Entscheidungsdatum: 21.12.2010
1. Die Rechtsbeschwerde der Beklagten zu 1. und 4. gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 14. April 2010 - 7 Ta 7/10 - wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagten zu 1. und 4. haben die Kosten der Rechtsbeschwerde zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 5.066,67 Euro festgesetzt.
I. Die Parteien streiten über Zahlungsansprüche für die Zeit von Juni 2007 bis Februar 2008 und vorab über die Zulässigkeit des Rechtswegs.
Die Beklagten zu 1. und 2. sind Versicherungsvertreter. Der Beklagte zu 3. wurde zum Versicherungskaufmann ausgebildet. Der Beklagte zu 4. ist Kfz-Händler. Im Mai 2007 absolvierte die Klägerin in Abstimmung mit der Bundesagentur für Arbeit (BA) ein Praktikum in den gemeinsam von den Beklagen genutzten Geschäftsräumen. Im Anschluss daran war sie von Juni bis Oktober 2007 für die Beklagten tätig. Anfang Juli 2007 wurde der Klägerin ein Gründungszuschuss für die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit (§ 57 SGB III) in Höhe von 756,00 Euro pro Monat bewilligt. Ende Oktober 2007 stellte die Klägerin die Arbeit ein. Sie kündigte das ihrer Ansicht nach bestehende Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 6. März 2008.
Die Klägerin hat vorgetragen, sie habe die üblichen Aufgaben einer Bürokauffrau in einer Versicherungsagentur übernehmen sollen, wie die Erledigung des Schriftverkehrs, den Telefondienst und die Verwaltung der Vertragsakten. Nachdem man sich zunächst auf eine Festanstellung verständigt habe, sei über die Möglichkeit einer selbständigen Tätigkeit erst nach Tätigkeitsaufnahme gesprochen worden. Der Beklagte zu 1. habe ihr eine monatliche Fixvergütung von 1.500,00 Euro angeboten und auf die zusätzlich bestehende Möglichkeit eines Zuschusses durch die BA hingewiesen. Auf diesen Vorschlag habe sie sich nur wegen des Fehlens einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit eingelassen. Tatsächlich sei ein Arbeits- und kein freier Dienstvertrag zustande gekommen. Sie habe in dem Büro der Beklagten zu den üblichen Öffnungszeiten (Montag bis Donnerstag 9:00 bis 12:00 Uhr und 13:00 bis 16:30 Uhr, Freitag bis 15:00 Uhr) arbeiten müssen. Dabei sei sie von sämtlichen Beklagten eingesetzt worden und habe detaillierte Arbeitsanweisungen erhalten. Das Arbeitsverhältnis habe mit der Bürogemeinschaft als Gesellschaft bürgerlichen Rechts bestanden, da die Beklagten ihr gegenüber stets als gleichberechtigte Partner aufgetreten seien.
Die Klägerin hat beantragt,
|
die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin 15.200,00 Euro Bruttogehalt für die Monate Juni 2007 bis Februar 2008 zu zahlen. |
Die Beklagten haben die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs gerügt. Die Beklagten zu 1. und 4. haben vorgetragen, die Klägerin sei im Rahmen eines von ihr selbständig betriebenen Büroservice tätig gewesen. Für den Beklagten zu 1. habe die Klägerin Terminvereinbarungen vorbereiten und organisieren und für den Beklagten zu 4. Kfz-Kaufverträge „ins Reine schreiben“ sollen. Die Klägerin habe für jeden zustande gekommenen Termin 5,00 Euro erhalten sollen. Für die geschriebenen Kfz-Verträge habe sie von dem Beklagten zu 4. einen Betrag von 400,00 Euro erhalten. Eine Verpflichtung zur Anwesenheit in dem Büro habe nicht bestanden. Der Beklagte zu 4. als Kfz-Händler habe nichts mit den anderen Beklagten zu tun und sei somit als gesonderter Auftraggeber anzusehen. Darüber hinaus habe die Klägerin mehrfach von einer weiteren Tätigkeit für die Firma Zweirad N. berichtet.
