Entscheidungsdatum: 26.07.2012
In der Patentnichtigkeitssache
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betreffend das europäische Patent 1 271 029
(DE 502 07 904)
hat der 10. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 26. Juli 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Rauch, der Richter Dipl.-Ing. Hildebrandt, Eisenrauch, Dipl.-Ing. Küest und Dipl.-Ing. Univ. Richter
für Recht erkannt:
I. Das europäische Patent 1 271 029 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass seine Ansprüche folgende Fassung erhalten:
„1. Vorrichtung mit auf einem rotierenden Blasrad (25) angeordneten Blasstationen (3) zur Blasformung von Behältern aus einem thermoplastischen Material, mit einer Einrichtung zur pneumatischen Steuerung eines Blasdruckes,
wobei die Einrichtung zur pneumatischen Steuerung einen in einem Zylinder geführten Steuerkolben (4) aufweist, der in Richtung einer Kolbenlängsachse (52) verschieblich gelagert ist und bei der durch den Zylinder hindurch ein vom Steuerkolben (49) verschließbarer Hauptströmungsweg (47) verläuft, sowie bei der der Steuerkolben (49) mit einer Steuerfläche (59) versehen ist, die einem Steuerraum (60) des Zylinders zugewandt ist und die zur Übertragung einer Steuerkraft auf den Steuerkolben (49) ausgebildet ist, und bei der der Steuerkolben (49) mindestens bereichsweise aus einem Kunststoff ausgebildet ist, sowie bei der der Hauptströmungsweg (47) derart angeordnet ist, dass bei einer Absenkung des Steuerdruckes der Steuerkolben (49) durch den einwirkenden Hochdruck in Richtung der Kolbenlängsachse (52) verschoben wird, und wobei der Steuerkolben (49) einen Kolbenschaft (50) aufweist, der an seinem dem Hauptströmungsweg (47) zugewandten Ende eine Schaftkappe (56) aus PETP aufweist.
2. Vorrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Schaftkappe (56) über eine Schnappverbindung im Bereich eines Kolbenschaftes (50) des Steuerkolbens (49) befestigt ist.
3. Vorrichtung nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, dass der Kolbenschaft (50) eine Nut (58) zur Halterung der Schaftkappe (56) aufweist.
4. Vorrichtung nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, dass die Schaftkappe (56) mit einem Steg (57) in die Nut (58) eingreift.
5. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 2 bis 4, dadurch gekennzeichnet, dass im Bereich des Kolbenschaftes (50) mindestens eine Dichtung (54) angeordnet ist.
6. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 2 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass die Steuerfläche (59) größer als die Querschnittfläche (55) des Kolbenschaftes (50) dimensioniert ist.
7. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, dass die Steuerfläche (59) im Bereich eines der Schaftkappe (56) abgewandt angeordneten Kolbenkopfes (51) positioniert ist.
8. Vorrichtung nach Anspruch 7, dadurch gekennzeichnet, dass der Kolbenkopf (51) mit mindestens einer Dichtung (63) versehen ist.
9. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 2 bis 8, dadurch gekennzeichnet, dass sowohl der Kolbenschaft (50) als auch der Kolbenkopf (51) aus Kunststoff ausgebildet sind.
10. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 8, dadurch gekennzeichnet, dass der Steuerkolben (49) mindestens bereichsweise aus PETP ausgebildet ist.
11. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 10, dadurch gekennzeichnet, dass von der Steuerfläche (59) mindestens bereichsweise ein Steuerraum (60) zur Zuleitung eines Steuerdruckes begrenzt ist.
12. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 11, dadurch gekennzeichnet, dass der Steuerkolben (49) als Anschlagdämpfung mit einem Dämpfungselement (64) versehen ist.
13. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 12, dadurch gekennzeichnet, dass der Steuerkolben (49) einen Kolbenschaft (50) aufweist, dessen Querschnittfläche (55) im wesentlichen gleich einer Querschnittfläche einer vom Steuerkolben (49) verschließbaren und einem Zylinderinnenraum (45) zugewandten Durchströmungsfläche (48) des Hauptströmungsweges (47) dimensioniert ist.
14. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 13, dadurch gekennzeichnet, dass die Schaftkappe (56) mit einer Vorspannung vom Steuerkolben (49) gehaltert ist.
15. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 14, dadurch gekennzeichnet, dass mindestens eine der Dichtungen (54, 63) in einer Nut angeordnet ist, die sich im Bereich der Ausbildung des Steuerkolbens (49) aus Kunststoff erstreckt.
16. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 15, dadurch gekennzeichnet, dass der Steuerkolben (49) im Bereich der Steuerfläche (59) aus Kunststoff ausgebildet ist.
17. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 16, dadurch gekennzeichnet, dass der Steuerkolben (49) im Bereich seiner dem Hauptströmungsweg (47) zugewandten Ausdehnung aus Kunststoff ausgebildet ist.“
II. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 1/3, die Beklagten 2/3.
IV. Das Urteil ist im Kostenpunkt in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Klage richtet sich gegen das europäische Patent 1 271 029, das auf eine Anmeldung vom 29. Mai 2002 zurückgeht und unter Inanspruchnahme der Priorität der deutschen Voranmeldung 101 31 557.0 vom 29. Juni 2001 in deutscher Verfahrenssprache mit der Bezeichnung „Vorrichtung mit Blasstationen zur Blasformung von Behältern“ erteilt worden ist. Ein gegen die Erteilung des Streitpatents gerichteter Einspruch ist vor einer Entscheidung der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts zurückgenommen worden. Das Patent, das beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer 502 07 904 geführt wird, umfasst 22 Patentansprüche, die alle angegriffen werden. Die Unteransprüche 2 bis 22 sind auf den Hauptanspruch 1 unmittelbar oder mittelbar rückbezogen.
Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung lautet wie folgt:
„1. Vorrichtung mit auf einem rotierenden Blasrad (25) angeordneten Blasstationen (3) zur Blasformung von Behältern aus einem thermoplastischen Material, mit einer Einrichtung zur pneumatischen Steuerung eines Blasdruckes,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Einrichtung zur pneumatischen Steuerung einen in einem Zylinder geführten Steuerkolben (4) aufweist, der in Richtung einer Kolbenlängsachse (52) verschieblich gelagert ist und bei der durch den Zylinder hindurch ein vom Steuerkolben (49) verschließbarer Hauptströmungsweg (47) verläuft, sowie bei der der Steuerkolben (49) mit einer Steuerfläche (59) versehen ist, die einem Steuerraum (60) des Zylinders zugewandt ist und die zur Übertragung einer Steuerkraft auf den Steuerkolben (49) ausgebildet ist, und bei der der Steuerkolben (49) mindestens bereichsweise aus einem Kunststoff ausgebildet ist, sowie bei der der Hauptströmungsweg (47) derart angeordnet ist, dass bei einer Absenkung des Steuerdruckes der Steuerkolben (49) durch den einwirkenden Hochdruck in Richtung der Kolbenlängsachse (52) verschoben wird.“
Wegen der unmittelbar oder mittelbar auf Patentanspruch 1 zurückbezogenen Unteransprüche 2 bis 22 wird auf die Streitpatentschrift EP 1 271 029 B1 Bezug genommen.
Die Klägerin macht die Nichtigkeitsgründe der unzulässigen Erweiterung, der unzureichenden Offenbarung und der mangelnden Patentfähigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 3 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 Buchstaben a, b und c EPÜ) geltend.
Sie beruft sich auf folgenden druckschriftlichen Stand der Technik
D1 US 4,267,861 A
D2 US 4,644,969 A
D3 DE 199 56 575 A1
D4 US 3,155,367 A (mit Übersetzung)
D5 DE 43 40 291 A1
D6 DE 42 12 583 A1
D7 DE 23 52 926 A1
D8 DE 31 30 129 C2
D9 US 4,018,418 A
D10 US 4,872,638 A
D11 US 4,526,341 A
D12 DE 43 00 733 A1
D13 WO 92/07208 A1
D14 EP 0 798 471 A2
D15 CH 501 860 A
D16 EP 0 356 760 A2
D17 FR 2 668 808 A1
D18 FR 2 120 217 A5
D19 US 5,899,435 A
D20 DE 33 03 872 A1
D21 Prospekt „CONTIFORM“ (Krones AG)
D22 Auszug aus „Kunststoff-Information 1984“ (Angst+Pfister AG)
D23 WO 98/35815 A1
D24 DE 699 01 814 T2
D25 US 4,601,865 A (mit Übersetzung D25a)
D26 DE 697 23 788 T2
D27 DE 199 25 562 A1
D28 DE 197 08 143 A1
D29 DE 689 09 152 T2
D30 EP 0 891 855 A2
D31 697 23 707 T2
sowie auf die weiteren, als Anlage eingereichten Druckschriften
MBP 15 Artikel aus „Machine Design“: Plastics that wear well, 6. April 1995, Seiten 64 - 68
MBP 17 E.Seitz, Wetzikon: Sammelkatalog 1968-69.
Die Klägerin ist insbesondere der Auffassung, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 dem Fachmann durch eine Zusammenschau der Druckschrift D5 mit den Druckschriften D30 bzw. D31 in Verbindung mit den Ventilen aus dem Katalog MBP17 nahegelegt sei.
Außerdem macht die Klägerin eine Reihe von angeblichen offenkundigen (d. h. ohne Geheimhaltungsverpflichtung stattgefundenen) Vorbenutzungen geltend, wofür sie insgesamt 13 Anlagenkonvolute vorgelegt hat und außerdem Beweis durch Vernehmung verschiedener Zeugen anbietet. U. a. wird die Auslieferung eines 2/2-Wege-Ventils des Typs 2615 am 30. August 1999 seitens der Klägerin an die Firma SOPLAR S. A. geltend gemacht. Zum Nachweis hierfür soll das Anlagenkonvolut 8 (Dokumente 8a bis 8h) sowie die Aussage des Zeugen B…, eines Mitarbeiters der Fa. SOPLAR, dienen.
Schließlich bezieht sich die Klägerin noch konkret auf einen Ventilblock einer Rotationsblasmaschine des Typs „Contiform, Modell C16“ gemäß Anlagenkonvolut 1. Die Ausgestaltung des Ventilblockes sowie die Offenkundigkeit der Lieferung einer solchen Vorrichtung seitens der Fa. Krones AG (Neutraubling) an die Fa. Schlossbrunnen Wüllner GmbH & Co KG am 21. Juli 1998 wird dabei mit den Dokumenten 1a bis 1f.
