Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 13.11.2012


BPatG 13.11.2012 - 10 W (pat) 14/11

Patentbeschwerdeverfahren - "Kupplungsvorrichtung" – zur Anerkennung eines Anmeldetages – zur Erforderlichkeit einer formellen Beschreibung


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
10. Senat
Entscheidungsdatum:
13.11.2012
Aktenzeichen:
10 W (pat) 14/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 10 2010 045 936.4

hier: Rechtswirksamkeit der Anmeldung

hat der 10. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts am 13. November 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Rauch, der Richterin Püschel und der Richterin Dr. Kober-Dehm

beschlossen:

1. Der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts – Prüfungsstelle 12 - vom 13. Januar 2011 wird aufgehoben.

2. Es wird festgestellt, dass die Patentanmeldung 10 2010 045 936.4 am 21. September 2010 wirksam eingereicht worden ist.

Gründe

I.

1

Am 21. September 2010 stellte die Anmelderin beim Deutschen Patent- und Markenamt einen Antrag auf Erteilung eines Patents; die Anmeldung wird im Patentamt unter dem Aktenzeichen 10 2010 045 936.4 geführt. Auf dem Anmeldeformular ist die Erfindung mit "Kupplungsvorrichtung" bezeichnet. Beigefügt war dem Formular lediglich ein weiteres Blatt, wobei es sich dabei laut Anlagenliste um eine Beschreibungsseite handeln soll. Auf dieser Seite finden sich handschriftliche, mit der Überschrift "E-Clutch" sowie mit verschiedenen skizzenhaften Zeichnungen versehene Anmerkungen.

2

Im Rahmen der Offensichtlichkeitsprüfung stellte die Prüfungsstelle 12 des DPMA - nach vorangegangenem Zwischenbescheid - durch Beschluss vom 13. Januar 2011 fest, dass die Anmeldung keinen rechtswirksamen Anmeldetag begründet habe. Hierzu wird in dem Beschluss ausgeführt, dass dem Erteilungsantrag keine Unterlagen beigefügt seien, die dem Anschein nach als Beschreibung angesehen werden könnten. Es fehle somit an den Mindesterfordernissen für die Zuerkennung eines Anmeldetags. Die eingereichten handschriftlichen Anmerkungen seien teilweise unleserlich und enthielten unerläuterte Abkürzungen.

3

Dem angefochtenen Beschluss zufolge ist der mit der Anmeldung vorgelegten Unterlage folgendes zu entnehmen:

4

- Bei der Kupplungsvorrichtung bzw. E-Clutch soll es sich um eine elektrisch betätigte Verschleißnachstellung mit Ausrückkraft (mit unleserlichem Zusatz) handeln, wobei sich die Verschleißnachstellung anscheinend auf eine Kupplungsbelagscheibe beziehen solle.

5

- Hierbei erhalte ein Rechner Daten einer Abstandsmessung, wobei es sich bei diesem Abstand anscheinend um jenen zwischen Kupplungsdruckplatte und Schwungrad handeln solle, und Druckdaten von einem Hydraulikzylinder, welcher vermutlich ein Nehmerzylinder sein solle. Als vermutetes Ergebnis solle der Rechner einen Elektromotor (Stellglied) ansteuern, welcher auf ein Rampensystem wirke. Nicht erkennbar sei, wie dieses Rampensystem auf die Kupplungsvorrichtung einwirken solle. Hierzu sei den Unterlagen (möglicherweise) lediglich entnehmbar: "Rampensystem zwischen AP + TF (?) (Antriebseinheit TAC)".

6

- Anscheinend sei außerdem ein alternativer Antrieb angegeben, wobei ein Antriebssystem TAC (?) mittels einer Mutter auf geteilte Ritzel einwirken solle. Unklar sei, wie diese Alternative genau funktioniere und auf die Kupplung wirken solle, desgleichen wen oder was der elektrische Schalter dabei betätigen solle.

7

Insgesamt sei somit unklar, was überhaupt unter Schutz gestellt werden und wie das Rampensystem oder die Alternative mit der Kupplung zusammenwirken solle. Demnach sei die gesamte Offenbarung unvollständig und die Anmerkung enthalte keine vollständige nacharbeitbare Lehre. Der Betrachter erhalte keinen hinreichenden Eindruck, wie die Kupplungsvorrichtung bzw. E-Clutch überhaupt aussehen solle.

8

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin mit den Anträgen,

9

- den angefochtenen Beschluss aufzuheben,

10

- festzustellen, dass die eingereichten Unterlagen als Patentanmeldung zu behandeln seien,

11

- der Patentanmeldung den 21. September 2010 als Anmeldetag zuzuerkennen und

12

- die Beschwerdegebühr zurück zu zahlen.