Das Arbeitsgericht hat den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Bayreuth verwiesen. Das Landesarbeitsgericht hat den Beschluss des Arbeitsgerichts abgeändert und den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für zulässig erklärt. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehren die Beklagten zu 1. und 4. die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
II. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Arbeitsgerichten ergibt sich aus § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a iVm. § 5 Abs. 1 ArbGG. Danach sind die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG gelten als Arbeitnehmer auch sonstige Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind. Ob die Klägerin als Arbeitnehmerin einzustufen ist, kann für die Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs dahingestellt bleiben. Das Landesarbeitsgericht geht zutreffend davon aus, dass die Klägerin jedenfalls als arbeitnehmerähnliche Person iSv. § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG anzusehen ist, so dass die Rechtswegbestimmung im Rahmen der Wahlfeststellung vorgenommen werden kann (BAG 30. August 2000 - 5 AZB 12/00 - zu II 2 b der Gründe, AP ArbGG 1979 § 2 Nr. 75 = EzA ArbGG 1979 § 2 Nr. 51). Die hiergegen erhobenen Rügen greifen nicht durch.
1. Arbeitnehmerähnliche Personen sind Selbstständige. An die Stelle der das Arbeitsverhältnis prägenden persönlichen Abhängigkeit tritt das Merkmal der wirtschaftlichen Abhängigkeit. Wirtschaftliche Abhängigkeit ist regelmäßig gegeben, wenn der Beschäftigte auf die Verwertung seiner Arbeitskraft und die Einkünfte aus der Tätigkeit für den Vertragspartner zur Sicherung seiner Existenzgrundlage angewiesen ist (BAG 21. Februar 2007 - 5 AZB 52/06 - Rn. 11 mwN, BAGE 121, 304). Eine arbeitnehmerähnliche Person kann für mehrere Auftraggeber tätig sein, wenn die Beschäftigung für einen von ihnen überwiegt und die daraus fließende Vergütung die entscheidende Existenzgrundlage darstellt. Der wirtschaftlich Abhängige muss außerdem seiner gesamten sozialen Stellung nach einem Arbeitnehmer vergleichbar schutzbedürftig sein (BAG 30. August 2000 - 5 AZB 12/00 - zu II 2 b der Gründe, AP ArbGG 1979 § 2 Nr. 75 = EzA ArbGG 1979 § 2 Nr. 51).
2. Diese Voraussetzungen sind nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts erfüllt.
a) Die Klägerin ist neben ihrer Tätigkeit für die Beklagten keiner anderen (wesentlichen) Beschäftigung nachgegangen.
Die Rechtsbeschwerde rügt, das Landesarbeitsgericht hätte über eine anderweitige Tätigkeit der Klägerin für die Firma Zweirad N. Beweis erheben müssen. Dem steht die gemäß § 559 Abs. 2 ZPO bindende Feststellung des Landesarbeitsgerichts (vgl. Seite 7 erster Abs. der Entscheidungsgründe) entgegen, die nicht mit einer zulässigen Verfahrensrüge angegriffen ist. Bei einer auf § 286 ZPO gestützten Rüge wegen übergangenen Beweisantritts muss nach Beweisthema und Beweismittel angegeben werden, zu welchem Punkt das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerhaft eine an sich gebotene Beweisaufnahme unterlassen haben soll und welches Ergebnis diese Beweisaufnahme hätte zeitigen müssen. Ferner muss dargelegt werden, dass die Unterlassung der Beweisaufnahme kausal für die Entscheidung gewesen ist (vgl. etwa BAG 6. Januar 2004 - 9 AZR 680/02 - zu II 3 d aa der Gründe, BAGE 109, 145). Hieran fehlt es.
Die aus der Tätigkeit für die Beklagten erzielte Vergütung stellt für die Klägerin - von dem durch die BA gewährten Gründungszuschuss abgesehen - die einzige wirtschaftliche Existenzgrundlage dar. Die Klägerin ist nach ihrer sozialen Stellung einer Arbeitnehmerin vergleichbar schutzbedürftig. Sie war während ihrer Tätigkeit für die Beklagten zu den gesamten Öffnungszeiten des Büros anwesend und hatte keine eigene Büroausstattung. Für die Klägerin bestand daher keine nennenswerte Möglichkeit, ihre Arbeitskraft weiteren Auftraggebern anzubieten (vgl. BAG 8. September 1997 - 5 AZB 3/97 - zu II 2 der Gründe, BAGE 86, 267; 11. April 1997 - 5 AZB 33/96 - zu II 2 der Gründe, AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 30 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 20). Hinzu kommt, dass die Klägerin sich zur persönlichen Leistungserbringung verpflichtet hat, so dass sie die ihr übertragenen Aufgaben nicht auf Dritte, bspw. auf eigene Arbeitnehmer, übertragen konnte (vgl. dazu BAG 15. Februar 2005 - 9 AZR 51/04 - zu II 2 b cc der Gründe, BAGE 113, 343).
b) Der wirtschaftlichen Abhängigkeit der Klägerin steht der Bezug eines monatlichen Gründungszuschusses gemäß § 57 SGB III in Höhe von 756,00 Euro nicht entgegen.
