Entscheidungsdatum: 16.12.2010
In der Beschwerdesache
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betreffend das deutsche Patent 103 07 455
(wegen Akteneinsicht in die Erfinderbenennung)
hat der 10. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts am 16. Dezember 2010 durch den Vorsitzenden Richter Schülke sowie die Richterin Püschel und den Richter Eisenrauch
beschlossen:
1. Die Beschwerde des Antragsgegners wird zurückgewiesen.
2. Der Antragsgegner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
I.
Der Antragsgegner ist Inhaber des deutschen Patents 103 07 455.4 mit der Bezeichnung „Schiebetürbeschlag für eine mindestens einen Schiebetürflügel aufweisende Schiebetür oder dergleichen“, das ihm vom Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) mit Beschluss vom 24. Juni 2004 erteilt worden ist. Das Patent geht das auf eine Anmeldung vom 21. Februar 2003 zurück. Die bei der Anmeldung gemachten Erfinderangaben sind der Öffentlichkeit nicht zugänglich, da ein Antrag auf Nichtnennung im Sinne von § 63 Abs. 1 Satz 3 PatG vorliegt.
Mit Eingabe vom 3. März 2009 hat die Antragstellerin einen Antrag auf Akteneinsicht in die Erfinderbenennung gestellt. Sie hat vorgetragen, es bestehe der Verdacht, dass es sich beim Gegenstand des Patents um die Diensterfindung ehemaliger Mitarbeiter handele, die ihrer Meldepflicht nicht nachgekommen seien. Die in Rede stehenden, ehemaligen Mitarbeiter seien die Herren A… und M… . Die beiden Herren würden gegenwärtig zusammen mit dem Patentinhaber und Antragsgegner ( F… ) ein Unternehmen unter der Firma s… … GmbH betreiben. Dieses Unternehmen befasse sich wie die Antragstellerin mit der Entwicklung von Schiebetürbeschlägen. Aus dem Handelsregister ergebe sich, dass die beiden genannten Herren auch Geschäftsführer der s… … GmbH seien. Die Firma „s…“ sei zudem ersichtlich aus den Anfangsbuchstaben der Namen S… , R… und F… gebildet. Sofern sich bestätigen sollte, dass es sich beim Gegenstand des Patents um eine Diensterfindung handele, beabsichtige die Antragstellerin diese nachträglich in Anspruch zu nehmen.
Der Patentinhaber ist dem Antrag auf Akteneinsicht in die Erfinderbenennung entgegengetreten. Er ist der Auffassung, dass die Antragstellerin kein berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht glaubhaft gemacht habe. Ihre Vermutung, es handele sich beim Gegenstand des Patents um eine Diensterfindung, entbehre jeder Grundlage. Es treffe zwar zu, dass die Herren A… und M… … bei der Antragstellerin beschäftigt gewesen seien. Unrichtig sei aber, dass die Herren S…, R… und F… bereits zum Zeitpunkt des Akteneinsichtsantrags ein gemeinsames Unternehmen betrieben hätten. Die Firmenbezeichnung „s…“ gehe im Übrigen nicht auf die Anfangsbuchstaben der drei Herren zurück, sondern sei vielmehr die Abkürzung der Wortfolge „ S… R… F… “. Die Antragstellerin benutze ihren Akteneinsichtsantrag lediglich als Mittel, hinter die Machart des sie interessierenden Rolltores zu kommen. Weder Herr M… … noch Herr A… oder Herr J… seien in der Erfinderbenennung als Erfinder genannt. Der tatsächlich genannte Erfinder habe dagegen ein Interesse, nicht genannt zu werden.
Die zuständige Patentabteilung 1.55 des DPMA hat mit Beschluss vom 1. September 2009 dem Antrag auf Einsicht in die Erfinderbenennung stattgegeben. Entscheidungserheblich sei, dass die Antragstellerin mit der Entwicklung von Schiebetürbeschlägen befasst sei und dass zwei ihrer ehemaligen Mitarbeiter zusammen mit dem Patentinhaber mittlerweile ein entsprechendes Unternehmen mit der Firma s… GmbH in Bremen betrieben. Dies sei nicht bestritten worden und werde auch durch den Inhalt des einschlägigen Handelsregisters untermauert, wonach die ehemaligen Mitarbeiter der Antragstellerin M… … und A… als Geschäftsführer dieser neuen Firma eingetragen seien. Die Entwicklung von Schiebetürbeschlägen sei zudem ein eng umrissenes Fachgebiet. Für die Vermutung der Antragstellerin, dass es sich beim Gegenstand des Patents um eine Diensterfindung der in Rede stehenden, ehemaligen Mitarbeiter handele, bestehe somit durchaus Anlass. Dass die Kenntnis der Antragstellerin von der Erfinderbenennung ihr künftiges Verhalten beeinflussen werde, sei nicht ausgeschlossen. Die Antragstellerin habe damit ein berechtigtes Interesse an der Einsicht in die Erfinderbenennung glaubhaft gemacht. Nach einer Abwägung zwischen dem Interesse der Antragstellerin an der Akteneinsicht (einerseits) und dem Willen des Erfinders (andererseits), nämlich ohne öffentliche Inanspruchnahme der Erfinderehre im Verborgenen bleiben zu dürfen, sei das Interesse der Antragstellerin als höherrangig einzustufen.