In den weiteren Anlagenkonvoluten werden außerdem noch folgende offenkundige Vorbenutzungen geltend gemacht:
Anlagenkonvolut 2 (Dokumente 2a bis 2i) und Anlagenkonvolut 3 (Dokumente 3a bis 3k) betreffen die angebliche Auslieferung eines 4er- bzw. 3er-Ventilblockes vom Typ 2588 bzw. 2589 an die Firma SOPLAR S. A. in Altstetten (Schweiz) im September 1999.
Mit dem Anlagenkonvolut 4 (Dokumente 4a und 4b) soll nachgewiesen werden, dass die Firma SOPLAR S. A. die an sie ausgelieferten Ventilblöcke in eine Rotationsblasmaschine eingesetzt habe.
Anlagenkonvolut 5 (Dokumente 5a bis 5j) dient dem Beleg dafür, dass die Klägerin der Firma SOPLAR S. A. am 30. August 1999 darüber hinaus ein 2/2-Wege-Ventil des Typs 2617 geliefert habe.
Dem Nachweis der Verwendung von Ventilen mit Kunststoffkolben aus POM bzw. PEEK bei der Firma SOPLAR S. A. bereits im April 2001 dient das Anlagenkonvolut 6 mit zwei Zeichnungen gemäß den Dokumenten 6a und 6b.
Die Dokumente 7a bis 7g des Anlagenkonvoluts 7 mit dem Schriftverkehr zwischen der Firma Krupp Corpoplast und der Firma Walter AG im Jahr 1992 sowie Zeugenaussagen eines damaligen Mitarbeiters der Firma Walter AG, Herrn R…, sollen die Vorgeschichte des Streitpatents erläutern und ebenfalls dem Nachweis dienen, dass der im Streitpatent beanspruchte Gegenstand bereits vor dem Prioritätstag der Öffentlichkeit bekannt oder zumindest nahegelegt war.
Das Anlagenkonvolut 9 (Dokumente 9a bis 9d) betrifft die Korrespondenz bzgl. des Einsatzes von Kunststoffmaterialien bei Ventilkolben sowie Angebote über eine diesbezügliche Fertigung zwischen der Firma Cellpack AG und der E…S… AG aus dem Jahre 1996.
Als weitere Vorbenutzung wird gemäß Anlagenkonvolut 10 (Dokumente 10a bis 10i) die mehrfache Lieferung von Kugel-Ventilen für Ventilkombinationen vom Typ 1653 seitens der Firma S… AG an die Firma Gallay Jean S.A. bzw. deren Tochter MAG-Plastic vor dem Prioritätstag geltend gemacht.
Desgleichen ergebe sich nach Darlegung der Klägerin eine Vorbenutzung durch Lieferung von Ventilen des Typs HD 200 B im Jahr 2000 ohne Geheimhaltungsverpflichtung seitens der Firma S… AG an die Firma Kosme GmbH,Sollenau/Österreich, gemäß Anlagenkonvolut 11 (Dokumente 11a bis 11e).
Anlagenkonvolut 12 (Dokumente 12a bis 12c) betrifft die angebliche Lieferung von Magnetventilen des Typs 2636 durch die Firma S… an die Firma Meunier SA sowie an die Firma Sidel, wobei die Ventile angeblich für die Blasmaschine vom Typ Sidel SBO 18 gedacht gewesen seien.
Mit den Dokumenten des Anlagenkonvoluts 13 (Anlagen 1 bis 10) sollen die gemäß den Anlagenkonvoluten 10 bis 12 geltend gemachten Vorbenutzungshandlungen untermauert werden.
Die Klägerin argumentiert, dass ein allgemeiner Trend zur Verwendung von Kunststoffen vorgelegen habe und es dem Fachmann in Kenntnis der sich daraus ergebenden Vorteile nahegelegt gewesen sei, die Ventile der Vorrichtung gemäß Anlagenkonvolut 1 in dieser Hinsicht zu optimieren. Des Weiteren seien zum Prioritäts-Zeitpunkt auch verschiedene Ventile bzw. Ventilkombinationen, u. a. vom Typ 2615 gemäß Anlagenkonvolut 8, bekannt gewesen und es habe ebenfalls keiner erfinderischen Tätigkeit bedurft, diese zur Steuerung der Blasluftzuführung bei einer Rotationsblasmaschine (anstatt bei einer Linearblasmaschine) einzusetzen.
Die Klägerin beantragt,
das europäische Patent EP 1 271 029 mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland in vollem Umfang für nichtig zu erklären.
Die Beklagten beantragen,
die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Hilfsweise verteidigen die Beklagten das Streitpatent in der Fassung der Hilfsanträge I bis VI, eingereicht als Anlagen 6 bis 11 zum Schriftsatz vom 17. Juli 2012 (Blatt 434 ff. d. A.).
Patentanspruch 1 des Streitpatents lautet in den Fassungen der Hilfsanträge I bis IV wie folgt (Änderungen gegenüber der erteilten Fassung sind unterstrichen):
Hilfsantrag I:
„1. Vorrichtung mit auf einem rotierenden Blasrad (25) angeordneten Blasstationen (3) zur Blasformung von Behältern aus einem thermoplastischen Material für Lebensmittel, wobei die Blasstationen (3) jeweils eine Einrichtung zur pneumatischen Steuerung eines Blasdruckes im Intervall von 25 bar bis 40 bar aufweisen, wobei die Einrichtung zur pneumatischen Steuerung einen in einem Zylinder geführten Steuerkolben (4) aufweist, der in Richtung einer Kolbenlängsachse (52) verschieblich gelagert ist und bei der durch den Zylinder hindurch ein vom Steuerkolben (49) verschließbarer Hauptströmungsweg (47) verläuft, sowie bei der der Steuerkolben (49) mit einer Steuerfläche (59) versehen ist, die einem Steuerraum (60) des Zylinders zugewandt ist und die zur Übertragung der im Steuerraum (60) auf den Steuerkolben (49) wirkenden Steuerkraft ausgebildet ist, und bei der der Steuerkolben (49) mindestens bereichsweise aus einem Kunststoff ausgebildet ist, sowie bei der der Hauptströmungsweg (47) derart angeordnet ist, dass bei einer Absenkung des Steuerdruckes im Steuerraum (60) der Steuerkolben (49) durch den im Hauptströmungsweg (47) auf ihn einwirkenden Hochdruck in Richtung der Kolbenlängsachse (52) verschoben wird.“
Hilfsantrag II:
„1. Vorrichtung mit auf einem rotierenden Blasrad (25) angeordneten Blasstationen (3) zur Blasformung von Behältern aus einem thermoplastischen Material für Lebensmittel, wobei die Blasstationen (3) jeweils eine Einrichtung zur pneumatischen Steuerung eines Blasdruckes im Intervall von 25 bar bis 40 bar aufweisen, wobei die Einrichtung zur pneumatischen Steuerung einen in einem Zylinder geführten Steuerkolben (4) aufweist, der in Richtung einer Kolbenlängsachse (52) verschieblich gelagert ist und bei der durch den Zylinder hindurch ein vom Steuerkolben (49) verschließbarer Hauptströmungsweg (47) verläuft, sowie bei der der Steuerkolben (49) mit einer Steuerfläche (59) versehen ist, die einem Steuerraum (60) des Zylinders zugewandt ist und die zur Übertragung der im Steuerraum (60) auf den Steuerkolben (49) wirkenden Steuerkraft ausgebildet ist, und bei der der Steuerkolben (49) vollständig aus PETP ausgebildet ist, sowie bei der der Hauptströmungsweg (47) derart angeordnet ist, dass bei einer Absenkung des Steuerdruckes im Steuerraum (60) der der Steuerkolben (49) durch den im Hauptströmungsweg (47) auf ihn einwirkenden Hochdruck in Richtung der Kolbenlängsachse (52) verschoben wird.“
Hilfsantrag III:
„1. Vorrichtung mit auf einem rotierenden Blasrad (25) angeordneten Blasstationen (3) zur Blasformung von Behältern aus einem thermoplastischen Material für Lebensmittel, wobei die Blasstationen (3) jeweils eine Einrichtung zur pneumatischen Steuerung eines Blasdruckes im Intervall von 25 bar bis 40 bar aufweisen, wobei die Einrichtung zur pneumatischen Steuerung einen in einem Zylinder geführten Steuerkolben (4) aufweist, der in Richtung einer Kolbenlängsachse (52) verschieblich gelagert ist und bei der durch den Zylinder hindurch ein vom Steuerkolben (49) verschließbarer Hauptströmungsweg (47) verläuft, sowie bei der der Steuerkolben (49) mit einer Steuerfläche (59) versehen ist, die einem Steuerraum (60) des Zylinders zugewandt ist und die zur Übertragung der im Steuerraum (60) auf den Steuerkolben (49) wirkenden Steuerkraft ausgebildet ist, und bei der der Steuerkolben (49) vollständig aus PETP ausgebildet ist, sowie bei der der Hauptströmungsweg (47) derart angeordnet ist, dass bei einer Absenkung des Steuerdruckes im Steuerraum (60) der der Steuerkolben (49) durch den im Hauptströmungsweg (47) auf ihn einwirkenden Hochdruck in Richtung der Kolbenlängsachse (52) verschoben wird, und wobei der Steuerkolben (49) an seiner der Zylinderinnenfläche gegenüber liegenden Mantelfläche führungselementefrei ist.“
Hilfsantrag IV:
„1. Vorrichtung mit auf einem rotierenden Blasrad (25) angeordneten Blasstationen (3) zur Blasformung von Behältern aus einem thermoplastischen Material, mit einer Einrichtung zur pneumatischen Steuerung eines Blasdruckes, wobei die Einrichtung zur pneumatischen Steuerung einen in einem Zylinder geführten Steuerkolben (4) aufweist, der in Richtung einer Kolbenlängsachse (52) verschieblich gelagert ist und bei der durch den Zylinder hindurch ein vom Steuerkolben (49) verschließbarer Hauptströmungsweg (47) verläuft, sowie bei der der Steuerkolben (49) mit einer Steuerfläche (59) versehen ist, die einem Steuerraum (60) des Zylinders zugewandt ist und die zur Übertragung einer Steuerkraft auf den Steuerkolben (49) ausgebildet ist, und bei der der Steuerkolben (49) mindestens bereichsweise aus einem Kunststoff ausgebildet ist, sowie bei der der Hauptströmungsweg (47) derart angeordnet ist, dass bei einer Absenkung des Steuerdruckes der Steuerkolben (49) durch den einwirkenden Hochdruck in Richtung der Kolbenlängsachse verschoben wird, und wobei der Steuerkolben (49) einen Kolbenschaft (50) aufweist, der an seinem dem Hauptströmungsweg (47) zugewandten Ende eine Schaftkappe (56) aus PETP aufweist.“
Wegen der Fassung des Patentanspruchs 1 gemäß den Hilfsanträgen V und VI sowie wegen der Unteransprüche in den Fassungen der jeweiligen Hilfsanträge wird auf die Anlagen B6 bis B11a zum Schriftsatz der Beklagten vom 17. Juli 2012 (Bl. 434 ff. d. A.) verwiesen.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass der Gegenstand des Streitpatents gemäß der erteilten Fassung - zumindest aber in einer der mit Hilfsanträgen verteidigten Fassungen - durch den vorliegenden druckschriftlichen Stand der Technik und durch die geltend gemachten Vorbenutzungen weder neuheitsschädlich vorweggenommen noch dem Fachmann nahe gelegt gewesen sei. Unter anderem wird geltend gemacht, dass die angeblichen Vorbenutzungen unter der Abrede der Geheimhaltung gestanden hätten. Hierfür bietet auch die Beklagte Zeugen zum Beweis an.
