Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 05.09.2017


BPatG 05.09.2017 - 14 W (pat) 25/16

Patentbeschwerdeverfahren – Schutzzertifikatsanmeldung - "Paliperidonpalmitat" – zur Frage, ob es sich bei zwei Wirkstoffen um unterschiedliche Erzeugnisse handelt – Erfordernis der unterschiedlichen stofflichen Eigenschaft bzw. unterschiedlichen arzneilichen Wirkung


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
14. Senat
Entscheidungsdatum:
05.09.2017
Aktenzeichen:
14 W (pat) 25/16
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze
Art 1 Buchst b EGV 469/2009
Art 3 Buchst a EGV 469/2009
Art 3 Buchst b EGV 469/2009
Art 3 Buchst c EGV 469/2009
Art 3 Buchst d EGV 469/2009

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Schutzzertifikatsanmeldung 12 2011 100 027.7

für das Grundpatent EP 0 904 081 (DE 697 08 284)

hat der 14. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 5. September 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Maksymiw, der Richter Schell und Dr. Jäger sowie der Richterin Dr. Wagner

beschlossen:

1. Der angefochtene Beschluss der Patentabteilung 44 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. Oktober 2016 wird aufgehoben.

2. Der Antragstellerin wird ein ergänzendes Schutzzertifikat für Arzneimittel für das Erzeugnis „Paliperidonpalmitat" mit einer Laufzeit vom 13. Mai 2017 bis 12. Mai 2022 erteilt.

Gründe

I.

1

Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin des am 12. Mai 1997 angemeldeten und am 14. November 2001 erteilten europäischen Patents EP 0 904 081 (DE 697 08 284), das inzwischen durch Zeitablauf erloschen ist. Das Patent betrifft eine wässrige Suspension von 9-Hydroxyrisperidon-Fettsäureester, die sich als Depotformulierung zur Verabreichung durch intramuskuläre oder subkutane Injektion eignet.

2

Am 25. Juli 2011 beantragte die Beschwerdeführerin beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) die Erteilung eines ergänzenden Schutzzertifikats auf Grundlage des deutschen Teils des europäischen Patents, zuletzt für „Paliperidonpalmitat“. Hinsichtlich der erforderlichen arzneimittelrechtlichen Genehmigung für das Inverkehrbringen stützte sie sich dabei auf die Zulassungen EU/1/11/672/001-006 der EMA vom 4. März 2011 für das Arzneimittel Xeplion.

3

Mit Beschluss vom 19. Oktober 2016 hat die Patentabteilung des DPMA den Antrag zurückgewiesen und zur Begründung insbesondere ausgeführt, bei der genannten Zulassung handle es sich nicht um die erste Genehmigung im Sinne von Art. 3 (d) der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 (AMVO). Bereits am 25. Juni 2007 sei das Arzneimittel „Invega“ zugelassen worden, eine Retard-Formulierung des Wirkstoffs Paliperidon für die gleichen Anwendungsgebiete. Der vorliegende Erteilungsantrag richte sich zwar auf ein Paliperidonpalmitat, einen Ester von Paliperidon, dieser Wechsel stelle jedoch lediglich eine unbedeutende Änderung in der Galenik dar, da der Fachmann wisse, dass sich Ester in Wasser besser suspensieren ließen und dadurch injiziert werden könnten. Deshalb sei Paliperidonpalmitat gegenüber dem früher zugelassenen Paliperidon nicht als ein anderes Erzeugnis zu werten.