Gegen diesen Beschluss wendet sich der Antragsgegner mit seiner Beschwerde. Zum Zeitpunkt, als die Patenterteilung im Oktober 2004 veröffentlicht worden sei, habe das Unternehmen s… GmbH noch nicht existiert; dieses sei erst fünf Jahre später gegründet worden. Hierbei stehe die Etablissementbezeichnung „S…“ für die Wortfolge „ S… R… “. Die Behauptung der Antragstellerin, es könne davon ausgegangen werden, dass ihre ehemaligen Mitarbeiter A… und M… an der Entwicklung des Patents beteiligt gewesen seien, sei eine Behauptung „ins Blaue hinein“. Weder Herr A… … noch Herr M… hätten das Patent angemeldet. Der Antrag der Antragstellerin laufe daher auf eine bloße Ausforschung hinaus. Die im angefochtenen Beschluss angesprochene Abwägung zwischen den Interessen des Erfinders und den Interessen der Antragstellerin sei faktisch nicht vorgenommen worden. Die Interessen des Erfinders seien nicht beschrieben und auch nicht in die Abwägung miteinbezogen worden. Im Übrigen könne die Antragstellerin gegenüber ihrem früheren Mitarbeiter Herrn M… keine Rechte mehr geltend machen. In einem am 26. Januar 2009 vor dem Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven zwischen Herrn M… und der Antragstellerin geschlossenen Prozessvergleich habe die Antragstellerin gegenüber Herrn M… … auf alle Ansprüche – gleichgültig aus welchem Rechtsgrund - verzichtet.
Der Antragsgegner beantragt (sinngemäß),
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und den Antrag auf Akteneinsicht in die Erfinderbenennung zurückzuweisen.
Die Antragstellerin beantragt (sinngemäß),
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie weist die Ausführungen des Antragsgegners zurück. Es falle vielmehr auf, dass die vom Patent geschützte Erfindung genau zum ehemaligen Betätigungsfeld der Herren R… und S… passe. Die Antragstellerin habe es misstrauisch gemacht, dass ihre beiden ehemaligen Mitarbeiter inzwischen mit dem Antragsgegner ein gemeinsames Geschäft betrieben. Es sei daher legitim, dass sie die Voraussetzungen etwaiger ihr zustehender vindikationsrechtlicher Ansprüche prüfen wolle. Hierzu sei sie aber auf eine Einsicht in die Erfinderbenennung angewiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Die Antragstellerin hat ein berechtigtes Interesse daran, in die Erfinderbenennung des vorliegenden Patents Akteneinsicht zu nehmen.
Nach § 31 Abs 4 PatG kann in entsprechender Anwendung von § 31 Abs 1 Satz 1 PatG, sofern - wie hier - der benannte Erfinder gemäß § 63 Abs. 1 Satz 3 PatG seine Nichtnennung beantragt hat, ohne Zustimmung des Patentinhabers Akteneinsicht in die Erfinderbenennung einer Patentakte nur dann gewährt werden, wenn und soweit ein berechtigtes Interesse glaubhaft gemacht wird (vgl. Schulte/Rudloff-Schäffer, PatG, 8. Aufl., § 31 Rn. 35). Ein berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht in die Erfinderbenennung ist im Allgemeinen dann gegeben, wenn die Kenntnis von der Person des benannten Erfinders den Antragsteller in die Lage versetzen kann, Maßnahmen zu ergreifen, die er im Falle der Unkenntnis nicht ergreifen könnte, und diese Kenntnis des Antragstellers höher zu bewerten ist als das Gemeinhaltungsinteresse des Erfinders (BPatGE 40, 33, 35). Die Möglichkeit, dass die Akteneinsicht die Rechtsposition des Antragstellers beeinflussen könnte, ist grundsätzlich ausreichend (BGH BlPMZ 1994, 121, 122, re. Sp. - „Akteneinsicht XIII“). Ein berechtigtes Interesse ist insbesondere dann gegeben, wenn ein Antragsteller hinreichende Anhaltspunkte dafür hat, dass das streitige Patent für eine Erfindung erteilt wurde, zu deren Inanspruchnahme er als ehemaliger Arbeitgeber des Erfinders nach den Vorschriften des Gesetzes über Arbeitnehmererfindungen berechtigt gewesen wäre (BPatGE 23, 278, 279; vgl. auch Senatsbeschluss vom 20. Februar 2003 - 10 W (pat) 34/02, veröffentlicht in JURIS ® ). Ein solcher Fall ist hier gegeben.