Der Senat hat den Parteien mit Schriftsatz vom 2. Mai 2012 einen frühen gerichtlichen Hinweis gemäß § 83 Abs. 1 PatG zukommen lassen.
In der mündlichen Verhandlung wurde der von der Klägerin benannte und von ihr zum Termin mitgebrachte Zeuge B… vernommen.
Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung sowie auf den gesamten Akteninhalt, insbesondere auf die Schriftsätze der Parteien mit sämtlichen Anlagen, Bezug genommen.
I.
Die Klage ist zulässig und auch erfolgreich, soweit sie sich gegen die erteilte Fassung sowie die Fassungen nach den Hilfsanträgen I bis III des Streitpatents richtet. Dieses erweist sich in der Fassung gemäß Hilfsantrag IV als bestandsfähig.
1. Gemäß der Beschreibung des Streitpatents (Seite 2, Absätze [0001] ff.) betrifft die streitgegenständliche Erfindung eine Vorrichtung zur Herstellung von blasgeformten Behältern aus thermoplastischem Material, welche auf einem rotierenden Blasrad angeordnete Blasstationen aufweist. Bei einer derartigen Behälterformung durch Blasdruckeinwirkung werden - der Beschreibung zufolge - Vorformlinge in an sich bekannter Weise verschiedenen Bearbeitungsstationen zugeführt, z. B. werden sie in einer Heizeinrichtung erwärmt und anschließend in einer Blaseinrichtung zu einem Behälter expandiert. Dabei werden Einrichtungen zur pneumatischen Steuerung eines Blasdruckes eingesetzt, um eine mit der Durchführung des Blasvorganges koordinierte Zuleitung eines oder mehrerer Blasdrücke durchführen zu können. Die für die Blasluftzuführung der Blasstation eingesetzten Vorrichtungen zur pneumatischen Steuerung seien in typischer Weise als Hochdruckventile realisiert, bei denen ein Steuerkolben von einem Steuerdruck derart positioniert werde, dass der Steuerkolben entweder einen Strömungsweg für den Blasdruck verschließe oder diesen frei gebe. Zur Gewährleistung einer ausreichenden Abdichtung seien die bekannten Steuerkolben im Bereich einer Dichtfläche üblicherweise mit einem Elastomer vulkanisiert (Abschnitt [0008]).
Nachteilig bei den bekannten Steuerkolben sei es insbesondere, dass auf Grund der metallischen Ausbildung des Steuerkolbens ein unmittelbarer Kontakt mit der Wandung des umgebenden Zylinders vermieden werden müsse, da ansonsten ein starker Verschleiß auftreten würde. Ähnlich zur Anordnung von Kolbenringen würden daher Führungsbänder aus Kunststoff oder ähnlichen weichen Materialien verwendet, die als Führungselemente eingesetzt würden. Für diese Führungsbänder müssten Ausnehmungen im Bereich der Kolbenwandung eingebracht werden, die entsprechende Fertigungskosten zur Folge hätten. Darüber hinaus führe die Montage der Führungsbänder auch zu einem entsprechenden Kostenaufwand (Abschnitt [0009]).
Es sei daher Aufgabe der vorliegenden Erfindung, den konstruktiven Aufbau zu verbessern (Abschnitt [0014]).
Diese Aufgabe soll mit Hilfe der patentgemäßen Gegenstände gelöst werden.
2. In Anlehnung an eine von den Beklagten als Anlage B1 vorgelegte Gliederung (zum einzigen Unterschied siehe nachfolgend unter 4 a) lauten die Merkmale des kennzeichnenden Teils des erteilten Patentanspruchs 1 wie folgt:
1. Vorrichtung mit Blasstationen (3).
2. Die Blasstationen (3) sind auf einem rotierenden Blasrad (25) angeordnet.
3. Die Blasstationen dienen der Blasformung von Behältern.
3.1 Die Behälter sind aus einem thermoplastischen Material.
4. Die Vorrichtung weist eine Einrichtung zur pneumatischen Steuerung eines Blasdruckes auf.
- Oberbegriff -
4.1 Die Einrichtung zur pneumatischen Steuerung weist einen Steuerkolben (49) auf.
4.1.1 Der Steuerkolben wird in einem Zylinder geführt.
4.1.2 Der Steuerkolben ist in Richtung einer Kolbenlängsachse (52) verschieblich gelagert.
4.1.3 Der Steuerkolben ist mit einer Steuerfläche (59) versehen.
4.1.3.1 Die Steuerfläche ist einem Steuerraum (60) des Zylinders zugewandt.
4.1.3.2 Die Steuerfläche ist zur Übertragung einer Steuerkraft auf den Steuerkolben ausgebildet.
4.2 Durch den Zylinder hindurch verläuft ein vom Steuerkolben verschließbarer Hauptströmungsweg (47).
4.2.1 Der Hauptströmungsweg ist derart angeordnet, dass bei einer Absenkung des Steuerdrucks der Steuerkolben durch den einwirkenden Hochdruck in Richtung der Kolbenlängsachse (52) verschoben wird.
4.3 Der Steuerkolben ist mindestens bereichsweise aus einem Kunststoff ausgebildet.
- Kennzeichen -
3. Der Patentgegenstand betrifft somit eine Einrichtung zur pneumatischen Steuerung des Blasdruckes bei einer Blasformvorrichtung für Behälter aus einem thermoplastischen Material.
Als zuständiger Fachmann hierfür wird ein Maschinenbauingenieur (FH) mit Erfahrung in der Entwicklung und Konstruktion von Blasformmaschinen angesehen, der bei den Ventilkomponenten einen entsprechenden „Ventilfachmann“, d. h. einen Maschinenbauingenieur (FH) mit mehrjähriger Erfahrung in der Konstruktion von pneumatischen Ventilen in Fertigungsanlagen, hinzuzieht.
Der Anspruchsformulierung entnimmt der Fachmann, dass die Vorrichtung ein rotierendes Blasrad umfasst, auf dem sog. Blasstationen angeordnet sind. In den Blassstationen werden Behälter aus thermoplastischem Material, z. B. PET-Flaschen, durch Aufblasen von sog. Vorformlingen in ihre endgültige Form gebracht.
Diese Vorrichtung beinhaltet wiederum eine Einrichtung zur pneumatischen Steuerung. Diese dient dazu, um eine bei der Durchführung des Blasvorganges koordinierte Zuleitung eines oder mehrerer Blasdrücke durchführen zu können (siehe Absatz [0002] der Streitpatentschrift), d. h. es handelt sich um ein pneumatisch betätigtes Ventil, das die Zuleitung der Blasluft entweder freigibt oder absperrt (s. Absatz [0008], 1. Satz, der Streitpatentschrift). Die Einrichtung verfügt hierzu über einen in einem Zylinder geführten Steuerkolben. Der Steuerkolben weist einerseits eine Steuerfläche auf, die von der Steuerluft mit dem Steuerdruck beaufschlagt wird, und verschließt andererseits den Hauptströmungsweg, der durch den Zylinder verläuft, d. h. der Steuerkolben ist gleichzeitig auch Verschlusselement. Der Steuerkolben kann dabei auch mehrteilig ausgeführt sein, insbesondere kann er eine (am Steuerkolben befestigte) separate Schaftkappe als Dichtelement aufweisen. Das Funktionsprinzip beruht auf dem Kräftegleichgewicht zwischen resultierender Kraft auf die Steuerfläche und Gegenkraft auf die freie Stirnfläche des Kolbenschafts, mit der der Hauptströmungsweg versperrt wird, wobei die Gegenkraft durch den anstehenden Hochdruck hervorgerufen wird.
