Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 17.09.2012


BPatG 17.09.2012 - 10 W (pat) 22/09

Patentbeschwerdeverfahren – "Bergbaumaschine (europäisches Patent)" - Wiedereinsetzung in die Frist zur Einreichung einer deutschen Übersetzung der europäischen Patentschrift und zur Zahlung einer Veröffentlichungsgebühr – Büropersonal darf die gegenüber dem Patentamt zu beachtende Frist zur Einreichung einer Übersetzung und Zahlung einer Gebühr zum Zwecke der Validierung eines europäischen Patents ohne Vornahme dieser Handlungen nicht löschen - Anwalt muss organisatorische Vorkehrungen gegen die Löschung dieser Fristen treffen


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
10. Senat
Entscheidungsdatum:
17.09.2012
Aktenzeichen:
10 W (pat) 22/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
nachgehend BGH, 29. Oktober 2013, Az: X ZB 17/12, Beschluss
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Bergbaumaschine

Die Rechtsprechung, wonach einmal eingetragene Rechtsmittelfristen grundsätzlich nicht gelöscht werden dürfen, bevor sie erledigt sind und der Anwalt daher organisatorische Vorkehrungen gegen eigenmächtige nachträgliche Änderungen solcher Einträge durch das Büropersonal treffen muss (BGH VersR 1991, 1309), gilt entsprechend, wenn die gegenüber dem Patentamt zu beachtende Frist zur Einreichung einer Übersetzung und Zahlung einer Gebühr zum Zwecke der Validierung eines europäischen Patents ohne Vornahme dieser Handlungen vom Büropersonal gelöscht wird.

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend das Patent DE 601 25 346.9-08 (= EP 1 276 969)

wegen Wiedereinsetzung

hat der 10. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 19. Juli 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Rauch, der Richterin Püschel und des Richters Eisenrauch

beschlossen:

1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

1

Auf eine Anmeldung vom 23. April 2001 hat das Europäische Patentamt (EPA) der Patentinhaberin das Patent EP 1 276 969 in englischer Sprache mit Wirkung u. a. für Deutschland erteilt; es trägt die Bezeichnung "Bergbaumaschine und Abbauverfahren". Der Hinweis auf die Patenterteilung wurde vom EPA am 20. Dezember 2006 veröffentlicht. Das Patent wird beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) unter dem Aktenzeichen 601 25 346.9-08 geführt.

2

Mit Schreiben des DPMA vom 20. Dezember 2006 wurde die Patentinhaberin darauf hingewiesen, dass bei fremdsprachigen europäischen Patenten innerhalb von drei Monaten eine Übersetzung einzureichen und eine Gebühr in Höhe von 150,- € für deren Veröffentlichung zu entrichten sei. Nachdem die Patentinhaberin diesen Anforderungen nicht entsprochen hatte, stellte das DPMA fest, dass die Wirkungen des europäischen Patents für Deutschland als von Anfang an nicht eingetreten zu gelten hätten. Eine entsprechende Mitteilung wurde unter dem Datum 19. September 2007 an die Patentinhaberin gesandt.

3

Am 26. November 2007 reichte die Patentinhaberin mit Schreiben vom selben Tag beim DPMA eine deutsche Übersetzung der europäischen Patentschrift ein und entrichtete die genannte Gebühr. Zugleich beantragte sie die Wiedereinsetzung in die versäumte Dreimonatsfrist. Von der Fristversäumnis habe sie erst durch die Mitteilung vom 19. September 2007 erfahren. Diese Mitteilung sei ihr am 27. September 2007 zugegangen.

4

Zur Begründung ihres Antrags führte die Patentinhaberin aus, die Frist sei ohne ihr Verschulden versäumt worden. Ihre australischen Vertreter hätten den inländischen Vertretern per Telefax vom 15. August 2006 den Auftrag zur Nationalisierung des europäischen Patents in Deutschland erteilt. Im Büro der Inlandsvertreter sei eine Patentanwaltsfachangestellte für die formelle Abwicklung dieser Angelegenheit zuständig gewesen. Bei dieser sei mit Telefax vom 5. September 2006 ein weiteres Schreiben der australischen Korrespondenzkollegen eingegangen. Dieses Schreiben habe u. a. folgende englischsprachige Instruktion enthalten: "I appear to have omitted to inform you that the applicant has decided not to pursue a German Utility Model as a branch off of this patent application". Die Fachangestellte habe in diesem Schreiben die Worte "not to pursue a German" unterstrichen und ein großes rotes Ausrufungszeichen daneben notiert. Sie habe die Information, die eine mögliche Abzweigung eines deutschen Gebrauchsmusters betroffen habe, falsch interpretiert und sei davon ausgegangen, dass hierdurch der Auftrag zur Einleitung der deutschen nationalen Phase widerrufen werde. Sie habe keine Zweifel an ihrer Interpretation gehabt und habe es deshalb unterlassen, entsprechend der in der Kanzlei geltenden Bürovorschrift den zuständigen Patentanwalt einzuschalten, um von diesem die Unklarheit aufklären zu lassen.

