einiges dafür, dass es ausreichend sein kann, wenn anhand der Gesamtumstände des konkreten Falles eindeutig feststellbar ist, wer ein Verfahren einleitet. Unter Berücksichtigung der Amtsermittlungspflicht in Einspruchsverfahren wird es deshalb im Regelfall genügen können, wenn sich die Identität des Einsprechenden auch ohne vollständige Adressangaben feststellen lässt (i. d. S. auch Benkard/Schwarz, PatG, 11. Aufl., § 59, Rdn. 42). Im vorliegenden Fall muss diese Frage jedoch nicht abschließend entschieden werden, da hier im Hinblick auf das Erfordernis einer ladungsfähigen Anschrift der Einsprechenden unter Berücksichtigung des Gesamtinhalts der Einspruchsschrift auf die Druckschrift D4-A2 zurückgegriffen werden kann. Deren Seiten 2 und 5 lässt sich die vollständige Adressenangabe der Einsprechenden entnehmen, so dass auch diese Anforderung als erfüllt anzusehen ist.

III.

14

Nach alldem war die Sache zur weiteren Prüfung und Entscheidung an das Deutsche Patent- und Markenamt gemäß § 79 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 3 PatG zurückzuverweisen.