Patentgemäß ist dabei der Steuerkolben zumindest bereichsweise aus Kunststoff ausgeführt, wobei durch diese Ausgestaltung i. V. m. den anderen Merkmalen mindestens drei voneinander uneinheitliche Grundgedanken gelöst werden:
(a) | (a) Die üblicherweise aus einem Elastomer bestehende Dichtfläche des Steuerkolbens (s. Absatz [0008]) wird zur Vermeidung von aufvulkanisierten Dichtungen durch eine Schaftkappe aus (nichtelastomerem) Kunststoff ersetzt (s. Absatz [23]). |
(b) | (b) Durch eine Ausgestaltung des Führungsbereichs, d. h. im Bereich der Mantelfläche des Kolbenkopfes und des Kolbenschaftes, aus Kunststoff können separate Führungselemente aus Kunststoff entfallen, wodurch neben einem reduzierten Verschleiß auch die Fertigung verbilligt wird (s. Absatz [0016]). |
(c) | (c) Durch die vollständige Ausbildung aus Kunststoff ist ein leichter Kolben mit verringerter Massenträgheit möglich, was vorteilhaft für die Schaltzeiten ist (s. wiederum Absatz [0016]). |
4. Insbesondere bei folgenden Merkmalen waren sich die Parteien über die Auslegung nicht einig:
a) Bezüglich Merkmal 4 war streitig, ob der zweite Halbsatz im Patentanspruch 1 („mit einer Einrichtung zur pneumatischen Steuerung eines Blasdruckes“) auf die „Vorrichtung“ oder auf die Blasstationen bezogen ist. Nach Ansicht der Beklagten soll letzteres der Fall sein, weshalb in der von ihr als Anlage B1 vorgelegten Merkmalsgliederung das Merkmal [4] wie folgt lautet: „Die Blasstationen (3) weisen eine Einrichtung zur pneumatischen Steuerung eines Blasdruckes auf“. Dem ist entgegen zu halten, dass der genannte Halbsatz vom vorangehenden Text durch ein Komma abgetrennt ist. Würde es sich bei der genannten Einrichtung um eine Ausgestaltung der Blasstationen handeln, müsste sich der entsprechende Text ohne Komma anschließen. Somit ist davon auszugehen, dass der zweite Halbsatz auf die „Vorrichtung“ bezogen ist. Dies hat zur Folge, dass es sich bei der „Einrichtung zur pneumatischen Steuerung“ i. S. d. Merkmals 4 auch um ein Element handeln kann, das nicht der Steuerung eines speziellen Blasdruckes bei einer Blasstation dient, z. B. um ein Hauptventil, mit dem die Versorgung mit der Blasdruckluft insgesamt an- oder abgeschaltet werden kann. Diese Auslegung wird auch von der Patentbeschreibung gestützt, wo es in Abschnitt [0037] heißt: „Eine Verwendung der Vorrichtung zur pneumatischen Steuerung kann beispielsweise zur Steuerung der Blasluftzuführung bei einer Vorrichtung zur Blasformung erfolgen“. Die Steuerung der Blasluftzufuhr geschieht dann eben außerhalb der Blasstationen.
b) Die Beklagten stellen darauf ab, dass gemäß Merkmal 4 nicht die Blasvorrichtung insgesamt, sondern jede einzelne Blasstation jeweils eine Einrichtung zur pneumatischen Steuerung eines Blasdruckes aufweisen müsse. Dies geht aber - wie die Klägerin zutreffend ausgeführt hat, nicht aus dem Wortlaut des Patentanspruchs 1 hervor. Dort wird nur eine Einrichtung zur pneumatischen Steuerung verlangt. Zudem wären in der Praxis üblicherweise je Blasstation insgesamt drei Ventile vorzusehen (für die Vorblasphase, für die Hauptblasphase und zur Entlüftung).
c) Unter den Wortlaut des Merkmals 4.3, wonach der Steuerkolben mindestens bereichsweise aus einem Kunststoff ausgebildet ist, fällt auch ein konventioneller Steuerkolben aus Metall, auch wenn er nur zur Ausbildung einer Dichtfläche mit einer Schaftkappe aus Kunststoff versehen ist. Dagegen genügt es nicht, wenn ein Metallkolben lediglich mit Führungselementen aus Kunststoff versehen ist. Die Führungselemente sind nicht als Teile des Steuerkolbens anzusehen, wie der Beschreibung des Streitpatents eindeutig zu entnehmen ist (vgl. etwa Absatz [0016] der Beschreibung des Streitpatents: „separate Führungsbänder“, oder Absatz [0059], wonach durch die Führungselemente ein Kontakt zwischen Steuerkolben und Zylinderwandung verhindert werden solle).
d) Die Klägerin sieht Widersprüche zwischen dem Merkmal 4.3, wonach der Steuerkolben mindestens bereichsweise aus einem Kunststoff ausgebildet ist, und der Patentbeschreibung. Zur Erzielung der in den Absätzen [0016] und [0017] beschriebenen Vorteile werde nämlich darauf abgestellt, dass der Steuerkolben vollständig oder zumindest in den Führungsbereichen aus Kunststoff ausgebildet sein müsse, damit die verschleißbehaftete metallische Berührung bzw. separate Führungsbänder vermieden bzw. auch ein merklicher Gewichtsvorteil im Hinblick auf die Massenträgheit erzielt werden können. Im Widerspruch hierzu stehe allerdings Absatz [0059], entsprechend dem in Verbindung mit Unteranspruch 13 ein bereichsweise metallischer Steuerkolben mit separaten Führungselementen ebenso als patentgemäß angesehen werden müsse, wenn andere Bereiche des Steuerkolbens wie z. B. die Schaftkappe aus Kunststoff ausgeführt sind.
Eine solche Auslegung lässt der Patentanspruch 1 grundsätzlich zu, wozu auf den vorangegangenen Punkt 4.c) sowie auf die unter Punkt 3. festgestellte Uneinheitlichkeit verwiesen wird. So beruhen die in den zitierten Absätzen beschriebenen Vorteile auf Teilaspekten von weiteren, zum Teil uneinheitlichen Weiterbildungen des Patentgegenstandes, die aber alle vom Anspruchswortlaut des Anspruchs 1 unter dem Gesamtaspekt einer zumindest bereichsweisen Ausgestaltung des Steuerkolbens aus Kunststoff (Merkmal 4.3) umfasst sind. Diese breite Form des Anspruchs 1 ist somit unter dem Gesichtspunkt auch nicht widersprüchlich, dass in der Ausgestaltung gemäß Anspruch 1 lediglich die Grundlage für die weiteren Fortbildung des Patentgegenstandes in unterschiedliche, uneinheitliche Richtungen gesehen wird. Dabei liegt es im Belieben der Patentinhaber, in welchem Umfang sie die genannten Vorteile nutzen möchten. So lässt die Anspruchsformulierung gemäß Anspruch 1 insb. i. V. m. mit Anspruch 13 bewusst auch eine Mischbauweise aus Kunststoff und Metall zu, bei der zwar nicht alle beschriebenen Vorteile zum Tragen kommen, die aber - wie die Beklagten z. B. im Hinblick auf die Verwendung der Metallkolben als Ersatzteil ausgeführt haben - durchaus ihre Berechtigung haben kann.
e) Umstritten war ferner, ob „Kunststoff“ i. S. d. Merkmals 4.3 auch ein Elastomer sein kann. Die Klägerin verweist darauf, dass Elastomere nach heutiger Terminologie als eine Gruppe von Kunststoffen anzusehen seien (neben den Thermoplasten und den Duroplasten, siehe Druckschrift D22). Durch diese allgemeine fachliche Terminologie wird die Auslegung des Streitpatents jedoch nicht allein bestimmt, zumal es entgegen der überwiegend vorherrschenden Meinung auch noch Literaturstellen gibt, in denen Elastomere nicht zu den Kunststoffen gezählt werden. Patentschriften stellen im Hinblick auf die dort gebrauchten Begriffe gleichsam ihr eigenes Lexikon dar. Weichen diese vom allgemeinen (technischen) Sprachgebrauch ab, ist letztlich nur der aus der Patentschrift sich ergebende Begriffsinhalt maßgebend (BGH GRUR 1999, 909, 912 - Spannschraube). Wie die Beklagten zutreffend dargelegt haben, geht das Streitpatent (siehe Abschnitt [0008] der Beschreibung) von Elastomer-Dichtflächen aus und schlägt zur Vermeidung von Nachteilen, die mit solchen aufvulkanisierten Dichtungen verbunden seien, vor, die Schaftkappe mindestens bereichsweise aus Kunststoff auszubilden (Abschnitt [0023]). Daraus entnimmt der Fachmann, dass es sich bei dem Kunststoff, aus dem der Steuerkolben gemäß Merkmal 4.3 mindestens bereichsweise ausgebildet sein soll, eben nicht um ein Elastomer, sondern um einen nichtelastomeren Kunststoff handeln soll.
II.
Die Klage ist teilweise begründet.
1. Unbegründet ist sie allerdings, soweit sie von der Klägerin auf den Nichtigkeitsgrund der unzulässigen Erweiterung (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 Buchstabe c EPÜ) gestützt wird.
a) Die Klägerin stellt darauf ab, dass der Gegenstand des ursprünglich eingereichten Anspruchs 1 nicht (wie beim erteilten Anspruch 1) eine Vorrichtung zur Blasformung von Behältern aus einem thermoplastischen Material gewesen sei, sondern eine Vorrichtung zur pneumatischen Steuerung. Dies stelle eine unzulässige Verallgemeinerung dar, weil in den Anmeldungsunterlagen in den Figuren 3 und 4 und auf Seite 10, letzte Zeile, bis Seite 11, Zeile 12, eine Blasmaschine mit rotierendem Blasrad lediglich als „zweistufige“ Blasmaschine (d. h. mit Heizstrecke für die zwischengelagerten Vorformlinge) offenbart gewesen sei. Der Wortlaut des erteilten Anspruchs 1 erfasse hingegen auch „einstufige“ Blasmaschinen, bei denen die bereits temperierten Vorformlinge unmittelbar nach ihrer spritzgußtechnischen Herstellung aufgeblasen werden.
Dem kann nicht zugestimmt werden, weil dem Fachmann aus den Anmeldungsunterlagen (etwa Seite 2, letzter Absatz, bis Seite 3, erster Absatz), aber auch aus seinem allgemeinen Fachwissen, bekannt ist, dass sich ein- und zweistufige Blasmaschinen lediglich im Hinblick auf das Handling der Vorformlinge vor dem Blasvorgang unterscheiden, und dass dies keinen Einfluss auf die Verwendung der patentgemäßen Einrichtung zur pneumatischen Steuerung bei Vorrichtungen zur Blasformung hat.
b) Nach Ansicht der Klägerin ist den ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen kein Hinweis auf eine Einrichtung zur pneumatischen Steuerung eines Blasdruckes zu entnehmen (Merkmal 4), sondern lediglich eine Vorrichtung zur pneumatischen Steuerung der Blasluftzuführung. Dass dies nicht mit einer Blasdrucksteuerung, bei der ein hoher Blasdruck bspw. auf ein niedrigeres Niveau reduziert wird, gleichgesetzt werden könne, zeige auch der vorgelegte Stand der Technik (z. B. Druckschriften D5, D26, D30, D31).