5

Später habe die Mitarbeiterin ein Schreiben des inländischen Anwalts an die australischen Vertreter vom 10. Januar 2007 vorbereitet. Darin sei u. a. das deutsche Aktenzeichen mitgeteilt worden, und zwar für den Fall, dass die Patentinhaberin sich zum Eintritt in die deutsche nationale Phase entschließen sollte ("In case the applicant decides to enter the German national phase, please be informed that the German part has received the following official file number....."). Die australischen Kollegen hätten diese Erinnerung nicht als solche verstanden, da sie ja aus ihrer Sicht den Auftrag zur Einleitung der nationalen Phase in Deutschland bereits mit Schreiben vom 15. August 2006 gegeben hatten. Sie hätten sich daher nicht veranlasst gesehen, hier nochmals ausdrücklich den Auftrag zur Einleitung der nationalen Phase in Deutschland zu bestätigen.

6

Nachdem bis zum 20. März 2007 keine weitere Nachricht von den australischen Vertretern eingegangen sei, habe die Fachangestellte fälschlich angenommen, dass kein Auftrag zur Einleitung der nationalen Phase in Deutschland erfolgen sollte, weshalb sie die ursprünglich von ihr im Fristenkalender notierte Frist vom 20. März 2007 wieder gestrichen habe. Von der Fehlbeurteilung der Fachangestellten habe der inländische Vertreter erst Kenntnis erlangt, als ihm das patentamtliche Schreiben vom 19. September 2007 zusammen mit der Akte vorgelegt worden sei.

7

In Beantwortung eines Zwischenbescheids des Patentamts ergänzte die Patentinhaberin ihren Vortrag u. a. dahin, dass die betreffende Fachangestellte für ihre Tätigkeit bestens geeignet, gut ausgebildet und auch ausreichend kontrolliert worden sei. Die von ihr auszuführende Formalbearbeitung der Akte habe nicht die sachliche Bearbeitung eines technischen oder juristischen Sachverhalts umfasst, sondern lediglich die Notierung und Streichung einer Frist sowie die Vorbereitung reiner Formalschreiben, die nach entsprechender Ausfertigung dem sachbearbeitenden Anwalt oder dessen Vertreter zur Unterschrift vorzulegen gewesen seien. Es habe die strikte Anweisung bestanden, alle erkennbaren Probleme und Fragen unter Vorlage der Akte an den Anwalt heranzutragen.

8

Zur Glaubhaftmachung ihres Vortrags legte die Patentinhaberin verschiedene Unterlagen sowie eine eidesstattliche Versicherung der Fachangestellten vor.

9

Durch Beschluss der Patentabteilung 1.24 vom 13. Mai 2009 wurde der Wiedereinsetzungsantrag im Wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, dass durch die Übertragung der Formalsachbearbeitung in der Kanzlei der deutschen Vertreter eine ordnungsgemäße Mandatserledigung nicht sichergestellt werde. Es sei Ausdruck eines Organisationsverschuldens, dass die Fachangestellte die Schreiben der australischen Korrespondenzkanzlei vom 15. August 2006 (Auftragserteilung) und vom 5. September 2006 (vermeintlicher Auftragswiderruf) dem zuständigen Patentanwalt nicht habe vorlegen müssen. Ein so substantielles Ereignis wie die Auftragserteilung gehöre zum Kernbereich des Mandats, insbesondere wenn sie wie hier im unmittelbaren Zusammenhang mit einem laufenden Mandatsverhältnis, der Betreuung des Verfahrens vor dem EPA, erfolge und eine Nichtbeachtung oder Fehlbeurteilung den Bereich der Anwaltshaftung tangieren könne. Bei der intellektuellen Interpretation der genannten Schreiben handele es sich auch nicht um die bloße Notierung von Fristen.

10

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin. Sie beantragt,

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den Beschluss der Patentabteilung 1.24 vom 13. Mai 2009 aufzuheben und dem Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Einreichung der deutschen Übersetzung der europäischen Patentschrift und zur Zahlung der Veröffentlichungsgebühr in Höhe von 150,- € statt zu geben.