Nach dem insoweit unstreitigen Vortrag der Antragstellerin waren die Herren A… … und M… bei ihr beschäftigt gewesen. Unstreitig ist ferner, dass die vom Patent geschützte Erfindung genau dem ehemaligen Betätigungsfeld der Herren R… und S… entspricht, das ihnen bei der Antragstellerin zugewiesen war. Ebenso unstreitig ist, dass die beiden in Rede stehenden, ehemaligen Mitarbeiter der Antragstellerin gegenwärtig zusammen mit dem Patentinhaber und Antragsgegner ( F… ) ein Unternehmen unter der Firma s… … GmbH betreiben und dass dieses Unternehmen den gleichen Unternehmensgegenstand wie die Antragstellerin hat, nämlich die Entwicklung und Herstellung von Schiebetürbeschlägen. Bereits diese Umstände stellen - wie die Patentabteilung im angegriffenen Beschluss zutreffend ausgeführt hat - insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Entwicklung von Schiebetürbeschlägen ein eng umrissenes, technisches Fachgebiet darstellt, überaus beachtliche Anhaltspunkte dar, die geeignet sind, in Richtung auf eine entnommene Diensterfindung zu weisen. Diese Verdachtsmomente werden zudem nicht durch die Tatsache zerstreut, dass das Arbeitsverhältnis zwischen Herrn M… und der Antragstellerin erst mit Wirkung zum 28. Februar 2009 beendet wurde, wie sich aus dem vom Antragsgegner im Beschwerdeverfahren in Kopie vorgelegten, am 26. Januar 2009 vor dem Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven geschlossenen Vergleichs ergibt; gleiches trifft auch auf den Umstand zu, dass sich die Herren R…, S… und F… erst im Jahr 2009 zur Gründung eines eigenen Unternehmens zusammengefunden haben. Es ist keineswegs ausgeschlossen, dass zwischen diesen Herren bereits im Jahre 2003 - also zum Zeitpunkt der Anmeldung des Patents - eine Verbindung bestanden hatte.
Während die Antragstellerin hiernach deutliche Anhaltspunkte für die Möglichkeit vorgetragen hat, dass die Gewährung einer Akteneinsicht in die Erfinderbenennung ihre Rechtsposition beeinflussen, insbesondere zur Geltendmachung etwaiger gegen den Antragsgegner gerichteter vindikationsrechtlicher Ansprüche führen könnte, hat der Antragsgegner zu den Interessen des Erfinders an seiner Geheimhaltung keine substantiierten Ausführungen gemacht. Hierbei ist zu beachten, dass nach der Rechtsprechung des BGH bei der nach § 31 Abs. 1 und 4 PatG vorzunehmenden Abwägung der widerstreitenden Interessen dem Geheimhaltungsinteresse des Erfinders - vorbehaltlich der Berücksichtigung eines hier nicht erkennbaren besonderen Interesses an einer Geheimhaltung - von Hause aus kein besonderer Rang zuerkannt wird; dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Erfinders hat der Gesetzgeber bereits dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass er ihm durch die Regelung des § 31 Abs. 4 PatG das Recht eingeräumt hat, seine Benennung von der an sich bei Patentakten bestehenden, freien Akteneinsicht auszunehmen (BGH BlPMZ 1994, 121, 122, re. Sp. - „Akteneinsicht XIII“). Da der Antragsgegner letztlich keine Tatsachen vorgetragen hat, aus denen sich ein besonderes Interesse des Erfinders an seiner Geheimhaltung erkennen ließe, geht auch sein Einwand, im angegriffenen Beschluss sei faktisch keine Interessenabwägung vorgenommen worden, ins Leere.
Angesichts des nicht sehr hohen Maßstabes, der bei der Prüfung des berechtigten Interesses auf Akteneinsicht in die Erfinderbenennung anzulegen ist, ist auch der vom Antragsgegner vorgetragene Einwand unbeachtlich, dass nach dem vor dem Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven am 26. Januar 2009 zwischen Herrn M… S. und der Antragstellerin zustande gekommenen Vergleich die Antragstellerin gegenüber Herrn M… auf alle Ansprüche verzichtet habe. Ein berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht ist nicht davon abhängig, dass sich ein Antragsteller auf ein bereits nachgewiesenes Recht stützen kann oder seinem Recht grundsätzlich erheblich erscheinende, rechtliche Einwendungen entgegenstehen können. Es ist nämlich nicht Aufgabe der über die begehrte Akteneinsicht entscheidenden Stelle, die Erfolgsaussichten eines nicht bei ihr stattfindenden, selbständigen Verfahrens abschließend zu beurteilen (BGH BlPMZ 1994, 121, 122, re. Sp. - „Akteneinsicht XIII“).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 80 Abs 1 PatG. Da es sich bei dem Akteneinsichtsverfahren um ein echtes Streitverfahren handelt (vgl Busse/Schwendy, PatG, 6. Aufl., § 31 Rn. 89, Busse/Keukenschrijver a. a. O., § 80 Rn. 18), entspricht es der Billigkeit, dem unterlegenen Antragsgegner die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.