Entscheidungsdatum: 06.06.2013
In der Beschwerdesache
betreffend das Patent 10 2005 010 678
…
hat der 12. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 6. Juni 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Schneider, der Richterin Bayer sowie der Richter Dipl.-Ing. Sandkämper und Dr.-Ing. Krüger
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Einsprechenden wird der Beschluss der Patentabteilung 24 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 18. September 2008 aufgehoben und das Patent 10 2005 010 678 widerrufen.
I
Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Patentabteilung 24 das Patent 10 2005 010 678 betreffend eine
"Vorrichtung zur Befestigung eines Rundschaftmeißels"
beschränkt aufrechterhalten.
Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Einsprechenden.
Der aufrechterhaltene Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut (Änderungen gegenüber der erteilten Fassung hervorgehoben):
Vorrichtung (1, 20) zur Befestigung eines Rundschaftmeißels (2, 23), aufweisend ein Basisteil (3, 28) und einen Meißelhalter (5, 21), wobei der Meißelhalter (5, 21) mit einem Steckansatz (6, 22) versehen ist, der in eine angepasste Ausnehmung des Basisteils (3, 28) einsteckbar ist und eine Anschlagfläche (7, 26) aufweist, die an einer Stützfläche (8, 27) des Basisteils (3, 28) anliegt und wobei über die Anschlagfläche (7, 26) und die Stützfläche (8, 27) ein wesentlicher Teil der von dem Rundschaftmeißel (2, 23) und dem Meißelhalter (5, 21) aufgenommenen Kräfte in das Basisteil (3, 28) ableitbar ist, wobei sich zumindest ein Teil der Stützfläche (8,12, 27) auf dem Basisteil (3, 28) in Laufrichtung (9) des Rundschaftmeißels (2, 23) vor dem Steckansatz (6, 22) befindet und zumindest ein Teil der Anschlagfläche (7, 13, 26) an diesem Teil der Stützfläche (8, 12, 27) anliegt, dadurch gekennzeichnet, dass zumindest diejenigen Teile der Stützfläche (8, 12, 27) und/oder der Anschlagfläche (7, 13, 26), die in Laufrichtung (9) des Rundschaftmeißels (2, 23) vor dem Steckansatz (6, 22) angeordnet sind, von einem elastischen Abstützelement (10, 29, 30) gebildet sind, das aus einem Elastomer mit großer Shore-Härte besteht oder in Form einer Federspannhülse ausgebildet ist, die in eine Bohrung in dem Meißelhalter eingepresst ist.
Der aufrechterhaltene nebengeordnete Anspruch 7 hat folgenden Wortlaut (Änderungen gegenüber der erteilten Fassung hervorgehoben):
Verwendung eines elastischen Abstützelements (19, 29, 30), das aus einem Elastomer mit großer Shore-Härte besteht oder in Form einer Federspannhülse ausgebildet ist, zur Bildung einer Anschlagfläche (7, 26) und/oder Stützfläche (8, 27), die sich jeweils in Laufrichtung eines Rundschaftmeißels (2, 23) einer Straßenfräse vor einem Steckansatz (6, 22) befinden, wobei die Anschlagfläche (7, 26) sich an einem Meißelhalter (5, 21) einer Befestigungsvorrichtung (1, 20) und die Stützfläche (8, 27) sich an einem Basisteil (3, 28) der Befestigungsvorrichtung (1, 20) befindet und der Steckansatz (6, 22) in einer angepassten Ausnehmung in dem Basisteil (3, 28) einsteckbar ist.
An den Anspruch 1 schließen sich Unteransprüche 2 bis 6 an.
Die Einsprechende und Beschwerdeführerin stellte den Antrag,
den Beschluss der Patentabteilung 24 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 18. September 2008 aufzuheben und das Patent 10 2005 010 678 zu widerrufen.
Der ordnungsgemäß geladene Patentinhaber und Beschwerdegegner hat den Termin der mündlichen Verhandlung nicht wahrgenommen und sich auch in der Sache nicht geäußert.
Wegen weiterer Einzelheiten und wegen des Wortlauts der Unteransprüche wird auf die Akte verwiesen.
II
Die Beschwerde ist zulässig und auch begründet.
Der Einspruch war zulässig.