12

Die Patentinhaberin tritt der Auffassung entgegen, dass in der Kanzlei ihrer inländischen Vertreter ein Organisationsverschulden vorgelegen habe. Dort seien jedes Jahr mehrere Hundert europäische Patente anstandslos beim DPMA validiert worden. Dabei sei es nur im vorliegenden Fall erst- und einmalig zu einer Fristversäumnis gekommen.

13

Durch das Schreiben der australischen Korrespondenzkanzlei vom 15. August 2006 sei kein neues Mandat erteilt worden, vielmehr habe es sich - ebenso wie bei dem Schreiben vom 5. September 2006 - um eine Anweisung innerhalb des bestehenden Mandats zur Betreuung des europäischen Patents gehandelt. Die Aufgabe, das europäische Patent in Deutschland zu validieren, habe einen genau umrissenen Umfang gehabt, nämlich das Patent zu übersetzen und beim DPMA unter Zahlung der Gebühr fristgerecht einzureichen. Die sich aus einer solchen Aufgabenstellung ergebende formale Abwicklung sei eine routinemäßige Aufgabe für ausgebildete Patentanwaltsfachangestellte, deren sich der Patentanwalt bedienen dürfe, um sich selbst auf die eigentliche patentanwaltliche Arbeit konzentrieren zu können.

14

Die kanzleiinterne Anweisung, wonach die Mitarbeiter bei Unklarheiten den zuständigen Patentanwalt einzuschalten haben, müsse so verstanden werden, dass bei Abweichungen vom regulären Ablauf stets eine Vorlage an den Anwalt zu erfolgen habe. Dies betreffe auch den Fall, dass eine notierte Frist vor ihrer eigentlichen Erledigung wieder gestrichen werden solle. Es sei nicht erforderlich, in die Arbeitsanweisungen und kanzleiinternen Abläufe weiter gehende Sicherheiten oder Kontrollmechanismen einzubauen. Der Anwalt habe im vorliegenden Fall nicht damit rechnen müssen, dass eine als zuverlässig erprobte und mit den Abläufen in der Kanzlei vertraute Fristensachbearbeiterin sich derart massiv über Organisationsanordnungen hinwegsetzen und die Frist zur Einreichung der deutschen Übersetzung und zur Zahlung der Veröffentlichungsgebühr eigenmächtig und ohne Rücksprache mit dem Anwalt streichen würde.

II.

15

Die zulässige Beschwerde erweist sich im Ergebnis als unbegründet.

16

1. Die Patentinhaberin hat eine Frist versäumt und dadurch einen gesetzlich festgelegten Rechtsnachteil erlitten. Bei der Frist handelt es sich um die Frist zur Einreichung einer Übersetzung des erteilten europäischen Patents gem. Art. II § 3 Abs. 1 Satz 1 IntPatÜG (i. d. bis zum 30. April 2008 gültigen Fassung) und zur Zahlung der Gebühr für die Veröffentlichung der Übersetzung des Patents (§ 2 Abs. 1 PatKostG i. V. m. Gebührenverzeichnis Nr. 313820). Diese Vorschriften sind auf Altfälle, in denen die Patenterteilung vor dem 1. Mai 2008 veröffentlicht worden ist, weiterhin anwendbar (vgl. BGH GRUR 2011, 1053 - Ethylengerüst). Die Frist hat hier am 20. Dezember 2006 zu laufen begonnen und endete am 20. März 2007. Tatsächlich wurde die Übersetzung - bei gleichzeitiger Gebührenzahlung - am 26. November 2007 eingereicht. Diese Verspätung führte dazu, dass die Wirkungen des europäischen Patents für die Bundesrepublik Deutschland als von Anfang nicht eingetreten gelten (Art. II § 3 Abs. 2 IntPatÜG a. F.).

17

2. Der Wiedereinsetzungsantrag vom 26. November 2007 ist auch zulässig, weil er innerhalb der zweimonatigen, mit Wegfall des Hindernisses beginnenden Frist des § 123 Abs. 2 Satz 1 und 2 PatG gestellt und begründet worden ist. Zu Gunsten der Patentinhaberin kann davon ausgegangen werden, dass das Hindernis erst weggefallen ist, als die inländischen Vertreter am 27. September 2007 die Mitteilung des DPMA vom 19. September 2007 erhalten haben.