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Gegen diesen Beschluss hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt, mit der sie ihr Begehren auf Erteilung eines ergänzenden Schutzzertifikats weiterverfolgt. Sie macht im Wesentlichen geltend, der in dem Arzneimittel Invega verwendete Wirkstoff Paliperidon sei gegenüber dem in Xeplion verwendeten Wirkstoff Paliperidonpalmitat als ein anderes Erzeugnis im Sinne der AMVO anzusehen. Das Arzneimittel Xeplion mit dem durch das Grundpatent besonders beanspruchten Wirkstoff Paliperidonpalmitat habe von der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) Kommission am 4. März 2011 unter den Nummern EU/1/11/672/001-006 eine Genehmigung für das Inverkehrbringen erhalten. Bei dem Wirkstoff Paliperidonpalmitat handle es sich um ein anderes Erzeugnis im Sinne von Art. 1 (b) AMVO gegenüber dem Wirkstoff Paliperidon. Bei Invega handle es sich um eine für die täglich erfolgende orale Verabreichung bestimmte, den Wirkstoff Paliperidon enthaltende Tablette mit verzögerter Freisetzung. Während Paliperidon (Invega) allgemein für die Behandlung von Schizophrenie indiziert sei, werde Paliperidonpalmitat (Xeplion) gezielt für die spezifische therapeutische Verwendung bei der Erhaltungstherapie der Schizophrenie verwendet, was nicht miteinander gleichgesetzt werden könne. Die verzögerte Freisetzung von Paliperidon unterscheide sich in klinischer Hinsicht prägnant von der verzögerten Freisetzung von Paliperidonpalmitat, da sich die chemischen Verbindungen im menschlichen Körper unterschiedlich verhielten.

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So stelle Xeplion eine verzögert freisetzende Suspension für die Injektion dar, die für eine einmal monatlich erfolgende Verabreichung durch intramuskuläre Injektion bestimmt sei, wobei die Freisetzung des Wirkstoffs kontinuierlich über einen Zeitraum von mehreren Wochen bis mehrere Monaten nach der Injektion erfolge. Als chemische Verbindung mit langer Fettsäurekette weise Paliperidonpalmitat eine extrem geringe Löslichkeit in Wasser auf, weshalb es sich nach seiner intramuskulären Injektion nur langsam in die wässrige Umgebung des Körpers löse. Nachdem sich Paliperidonpalmitat im Körper des Patienten gelöst habe, hydrolysiere es zu Paliperidon. Auf diese Weise sorge Xeplion über mindestens einen Monat hinweg für anhaltende therapeutische Konzentrationen, was im Rahmen einer langfristigen Erhaltungstherapie für an Schizophrenie erkrankte Patienten von erheblicher Bedeutung sei, da bei dieser Patientengruppe ein erhöhtes Risiko bestehe, dass ärztliche Behandlungsrichtlinien nicht konsequent befolgt würden. Dies gelte insbesondere, wenn das betreffende Arzneimittel täglich eingenommen werden müsse. Die bestehenden Unterschiede in der Dosierungshäufigkeit und der Wirksamkeit von Paliperidonpalmitat und Paliperidon könnten nicht als bloße Änderung der Galenik angesehen werden, vielmehr handle es sich hier um unterschiedliche Erzeugnisse im Sinne der AMVO-Vorschriften. Auch die EMA habe in der Zulassung des Arzneimittels Xeplion ausdrücklich festgestellt, dass der darin enthaltene Wirkstoff Paliperidonpalmitat sei.

6

Bei dieser Sachlage rechtfertige der Erwägungsgrund 14 der Verordnung (EWG) Nr. 1610/96 (PSM-VO) die Erteilung eines Schutzzertifikats für ein Ester-Derivat eines Wirkstoffs, auch wenn dieser selbst bereits Gegenstand eines Schutzzertifikats war. Dementsprechend seien für das verfahrensgegenständliche Erzeugnis Paliperidonpalmitat mittlerweile in 28 Ländern des europäischen Wirtschaftsraums Schutzzertifikate erteilt worden, trotz der früheren Genehmigung für das Inverkehrbringen des Wirkstoffs Paliperidon.

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Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

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1. Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Erteilung des beantragten ergänzenden Schutzzertifikats.

9

2. Der vorliegende Antrag bezieht sich auf die Erteilung eines ergänzenden Schutzzertifikats für Paliperidonpalmitat, einem Ester-Prodrug von Paliperidon.