Dem ist ebenfalls nicht zuzustimmen. Der Fachmann entnimmt den Anmeldungsunterlagen (etwa der Textstelle Seite 15, letzter Absatz, bis Seite 16, zweiter Absatz), dass unter dem Begriff „pneumatische Steuerung“ i. S. d. Merkmals 4 lediglich das pneumatisch betätigte Öffnen oder Schließen der Druckluft-Zuführung zu verstehen ist, weshalb die Steuerung des Blasdrucks mit der Steuerung der Druckluftzuführung gleichgesetzt werden kann. Dies geht auch aus der Textstelle auf Seite 3, 3. Absatz, hervor, gemäß der „die Vorrichtung zur pneumatischen Steuerung typischerweise als Hochdruckventil realisiert ist, bei dem ein Steuerkolben von einem Steuerdruck derart positioniert wird, dass der Steuerkolben entweder einen Strömungsweg für den Blasdruck verschließt oder diesen freigibt“. So verstanden, geht der Gegenstand des erteilten Patents nicht über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus.
c) Auch das Merkmal 4.2.1 ist nach Meinung der Klägerin nicht ursprünglich offenbart. Der ursprünglichen Beschreibung sei in Zusammenhang mit der Figur 5 lediglich zu entnehmen, dass der Steuerkolben (49) bei Absenkung des Steuerdrucks durch den einwirkenden Hochdruck in Richtung der Kolbenlängsachse (52) verschoben werde (Seite 15, dritter Absatz). Dies habe aber nichts mit der Anordnung des Hauptströmungsweges (47) zu tun.
Demgegenüber haben die Beklagten zutreffend darauf hingewiesen, dass sich das Merkmal 4.2.1 aus den Anmeldungsunterlagen (Figur 5 nebst der zugehörigen Beschreibung auf Seite 15, letzter Absatz, bis Seite 16, zweiter Absatz) ergibt. Die beschriebene Funktionsweise ist nämlich nur dann möglich, wenn der Hauptströmungsweg derart angeordnet ist, wie es in der Figur 5 offenbart ist. Die Anordnung des Hauptströmungsweges 47 erfolgt dabei in der Weise, dass dieser von der Stirnseite des Kolbenschaftes 50 bzw. der Schaftkappe 56 verschlossen werden kann. Dadurch kann auch im geschlossenen Zustand, d. h. wenn im Steuerraum der volle Steuerdruck anliegt, der im Hauptströmungweg 47 vorherrschende Hochdruck eine Kraft auf den Steuerkolben 49 bewirken, die der auf die Steuerfläche einwirkenden Kraft entgegenwirkt. Bei einer anderen Anordnung des Hauptströmungsweges, z. B. im Zylinderinnenraum 45, würden sich im geschlossenen Zustand die aus dem Hochdruck resultierenden Kräfte auf den Steuerkolben kompensieren und keine Gegenkraft erzeugen, so dass die geforderte Funktionsweise, d.h. die Verschiebung des Steuerkolbens bei Absenkung des Steuerdruckes, nicht gegeben und ein Öffnen theoretisch nicht möglich wäre.
d) Eine unzulässige Verallgemeinerung ist nach Auffassung der Klägerin auch darin zu sehen, dass das Verhalten des Steuerkolbens bei Absenkung des Steuerdruckes in den ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen (Seite 15, letzter Absatz, bis Seite 16, zweiter Absatz) ausschließlich in Zusammenhang mit der Schaftkappe offenbart gewesen sei, während im erteilten Patentanspruch 1 keine Schaftkappe gefordert werde.
Auch daraus ergibt sich aber keine unzulässige Erweiterung. Der fachkundige Leser wird die Beschreibung der Funktionsweise - auch wenn sie in den Anmeldungsunterlagen im Kontext des genannten Ausführungsbeispiels dargestellt ist - nicht so verstehen, dass sie lediglich bei Vorhandensein einer Schaftkappe gegeben sei. Vielmehr wird er den ursprünglichen Unterlagen ohne weiteres auch eine Ausgestaltung entnehmen, bei der ein Kolben ohne Schaftkappe die gleiche Funktionsweise aufweist. Es konnte somit im vorliegenden Fall darauf verzichtet werden, sämtliche Merkmale des Ausführungsbeispiels in den Hauptanspruch aufzunehmen (vgl. BGH GRUR 2002, 49, 51 - Drehmomentübertragungseinrichtung).
e) Schließlich sieht die Klägerin eine unzulässige Erweiterung darin, dass gemäß Seite 3, dritter Absatz, der Anmeldungsunterlagen mehrere Vorrichtungen zur pneumatischen Steuerung einer Blasstation vorgesehen gewesen seien („Die …eingesetzten Vorrichtungen…“), während der erteilte Patentanspruch 1 hierfür nur noch eine Einrichtung verlange.
Auch dieser Einwand ist nicht stichhaltig, weil der Fachmann ohne weiteres erkennt, dass Merkmal 4 die Zahl der betreffenden Einrichtungen nicht auf eine einzelne beschränkt, sondern dass bei einer Vielzahl von Blasstationen eine entsprechende Zahl von Einrichtungen vorhanden sein müssen, üblicherweise sogar mehrere Einrichtungen pro Blasstation.
2. Auch der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund der mangelnden Ausführbarkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 2 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 Buchstabe b EPÜ) liegt nicht vor.
2.1. Die Klägerin stellt darauf ab, dass der Fachmann der Beschreibung zu Figur 5 eine als Hochdruckventil (41) ausgeführte Einrichtung zur pneumatischen Steuerung, die entweder in einem vollständig geschlossenen oder in einem vollständig geöffneten Zustand vorliege, entnehmen könne. Diese Einrichtung sei demgemäß lediglich zur Schaltung von Blasdrücken bzw. für die Steuerung der Blasluftzufuhr geeignet. Es sei für den Fachmann nicht ersichtlich, wie das offenbarte Hochdruckventil gleichzeitig auch einen Blasdruck steuern könne.
Dieser Einwand ist nicht stichhaltig, weil er auf einer unzutreffenden Auslegung des Merkmals 4 („Einrichtung zur pneumatischen Steuerung“) beruht, s. o. II.1.b).
2.2. Nach Meinung der Klägerin fehlt im Streitpatent auch ein Hinweis darauf, inwiefern durch eine bestimmte Anordnung des Hauptströmungsweges (47) bewirkt werden könne, dass bei einer Absenkung des Steuerdruckes der Steuerkolben (49) durch den einwirkenden Hochdruck in Richtung der Kolbenlängsachse (52) verschoben wird (Merkmal 4.2.1). Aus den Absätzen [0060] und [0061] entnehme der Fachmann lediglich, dass es hierfür auf die Dimensionierung des Steuerdruckes und der Steuerfläche sowie auf die Höhe der von dem Hauptdruck auf die Schaftkappe einwirkenden Kraft ankomme.
Dem gegenüber verweisen die Beklagten zutreffend darauf, dass die beanspruchte Anordnung des Hauptströmungsweges sich implizit aus der Funktionsweise der ausschließlich pneumatisch wirkenden Steuer-Einrichtung ergibt, nämlich dass der Steuerkolben (49) bewegt wird, wenn an seinem freien Schaftende der Druck des Hauptströmungsweges anliegt und an seinem anderen Ende, d. h. an der Steuerfläche, der im Steuerraum (60) herrschende Steuerdruck abgesenkt wird. Merkmal 4.2.1 ist für den Fachmann daher mit Hilfe seines Fachwissens ohne weiteres ausführbar (s. a. II.1.c).
3. Der Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit liegt vor, soweit sich die Klage gegen Patentanspruch 1 in dessen erteilter Fassung richtet.
a) Durch den vorliegenden druckschriftlichen Stand der Technik ist der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der erteilten Fassung allerdings weder neuheitsschädlich vorweg genommen, noch ist er dem Fachmann dadurch nahe gelegt.
Dabei stellt die D5 hinsichtlich des Oberbegriffs den nächstliegenden druckschriftlichen Stand der Technik dar. Diese betrifft eine Vorrichtung zur Blasformung von Behältern aus einem thermoplastischen Material (vgl. Spalte 1, 2. Absatz der D5), wobei eine Mehrzahl von Blasstationen auf einem rotierenden Blasrad angeordnet sein können (vgl. Spalte 4, Zeilen 64 bis 66). Die Vorrichtung weist dabei eine Einrichtung zur Steuerung des Blasdruckes auf, die als Hochdruckventil ausgeführt ist (vgl. Figur 3, Bez. 23, 24 oder 27, sowie den zug. Text, insb. Spalte 5, Zeile 64, bis Spalte 6, Zeile 3). Damit gehen aus der D5 zwar alle vorrichtungsspezifischen Merkmale [1] bis [4] des Oberbegriffs des Anspruchs 1 hervor, Hinweise in Richtung auf den konkreten Aufbau der Hochdruckventile bzw. der Einrichtung zur pneumatischen Steuerung des Blasdrucks werden allerdings nicht gegeben.
Die D31 geht dabei nicht über die D5 hinaus, da diese ebenfalls nur auf die Verwendung eines Magnetventils (Solenoidventil 3 in Figur 1 sowie Anspruch 3 der D31) hinweist. Aus der D30 kann der Fachmann zwar auf Grund des Schaltbildes in der zugehörigen Figur noch die zusätzliche Information entnehmen, für die Blasdrucksteuerung einer Blasformvorrichtung ein pneumatisch betätigtes 2/2-Wege-Ventil mit Federrückstellung zu verwenden. Allerdings geht der nachfolgende Verweis der Klägerin, dass der Fachmann auf Grund des Schaltbildes beispielsweise ein dem Schaltbild entsprechendes Ventil des Typs HD 200A bzw. HD 200B aus dem Seitz Sammelkatalog 1968-69 (Anlage MBP17 der Klägerin) zur Steuerung des Blasdruckes auswählen würde, dahingehend ins Leere, dass bei den genannten Ventilen als Anwendungsbereich hydraulische Steuerungen, konkret Hydrauliköle und Wasseremulsionen, angegeben sind (siehe viertletzte Seite der MBP17); die Verwendung derartiger Ventile bei Blasformvorrichtungen, die erst etliche Jahre später auf dem Markt in Erscheinung getreten sind, geht beispielsweise erst aus den behaupteten offenkundigen Vorbenutzungen nach den Anlagenkonvoluten 10 oder 11 hervor, die spätere Abwandlungen dieser ursprünglichen Ventile betreffen. Allerdings würde auch die Verwendung eines derartigen Ventils nicht zum Streitgegenstand gemäß Anspruch 1 führen, da noch weitere anspruchsgemäße Merkmale wie z. B. die Merkmale 4.2 (Verschluss des Hauptströmungsweges durch eine separate Ventilkugel und nicht durch den Steuerkolben) oder - zumindest in der Ausführung gemäß MBP17 - die Merkmale 4.2.1 (Verschiebung des Steuerkolbens mit Unterstützung einer Ventilfeder bei den Ventilen HD200B gemäß Anlage MBP17) nicht verwirklicht sind. Im Hinblick auf die nachfolgende Argumentation unter 3.b) erübrigt sich allerdings ein genaueres Eingehen hierauf.