18

3. Jedoch ist der Antrag unbegründet, weil die Patentinhaberin nicht glaubhaft gemacht hat, dass die Frist zur Einreichung der Übersetzung und zur Zahlung der erforderlichen Gebühr ohne - ihr entsprechend § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbarem - Verschulden ihrer inländischen Vertreter versäumt worden ist. Zwar wurde die Fristversäumnis vorliegend in erster Linie dadurch verursacht, dass die in der Kanzlei der inländischen Vertreter beschäftigte Fachangestellte das Schreiben der australischen Anwälte vom 5. September 2006 falsch interpretiert und deshalb die eingetragene Frist zur Validierung des europäischen Patents vor Erledigung zu Unrecht wieder gelöscht hat. Dieses Fehlverhalten der Mitarbeiterin, die lediglich als Hilfsperson und nicht als Vertreterin gehandelt hat, braucht sich die Patentinhaberin nicht zurechnen zu lassen. Jedoch haben auch die inländischen Vertreter in schuldhafter Weise zu der Fristversäumnis beigetragen.

19

a) Es ist in der Rechtsprechung zur Wiedereinsetzung zwar anerkannt, dass der Anwalt Routinetätigkeiten, wie etwa die Führung eines Fristenkalenders, seinem gut ausgewählten, entsprechend instruierten und stichprobenhaft kontrollierten Personal überlassen darf (vgl. Schulte, PatG, 8. Aufl., § 123 Rn. 90 m. w. N.). Es ist daher nicht zu beanstanden, dass die Mitarbeiterin mit den für die nationale Validierung des europäischen Patents erforderlichen Tätigkeiten samt der Eintragung und Überwachung der damit zusammenhängenden Fristen betraut worden ist. Ferner kann zu Gunsten der Patentinhaberin davon ausgegangen werden, dass die Mitarbeiterin für ihre Aufgaben ausreichend qualifiziert und fortgebildet war und dass auch eine regelmäßige stichprobenhafte Kontrolle ihrer Tätigkeit stattgefunden hat.

20

b) Trotz zulässiger Delegation anwaltlicher Aufgaben an Kanzleimitarbeiter ist bei Fehlern, die dem Mitarbeiter unterlaufen, ein zurechenbares Verschulden des Vertreters gleichwohl nicht in jedem Fall ausgeschlossen.

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So ist der Anwalt nicht davon befreit, einen ihm vorgelegten Schriftsatz vor der Unterzeichnung auf Vollständigkeit und inhaltliche Richtigkeit selbständig zu überprüfen (vgl. Schulte a. a. O.). Vorliegend kann dem Vertreter allerdings nicht zur Last gelegt werden, dass er vor Unterzeichnung des Schreibens vom 10. Januar 2007 die Stornierung des Validierungsauftrags nicht an Hand seiner Handakte überprüft hat. Es ist ihm nämlich zu Gute zu halten, dass aus dem Text des genannten Schreibens die von der Mitarbeiterin bei der Texterstellung unterstellte Stornierung nicht zu ersehen war. Es handelte sich lediglich um ein Routineschreiben, mit dem den australischen Vertretern das (korrekte) deutsche Aktenzeichen mitgeteilt wurde. Der Zusatz, wonach das Aktenzeichen für den Fall mitgeteilt werde, dass der Patentinhaber sich zum Eintritt in die deutsche nationale Phase entschließe, konnte zwar als Hinweis darauf verstanden werden, dass derzeit kein Validierungsauftrag vorlag. Da dieser Hinweis aber allgemein gehalten und mit keiner konkreten Fristnennung verbunden war, bestand für den Vertreter kein zwingender Anlass, ihn auf seine Berechtigung zu überprüfen.

22

c) Zu den Sorgfaltspflichten, denen sich ein Anwalt allein durch die Delegation von Aufgaben an Kanzleimitarbeiter ebenfalls nicht entledigen kann, gehört es, die Arbeitsabläufe so zu regeln, dass Fristversäumnisse bei Beachtung der vorhandenen Weisungen normalerweise nicht vorkommen können (Schulte, a. a. O., § 123 Rn. 100). Besondere Vorsichtsmaßnahmen sind dort geboten, wo Vorgänge besonders fehlerträchtig bzw. wo etwaige Fehler besonders folgenreich sind. So dürfen einmal eingetragene Rechtsmittelfristen grundsätzlich nicht gelöscht werden, bevor sie erledigt sind, und der Anwalt muss daher organisatorische Vorkehrungen gegen eigenmächtige nachträgliche Änderungen solcher Einträge durch das Büropersonal treffen (BGH VersR 1991, 1309 m. w. N.).

