Entscheidungsdatum: 26.10.2012
1. Die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Köln vom 10. Juli 2012 - 10 Ta 316/11 - wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten der Rechtsbeschwerde zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 15.500,00 Euro festgesetzt.
I. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von ordentlichen Kündigungen und vorab über die Zulässigkeit des Rechtswegs.
Der Kläger war zunächst als Abteilungsdirektor seit dem 1. August 2001 im Bereich Private Banking/Steuerindizierte Produkte/Alternative Investments bei der S KGaA tätig.
Währenddessen wurde der Kläger zum Geschäftsführer bei der Beklagten, die am 1. Juli 2008 gegründet wurde, bestellt. Die Bestellung wurde am 25. September 2008 in das Handelsregister eingetragen.
Das mit der S KGaA bestehende Arbeitsverhältnis wurde durch die Aufhebungsvereinbarung vom 17./27. Februar 2009 zum 31. März 2009 einvernehmlich beendet. Gleichzeitig schlossen die Parteien (die Beklagte damals noch als S Partners GmbH firmierend) unter dem 17./27. Februar 2009 eine als Arbeitsvertrag überschriebene Vereinbarung, die einen Beginn des Anstellungsverhältnisses mit der Beklagten zum 1. April 2009 vorsah. Die Betriebszugehörigkeit ab dem 1. August 2001 wurde angerechnet.
§ 2 des Arbeitsvertrags lautet:
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„§ 2 |
Tätigkeit und Arbeitsort |
1. |
Die Gesellschaft engagiert Herrn B als Geschäftsführer und Partner im Bereich Services/Business Services. |
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2. |
Dienstort ist Köln. |
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3. |
Herr B erklärt sich unter Berücksichtigung seiner Ausbildung und seiner Fähigkeiten sowie sonstiger Wahrung seiner Interessen bereit, unter Fortzahlung der bisherigen Vergütung auch ein anderes Arbeitsgebiet zu übernehmen. |
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4. |
Die Übernahme einer entgeltlichen oder unentgeltlichen Nebentätigkeit, von Ehrenämtern sowie von Aufsichts-, Beirats- oder ähnlichen Mandaten bedarf der vorherigen schriftlichen Zustimmung der Gesellschafter.“ |
Nach einem Gesellschafterwechsel legte der Kläger sein Amt als Geschäftsführer bei der Beklagten mit Schreiben vom 29. Juni 2010 nieder. Die Beendigung des Geschäftsführeramts wurde am 14. Juli 2010 in das Handelsregister eingetragen. Am 8. Oktober 2010 ist Herr W als (ein) neuer Geschäftsführer eingetragen worden.
Der Kläger blieb bis 30. September 2010 für die Beklagte tätig. Danach wurde ihm mitgeteilt, dass die Beklagte seine „den niedergelegten Gf-Ämtern nachlaufenden Restarbeiten als erledigt betrachtet und in der Private Equity Gruppe keine weitere Tätigkeit mehr von [ihm] einfordert“.
Die Beklagte kündigte das Anstellungsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 21./23./28. März 2011 zum 30. September 2011 und vorsorglich mit Schreiben vom 27. Juni 2011 noch einmal fristgerecht, ordentlich zum nächstzulässigen Termin.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten sei eröffnet. Es handele sich um Streitigkeiten aus einem Arbeitsverhältnis iSv. § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b ArbGG.
Zwischen den Parteien habe von Anfang an ein Arbeitsverhältnis bestanden. Dass dieser Arbeitsvertrag nicht Grundlage der Organstellung gewesen sei, ergebe sich zum einen bereits zwingend daraus, dass dieser eine Abrede aus dem Sommer 2009 zwischen der vorherigen Arbeitgeberin und dem Kläger zugrunde gelegen habe. Außerdem zeige § 2 Abs. 1 des Arbeitsvertrags, dass der Kläger als Geschäftsführer gerade keine unternehmerische Gesamtverantwortung für das Unternehmen tragen, sondern lediglich als Partner tätig sein sollte. Gleiches zeige die Versetzungsklausel, die berechtige, ihm auch ein anderes Arbeitsgebiet zu übertragen. Die Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG finde auf ehemalige Geschäftsführer keine Anwendung. Dies gelte insbesondere für die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung eines Arbeitsvertrags, die lange nach Beendigung der Organstellung ausgesprochen worden sei.
Der Kläger hat folgende Anträge angekündigt:
1. |
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 21./23./28. März 2011, dem Kläger am 28. März 2011 zugegangen, nicht aufgelöst wird. |
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2. |
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 27. Juni 2011 nicht aufgelöst wird. |
Die Beklagte vertritt die Auffassung, die Eröffnung des Rechtswegs zu den Arbeitsgerichten scheitere an § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG, der auch nach Beendigung der Organstellung des Klägers eingreife. Im Übrigen habe auch kein Arbeitsverhältnis bestanden. Nach der Niederlegung des Geschäftsführeramts sei der Kläger ausschließlich mit der Abwicklung und Überleitung seiner Geschäftsführeraufgaben beschäftigt gewesen.
