Entscheidungsdatum: 31.10.2012
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Patentanmeldung 10 2004 049 448.7-35
wegen Erteilungsbeschluss
hat der 10. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts am 31. Oktober 2012 durch den Vorsitzenden Richter Rauch, die Richterin Püschel und die Richterin Dr. Kober-Dehm
beschlossen:
1. Auf die Beschwerde wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse A 61 B des Deutschen Patent- und Markenamts vom 22. Januar 2010 aufgehoben und die Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.
2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.
I.
Die Patentinhaberin reichte am 8. Oktober 2004 beim Deutschen Patent- und Markenamt eine Patentanmeldung mit der Bezeichnung „Biometrisch aktiviertes Bildgebungssystem“ ein.
Auf den Prüfungsbescheid der Prüfungsstelle für Klasse A 61 B vom 4. März 2009, in dem die Patentinhaberin darauf hingewiesen wurde, dass eine Patenterteilung auf der Grundlage der eingereichten Unterlagen wegen fehlender Neuheit des Gegenstands der Erfindung nicht in Aussicht gestellt werden könne, reichte diese mit Schreiben vom 18. November 2009, eingegangen am 20. November 2009, neue Patentansprüche 1 bis 17 sowie eine entsprechend angepasste Beschreibung ein.
Mit Beschluss vom 22. Januar 2010 erteilte die Prüfungsstelle für Klasse A 61 B des Deutschen Patent- und Markenamts das Patent, wobei sie der Erteilung die Figuren und die Seiten 4 bis 26 der Beschreibung in der Fassung vom Anmeldetag sowie die am 20. November 2009 eingereichten Patentansprüche 1 bis 17 nebst den entsprechend angepassten Seiten 1 bis 3, 3a und 3b der Beschreibung zugrunde legte. Hierbei wurden in den Patentansprüchen 1 bis 14 als „redaktionelle Änderungen“ bezeichnete Umformulierungen und Ergänzungen vorgenommen.
Die Patentansprüche 1 und 8 haben danach folgenden Wortlaut (durch die Prüfungsstelle vorgenommene Änderungen gegenüber den Anmeldunterlagen sind kursiv wiedergegeben):
1. Medizinisches, biometrisch aktiviertes Bildgebungssystem (74), zu dem gehören:
eine Zentraleinheit (14);
eine Datenspeichereinheit (70), die Daten mit der Zentraleinheit (14) austauscht;
eine Bildgebungsvorrichtung (84), die mit der Zentraleinheit (14) elektronisch verbunden ist; und
eine biometrische Autorisierungseinheit (82) oder (90), die mit der Zentraleinheit (14) elektronisch verbunden ist, wobei bei der ein Anwender ein biometrisches Kennzeichen in die biometrische Autorisierungseinheit (82) oder (90) eingibt, um eine Nutzung des medizinischen Bildgebungssystems (74) zur Bildgebung am Patienten zu ermöglichen,
bei dem aus den biometrischen Kennzeichen extrahierte biometrische Daten mit in der Datenspeichereinheit (70) gespeicherten biometrischen Daten verglichen werden, wobei die welche gespeicherten biometrischen Daten gespeicherten persönlichen Identifizierungsdaten zugeordnet sind, und wobei die welche gespeicherten biometrischen Daten und die gespeicherten persönlichen Identifizierungsdaten nach einer Anfangsregistrierung gespeichert werden,
bei dem den gespeicherten biometrischen Daten und den persönlichen Identifizierungsdaten Benutzerpräferenzdaten betreffend die Bildgebung der Bildgebungsvorrichtung (84) zugeordnet sind.
8. Medizinisches Bildgebungsnetzwerk (72), zu dem eine Vielzahl von medizinischen Bildgebungssystemen (74) gemäß einem der Ansprüche 1 bis 7 gehören, die gegenseitig Daten austauschen, wobei welches jedes der medizinischen Bildgebungssysteme (74) enthält:
eine medizinische Bildgebungsvorrichtung (84); und
eine biometrische Autorisierungseinheit (82) oder (90), wobei bei der ein Anwender ein biometrisches Kennzeichen in die biometrische Autorisierungseinheit (82) oder (90) eingibt, um die medizinische Bildgebungsvorrichtung (84) zur Bildgebung am Patienten zu benutzen,
ein zentrale Verwaltungsstation (76), die mit jedem der medizinischen Bildgebungssysteme (74) Daten austauscht, wobei bei der aus einem biometrischen Kennzeichen extrahierte biometrische Daten in einer zentralen Datenspeichereinheit in der zentralen Verwaltungsstation (76) und/oder in individuellen Datenspeichereinheiten in den einzelnen Bildgebungssystemen (74) gespeichert sind,
wobei den welchen gespeicherten biometrischen Daten und den persönlichen Identifizierungsdaten Benutzerpräferenzdaten betreffend die Bildgebung der Bildgebungsvorrichtung (84) zugeordnet sind.
