Entscheidungsdatum: 30.03.2010
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 199 55 150.2 - 41
…
hat der 14. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 30. März 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Schröder, der Richter Harrer und Dr. Gerster sowie der Richterin Dr. Schuster
beschlossen:
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und das Patent erteilt.
Bezeichnung: Verfahren zur Erzeugung von Wasserstoff
Anmeldetag: 17. November 1999
Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zu Grunde:
Patentansprüche 1 bis 3 vom 11. Juli 2002,
Beschreibung Spalten 1 bis 3 gemäß Offenlegungsschrift mit der Maßgabe in Spalte 1 Zeile 49 das Wort „bevorzugt“ und in Spalte 1 Zeile 62 das Wort „bevorzugten“ zu streichen,
2 Blatt Zeichnungen, Figuren 1 und 2 gemäß Offenlegungsschrift.
I
Mit Beschluss vom 4. September 2007 hat die Prüfungsstelle für Klasse C01B des Deutschen Patent- und Markenamts die Patentanmeldung 199 55 150.2 - 41 mit der Bezeichnung
„Verfahren zur Erzeugung von Wasserstoff“
zurückgewiesen.
Die Zurückweisung ist unter Hinweis auf die Entgegenhaltungen
(1) US 4 113 446 A
(3) WO 00/18681 A1 und
(4) WO 96/30464 A1
im Wesentlichen damit begründet, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 sei gegenüber der nachveröffentlichten, älteren Anmeldung (3) nicht mehr neu und beruhe ferner gegenüber einer Kombination der Entgegenhaltungen (1) und (4) nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Gegen diesen Beschluss hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt. Sie ist der Ansicht, das beanspruchte Verfahren zur Herstellung von Wasserstoff sei durch die Aufnahme des Disclaimers „ausgenommen Erdgas und Methan“ in den Anspruch 1 gegenüber der nachveröffentlichten, älteren Anmeldung (3) neu. Darüber hinaus beruhe es auch gegenüber der Entgegenhaltung (1) auf einer erfinderischen Tätigkeit, da das dort beschriebene Verfahren in eine andere Richtung weise, nämlich dahin, den eingesetzten Katalysator zu verbessern, um das angestrebte Ziel, ein Heizgas mit möglichst hohem Brennwert zu produzieren, erreichen zu können. Auch eine Zusammenschau mit dem weiteren Stand der Technik könne das beanspruchte Verfahren nicht nahe legen.
Die Anmelderin verfolgt ihr Patentbegehren mit den im Tenor genannten Unterlagen weiter. Der Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:
„Verfahren zur Erzeugung von Wasserstoff, bei dem Kohlenwasserstoffe mit Ausnahme von Erdgas und Methan und/oder Alkohole bei einer Temperatur von 550 °C bis 700 °C in überkritischem Wasser ohne Einsatz eines Katalysators umgesetzt werden.“
Die rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 3 sind auf weitere Ausgestaltungen des Verfahrens nach Anspruch 1 gerichtet; wegen ihres Wortlauts und weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.
Die Anmelderin beantragt,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent zu erteilen auf der Grundlage der Patentansprüche 1 bis 3 vom 11. Juli 2002 sowie Beschreibung und Zeichnungen gemäß Offenlegungsschrift mit der Maßgabe in Spalte 1 Zeile 49 das Wort „bevorzugt“ und in Spalte 1 Zeile 62 das Wort „bevorzugten“ zu streichen.
II
2. Bezüglich ausreichender Offenbarung des Verfahrens nach den geltenden Ansprüchen 1 bis 3 bestehen keine Bedenken; ihre Merkmale lassen sich aus den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 1 bis 3 in Verbindung mit den Angaben auf Seite 4, dritter Absatz der ursprünglich eingereichten Beschreibung herleiten.
