Entscheidungsdatum: 29.09.2010
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 5. März 2009 - 25 Sa 17/09 - wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Die Parteien streiten über die Zahlung eines Taucherzuschlags.
Der Kläger war seit 1997 bei der Beklagten als Wasserbauer im Wasser- und Schifffahrtsamt Brandenburg tätig und erhielt eine Vergütung nach der Lohngruppe 5 des Allgemeinen Teils der Anlagen 1 zu § 1 Tarifvertrag über das Lohngruppenverzeichnis des Bundes zum MTArb (TV-LohngrV). Im Arbeitsvertrag haben die Parteien vereinbart, dass sich das Arbeitsverhältnis nach dem MTArb-O und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der jeweils geltenden Fassung bestimmt.
Im Rahmen einer Ausbildung zum „geprüften Taucher“ absolvierte der Kläger zahlreiche Tauchgänge. Zum Beginn dieser Ausbildung zahlte die Beklagte für diese Tauchgänge einen Zuschlag nach § 1 Abs. 1 des Tarifvertrags über Taucherzuschläge für Arbeiter des Bundes (TV-Taucherzuschläge) iVm. § 2 TV-Lohnzuschläge-O-Bund (Ost-Tarif). Nach § 1 Abs. 1 TV-Taucherzuschläge erhalten Taucher gemäß § 29 MTArb für Tauchzeiten einen Taucherzuschlag abhängig von der Tauchtiefe. Später lehnte die Beklagte unter Hinweis auf § 47 Nr. 5 TVöD-BT-V (Bund) weitere Zahlungen ab. Diese tarifliche Sonderregelung hat folgenden Wortlaut:
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„Beschäftigte, die für eine andere Tätigkeit qualifiziert werden, erhalten während der Qualifizierungszeit ihr bisheriges Tabellenentgelt und sonstige Entgeltbestandteile.“ |
Der Kläger hat mit mehreren Schreiben die Zahlung von Taucherzuschlägen für den Zeitraum 17. Oktober 2006 bis 31. Juli 2008 in unstreitiger Höhe von noch 3.000,78 Euro außergerichtlich und mit der am 15. Mai 2008 zugestellten und am 18. August 2008 erweiterten Klage gerichtlich geltend gemacht.
Er hat die Auffassung vertreten, die Zuschläge seien auch für während der Ausbildung durchgeführte Tauchgänge zu zahlen. Die besonderen Erschwernisse, die die Zulage vergüten wolle, lägen auch während der Ausbildung vor. § 47 Nr. 5 TVöD-BT-V (Bund) schließe diesen Anspruch nicht aus.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.000,78 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19. August 2008 zu zahlen. |
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat im Wesentlichen ausgeführt, dass der Vergütungsanspruch des Klägers sich während seiner Ausbildung zum „geprüften Taucher“ gemäß § 47 Nr. 5 TVöD-BT-V (Bund) ausschließlich nach seiner bisherigen Tätigkeit als Wasserbauer richte.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Die Revision ist unbegründet.
Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung eines Taucherzuschlags nach § 1 Abs. 1 TV-Taucherzuschläge. § 47 Nr. 5 TVöD-BT-V (Bund) regelt den Vergütungsanspruch während seiner Qualifizierung zum „geprüften Taucher“ abschließend.
I. Aufgrund der arbeitsvertraglichen Bezugnahme finden der TVöD und die Sonderregelungen für die Beschäftigten des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen in § 47 TVöD-BT-V (Bund) auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Die Parteien haben vereinbart, dass sich das Arbeitsverhältnis nach dem MTArb-O und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der jeweils geltenden Fassung bestimmt. Der MTArb-O ist mit Wirkung vom 1. Oktober 2005 durch den TVöD ersetzt worden (§ 2 TVÜ-Bund iVm. der Anlage 1 TVÜ-Bund Teil A Nr. 4). Da der Kläger unstreitig beim Wasser- und Schifffahrtsamt Brandenburg beschäftigt ist und beim Bau, der Unterhaltung und dem Betrieb von wasserbaulichen Einrichtungen eingesetzt wurde, gelten diese Sonderregelungen des Bundes.
II. Der Kläger hat keinen Anspruch auf den begehrten Taucherzuschlag. Die Beklagte hat mit der Zahlung des bisherigen Entgelts den Vergütungsanspruch des Klägers während dessen Qualifizierung zum „geprüften Taucher“ erfüllt.
1. Gemäß § 47 Nr. 5 TVöD-BT-V (Bund) erhalten die Beschäftigten während der Qualifizierung für eine andere Tätigkeit ihr bisheriges Tabellenentgelt und sonstige Entgeltbestandteile. Die Tarifnorm gewährt damit einen speziellen, den bisherigen Lebensstandard des an einer Qualifizierungsmaßnahme teilnehmenden Beschäftigten sichernden Vergütungsanspruch. Dieser Anspruch bestimmt sich allein nach der bisherigen Tätigkeit des Klägers als Wasserbauer. Ein darüber hinausgehender Anspruch auf Zahlung von Zuschlägen auf der Basis der während der Qualifizierung ausgeübten Tätigkeit besteht daher nicht. § 47 Nr. 5 TVöD-BT-V (Bund) ist eine abschließende, spezielle Vergütungsregelung.
a) Zwar kann allein aus dem Wortlaut der tariflichen Regelung, auf den es bei einer Auslegung von Tarifnormen zunächst ankommt, nicht zwingend das Verhältnis zwischen dem (speziellen) Vergütungsanspruch während der Qualifizierung und den sonstigen Zuschlägen bestimmt werden. Der abschließende Charakter von § 47 Nr. 5 TVöD-BT-V (Bund) ergibt sich aber aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang und dem Sinn und Zweck der Tarifnorm.