10

Für den Wirkstoff Paliperidonpalmitat liegt eine gültige Genehmigung der EMA vom 4. März 2011 für das Arzneimittel Xeplion vor. Zwar finden sich in den Zulassungsdokumenten der EMA im Hinblick auf den im Arzneimittel verwendeten Wirkstoff verschiedene Benennungen: So wird in der Genehmigung auf „Xeplion paliperidone“ Bezug genommen, während in den Authorisation Details als Active Substance „paliperidone palmitate“ benannt wird, ebenso wie im Annex I – Summary of Product Characteristics und dem Summary of opinion (initial authorisation). Im Assessment Report des CHMP wird neben dem International Nonproprietary Name „Paliperidon“ in der Folge immer wieder auf „XEPLION paliperidone palmitate“ verwiesen, insbesondere unter Abschnitt 2.2.2: „Active Substance“. Entscheidend sind aber nicht diese Abweichungen, sondern die Tatsache, dass sich die Genehmigung unzweideutig auf das Arzneimittel Xeplion bezieht, das Paliperidonpalmitat enthält.

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Anspruch 1 des Grundpatents bezieht sich auf eine pharmazeutische, als Depotformulierung zur Verabreichung durch intramuskuläre oder subkutane Injektion geeignete Zusammensetzung, die als Wirkstoff eine therapeutisch wirksame Menge eines in Wasser suspendierten 9-Hydroxyrisperidon-Fettsäureesters enthält.

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Anspruch 2 lautet in deutscher Übersetzung:

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„Zusammensetzung nach Anspruch 1, wobei R für eine geradkettige C15-(Pentadecyl)-Kette steht und es sich bei dem Wirkstoff um 9-Hydroxyrisperidonpalmitat handelt.“

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In dem Grundpatent wird Paliperidonpalmitat somit besonders beansprucht.

15

3. Die Voraussetzungen des Art. 3 (a) und (b) AMVO sind damit erfüllt. Dagegen ist fraglich, ob dies auch im Hinblick auf Art. 3 (c) und (d) AMVO zu bejahen ist, da für den Wirkstoff Paliperidon bereits eine frühere Genehmigung für das Inverkehrbringen des Arzneimittels Invega sowie ein ergänzendes Schutzzertifikat erteilt wurde. Die Voraussetzungen von Art. 3 (c) und (d) AMVO können deshalb im vorliegenden Fall nur dann als erfüllt angesehen werden, wenn es sich bei Paliperidon und Paliperidonpalmitat um unterschiedliche Erzeugnisse im Sinne von Art. 1 (b) AMVO handelt.

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4. Hinweise, wie ein Wirkstoff und seine Derivate zertifikatsrechtlich einzuordnen sind, lassen sich den Erwägungsgründen 13 und 14 der Verordnung (EG) Nr. 1610/96 (PSMVO), die nach ihrem Erwägungsgrund 17 auch im Rahmen der Auslegung der AMVO zu berücksichtigen sind, sowie den Materialien zur AMVO entnehmen. Gemäß Erwägungsgrund 13 der PSMVO sind ein Wirkstoff und seine Derivate in der Regel als ein und dasselbe Erzeugnis zu behandeln (Annahme einer Erzeugnisidentität). Dies steht im Einklang mit den Materialien zur AMVO, wonach die Verordnung ausschließlich auf neue Arzneimittel beschränkt sein soll und deshalb unbedeutende Änderungen an einem Arzneimittel, wie etwa die Verwendung eines anderen Salzes oder Esters oder einer anderen pharmazeutischen Form, die Erteilung weiterer Schutzzertifikate nicht rechtfertigt (vgl. Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates über die Schaffung eines ergänzenden Schutzzertifikats für Arzneimittel = KOM [90] 101 endg., Rdn. 11). Diese Auslegung hat der Gerichtshof in seinem Urteil Farmitalia (EuGH, GRUR Int. 2000, 69) bestätigt, in dem er zwar nicht explizit auf die Auslegung des Erzeugnisbegriffs eingegangen ist, jedoch im Rahmen seiner Auslegung des Art. 3 (b) AMVO hervorgehoben hat, dass „das Zertifikat ein Erzeugnis als Arzneimittel in allen dem Schutz des Grundpatents unterliegenden Formen erfassen kann, wenn das Erzeugnis in der in der arzneimittelrechtlichen Genehmigung genannten Form durch ein in Kraft befindliches Grundpatent geschützt ist“. Damit hat der EuGH seiner Auslegung eine weite Fassung des Erzeugnisbegriffs zugrunde gelegt, wonach ein Wirkstoff und seine pharmakologisch gleichwertigen Derivate als dasselbe Erzeugnis zu werten sind.