1. Anspruch 1 lässt sich folgendermaßen in Merkmale gliedern:
1.1 Vorrichtung (1, 20) zur Befestigung eines Rundschaftmeißels (2, 23), aufweisend ein Basisteil (3, 28) und einen Meißelhalter (5, 21),
1.2 wobei der Meißelhalter (5, 21) mit einem Steckansatz (6, 22) versehen ist, der in eine angepasste Ausnehmung des Basisteils (3, 28) einsteckbar ist
1.3 und wobei der Meißelhalter (5, 21) eine Anschlagfläche (7, 26) aufweist, die an einer Stützfläche (8, 27) des Basisteils (3, 28) anliegt
1.4 und wobei über die Anschlagfläche (7, 26) und die Stützfläche (8, 27) ein wesentlicher Teil der von dem Rundschaftmeißel (2, 23) und dem Meißelhalter (5, 21) aufgenommenen Kräfte in das Basisteil (3, 28) ableitbar ist,
1.5 wobei sich zumindest ein Teil der Stützfläche (8, 12, 27) auf dem Basisteil (3, 28) in Laufrichtung (9) des Rundschaftmeißels (2, 23) vor dem Steckansatz (6, 22) befindet
1.6 und zumindest ein Teil der Anschlagfläche (7, 13, 26) an diesem Teil der Stützfläche (8, 12, 27) anliegt,
1.7 wobei zumindest diejenigen Teile der Stützfläche (8, 12, 27) und/oder der Anschlagfläche (7, 13, 26), die in Laufrichtung (9) des Rundschaftmeißels (2, 23) vor dem Steckansatz (6, 22) angeordnet sind, von einem elastischen Abstützelement (10, 29, 30) gebildet sind,
1.7.1 das aus einem Elastomer mit großer Shore-Härte besteht
1.7.2 oder in Form einer Federspannhülse ausgebildet ist, die in eine Bohrung in dem Meißelhalter eingepresst ist.
Fachmann ist ein Ingenieur des Maschinenbaus mit Fachhochschulabschluss und mehrjähriger Berufserfahrung, der mit der Konstruktion und Wartung von Bohr- und Fräsmaschinen vertraut ist.
2. Gemäß dem geltenden Anspruch 1 betrifft die Erfindung eine Vorrichtung zur Befestigung eines Rundschaftmeißels mit einem Basisteil und einem Meißelhalter (Merkmal 1.1). Dabei weist der Meißelhalter eine Anschlagfläche auf, die an einer Stützfläche des Basisteils anliegt (Merkmal 1.3). Zusätzlich ist der Meißelhalter mit einem Steckansatz versehen, der in eine angepasste Ausnehmung des Basisteils einsteckbar ist (Merkmal 1.2). Teile der Stützfläche und/oder der Anschlagfläche vor dem Steckansatz sind von einem elastischen Abstützelement gebildet (Merkmal 1.7).
Merkmal 1.7.2 gibt an, dass dieses elastische Abstützelement in Form einer Federspannhülse ausgebildet ist, die in eine Bohrung in dem Meißelhalter eingepresst ist. Die im geltenden Anspruch 1 auf die Variante des Abstützelementes als Federspannhülse gerichtete Alternative ist den ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen in der im Anspruch 1 angegebenen allgemeinen Form nicht entnehmbar und stellt somit eine unzulässige Erweiterung dar.
Der Patentinhaber ist zwar nicht genötigt, wenn er nur noch für eine bestimmte Ausführungsform der angemeldeten Erfindung Schutz begehrt, sämtliche Merkmale eines Ausführungsbeispiels in den Anspruch aufzunehmen. Die Aufnahme eines weiteren Merkmals aus der Beschreibung in den Patentanspruch ist zulässig, wenn dadurch die zunächst weiter gefasste Lehre auf eine engere Lehre eingeschränkt wird und wenn das weitere Merkmal in der Beschreibung als zu der beanspruchten Erfindung gehörend zu erkennen war (BGH, BGHZ 111, 21, 25 - Crackkatalysator I; Beschl. v. 30.10.1990 - X ZB 18/88, GRUR 1991, 307, 308 - Bodenwalze; Urt. v. 7.12.1999 - X ZR 40/95, GRUR 2000, 591, 592 - Inkrustierungsinhibitoren). Dienen mehrere in der Beschreibung eines Ausführungsbeispiels genannte Merkmale der näheren Ausgestaltung der unter Schutz gestellten Erfindung, die je für sich, aber auch zusammen den durch die Erfindung erreichten Erfolg fördern, hat es der Patentinhaber in der Hand, ob er sein Patent durch die Aufnahme einzelner oder sämtlicher dieser Merkmale beschränkt; in dieser Hinsicht können dem Patentinhaber keine Vorschriften gemacht werden (BGH v. 23.1.1990 - X ZB 9/89, GRUR 1990, 432, 434 – Spleißkammer).