aa) Der spezielle Entgeltanspruch nach § 47 Nr. 5 TVöD-BT-V (Bund) soll gewährleisten, dass die an einer Qualifizierungsmaßnahme teilnehmenden Beschäftigten ihr bisheriges Entgelt weiter erhalten und so ihren bisherigen Lebensstandard sichern können. Ihre Vergütung soll während der Qualifizierungsphase sich nicht verändern, insbesondere nicht verschlechtern. Für die Beschäftigten soll dadurch die Aufnahme einer Qualifizierungsmaßnahme attraktiver werden. Dementsprechend werden nicht nur das bisherige Tabellenentgelt, sondern auch die sonstigen Entgeltbestandteile weiter gezahlt. Aufgrund des insofern eindeutigen Wortlauts umfasst dieser Anspruch auch die dem Beschäftigten für die von ihm zuvor ausgeübten Tätigkeiten gezahlten Zuschläge (sonstige Entgeltbestandteile).
bb) Die alleinige Weiterzahlung des bisherigen Tabellenentgelts und eine Zahlung von Zuschlägen - bei Vorliegen der Voraussetzungen - in der „neuen“ Tätigkeit würde dem genannten Sinn und Zweck des § 47 Nr. 5 TVöD-BT-V (Bund) zuwiderlaufen. Dadurch könnte regelmäßig nicht der bisherige Vergütungsanspruch aufrechterhalten und der bisherige Lebensstandard gesichert werden. Zwar mag es bei der Anwendung von § 47 Nr. 5 TVöD-BT-V (Bund) im Einzelfall zu nicht zwingend sachgerechten Ergebnissen kommen. Dies liegt aber in der Natur von generalisierenden und typisierenden tariflichen Regelungen (vgl. Senat 24. Februar 2010 - 10 AZR 1038/08 - Rn. 23 f., AP GG Art. 3 Nr. 320; BAG 17. Dezember 2009 - 6 AZR 665/08 - Rn. 19, AP TVÜ § 4 Nr. 1). Unebenheiten, Friktionen und Mängel sowie gewisse Benachteiligungen in besonders gelagerten Einzelfällen sind hinzunehmen, sofern für die Gesamtregelung sich ein vernünftiger Grund anführen lässt (Senat 24. Februar 2010 - 10 AZR 1038/08 - Rn. 23, aaO; BVerfG 19. Dezember 2008 - 2 BvR 380/08 - Rn. 9, ZBR 2009, 126). Ein solcher Grund ist gegeben, weil es regelmäßig dem Sinn und Zweck der tariflichen Regelung entsprechen und für den Beschäftigten günstiger sein wird, sein bisheriges Entgelt in vollem Umfang während der Qualifizierung weiter zu erhalten.
Hinzu kommt, dass der Erwerb einer Zusatzqualifikation regelmäßig auch im Interesse des Arbeitnehmers liegt. Dies bestätigt § 5 Abs. 1 TVöD und macht der Streitfall deutlich. Durch die Ausbildung zum „geprüften Taucher“ erhöht der Kläger nicht nur den Wert seiner Arbeitskraft auf dem Arbeitsmarkt. Er schafft zugleich auch die Voraussetzungen dafür, dass ihm eine höherwertige Tätigkeit eines „Tauchers mit einschlägiger Ausbildung“ (Lohngruppe 6 Fallgruppe 5.8 TV-LohngrV) übertragen werden kann.
b) Entgegen der Ansicht des Klägers ist § 47 Nr. 5 TVöD-BT-V (Bund) kein bloßer Mindestvergütungsanspruch.
Gegen ein derartiges Verständnis spricht neben dem Sinn und Zweck der tariflichen Regelung auch der Umstand, dass der Tarifvertrag keine Regelung über das Zusammentreffen mehrerer Zuschläge enthält.
c) Ein anderes Auslegungsergebnis ergibt sich nicht aus einer abweichenden praktischen Tarifübung. Zum einen kann auf dieses Kriterium erst dann zurückgegriffen werden, wenn Wortlaut, Systematik und Sinn und Zweck der tariflichen Regelung zu keinem Ergebnis geführt haben (BAG 15. Oktober 2003 - 4 AZR 594/02 - zu II 2 c der Gründe, EzA TVG § 4 Stahlindustrie Nr. 2). Zudem ist eine mit Billigung beider Tarifvertragsparteien praktizierte Tarifübung nicht erkennbar. Sofern die Beklagte die Zuschläge ausweislich der vom Kläger zu den Gerichtsakten gereichten Unterlagen der Wasser- und Schifffahrtsdirektion West bzw. des damaligen Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen zeitweise bereits für die während der Ausbildung zum „geprüften Taucher“ ausgeübten Tauchgänge gezahlt hat, geschah dies allein aufgrund des damaligen Verständnisses der tariflichen Rahmenbedingungen. Eine mit Billigung beider Tarifvertragsparteien praktizierte Übung oder ein Rechtsbindungswille für die Zukunft kann hieraus nicht abgeleitet werden.
2. Die Voraussetzungen des § 47 Nr. 5 TVöD-BT-V (Bund) sind erfüllt. Der bisher als Wasserbauer beschäftigte Kläger nahm an einer Qualifizierung, nämlich an einer Ausbildung zum „geprüften Taucher“ teil.
III. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.
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