17

Allerdings stellt Erwägungsgrund 14 der PSMVO klar, dass es dennoch nicht ausgeschlossen ist, einen Wirkstoff und seine Derivate als unterschiedliche Erzeugnisse anzusehen, wenn die betreffenden Derivate – wie im vorliegenden Fall – Gegenstand von Patenten sind, in denen sie besonders beansprucht werden. Zwar scheint Erwägungsgrund 14 der PSMVO aufgrund seiner Formulierung nur auf die Regelung des Art. 3 (c) AMVO hinzuweisen, der in ihm enthaltene Grundgedanke trifft jedoch gleichermaßen auf die weitere Erteilungsschranke des Art. 3 (d) AMVO zu (vgl. BGH, GRUR 2010, 123, Rdn. 76 – Escitalopram), dem ebenfalls der Zweck zugrunde liegt, unzulässige Mehrfacherteilungen von Schutzzertifikaten für dasselbe Erzeugnis zu verhindern.

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5. Wann bei einem Wirkstoff und seinen Derivaten von einer Erzeugnisidentität bzw. von unterschiedlichen Erzeugnissen auszugehen ist, bestimmt sich nach den zu Art. 1 (b) AMVO entwickelten Kriterien. Dies setzt voraus, dass die miteinander zu vergleichenden Stoffe unterschiedliche arzneiliche Wirkungen entfalten. Gemäß der Entscheidung Forsgren setzt eine arzneiliche Wirkung voraus, dass ein Stoff eine eigene pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung ausübt (vgl. EuGH, GRUR Int. 2015, 272, Rdn. 25). Vorliegend ist somit zu entscheiden, ob der Ester (Paliperidonpalmitat) gegenüber dem freien Alkohol (Paliperidon) im Hinblick auf seine pharmakologische und/oder metabolische Wirkung als ein anderes Erzeugnis zu werten ist.

19

Auch wenn der Begriff des Erzeugnisses im Zertifikatsrecht eigenständig zu bestimmen ist (BGH, GRUR 2002, 415, Abschnitt III.4.b – Sumatriptan), können Wertungen des Arzneimittelrechts, die mit denen des Zertifikatsrechts in Einklang stehen, für die Auslegung des Art. 1 (b) AMVO herangezogen werden (vgl. EuGH, PharmR 2014, 98, Rdn. 36–38 – Glaxosmithkline). Die im Bereich des Zertifikatsrechts diskutierte Frage, ob bzw. wann die verschiedenen Erzeugnisformen eines Wirkstoffs als ein und derselbe Wirkstoff gelten, wurde für das arzneimittelrechtliche Zulassungsverfahren vom Gemeinschaftsgesetzgeber in Art. 10 (2) b) Satz 2 der Richtlinie 2001/83 dahingehend entschieden, dass ein Wirkstoff und seine Derivate als derselbe Wirkstoff zu werten sind, „es sei denn, ihre Eigenschaften unterscheiden sich erheblich hinsichtlich der Sicherheit und/oder Wirksamkeit“ (vgl. hierzu auch Kortland in Kügel/Müller/Hofmann, Arzneimittelgesetz, 2. Aufl. 2016, § 24 (b), Rdn. 70). Dementsprechend ist auch für die zertifikatsrechtlich zu beantwortende Frage, ob es sich bei zwei Wirkstoffen um unterschiedliche Erzeugnisse im Sinne von Art. 1 (b) AMVO handelt, darauf abzustellen, ob deren stoffliche Eigenschaften derart voneinander abweichen, dass sich dies in einer unterschiedlichen pharmakologischen, immunologischen oder metabolischen Wirkung niederschlägt.