23

Entsprechendes muss auch gelten, wenn - wie im vorliegenden Fall - die gegenüber dem DPMA zu beachtende Frist zur Einreichung einer Übersetzung und Zahlung einer Gebühr zum Zwecke der Validierung eines europäischen Patents ohne Vornahme dieser Handlungen gelöscht wird. Auch in diesem Fall stellt die Fristlöschung eine Abweichung vom gewöhnlichen Verfahrensablauf dar, weshalb sie mit besonderen Risiken verbunden ist. Zur Vermeidung eines drohenden Rechtsverlusts sind daher auch für solche Fälle besondere Vorsichtsmaßnahmen zu treffen.

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Der Heranziehung der für Rechtsmittelfristen der ZPO geltenden Rechtsprechung und somit der Gleichbehandlung der Validierungs- mit Rechtsmittelfristen kann auch nicht mit dem Argument begegnet werden, dass in den patentrechtlichen Verfahren erheblich mehr Fristen als in einem Rechtsmittelverfahren der ZPO zu beachten sind, weshalb die Gefahr einer Überforderung des Anwalts hier besonders groß ist und ein erhöhter Anlass besteht, den Anwalt im Interesse seiner der Rechtspflege gewidmeten Tätigkeit von Fristenkontrolltätigkeiten freizustellen. Unter diesem Gesichtspunkt trifft den Anwalt auf patentrechtlichem Gebiet zwar nur eine eingeschränkte Pflicht zur Überprüfung einer ihm vorgelegten Handakte auf die korrekte Berechnung und Notierung von Fristen nach Maßgabe seiner Anordnungen (siehe Senatsbeschluss GRUR 2009, 93 - Dreidimensionale Daten).

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Vorliegend geht es aber nicht lediglich um die Prüfung von eingetragenen Fristen auf ihre Richtigkeit, unabhängig vom Vorhandensein besonderer Anhaltspunkte, die die Prüfung besonders ratsam erscheinen lassen. Vielmehr sind hier Fälle betroffen, in denen solche besonderen Anhaltspunkte gerade vorliegen, und die auch auf Grund ihres Ausnahmecharakters den Anwalt nicht unverhältnismäßig belasten.

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Die nach dem Vortrag der Patentinhaberin in der Kanzlei ihrer inländischen Vertreter vorhandene Anweisung, wonach die Mitarbeiter "bei Unklarheiten" den zuständigen Patentanwalt einzuschalten haben, wird den genannten Anforderungen nicht gerecht, weil es danach der Einschätzung der Mitarbeiter überlassen bleibt, ob der Vorgang vorzulegen ist oder nicht. Die Anweisung erfasst nach ihrem Wortlaut auch nicht automatisch alle vom regulären Ablauf abweichenden Vorgänge und insbesondere nicht alle Fälle, in denen eine Frist vor ihrer eigentlichen, durch gewöhnlichen Verfahrensablauf eingetretenen Erledigung gelöscht wird. Für ein solches umfassendes Verständnis der Anweisung bietet auch der Vortrag im Wiedereinsetzungsgesuch keinen Anhaltspunkt, denn ihm ist nicht zu entnehmen, dass sich die Mitarbeiterin über in der Kanzlei bestehende Anordnungen hinweggesetzt hat, als sie die die Frist ohne Rückfrage gelöscht hat. Es hätte zusätzlich einer besonderen, unmissverständlichen Anweisung bedurft, wonach in solchen Fällen stets eine Vorlage an den Anwalt zu erfolgen hat. Für den Erlass einer solchen zusätzlichen Anweisung ist aber nichts vorgetragen. Es kann daher nicht angenommen werden, dass die Frist ohne Vorliegen eines der Patentinhaberin zurechenbaren anwaltlichen (Organisations-) Verschuldens versäumt worden ist. Allein der Umstand, dass es in der Vertreterkanzlei - wie von der Patentinhaberin vortragen - trotz einer großen Zahl von Validierungsvorgängen nur im vorliegenden Fall zu einer Fristversäumnis gekommen ist, vermag dem gegenüber das Nichtverschulden nicht ausreichend glaubhaft zu machen.

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4. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde erfolgt im Hinblick darauf, dass die hier entscheidungserhebliche Frage nach den organisatorischen Sorgfaltspflichten eines auf dem Gebiet des Patentrechts tätigen Patent- oder Rechtsanwalts bislang höchstrichterlich noch nicht entschieden ist, soweit es um die Löschung von eingetragenen Fristen, die weder Rechtsmittel- noch Rechtsmittelbegründungsfristen sind, vor deren Erledigung geht.