Die Aufnahme des Disclaimers „ausgenommen Erdgas und Methan“ in den geltenden Anspruch 1 ist nicht zu beanstanden. Die Anmelderin hat den Anspruch durch den Disclaimer in zulässiger Weise beschränkt, denn es handelt sich bei den ausgenommenen Ausgangsstoffen Erdgas und Methan um Kohlenwasserstoffe, die als solche ursprünglich offenbart waren (vgl. urspr. Anspr. 1 und 2 i. V. m. S. 4, erster und letzter Abs.). Dabei steht die Bezeichnung Erdgas für ein Gemisch aus gasförmigen und gegebenenfalls flüssigen Kohlenwasserstoffen, das je nach Quelle unterschiedliche Beimischungen enthalten kann, und bei dem Ausgangsstoff Methan handelt es sich um die erste Verbindung in der homologen Reihe der Alkane. Ferner hat sie mit der Aufnahme des Disclaimers Gegenstände der älteren Anmeldung (3) vom beanspruchten Verfahren ausgenommen und damit die vorliegende Anmeldung gegenüber diesem älteren Recht abgegrenzt. Die Ausnahme der Ausgangsstoffe Erdgas und Methan vom beanspruchten Verfahren stellt somit keine unzulässige Erweiterung dar und ist daher zulässig.
3. Das Verfahren nach Anspruch 1 ist neu.
Die nachveröffentlichte, ältere Anmeldung (3) beschreibt ein Verfahren zur Reformierung von Erdgas zu Kohlendioxid und Wasserstoff in überkritischem Wasser (Anspr. 1). Das Verfahren wird bei Temperaturen im Bereich von etwa 400°C bis etwa 600°C ohne Einsatz eines Katalysators durchgeführt (Anspr. 2 und 6).
Das Verfahren nach Anspruch 1 vorliegender Anmeldung unterscheidet sich von dem in der Entgegenhaltung (3) beschriebenen Verfahren somit dadurch, dass es anstelle von Erdgas und Methan andere Kohlenwasserstoffe und/oder Alkohole als Ausgangsstoffe zur Erzeugung von Wasserstoff einsetzt.
Soweit die Prüfungsstelle in ihrem Beschluss unter Hinweis auf das in einem Standardwerk der Chemie beschriebene allgemeine Fachwissen die Auffassung vertreten hat, der Fachmann, hier ein Dipl.-Chemiker, werde beim Lesen der Entgegenhaltung (3) nicht nur an die Klasse der flüchtigen Kohlenwasserstoffe Methan, Äthan, Propan, Butan und Pentan denken, sondern auch an höher siedende Komponenten, weshalb der aufgenommene Disclaimer die Neuheit des beanspruchten Verfahrens gegenüber Druckschrift (3) nicht herstellen könne, kann ihr im Hinblick auf die neuere, höchstrichterliche Rechtsprechung nicht gefolgt werden (BGH GRUR 2009, 382 - Olanzapin; BGH GRUR 2010, 123 - Escitalopram). Nach diesen Entscheidungen liest der Fachmann nur solche konkreten Ausführungsformen mit, die individualisiert offenbart sind. Dies trifft in der Entgegenhaltung (3) lediglich für Erdgas bzw. „natural gas“ und dem in der Formel auf Seite 3, Zeile 12 der Beschreibung genannten Methan, das auch der Hauptbestandteil von Erdgas ist, zu (vgl. Anspr. 1 i. V. m. S. 3, Z. 12 der Beschreibung „CH 4 “ ). Mithin liest der Fachmann keine weiteren Kohlenwasserstoffe - wie die vorstehend genannten - mit.
Dem Verfahren nach Anspruch 1 vorliegender Anmeldung ist daher die Neuheit gegenüber Entgegenhaltung (3) zuzuerkennen.
Auch gegenüber den Druckschriften (1) und (4) ist die Neuheit des Verfahrens nach Anspruch 1 gegeben, da die Durchführung des Verfahrens zur Erzeugung eines Gases mit hohem Brennwert aus flüssigem oder festen organischem Material nach Entgegenhaltung (1) nicht im beanspruchten Temperaturbereich von 550°C bis 700°C erfolgt (vgl. Beisp. 1 i. V. m. Tab. II) und das Verfahren zur Zersetzung feuchter Biomasse unter Gewinnung eines Gasgemisches, insbesondere Wasserstoff, gemäß Entgegenhaltung (4) in Anwesenheit eines Katalysators durchgeführt wird (vgl. Anspr. 1 i. V. m. S. 3, Z. 22 bis S. 4, Z. 3).