Das bedeutet jedoch nicht, dass der Patentinhaber nach Belieben einzelne Elemente eines Ausführungsbeispiels im Patentanspruch kombinieren dürfte. Die Kombination muss vielmehr in ihrer Gesamtheit eine technische Lehre darstellen, die der Fachmann den ursprünglichen Unterlagen als mögliche Ausgestaltung der Erfindung entnehmen kann; andernfalls wird etwas beansprucht, von dem der Durchschnittsfachmann aufgrund der ursprünglichen Offenbarung nicht erkennen kann, dass es von vornherein von dem Schutzbegehren umfasst sein soll (BGH v. 23.1.1990 - X ZB 9/89, GRUR 1990, 432, 434 – Spleißkammer). Werden in den Patentanspruch nur einzelne Merkmale eines Ausführungsbeispiels der Erfindung aufgenommen, geht die sich daraus ergebende Merkmalskombination dann über den Inhalt der Anmeldung hinaus, wenn sie in ihrer Gesamtheit eine technische Lehre umschreibt, die der Fachmann den ursprünglichen Unterlagen nicht als mögliche Ausgestaltung der Erfindung entnehmen kann (BGH v. 11.9.2001 – X ZB 18/00, GRUR 2002, 49 – Drehmomentenübertragungseinrichtung).
Das Merkmal, wonach das Abstützelement eine Federspannhülse sein kann, ist zwar dem erteilten Anspruch 7 entnehmbar. Dieser Anspruch 7 ist aber auf den Anspruch 6 und der Anspruch 6 wiederum auf den Anspruch 5 rückbezogen. Anspruch 5 schließlich ist auf Anspruch 1 rückbezogen. Gemäß Anspruch 5 weist der Meißelhalter ein relativ zu dem Steckansatz (22) verstellbares Oberteil (24) auf, welches es ermöglicht, die Mittelachse (25) des Rundschaftmeißels (23) hinsichtlich eines Schneidwinkels zu verstellen. Gemäß Anspruch 6 weist das Oberteil (24) ein Abstützelement auf – nämlich gemäß Anspruch 7 eine Federspannhülse – das mit einem Formschlussmittel des Basisteils in Eingriff bringbar und mittels Fixiermitteln ortsfest halterbar ist. Die Federspannhülse ist demgemäß in den Ansprüchen lediglich in Verbindung mit einem verstellbaren Oberteil offenbart. Dieses gilt auch für die ursprünglich eingereichte Anspruchsfassung.
Entgegen der Sichtweise der Einspruchsabteilung kann das Merkmal 1.7.2 in der allgemeinen Form auch nicht der ursprünglichen Beschreibung entnommen werden, mit der Absatz 0034 der Patentschrift übereinstimmt. Im Absatz 0034 ist die in den Ansprüchen 5 und 6 näher definierte Gestaltungsalternative mit Federspannhülsen beschrieben. Dementsprechend wird dort ein Meißelhalter beschrieben, der relativ zu dem Steckansatz verstellbar ein Oberteil aufweist. Das Oberteil ist gegenüber dem Steckansatz verschwenkbar. Bei einem solchen Meißelhalter offenbart das Patent eine Abstützung des Oberteils (24) gegenüber dem Basisteil (28) mittels zweier elastischer Abstützelemente in Form von Federspannhülsen, die in Bohrungen in dem Oberteil (24) eingepresst sind (vgl. Absatz 0034).
Der Patentinhaber hat in seinem Patent somit die Verwendung von Federspannhülsen lediglich für Meißelhalter offenbart, bei denen der Steckansatz gegenüber einem Oberteil des Meißelhalters verschwenkbar ist. Keine Offenbarung hingegen findet sich in dem Streitpatent, wonach Federspannhülsen auch bei dem in den Figuren 1 und 2 gezeigten Ausführungsbeispiel eines Meißelhalters verwendet werden können, der kein verschwenkbares Oberteil aufweist. Auch eine Offenbarung, dass die Federspannhülsen an anderer Stelle als in dem Oberteil (24) des Meißelhalters (28) oder dem Basisteil (vgl. Abs. 0020) angeordnet sein könnten, ist den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht zu entnehmen. Eine derartig verallgemeinerte Ausbildung umfasst aber Merkmal 1.7.2 ebenfalls, das eine Einpressung der Federspannhülse in eine Bohrung in dem Meißelhalter vorsieht.
Die in Absatz 0034 angegebenen Informationen zu den Federspannhülsen erlauben mithin keine Verallgemeinerung gemäß dem Gegenstand des geltenden Anspruches 1.
Da der Gegenstand des Patentes bezüglich des Anspruchs 1 über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinausgeht, ist das Patent gemäß § 21 (1) Nr. 4 PatG zu widerrufen.
Die Unteransprüche und der nebengeordnete Anspruch 7 fallen zwangsläufig mit dem Anspruch 1.