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Patentinhaberin gegen den Erteilungsbeschluss insoweit, als die Prüfungsstelle in Patentanspruch 8 in Bezug auf den Begriff „medizinische Bildgebungssysteme“ eine Rückbeziehung auf die Patentansprüche 1 bis 7 eingefügt hat. Sie macht geltend, dass der in der eingereichten Fassung für patentfähig erachtete Patentanspruch 1 ein medizinisches Bildgebungssystem betreffe. Es sei daher nicht ersichtlich, weshalb der ein medizinisches Bildgebungsnetzwerk betreffende Patentanspruch 8 einen Rückbezug auf Patentanspruch 1 und die diesem untergeordneten Ansprüche 2 bis 7 enthalten müsse. Die Patentansprüche 1 und 8 seien in inhaltlicher Hinsicht einander angepasst worden und die Merkmale, die die Patentfähigkeit von Anspruch 1 begründeten, seien auch in Anspruch 8 enthalten, so dass die Aufnahme eines Rückbezugs nicht notwendig sei.
Die Patentinhaberin beantragt sinngemäß,
1. den Erteilungsbeschluss der Prüfungsstelle für Klasse A 61 B vom 22. Januar 2010 aufzuheben und einen geänderten Erteilungsbeschluss ohne die Rückbeziehung in Patentanspruch 8 auf die Patentansprüche 1 bis 7 zu erlassen;
2. die Beschwerdegebühr zurückzuerstatten.
Hilfsweise beantragt sie,
eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Patentamtsakten 10 2004 049 448 .7-35 und die im Beschwerdeverfahren eingereichten Schrift-sätze verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und hat in der Sache insoweit Erfolg, als der Erteilungsbeschluss ohne Sachentscheidung aufzuheben und die Sache an das Patentamt zurückzuverweisen ist (§ 79 Abs. 3 Nr. 2 PatG).
1. Die Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere hat die Patentinhaberin mit der Darlegung, dass der angefochtene Beschluss abweichend von ihrem Erteilungsantrag ergangen sei, auch schlüssig eine Beschwer geltend gemacht. Dies reicht für die Bejahung der Zulässigkeit der Beschwerde aus (vgl. Schulte, PatG, 8. Aufl., § 73 Rn. 50).
2. Die Beschwerde ist auch in der Sache begründet und führt unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zur Zurückverweisung der Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt.
Ein Patent darf grundsätzlich nur so erteilt werden, wie es beantragt ist. Jede Änderung der Unterlagen, die nicht nur in geringfügigen redaktionellen Korrekturen wie der Berichtigung von Schreibfehlern oder offensichtlichen grammatikalischen oder sprachlichen Unrichtigkeiten besteht, setzt das schriftlich erklärte Einverständnis des Anmelders voraus (vgl. Schulte, a. a. O., Einleitung Rn. 6; Busse/Schwendy, PatG, 6. Aufl., § 48 Rn. 17, vor § 34 Rn. 52; Benkard/Schäfers, PatG, 10. Aufl., § 49 Rn. 2; BPatGE 25, 141, 143).
Die im Erteilungsbeschluss vorgenommene und von der Patentanmelderin allein beanstandete Einfügung der Rückbeziehung in Patentanspruch 8 auf die Patentansprüche 1 bis 7 stellt nicht nur eine bloß redaktionelle Änderung im vorgenannten Sinne dar. Vielmehr handelt es sich um eine von der beantragten Fassung des Patentanspruchs abweichende inhaltliche Beschränkung des beanspruchten Bildgebungsnetzwerks.
Die Prüfungsstelle hat im Prüfungsbescheid in Bezug auf Patentanspruch 10, der Patentanspruch 8 in der auf den Prüfungsbescheid hin eingereichten Fassung im Wesentlichen entspricht, lediglich darauf hingewiesen, dass der Begriff „Bildgebungsvorrichtung“ zu präzisieren und gegebenenfalls durch den schon in Patentanspruch 1 verwendeten Begriff „Bildgebungssystem“ zu ersetzen sei. Dass die Bildgebungssysteme gemäß einem der Ansprüche 1 bis 7 ausgestaltet sein müssen, wurde jedoch nicht verlangt, so dass die Prüfungsstelle die Rückbeziehung auf die Ansprüche 1 bis 7 in den Patentanspruch 8 nicht hätte aufnehmen dürfen, ohne der Patentinhaberin vorher Gelegenheit zur Äußerung gegeben zu haben.
Nachdem das nachgesuchte Patent abweichend vom Erteilungsantrag erteilt worden ist, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben, ohne dass der Senat in der Sache selbst entscheidet, § 79 Abs. 3 Nr. 2 PatG. Die Prüfungsstelle wird nunmehr über die Erteilung des Patents nach Maßgabe des von der Patentinhaberin gestellten Antrags erneut zu beschließen haben.
III.
Die Anordnung der Rückzahlung der Beschwerdegebühr beruht auf § 80 Abs. 3 PatG. Danach ist die Rückzahlung anzuordnen, wenn dies der Billigkeit entspricht.
So liegt der Fall hier. Die Erhebung der Beschwerde und die Entrichtung der Beschwerdegebühr hätten bei ordnungsgemäßer und angemessener Sachbehandlung vermieden werden können (vgl. Schulte, a. a. O., § 73 Rn. 124 f.). Der angefochtene Beschluss erging unter Verletzung des Grundsatzes der Bindung an den Erteilungsantrag, womit die Patentinhaberin zugleich auch in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden ist. Diese Verfahrensfehler sind für die Erhebung der Beschwerde ursächlich gewesen.