4. Das Verfahren gemäß Anspruch 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Aufgabe der vorliegenden Anmeldung ist es, ein weiteres Verfahren zur Erzeugung von Wasserstoff aus einer überkritischen wässrigen Lösung anzugeben, mit dessen Hilfe sich der Wasserstoffanteil von organischen Verbindungen und der durch CO-Konversion aus der Wasserabspaltung resultierende Anteil ohne Einsatz eines Katalysators nahezu vollständig in gasförmigen Wasserstoff konvertieren lässt, wobei die Ausgangsverbindung in höheren Konzentrationen einsetzbar ist und auf die Zugabe von Sauerstoff verzichtet werden kann (urspr. einger. Beschreibung S. 3, vorl. Abs.).
Die Aufgabe wird gelöst mit dem Verfahren gemäß Anspruch 1.
Als nächstliegender Stand der Technik ist die Entgegenhaltung (1) anzusehen. Sie beschreibt, wie bereits erwähnt, ein Verfahren zur Erzeugung eines Gases aus flüssigem oder festen organischem Material mit dem Ziel, ein Gasgemisch mit einem besonders hohen Brennwert zu erhalten (Sp. 1, Z. 52 bis 64 i. V. m. Sp. 3, Z. 8 bis 20). Dieses Ziel kann durch Umsetzung eines flüssigen oder festen organischen Materials in Gegenwart oder in Abwesenheit eines Katalysators erreicht werden (Sp. 1, Z. 67 bis Sp. 2, Z. 9). Der Fachmann, der vor die vorstehend genannte Aufgabe gestellt ist, entnimmt dieser Druckschrift jedoch, dass die Umsetzung der Ausgangsstoffe des beschriebenen Verfahrens mit überkritischem Wasser ohne einen Katalysator nur mäßige Ausbeuten an Wasserstoff erbringt, während die Durchführung des Verfahrens mit einem Katalysator den Wasserstoffanteil im gewonnenen Produkt deutlich steigen lässt (vgl. Sp. 5/6, Tab. II, Run No. 10 i. V. m. Run No. 11 und 12 und Sp. 7/8, Tab. IV, Run 14). Er zieht daraus zwangsläufig den Schluss, dass sich mit dem Einsatz eines Katalysators und gegebenenfalls dessen Optimierung der Wasserstoffanteil im erhaltenen Gasgemisch steigern lässt, nicht jedoch, dass sich die gestellte Aufgabe insbesondere im Hinblick auf die nahezu vollständige Konversion in gasförmigen Wasserstoff bei Durchführung des Verfahrens in einem Temperaturbereich zwischen 550°C und 700°C ohne Katalysator lösen lässt, wie der Vergleich der Ausbeuten an Wasserstoff bei dem bekannten Verfahren (vgl. Tab. II Run 10 mit 25,8 Vol.-% H 2 ) mit dem vorliegend beanspruchten Verfahren (vgl. urspr. einger. Beschreibung S. 6, letzt. Abs. mit 71,9 Vol.-% H 2 ) zeigt. Die Entgegenhaltung (1) führt insofern in eine andere Richtung.
Die Entgegenhaltung (4) kann ebenfalls nichts zur anmeldungsgemäßen Lösung der gestellten Aufgabe beitragen. Ihre Lehre geht nicht über den Offenbarungsgehalt der Entgegenhaltung (1) hinaus, da auch sie die Umsetzung feuchter Biomasse unter Gewinnung eines Gasgemisches ausschließlich in Gegenwart eines Katalysators lehrt (vgl. Anspr. 1).
Nach alledem ist das Verfahren nach dem geltenden Patentanspruch 1 gegenüber dem Stand der Technik neu und beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit, so dass der Anspruch 1 gewährbar ist.
5. Das Gleiche gilt für die auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2 und 3, die weitere über Selbstverständlichkeiten hinausgehende Ausgestaltungen des Verfahrens nach Anspruch 1 betreffen.