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6. Das verfahrensgegenständliche Erzeugnis Paliperidonpalmitat besitzt gegenüber der Wirkung des Arzneistoffs Paliperidon einen zusätzlichen therapeutischen Effekt, da sich die beiden chemischen Verbindungen im menschlichen Körper unterschiedlich verhalten. Das spezifische Freisetzungsprofil von Paliperidonpalmitat ist mit einer erheblich verzögerten Freisetzung von Paliperidon im Körper des Patienten verbunden, wodurch sich für Xeplion (Paliperidonpalmitat) eine im Vergleich zu Invega (Paliperidon) deutlich verminderte Dosierungshäufigkeit ergibt. Xeplion ist zur Verabreichung im monatlichen Zyklus bestimmt, während Invega täglich angewendet wird. Die Freisetzung des Wirkstoffs erfolgt bei der Depotformulierung Xeplion (Paliperidonpalmitat) nicht schnell, sondern außergewöhnlich langsam und kontinuierlich über einen deutlich längeren Zeitraum hinweg als bei der Retardtablette Invega (Paliperidon). Dadurch wird das Auftreten unerwünscht hoher Anfangsplasmaspiegel-Werte vermindert, die sich bei den Patienten durch unerwünschte Nebenwirkungen bemerkbar machen. Darüber hinaus wird die therapeutisch angestrebte mittlere Wirkungsdauer deutlich verlängert, was wiederum signifikante Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Behandlung mit der Depotformulierung Xeplion (Paliperidonpalmitat) gegenüber der Retardtablette Invega (Paliperidon) hat. Die deutlich verzögerte Umwandlung und Abgabe des Wirkstoffs im Körper ist für die betroffenen Patienten zudem mit weiteren erheblichen Vorteilen verbunden, da durch die signifikant verminderte Dosierungshäufigkeit die Einhaltung der ärztlichen Behandlungsrichtlinien erleichtert und verbessert wird, womit wiederum eine entsprechende Verminderung der Häufigkeit und Intensität der krankheitsbedingten Symptomatik verbunden ist. Die absolute Bioverfügbarkeit von Paliperidonpalmitat nach Verabreichung von Xeplion beträgt 100% gegenüber 28% bei Invega (vgl. Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels Xeplion, Abschnitt 5.2, sowie Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels Invega, Abschnitt 5.2).

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Zwischen dem verfahrensgegenständlichen Erzeugnis Paliperidonpalmitat und dem Erzeugnis Paliperidon bestehen somit aufgrund ihrer bedingt durch ihre unterschiedliche chemische Funktionalität abweichenden Stoffeigenschaften erhebliche, nicht lediglich unbedeutende Unterschiede in der pharmakologischen und metabolischen Wirkung. Sie sind daher als verschiedene Erzeugnisse im Sinne von Art. 1 (b) AMVO anzusehen, so dass die Erteilung des beantragten ergänzenden Schutzzertifikats auch nicht wegen Art. 3 (c) und (d) AMVO ausgeschlossen ist.

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7. Dieser Wertung steht die von der Patentabteilung angeführte Entscheidung Doxorubicin-Sulfat (BGH, GRUR 2009, 41) nicht entgegen, in welcher der Bundesgerichtshof im Hinblick auf die Frage, ob es sich bei zwei Doxorubicin-Salzen um verschiedene Erzeugnisse im Sinne der AMVO handelt, vorhandene Unterschiede in der arzneilichen Wirksamkeit als hierfür nicht ausreichend gewertet hat. Denn der Bundesgerichtshof konnte hier noch nicht die deutlich später ergangene Entscheidung Forsgren des EuGH berücksichtigen (EuGH, GRUR Int. 2015, 272, Rdn. 24 f.), in der dieser unter Bezugnahme auf Art. 1 der Richtlinie 2001/83/EG klargestellt hat, dass sich der Begriff des Wirkstoffs für die Zwecke der Anwendung der AMVO auf Stoffe bezieht, die eine eigene pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung ausüben, wodurch im Hinblick auf die Frage, ob verschiedene Erzeugnisse im Sinne von Art. 1 (b) AMVO vorliegen, die Relevanz von erheblichen Unterschieden in ihren pharmakologischen und metabolischen Wirkungen deutlich wird.

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8. Die Laufzeitberechnung beruht auf Art. 13 (2) AMVO und ergibt für das hier zu erteilende ergänzende Schutzzertifikat eine ergänzende Schutzdauer von 5 Jahren. Demnach beginnt die Laufzeit am 13. Mai 2017 und endet mit Ablauf des 12. Mai 2022.