Das Arbeitsgericht Köln hat den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für zulässig erklärt. Die sofortige Beschwerde der Beklagten blieb vor dem Landesarbeitsgericht erfolglos. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde strebt die Beklagte weiterhin eine Verweisung an das Landgericht Köln an.
II. Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen zu Recht angenommen.
1. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a und Buchst. b ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis und über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses. Wer Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes ist, bestimmt § 5 ArbGG.
a) Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG sind Arbeitnehmer Arbeiter und Angestellte sowie die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. Nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG gelten jedoch in Betrieben einer juristischen Person oder einer Personengesamtheit Personen nicht als Arbeitnehmer, die kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrags allein oder als Mitglieder des Vertretungsorgans zur Vertretung der juristischen Person oder der Personengesamtheit berufen sind. Für einen Rechtsstreit zwischen dem Vertretungsorgan und der juristischen Person sind nach dieser gesetzlichen Fiktion die Gerichte für Arbeitssachen nicht berufen. Die Fiktion der Norm gilt auch für das der Organstellung zugrunde liegende Rechtsverhältnis. Sie greift unabhängig davon ein, ob das der Organstellung zugrunde liegende Rechtsverhältnis materiell-rechtlich als freies Dienstverhältnis oder als Arbeitsverhältnis ausgestaltet ist. Auch wenn ein Anstellungsverhältnis zwischen der juristischen Person und dem Mitglied des Vertretungsorgans wegen dessen starker interner Weisungsabhängigkeit als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist und deshalb materielles Arbeitsrecht zur Anwendung kommt, sind zur Entscheidung eines Rechtsstreits aus dieser Rechtsbeziehung die ordentlichen Gerichte berufen (BAG 29. Mai 2012 - 10 AZB 3/12 - Rn. 11 mwN; 23. August 2011 - 10 AZB 51/10 - Rn. 12 mwN, AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 69 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 46; 15. März 2011 - 10 AZB 32/10 - Rn. 11 mwN, AP ArbGG 1979 § 2 Nr. 95 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 44). An der Unzuständigkeit der Arbeitsgerichte ändert es nichts, wenn zwischen den Prozessparteien streitig ist, wie das Anstellungsverhältnis zu qualifizieren ist (BAG 6. Mai 1999 - 5 AZB 22/98 - zu II 3 b der Gründe, AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 46 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 33) und der Geschäftsführer geltend macht, er sei wegen seiner eingeschränkten Kompetenz in Wirklichkeit Arbeitnehmer gewesen (BAG 14. Juni 2006 - 5 AZR 592/05 - Rn. 16, BAGE 118, 278). Die Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG soll sicherstellen, dass die Mitglieder der Vertretungsorgane mit der juristischen Person selbst dann keinen Rechtsstreit im „Arbeitgeberlager“ vor dem Arbeitsgericht führen, wenn die der Organstellung zugrunde liegende Beziehung als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist (BAG 20. August 2003 - 5 AZB 79/02 - zu B I 3 der Gründe, BAGE 107, 165). Für Ansprüche der Klagepartei aus dem der Geschäftsführertätigkeit zugrunde liegenden Vertrag sind deshalb die ordentlichen Gerichte ohne Weiteres zuständig (vgl. BAG 20. Mai 1998 - 5 AZB 3/98 - zu II 1 der Gründe, NZA 1998, 1247). Dabei ändert sich der rechtliche Charakter des Anstellungsverhältnisses eines Organvertreters nicht allein dadurch, dass der Organvertreter abberufen wird. Durch den Abberufungsakt wird das Anstellungsverhältnis nicht zum Arbeitsverhältnis (BAG 25. Juni 1997 - 5 AZB 41/96 - zu II 1 b aa der Gründe, AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 36 = EzA ArbGG 1979 § 2 Nr. 37; 21. Februar 1994 - 2 AZB 28/93 - zu II 3 b bb der Gründe, AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 17 = EzA ArbGG 1979 § 2 Nr. 28).
b) Anders kann es jedoch dann liegen, wenn und soweit der Rechtsstreit nicht das der Organstellung zugrunde liegende Rechtsverhältnis betrifft, sondern eine weitere Rechtsbeziehung besteht. Insoweit greift die Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht ein (BAG 23. August 2011 - 10 AZB 51/10 - Rn. 13 mwN, AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 69 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 46; 15. März 2011 - 10 AZB 32/10 - Rn. 11 mwN, AP ArbGG 1979 § 2 Nr. 95 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 44). Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der Organvertreter Rechte auch mit der Begründung geltend macht, nach der Abberufung als Geschäftsführer habe sich das nicht gekündigte Anstellungsverhältnis - wieder - in ein Arbeitsverhältnis umgewandelt (BAG 6. Mai 1999 - 5 AZB 22/98 - zu II 3 c der Gründe, AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 46 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 33).
c) Eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte kann ferner dann gegeben sein, wenn die Klagepartei Ansprüche aus einem auch während der Zeit als Geschäftsführer nicht aufgehobenen Arbeitsverhältnis nach Abberufung als Organmitglied geltend macht. Zwar liegt der Berufung eines Arbeitnehmers zum Geschäftsführer einer GmbH eine vertragliche Abrede zugrunde, die regelmäßig als ein Geschäftsführer-Dienstvertrag zu qualifizieren ist und mit der das Arbeitsverhältnis grundsätzlich aufgehoben wird (vgl. bspw. BAG 3. Februar 2009 - 5 AZB 100/08 - Rn. 8, AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 66 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 43; 5. Juni 2008 - 2 AZR 754/06 - Rn. 23, AP BGB § 626 Nr. 211; 19. Juli 2007 - 6 AZR 774/06 - Rn. 10, BAGE 123, 294). Zwingend ist dies aber nicht. Zum einen kann die Bestellung zum Geschäftsführer einer GmbH auch auf einem Arbeitsvertrag beruhen. Zum anderen bleibt der Arbeitsvertrag bestehen, wenn der Arbeitnehmer aufgrund einer formlosen Abrede zum Geschäftsführer der GmbH bestellt wird, da eine wirksame Aufhebung des früheren Arbeitsverhältnisses die Einhaltung der Schriftform des § 623 BGB voraussetzt (vgl. BAG 15. März 2011 - 10 AZB 32/10 - Rn. 12, AP ArbGG 1979 § 2 Nr. 95 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 44; 3. Februar 2009 - 5 AZB 100/08 - Rn. 8, aaO). Ansprüche aus diesem Arbeitsvertrag können dann nach Abberufung aus der Organschaft und damit nach dem Wegfall der Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG vor den Gerichten für Arbeitssachen geltend gemacht werden. Dies gilt auch für die während der Zeit der Geschäftsführerbestellung auf dieser arbeitsvertraglichen Basis entstandenen Ansprüche (BAG 29. Mai 2012 - 10 AZB 3/12 - Rn. 13; 23. August 2011 - 10 AZB 51/10 - Rn. 14, AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 69 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 46).
2. Gemessen an diesen Grundsätzen ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet, wie das Landesarbeitsgericht richtig erkannt hat. Der Kläger macht mit seinen Feststellungsanträgen den Fortbestand des seiner Auffassung nach begründeten und weiter bestehenden Arbeitsverhältnisses geltend.
Es handelt sich um Anträge, die nur dann begründet sein können, wenn das Rechtsverhältnis als Arbeitsverhältnis einzuordnen ist und nach wirksamer Beendigung der Organstellung als solches fortbestand oder wieder auflebte. In diesen Fällen (sic-non-Fälle) eröffnet bei streitiger Tatsachengrundlage die bloße Rechtsansicht der Klagepartei, es handele sich um ein Arbeitsverhältnis, den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten (BVerfG 31. August 1999 - 1 BvR 1389/97 - zu II 1 b der Gründe, AP ArbGG 1979 § 2 Zuständigkeitsprüfung Nr. 6 = EzA ArbGG 1979 § 2 Nr. 47; BAG 29. Mai 2012 - 10 AZB 3/12 - Rn. 16; 19. Dezember 2000 - 5 AZB 16/00 - AP ArbGG 1979 § 2 Zuständigkeitsprüfung Nr. 9 = EzA ArbGG 1979 § 2 Nr. 52). Nach der Beendigung der Organstellung und damit nach dem Wegfall der Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen berufen, über die Frage, ob das zwischen den Parteien bestehende Rechtsverhältnis als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist und durch eine ausgesprochene ordentliche Kündigung beendet wurde, zu entscheiden.
Dabei kann dahinstehen, ob der Kläger mit der Beklagten nur durch einen einzigen Vertrag, nämlich den als „Arbeitsvertrag“ bezeichneten Vertrag vom 17./27. Februar 2009 verbunden war. Hierfür spricht, dass dieser Vertrag ausdrücklich auch die bereits vorher ausgeübte Geschäftsführertätigkeit für die Beklagte zum Inhalt hatte (§ 2 Ziff. 1 des Arbeitsvertrags). Auch wenn man aber davon ausgeht, dass neben dem „Arbeitsvertrag“ vom 17./27. Februar 2009 ein weiteres Vertragsverhältnis besteht oder bestanden hätte, das der Geschäftsführerbestellung zugrunde lag, ist eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit für die vom Kläger begehrten Feststellungen gegeben.
III. Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
Mikosch |
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Schmitz-Scholemann |
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W. Reinfelder |
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