Der weitere druckschriftliche Stand bringt ebenfalls keine über das zuvor Ausgeführte hinausgehende Erkenntnisse. So betreffen die D6, D21 und D23 bis D25 spezielle Verfahren oder Ausgestaltungen von Blasformmaschinen, Details über die Ausgestaltung der Einrichtung zur pneumatischen Steuerung des Blasdruckes sind diesen aber nicht entnehmbar. Die restlichen Druckschriften betreffen Ventile in unterschiedlichsten Anwendungen und Bauweisen, jedoch nicht in Verbindung mit einer gattungsgemäßen Blasformmaschine. Dabei liegen entweder die Anwendungsbereiche so weit vom Patentgegenstand entfernt und/oder auch keine vergleichbaren Problemstellungen vor, so dass der Fachmann diese Druckschriften bei der Weiterentwicklung bzw. Verbesserung der patentgemäßen Blasformvorrichtung nicht in Betracht ziehen würde.
b) Jedoch war der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 dem Fachmann dadurch nahe gelegt, dass Streckblasmaschinen der Firma SOPLAR S. A. mit Ventilen der Klägerin vor dem Prioritätstag an Abnehmer von SOPLAR ohne den Vorbehalt der Geheimhaltung geliefert wurden.
aa) Der Gegenstand dieser Vorbenutzung ist nach Darlegung der Klägerin eine von SOPLAR hergestellte lineare Streckblasmaschine mit der Typenbezeichnung ALS 1-4. In diese Maschine ist ausweislich der als Anlagenkonvolut 8 vorgelegten Dokumente sowie der Aussage des Zeugen B… ein von der Klägeringeliefertes 2/2-Wege-Ventil des Typs 2615 als Hauptventil, mit dem die Blasdruckluftversorgung an- und abgestellt werden kann, eingebaut worden. Die als Dokumente 8a und 8b vorgelegten technischen Zeichnungen offenbaren folgende Merkmale dieses Ventils:
Im Inneren eines zylindrischen Flansches 51 ist ein Steuerkolben 04 in Richtung der Kolbenlängsachse verschieblich geführt (Merkmale 4.1.1 und 4.1.2). Der Steuerkolben 04 weist an seiner Oberseite eine Steuerfläche auf, die einem darüber liegenden Steuerraum zugewandt ist (Merkmale 4.1.3 und 4.1.3.1). Der Steuerraum kann über eine im Deckel 02 vorgesehene Zuleitung mit einem Steuerdruck beaufschlagt und damit der Steuerkolben 04 pneumatisch betätigt werden (Merkmal 4.1.3.2). Die große obere Kolbenfläche wird seitlich über Dichtringe 18* zur Zylinderwandung hin abgedichtet. Die Dichtringe 18* sind dabei zwischen zwei Ringstegen, die zugleich eine Führungsfunktion für den Steuerkolben 04 übernehmen, angeordnet. Unterhalb davon befindet sich ein ringförmiger Freiraum, der über eine seitliche Entlüftungsbohrung mit der Umgebung in Verbindung steht. Im unteren Bereich des Kolbenschaftes des Steuerkolbens 04, der einen geringeren Durchmesser aufweist, befindet sich analog zum oberen Bereich wiederum ein Dichtring 19* zwischen zwei weiteren Ringstegen. Im unteren Bereich des Zylinders (Flansch 51 und Gehäuse 01) verläuft ein Hauptströmungsweg, der durch den konisch ausgestalteten Schaftunterteil des Steuerkolbens 04 verschließbar ist (Merkmal 4.2). Der Hauptströmungsweg ist dabei so angeordnet, dass bei einer Absenkung des Steuerdruckes im Steuerraum der Steuerkolben 04 durch den im Hauptströmungsweg vorliegenden Hochdruck in Richtung der Kolbenlängsachse verschoben wird (Merkmal 4.2.1). Bei der vorliegenden Konstruktion ist die Wirkungsweise unabhängig davon, ob der Hochdruck innerhalb des Ventilsitzes oder außerhalb davon anliegt, d.h. die Funktion ist unabhängig von der Zuleitungsseite immer gegeben. Aus der als Dokument 8c vorgelegten Stückliste für das Ventil 2615 ergibt sich weiterhin, dass der zu diesem Ventil gehörige Steuerkolben 04 vollständig aus dem Material „Acetalharz POM“, d.h. einem Kunststoff, gebildet ist (Merkmal 4.3). Somit unterscheidet sich die Streckblasmaschine ALS 1-4 vom Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 lediglich dadurch, dass bei ihr die Blasstationen linear (d. h. in einer Reihe) und nicht (entsprechend Merkmal 2) auf einem rotierenden Blasrad angeordnet sind.
bb) Die Klägerin macht geltend, dass die Vorbenutzung vor dem Prioritätstag durch Auslieferung von Ventilen des Typs 2615 durch sie an die Firma SOPLAR S. A. offenkundig geworden sei. Hierzu hat sie als Dokumente 8d bis 8g Kopien eines Bestellscheins, einer Auftragsbestätigung, eines Lieferscheins und einer Rechnung (mit Datumsangaben vom 2. Juli bis 31. August 1999) vorgelegt, außerdem eine eidesstattliche Versicherung des Zeugen B…, worin die-ser erklärt, dass der für die Entwicklung der Ventile mit Kunststoffkolben notwendige Austausch von Informationen zwischen SOPLAR und der Klägerin ohne irgendwelche Vorbehalte oder Einschränkungen stattgefunden habe. Geheimhaltungsvereinbarungen habe es zwischen den beiden Firmen nicht gegeben. Die Ventile mit Kunststoffkolben seien als normales Handelsgeschäft von Seitz an SOPLAR geliefert worden. Auch in seiner Vernehmung als Zeuge hat Herr B… ausgesagt, dass es nach seiner (allerdings nicht auf konkretem Wissen, sondern auf Vermutung beruhender) Kenntnis keine Verpflichtung zur Geheimhaltung gegeben habe.
Es erscheint dennoch nicht zweifelsfrei, dass die Ventile bereits durch die Lieferung seitens der Klägerin an die Firma SOPLAR öffentlich bekannt geworden sind. Bei einer langjährigen engen Zusammenarbeit wie der zwischen der Klägerin und der Firma SOPLAR, bei der es nicht nur um den Verkauf fertiger Produkte ging, sondern auch um die Entwicklung neuer Anlagen, ist ohne Hinzutreten besonderer Umstände im Gegenteil davon auszugehen, dass für den Austausch von Informationen über die technischen Einzelheiten neuer Produkte eine ausdrückliche oder jedenfalls stillschweigende Vertraulichkeitsvereinbarung gegolten hat (vgl. Schulte/Moufang, PatG, 8. Aufl., § 3 Rn. 32).
cc) Es ist aber davon auszugehen, dass die von der Klägerin produzierten und in die Streckblasmaschinen der Firma SOPLAR eingebauten Ventile der Öffentlichkeit dadurch zugänglich gemacht worden sind, dass die Streckblasmaschinen seitens SOPLAR vor dem Prioritätstag an einen größeren gewerblichen Kundenkreis verkauft und ausgeliefert wurden. Hierzu hat der Zeuge B… ausgesagt, von den Geräten vom Typ ALS 1-4 seien über 100 Exemplare verkauft worden. Das Ventil vom Typ 2615 zum Einbau als Hauptventil sei etwa 1997 von der Klägerin an SOPLAR geliefert worden. Ein Prototyp der Streckblasanlage sei im Juni 1997 ausgeliefert worden. Vom Anfang der Konstruktionszeichnung bis zum Montagestart sei die komplette Maschine etwa innerhalb eines Jahres hergestellt worden. Der Zeuge kannte zwar nicht die genaue Bedeutung der Angaben „Gez. 21.01.97“ und „Freigabe 14.11.97“ auf dem Dokument 8b, jedoch ergibt sich aus seiner Aussage eindeutig, dass Geräte des Typs ALS 1-4 spätestes ab dem Jahr 1998 an Abnehmer der Firma SOPLAR ausgeliefert wurden. Dass solche Auslieferungen tatsächlich stattgefunden haben, steht für den Senat auf Grund der Zeugenaussage zweifelsfrei fest, auch wenn der Zeuge keinen konkreten Abnehmer genannt, sondern lediglich ausgesagt hat, dass jedenfalls eine Lieferung nach Österreich gegangen sei. Da es sich hier nicht um spezielle Einzelanfertigungen, sondern um ein Serienprodukt gehandelt hat, dessen Herstellung nicht auf einer Zusammenarbeit von SOPLAR mit den Abnehmern beruhte, spielt die namentliche Benennung der Kunden für die behauptete Tatsache der Offenkundigkeit keine Rolle.