13

Zur Begründung führt die Anmelderin aus, dass sämtliche Voraussetzungen für die Zuerkennung des Anmeldetags erfüllt seien. Insbesondere enthalte die Anmeldung Angaben, die dem Anschein nach als Beschreibung anzusehen seien. Nach der Rechtsprechung des Bundespatentgerichts könne auch eine Skizze mit handschriftlichen Erläuterungen dem Anschein nach als eine Beschreibung der Erfindung angesehen werden. Auch die weitestgehend korrekte Darstellung des Anmeldungsgegenstandes durch die Prüfungsstelle deute darauf hin, dass die eingereichten Unterlagen Informationen enthielten, die dem Anschein nach als Beschreibung anzusehen seien. Die verwendeten Abkürzungen seien im Übrigen auf dem vorliegenden Gebiet allgemein üblich. Die von der Prüfungsstelle bemängelte Unklarheit bezüglich des Schutzgegenstands betreffe das Erfordernis der Angabe eines oder mehrerer Patentansprüche, was aber für die Zuerkennung eines Anmeldetages unerheblich sei. Letzteres gelte auch im Hinblick auf die von der Prüfungsstelle vertretene Auffassung, wonach die Anmeldung keine vollständige nacharbeitbare Lehre enthalte.

II.

14

Die Beschwerde ist zulässig und in der Sache auch begründet. Die Patentanmeldung ist am 21. September 2010 rechtswirksam eingereicht worden.

15

Gemäß § 35 Abs. 2 Satz 1 PatG ist der Anmeldetag einer Patentanmeldung der Tag, an dem die Unterlagen nach § 34 Abs. 3 Nr. 1 und 2 PatG (d. h. der Name des Anmelders und ein Antrag auf Erteilung des Patents mit kurzer und genauer Bezeichnung der Erfindung) sowie nach § 34 Abs. 3 Nr. 4 PatG (Beschreibung der Erfindung) beim Patentamt eingegangen sind. Zur Erfüllung des letztgenannten Erfordernisses genügt es, wenn die Anmeldung Angaben enthält, die dem Anschein nach als Beschreibung anzusehen sind. Eine formelle Beschreibung in der durch § 34 Abs. 6 PatG i. V. m. § 10 PatV vorgeschriebenen Form ist für die Zuerkennung des Anmeldetages nicht erforderlich. Ausreichend ist eine schriftliche Formulierung des Anmeldungsgegenstands, die eine technische Lehre offenbart (vgl. Busse, PatG, 6. Aufl., § 35 Rdn. 19; BGH BlPMZ 1979, 151 - Etikettiergerät II; Senatsbeschluss vom 19. Juli 2007 – 10 W (pat) 17/07, im Internet veröffentlicht in der BPatG-Entscheidungssammlung unter www.bundespatengericht.de).

16

Wie bereits die Ausführungen zum Anmeldungsgegenstand in dem angefochtenen Beschluss zeigen, wird in der am 21. September 2010 eingereichten Anmeldung eine technische Lehre offenbart. Bei der zur Patentierung angemeldeten Erfindung handelt es sich demnach um eine als "E-Clutch" bezeichnete, elektrisch betätigte, auf eine Kupplungsscheibe bezogene Verschleißnachstellung mit Ausrückkraft. Hierfür sollen die Daten einer Abstandsmessung sowie Druckdaten von einem Hydraulikzylinder einem Rechner zugeführt werden. Der Rechner soll wiederum einen Elektromotor, welcher auf ein Rampensystem wirkt, ansteuern. Alternativ soll ein Antriebssystem (TAC) mittels einer Mutter auf geteilte Ritze wirken.

17

Somit enthält die Anmeldung Angaben, die jedenfalls dem Anschein nach als Beschreibung anzusehen sind. Dies gilt ungeachtet der äußerst knappen, teilweise nicht oder nur schwer lesbaren und mit nicht erläuterten Abkürzungen versehenen Darlegungen auf dem Beiblatt zum Anmeldeformular. Wie der Senat an anderer Stelle bereits entschieden hat (Beschluss vom 15. November 2007 – 10 W (pat) 19/07, Veröffentlichung wie oben), ist das Beschreibungserfordernis i. S. d. § 35 Abs. 2 Satz 1 PatG auch bei einer sehr knappen Darstellung erfüllt. Insbesondere bietet diese Vorschrift keinen Anlass zur Differenzierung zwischen einer komplexen bzw. einer einfach strukturierten Offenbarung einer technischen Lehre. Schon der Gesetzestext "Anschein einer Beschreibung" verbietet eine andere rechtliche Betrachtungsweise.

18

Inwieweit die aus den Anmeldungsunterlagen zu entnehmenden Angaben auch dem Erfordernis einer hinreichend deutlichen und vollständigen Offenbarung nach § 34 Abs. 4 PatG gerecht werden, bleibt für die Beantwortung der Frage, ob die Mindesterfordernisse zur Begründung des Anmeldetags erfüllt sind, ohne Belang.

19

Nachdem somit im vorliegenden Fall von der Offenbarung einer technischen Lehre der beanspruchten Erfindung am 21. September 2010 auszugehen ist, liegt eine wirksame Anmeldung vor, die auch diesen Anmeldetag begründet.

III.

20

Da der angefochtene Beschluss weder auf einem Verfahrensfehler beruht noch in der Sache als grob fehlerhaft erscheint, gibt es keinen Grund für eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr (§ 80 Abs. 3 PatG).