Es kann dahinstehen, unter welchen Voraussetzungen anderweitige, aus dem Einsatz der Arbeitskraft des Auftragnehmers resultierende Einkünfte zum Wegfall der wirtschaftlichen Abhängigkeit führen können (vgl. zum Rentenbezug: BAG 17. Januar 2006 - 9 AZR 61/05 - Rn. 17, EzA BUrlG § 2 Nr. 6; zum Meinungsstand: Däubler/Reinecke TVG 2. Aufl. § 12a Rn. 49; GMP/Germelmann/Müller-Glöge 7. Aufl. § 5 Rn. 35; Wiedemann/Wank TVG 7. Aufl. § 12a Rn. 75; Willemsen/Müntefering NZA 2008, 193, 195 f.). Der Gründungszuschuss setzt gemäß § 57 Abs. 2 SGB III Anwartschaften aus einem früheren sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis voraus. Auch wenn man deshalb davon ausgeht, dass der Gründungszuschuss aus einem früheren Einsatz der Arbeitskraft resultiert und dieser darüber hinaus den Einsatz der eigenen Arbeitskraft in einer selbständigen Tätigkeit verlangt (Senat 16. November 2005 - 10 AZR 152/05 - Rn. 16, AP HGB § 74c Nr. 21 = EzA HGB § 74c Nr. 35), stehen Zweck und Höhe der Leistung einer Berücksichtigung entgegen. Ziel der Gewährung eines Gründungszuschusses ist es gerade nicht, die Existenz des Beschäftigten abschließend zu sichern. Vielmehr dient er dazu, den Start in die Selbständigkeit zu fördern und zu unterstützen und die regelmäßig mit geringeren Einnahmen versehene Anlaufphase zu überbrücken (vgl. Senat 16. November 2005 - 10 AZR 152/05 - Rn. 16, aaO). Dementsprechend ist die Bezugsdauer auf neun Monate begrenzt und kann nur bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen um maximal weitere sechs Monate verlängert werden (§ 58 SGB III). Am Ende soll die Erzielung von Einnahmen aus der selbständigen Verwertung der Arbeitskraft und damit die Unabhängigkeit von staatlichen Transferleistungen stehen. Auch die Höhe der Leistung ist nicht geeignet, die Annahme der wirtschaftlichen Abhängigkeit zu beseitigen. Sie ist bestimmt durch die Höhe des zuletzt bezogenen Arbeitslosengelds zuzüglich von monatlich 300,00 Euro (§ 58 Abs. 1 SGB III). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Gründungszuschuss nicht nur für den Lebensunterhalt, sondern auch für die soziale Absicherung des Existenzgründers bestimmt ist (Winkler in Gagel SGB II/SGB III Stand Juli 2010 § 57 SGB III Rn. 9). Hintergrund hierfür ist, dass sich der Existenzgründer aufgrund der nunmehr selbständig ausgeübten Tätigkeit eigenständig um einen Kranken- und Pflegeversicherungsschutz und um eine Altersversorgung kümmern muss (vgl. Winkler in Gagel § 57 SGB III Rn. 41 ff., § 58 SGB III Rn. 5). Zieht man die Pauschale von dem an die Klägerin gezahlten Gründungszuschuss ab, verbleiben für den Lebensunterhalt 456,00 Euro pro Monat. Bei einem derartigen Betrag kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin auf das durch die Verwertung ihrer Arbeitskraft zu erzielende Einkommen nicht angewiesen ist.
c) Die Klägerin war auch nicht gegenüber dem Beklagten zu 4. wirtschaftlich unabhängig. Die Rechtsbeschwerde rügt, das Landesarbeitsgericht habe rechtsfehlerhaft angenommen, dass der Beklagte zu 4. nicht wie ein anderer Auftraggeber anzusehen sei. Dem steht die Feststellung des Landesarbeitsgericht entgegen, die Klägerin sei für eine Bürogemeinschaft tätig gewesen, der auch der Beklagte zu 4. angehört habe. Weswegen die dem zugrunde liegende Würdigung unzutreffend sein soll, wird von der Rechtsbeschwerde nicht ausreichend begründet.
III. Die Beschwerdeführer haben nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Rechtsbeschwerde zu tragen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 GKG.
|
Mikosch |
|
Eylert |
|
W. Reinfelder |
|
|
|
|
|
|