Aus diesem Grund ist auch anzunehmen, dass der Verkauf und die Auslieferung der Streckblasmaschinen des Typs ALS 1-4 an die Abnehmer ohne Geheimhaltungsverpflichtung vonstatten ging. Bei dem Verkauf eines Serienprodukts besteht nach der Lebenserfahrung in aller Regel kein Interesse an einer Geheimhaltung, und es besteht die nicht zu entfernt liegende Möglichkeit, dass nach der Auslieferung beliebige Dritte den betreffenden Gegenstand auf seine Merkmale untersuchen und sich Kenntnis von seinen technischen Einzelheiten verschaffen können. Hierfür spricht auch der Umstand, dass derartige Produktionsmaschinen häufig zusammen mit anderen Maschinen, z. T. von Mitbewerbern, in einem gemeinsamen Produktions- bzw. Abfüllraum stehen und die relevanten Einrichtungen Verschleißteile beinhalten (s. a. die mit * gekennzeichneten Ersatzteile im Dokument 8b i.V.m. Fußnote), die im Rahmen einer Wartung oder Reparatur vor Ort ausgetauscht werden (Schulte, a. a. O., § 3 Rn. 61, 65).
dd) Die Aussagen des Zeugen B… erscheinen glaubwürdig. Der Zeuge hat über seine Tätigkeit bei der Firma SOPLAR, insbesondere was den Einsatz der von der Klägerin gelieferten Ventile in die von SOPLAR hergestellten Streckblasmaschinen angeht, zusammenhängend berichtet. Widersprüche sind in seinen Darlegungen nicht zu erkennen gewesen. Soweit er Fragen nicht bzw. nicht exakt beantworten konnte, hat er dies unumwunden eingeräumt (so etwa bzgl. der Bedeutung der Angaben „Gez. 21.01.97“ und „Freigabe 14.11.97“ auf dem Dokument 8b). Auch die Aussage, wonach bei der Lieferung der Ventile mit Kunststoffkolben durch die Klägerin an SOPLAR eine Geheimhaltungsverpflichtung nicht bestanden habe, stellt die Glaubwürdigkeit des Zeugen nicht in Frage, weil er ohne weiteres eingeräumt hat, dass er dies nicht konkret wisse, sondern dass er nur davon ausgegangen sei.
ee) Somit steht fest, dass die Streckblasmaschine ALS 1-4 mit Ventilen des Typs 2615 der Klägerin vor dem Prioritätstag öffentlich geworden war. Für den Fachmann war es naheliegend, dieses Ventil, das sich durch eine einfache und kostengünstige Bauweise auszeichnet, nicht nur bei einer Linearblasmaschine, sondern auch bei einer Rotationsblasmaschine zu verwenden. Dies gilt bereits deshalb, als das Ventil lediglich als Hauptventil zum An- und Abschalten der Blasdruckluftzuführung eingesetzt wurde, und sich diese Funktion bei linearen bzw. rotierenden Streckblasmaschinen im Hinblick auf die Belastung nicht unterscheidet. Hierzu ist anzumerken, dass die erteilte Anspruchsfassung diese Auslegung zulässt (siehe hierzu I.4.a), wobei - wie die nachfolgenden Ausführungen zum Hilfsantrag I zeigen werden - eine Vorrichtung, bei der jeder Blasstation jeweils eine Einrichtung zur pneumatischen Steuerung eines Blasdruckes zugeordnet ist, ebenfalls nicht patentfähig ist.
4. Auch in der Fassung der Hilfsanträge I bis III erweist sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1 als nicht patentfähig.
a) Gemäß Hilfsantrag I ist der Patentanspruch 1 durch Aufnahme folgender zusätzlicher Merkmale konkretisiert worden:
- die Behälter aus einem thermoplastischen Material (Merkmal 3.1) sind für Lebensmittel;
- die Blasstationen weisen jeweils eine Einrichtung zur pneumatischen Steuerung des Blasdruckes auf;
- für den Blasdruck (Merkmal 4) gilt ein Intervall von 25 bar bis 40 bar;
- die Steuerkraft (Merkmal 4.1.3.2) wird dahingehend konkretisiert, dass sie im Steuerraum auf den Steuerkolben wirkt;
- Merkmal 4.2.1 wird dahin gehend präzisiert, dass sich die Absenkung des Steuerdruckes im Steuerraum (60) vollzieht und dass der Hochdruck im Hauptströmungsweg (47) auf den Steuerkolben (49) einwirkt.
Auch mit diesen Einschränkungen bzw. Präzisierungen ist der Gegenstand des Patentanspruchs 1 durch die offenkundige Vorbenutzung gemäß Konvolut 8 in Verbindung mit dem Stand der Technik nach der D5 vorgegeben.
Die neu hinzugekommenen Merkmale sind unbestritten ursprünglich offenbart und der Anspruch 1 nach Hilfsantrag I ist damit nicht unzulässig erweitert; insbesondere kann der Fachmann die Merkmale, dass jede Blasstation eine entsprechende Einrichtung aufweist, aus dem dritten Absatz der dritten Beschreibungsseite der Anmeldungsunterlagen entnehmen.
Die neu hinzugekommenen Merkmale sind bereits aus dem Stand der Technik nach der D5 sowie der Vorbenutzung nach Konvolut 8 bekannt. So dient die Vorrichtung nach der D5 zur Herstellung von PET-Behältern (vgl. Sp. 1, Z. 30 f.), die bekanntermaßen als Getränkeflaschen Verwendung finden. Bei deren Herstellung werden die Behälter mit einem Hochdruck-Blasdruck in einem Intervall von 25 bis 40 bar beaufschlagt (vgl. Sp. 3, Z. 34 bis 37). Schließlich zeigen die Figuren 3 und 5 der D5, dass jeder Blasstation (Bz. 1 bzw. bei Bz. 45) zumindest eine Einrichtung zur Steuerung eines Blasdruckes (Bz. 23, 24, 27, 42 oder 43) zugeordnet ist. Die präzisierte Ausgestaltung sowie Funktionsweise der Einrichtung zur pneumatischen Steuerung kann der Fachmann dem Ventil 2615 nach Dokument 8b auch weiterhin entnehmen.
Durch die konkrete Zuordnung von jeweils einer Einrichtung zu einer Blasstation ergibt sich nunmehr allerdings eine viel höhere Schalthäufigkeit im Vergleich zu dem Einsatz als Hauptventil.
Aus diesem Grund vertritt die Beklagte die Ansicht, dass der Fachmann davon abgehalten sei, einen Kunststoffkolben als Steuerkolben für die pneumatische Steuerung eines Blasdruckes bei einer Rotationsblasmaschine vorzusehen, bei der bspw. bis zu 104 Schaltvorgänge/Tag stattfinden können; des Weiteren liefere auch der entgegengehaltene Stand nach der MBP15 keinen konkreten Hinweis, Kunststoffkolben bei Rotationsblasmaschinen vorzusehen, sondern lege eine solche Ausführung lediglich bei Kolben mit normaler Belastung nahe.
Die Klägerin vertritt demgegenüber die Auffassung, dass der Fachmann in Kenntnis der zahlreichen Vorteile, insb. hinsichtlich kostengünstiger Fertigung und hoher Verschleißfestigkeit auf Grund guter Gleiteigenschaften, veranlasst sei, im Zuge der Anlagenoptimierung bei der Ventilvorrichtung der Rotationsblasmaschine nach Konvolut 1 anstelle von Kolben aus Metall Kunststoffkolben zu verwenden. Als Beleg dafür, dass Kunststoff auch sehr hohen Belastungen hinsichtlich Druckniveau und Schaltfrequenzen gewachsen sei, weist sie auf die D29 hin.
Der Senat schließt sich hierbei grundsätzlich der Auffassung der Klägerin an. Da sich bei Blasformmaschinen bereits Ventile mit Kunststoffkolben in der Verwendung als Hauptventil auch bei hohen Drücken bis zu 40 bar bewährt haben, wie das serienmäßig mit einem Kunststoffkolben angebotene Ventil 2615 belegt, wird der Fachmann auch Überlegungen anstellen, ob sich dieses Ventil, dass sich durch seinen einfachen, kostengünstigen Aufbau und einen Kunststoffkolben mit den vorgenannten und auch im umfangreichen Stand der Technik belegten Vorteilen auszeichnet, nicht auch als Ventil für weitere pneumatische Anwendungen, wie z. B. zur Steuerung des Blasdruckes bei Rotationsblasmaschinen, eignet. Anlass hierfür ergibt sich nicht nur aus der kostengünstigen Fertigung solcher Kolben, sondern v.a. auf Grund der bekanntermaßen guten Gleiteigenschaften bzw. des geringen Verschleißes, der sich gerade bei einer hohen Schalthäufigkeit vorteilhaft auf die Standzeiten auswirkt. Die Bedenken der Beklagten, dass der Fachmann auf Grund der aus der hohen Schalthäufigkeit resultierenden Belastungen von der Verwendung von Kunststoffkolben abgehalten werde, werden hierbei nicht geteilt. Vielmehr wird der Fachmann bei einer analytischen Betrachtung der Randbedingungen auf Grund seiner Ausbildung und Fachkenntnisse zu der Erkenntnis kommen, dass auf Grund des geringeren Gewichts von Kunststoff, das bei POM ungefähr 50 % des Gewichts von Aluminium beträgt, auch eine zumindest um 50 % geringere dynamische Belastung zu erwarten ist. Dies dürfte ihn im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten noch mehr dazu veranlassen, ein mit Kunststoffkolben ausgestattetes Ventil auch bei Ventilen mit hoher Schalthäufigkeit zumindest versuchsweise zu erproben.
Damit ist es dem Fachmann nahegelegt, ein Ventil mit den baulichen Merkmalen gemäß Dokument 8b, das sich bereits bei einer Linearblasformmaschine bewährt hat, auch zur pneumatischen Steuerung des Blasdruckes bei Blasstationen einer Rotationsblasformmaschine, wie sie z. B. aus der D5 bekannt ist, zu verwenden.
b) Die Fassung des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag II unterscheidet sich von der Anspruchsfassung gemäß Hilfsantrag I dadurch, dass der Steuerkolben (Merkmal 4.3) vollständig aus PETP ausgebildet ist (s. hierzu auch die ursprüngliche Ansprüche 14 und 15).
Die Beklagten sind der Auffassung, dass dieses Kunststoffmaterial aus der Sicht des Fachmanns am Prioritätstag mit Nachteilen behaftet gewesen sei, weshalb seine Verwendung für Steuerkolben in einem Hochleistungsventil nicht nahe gelegen habe. Sie verweist dabei auf die Zeitschrift MBP15 (vgl. Seite 68, 1. Absatz, sowie Tabelle auf Seite 65), bei der PET im Hinblick auf Schlagfestigkeit bzw. Kerbschlagzähigkeit im Vergleich mit POM schlechtere Eigenschaften aufweise und sich deshalb nach Ansicht der Beklagten nicht für einen Kolben eigne, der mit hoher Häufigkeit auf dem Ventilsitz aufschlage.
Dieser Auffassung wird nicht gefolgt, da sie nur einen einzigen Teilaspekt herausgreift, der Fachmann bei der Materialauswahl aber möglichst viele Faktoren berücksichtigen und gegeneinander abwägen wird. So weist PET gemäß der Tabelle auf Seite 65 der MBP15 zwar bei der Kerbschlagzähigkeit im Vergleich zu den anderen drei berücksichtigten Kunststoffsorten die schlechteste Bewertung „4“ auf, wobei POM auch nur mit „3“ bewertet wird. Bei den anderen Eigenschaften wie Zugfestigkeit, Kriechbeständigkeit, Hitzebeständigkeit und Wärmeausdehnung kann PET allerdings mit Abstand die besten Eigenschaften vorweisen. Unter Abwägung aller Faktoren spricht die Kombination von hoher Verschleißfestigkeit (Gleitverschleißrate von 0,5 µm/km bei PET im Vergleich zu 4,6 µm/km bei POM, siehe hierzu Tabelle auf den Seiten 15 und 17 der D22) und guter Formbeständigkeit gerade im vorliegenden Fall eines hochbelasteten und viel bewegten Kolbens dafür, als Material für den Steuerkolben PET anstelle von POM zu verwenden. Als weiterer Vorteil kommt noch die physiologische Unbedenklichkeit von PET hinzu, die im Hinblick auf den Einsatzzweck, Behälter für Lebensmittel herzustellen, ebenfalls die Verwendung von PET nahelegt (siehe Seite 66, vorletzter Absatz der MBP15). Bei der Materialauswahl handelt es sich somit um eine von einem durchschnittlich versierten Fachmann zu erwartende Entwicklungsleistung, die eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen kann (s. a. BGH GRUR 2010, 814 - Fugenglätter).
c) In der Fassung des Hilfsantrags III erhält Patentanspruch 1 - zusätzlich zu den Merkmalen gemäß Hilfsantrag II - noch die Einschränkung, dass der Steuerkolben (49) an seiner der Zylinderinnenfläche gegenüber liegenden Mantelfläche führungselementefrei ist (s. 3. Absatz der Beschreibungsseite 16 der Anmeldungsunterlagen).
Dieses Merkmal wird bei dem Ventil 2615 der Vorbenutzung gemäß Konvolut 8 ebenfalls gezeigt. So weist, wie unter II.3.b)aa) bereits ausgeführt, und in Dokument 8b gezeigt der Steuerkolben keine (separaten) Führungselemente im Sinne des Streitpatentes auf, sondern nur noch die zur Abdichtung erforderlichen Dichtringe 18* und 19*. Diese sind zur Erfüllung ihrer Dichtfunktion gemäß Dokument 8c aus einem weichen Elastomer, nämlich NBR (Nitrile Butadiene Rubber, d. h. Nitrilkautschuk), hergestellt. Damit hat der Steuerkolben denselben Aufbau wie der führungselementefreie Steuerkolben gemäß dem Ausführungsbeispiel in Figur 6 des Streitpatents (s. a. zug. Text in Abs. [0065] der Streitpatentschrift).
Somit ergibt sich der Gegenstand nach Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag III in bekannter Weise aus dem nicht patentfähigen Gegenstand nach Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag II, d. h. dieser ist ebenfalls durch den vorgenannten Stand der Technik nahegelegt.
5. Dagegen hat Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags IV Bestand.
Diese Fassung knüpft an die erteilte Fassung des Patentanspruchs 1 an und schränkt dessen Schutzgegenstand dadurch ein, dass der Steuerkolben (49) einen Kolbenschaft (50) aufweist, der an seinem dem Hauptströmungsweg (47) zugewandten Ende eine Schaftkappe (56) aus PETP aufweist (s. urspr. Ansprüche 3, 4 und 8 i. V. m. Figuren 5 bis 7).
Schaftkappen, insbesondere solche aus einem elastischen Material, stellen im Stand der Technik bei Ventilen eine geläufige Maßnahme dar, um eine sichere und einfach herzustellende Abdichtung zwischen einem Ventilverschlusselement und dem Ventilsitz herzustellen. So werden diese häufig bei metallischen Kolben und Ventilsitzflächen vorgesehen oder wenn besondere Randbedingungen, z. B. chemisch aggressive Medien, vorliegen.
Das Vorsehen von Schaftkappen war bei den Ventilen bzw. Einrichtungen zur pneumatischen Steuerung der Blasdrücke bei Blasformmaschinen, insb. bei gattungsgemäßen Rotationsblasmaschinen, nicht bekannt. So zeigen weder das Ventil 2615 aus dem Anlagenkonvolut 8 noch die anderen Anlagenkonvolute Ventile bei Blasformmaschinen, die eine Schaftkappe aufweisen.
Lediglich bei dem Metallkolben der Ventileinheit gemäß der behaupteten Vorbenutzung nach Konvolut 1 (siehe Dokument 1f, Pos. 2) ist eine aufvulkanisierte Dichtscheibe aus einem Elastomer an dem dem Hauptströmungsweg zugewandten Ende des Kolbenschaftes angeordnet. Anregungen dahingehend, dieses Dichtelement als Schaftkappe aus einem nichtelastomeren Kunststoff auszubilden, sind keine gegeben und lassen auch keine offensichtliche Vorteile erkennen. Vielmehr ist die Dichtwirkung des weichen Elastomers besser als die des relativ unelastischen PET-Materials und zudem wären noch konstruktive Änderungen am Metallkolben zur Befestigung erforderlich, da Schaftkappen aus Kunststoff bzw. PET nicht wie Elastomere aufvulkanisiert werden können.
Noch weniger scheint bei den Kunststoffkolben ab dem zweiten Anlagenkonvolut ein Anlass für eine derartige Ausgestaltung gegeben zu sein, da deren Kolben bereits aus einem Kunststoffmaterial bestehen, dessen Abdichtung am Ventilsitz offenbar ausreichend ist; eine separate Schaftkappe aus einem von den Eigenschaften her gesehen ähnlichen Kunststoff wie PET würde somit lediglich einen zusätzlichen Aufwand darstellen, der den Fachmann von einer derartigen Maßnahme bei einem bereits aus Kunststoff hergestellten Ventilkolben eher abhält.
Auch aus dem weiteren druckschriftlichen Stand der Technik erhält der Fachmann nach Überzeugung des Senats keine diesbezüglichen Anregungen, wohingegen die Klägerin in der Klageschrift auf die Druckschriften D2 oder D4 verweist, die ein solche Ausgestaltung nahelegen sollen.
Die D2 betrifft hierbei ein pneumatisch betätigtes Ventil für die Zufuhr von Reinwasser auf dem Gebiet der Halbleiterherstellung. Dabei ist entsprechend den Figuren 2 und 3 das Verschlusselement („obturator“ 416) beidseitig mit zwei Dichtscheiben („seat packings 418, 422) aus Fluorkautschuk, d. h einem Elastomer versehen (vgl. Spalte 3, Z. 34 bis 40). Die D2 weist somit weder ein Verschlusselement in Form einer Schaftkappe auf noch ist das Dichtelement aus einem nichtelastomeren Kunststoff wie PET hergestellt; die D2 geht damit nicht über den Offenbarungsgehalt des Ventils nach Konvolut 1 hinaus.
Die D4 beschäftigt sich demgegenüber mit dem Problem, eine elastische Schaftkappe („resilient tip“11) aus einem Elastomer bzw. Gummi („rubber“) auf einem Ventilkolben („valve plunger“ 10) aus einem thermoplastischen Material zu befestigen, da ein Aufvulkanisieren auf ein thermoplastisches Kunststoffmaterial nicht möglich ist (vgl. deren Figuren und den Text auf Sp. 1, Z. 31 bis 40). Damit liefert die D4 nur dahingehend eine Anregung, das elastische, insbesondere aus einem Elastomer gebildete Dichtelement zur Befestigung auf einem thermoplastischen Kunststoffkolben als formschlüssige Schaftkappe auszubilden. Somit liegt weder im Hinblick auf den Metallkolben gemäß Konvolut 1, bei dem ein Aufvulkaniseren möglich ist/bzw. praktiziert wird, noch bezüglich des Kunststoffkolbens gemäß Konvolut 8, bei dem anspruchsgemäß eine nichtelastomere Staubkappe aus PET vorgesehen werden müsste, eine vergleichbare Problemstellung vor, die den Fachmann zu einer solchen Ausgestaltung bei den Einrichtungen zur Blasdrucksteuerung bei Rotationsblasmaschinen veranlassen könnte.
Eine weitere Schaftkappe zeigt schließlich der Druckregler für Kohlensäuregas nach der D9. Da die bei der D9 zuvor verwendete Schaftkappe aus Elastomer bzw. Gummi („India rubber“) nicht beständig gegenüber dem Kohlensäuregas gewesen und porös geworden ist (vgl. Sp. 1, Z. 29 - 33), lehrt die D9, eine Schaftkappe aus Teflon zu verwenden (vgl. Sp. 2, Z. 29 bis 32). Damit ergibt sich auch aus der D9 kein Anregung, bei den eingangs genannten Kolben, die nur mit Druckluft in Berührung kommen, eine Schaftkappe vorzusehen.
Der weitere Stand der Technik nach der D10 oder D18 liefert hinsichtlich der Ausgestaltung der Schaftkappe keine Hintergrundinformation bezüglich deren Verwendung und damit auch keine diesbezüglichen Hinweise, warum eine solche im vorliegenden Fall verwendet werden sollte.
Da somit auch aus dem druckschriftlichen Stand der Technik keine Anregungen zum Vorsehen von Schaftkappen bei der erfindungsgemäßen Vorrichtung ersichtlich sind, ist diese Ausgestaltung dem Fachmann nicht nahe gelegt.
6. Die auf Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags IV zurückbezogenen Unteransprüche 2 bis 17 werden von dem bestandsfähigen Hauptanspruch 1 mitgetragen und sind daher ebenfalls bestandsfähig.
7. Durch die getroffene Entscheidung erübrigt sich ein Eingehen auf die Anspruchsfassungen gemäß den Hilfsanträgen V und VI.
8. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.