Entscheidungsdatum: 25.10.2011
In der Patentnichtigkeitssache
…
betreffend das europäische Patent …
(DE …)
hat der 1. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 25. Oktober 2011 durch die Präsidentin Schmidt, die Richter Engels und Dipl.-Ing. Sandkämper
beschlossen:
1. Der Antrag wird zurückgewiesen.
2. Die Schuldnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
1. Die Schuldnerin und Nichtigkeitsklägerin begehrt die Aufhebung des in vorliegendem Verfahren gegen sie als Schuldnerin ergangenen und zwischenzeitlich in Höhe von 10000,- € vollstreckten Ordnungsgeldbeschlusses des Senats vom 13. Oktober 2003 (Bl. 360-370). Durch Beschluss vom 4. Oktober 2001 (Bl. 167-171) war der Schuldnerin auf Antrag der Beklagten und Gläubigerin ein Ordnungsgeld für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die in dem gerichtlichen Vergleich vom 16. September 1999 (Bl. 124-126) übernommene Unterlassungsverpflichtung (Ziffer 1 Satz 1 des Vergleichs) angedroht worden. Durch den Beschluss des Senats vom 13. Oktober 2003 (Bl. 360- 370) wurde schließlich nach mehrfachem Antrag der Gläubigerin ein Ordnungsgeld in Höhe von 10000,- € festgesetzt, weil die Schuldnerin der o. g. Unterlassungsverpflichtung schuldhaft nicht nachgekommen war. Die Vollstreckung erfolgte am 6. Mai 2004 durch Zahlung (Bl. 407). Durch Kostenfestsetzungsbeschluss vom 12. Mai 2010 (Bl. 429-432) wurden schließlich auf Basis des mit Beschluss vom 17. März 2004 (Bl. 390-392) festgesetzten Gegenstandswertes von 25000,- € für das Zwangsvollstreckungsverfahren die von der Schuldnerin an die Gläubigerin zu erstattenden Kosten der Zwangsvollstreckung festgesetzt. Hiergegen hat die Schuldnerin Erinnerung eingelegt und Aussetzung im Hinblick auf die vorliegend zur Entscheidung stehende Aufhebung des Ordnungsmittelbeschlusses vom 13. Oktober 2003 beantragt.
Das verfahrensgegenständliche - inzwischen infolge Zeitablaufs erloschene - Streitpatent ist in dem Verfahren 1 Ni … (EU) durch Urteil des Senats vom 30. April 2004 nichtig erklärt worden. Die hiergegen gerichtete Berufung der Gläubigerin/Beklagten ist durch Urteil des Bundesgerichtshofs vom 7. Oktober 2009 zurückgewiesen worden.
Die Schuldnerin vertritt unter Hinweis auf §§ 775 Nr. 1, 776 ZPO die Rechtsansicht, dass der Ordnungsmittelbeschluss des Senats vom 13. Oktober 2003 als Vollstreckungsmaßregel aufgrund des rechtsgestaltenden Nichtigkeitsurteils aufzuheben ist, da der Beschluss auf der Rechtswirkung des nichtig erklärten Patents beruhe. Der Vergleich könne aber keine Rechte und Pflichten begründen, die in dem mit rückwirkender Kraft vernichteten Patent ihre Grundlage haben.
Die Schuldnerin beantragt,
den Beschluss vom 13. Oktober 2003 aufzuheben.
Die Gläubigerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Die Gläubigerin verweist darauf, dass der angegriffene Beschluss auf Grundlage des rechtsbeständigen Vergleichs vom 16. September 1999 ergangen ist und weist darauf hin, dass gemäß Ziffer 6 des Vergleichs die hieraus resultierenden Verpflichtungen erst dann enden sollten, wenn das Streitpatent mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland durch eine Nichtigkeitsklage Dritter vernichtet ist. Damit sei die Wirkung des Vergleichs nur ex nunc entfallen. Der Antrag sei deshalb unzulässig.
2. Der Antrag der Schuldnerin auf Aufhebung des angegriffenen Ordnungsmittelbeschlusses vom 13. Oktober 2003 ist unbegründet und zurückzuweisen.
Es kann dahinstehen, ob der Antrag auf Aufhebung des angegriffenen, bereits vor Antragsstellung vollzogenen Beschlusses überhaupt zulässig ist, da hiermit die aufgrund § 890 Abs. 1 ZPO erfolgte Zwangsvollstreckung aus der Unterlassungsverpflichtung des Vergleichs vom 16. September 1999 bereits abgeschlossen war. Nach der überwiegenden Rechtsauffassung in Rechtsprechung und Literatur ist in entsprechender Anwendung der §§ 775 Nr. 1, 776 ZPO auch die Aufhebung eines - wie vorliegend - rechtsbeständigen und vollzogenen Ordnungsgeldbeschlusses möglich, wenn der der Vollstreckung nach § 890 Abs. 1 ZPO zugrunde liegenden Titel mit rückwirkender Wirkung aufgehoben oder weggefallen ist. Dies soll selbst dann gelten, wenn der dem vollstreckten Beschluss zugrundeliegende Vollstreckungstitel erst nach dem Verstoß und nach Zahlung des Ordnungsgeldes - und damit nach Abschluss der Zwangsvollstreckung - erfolgt, während dies bei einer Aufhebung ex nunc wegen des (auch) repressiven Strafcharakters des Ordnungsmittels nicht der Fall sein soll (Lackmann/Musielak ZPO, 5. Aufl., § 890 RdNr. 16; Brehm in Stein/Jonas ZPO 22. Aufl. Bd. 8, § 890 RdNr. 46; Stöber in Zöller ZPO , 28. Aufl., § 890 RdNr. 25; Hüßtege in Thomas/Putzo ZPO, 32. Aufl., § 890 RdNr. 35; OLG Hamm GRUR 1990, 306 = MDR 1989, 1001; KG Berlin NJW-RR 2000, 1523 = MDR 2000, 48; zur Gegenauffassung Hees GRUR 1999, 128, 129 m. w. H.)
Selbst wenn man danach den Antrag auf Aufhebung des angegriffenen Beschlusses als zulässig unterstellt, obwohl vorliegend die Zwangsvollstreckung aus einem formell bestandskräftigen Beschluss im Zeitpunkt der Antragsstellung infolge Zahlung längst beendet war und deshalb §§ 775 Nr. 1, 776 ZPO allenfalls entsprechend anwendbar sind, so fehlt es vorliegend jedenfalls an der auch von der überwiegenden Meinung geforderten rückwirkenden Aufhebung bzw. Gegenstandslosigkeit des der Vollstreckung zugrundeliegenden Titels. Die Gläubiger weist insoweit zutreffend darauf hin, dass Ziffer 6 des gerichtlichen Vergleichs vom 16. September 1999 als dem hier maßgeblichen Vollstreckungstitel i. S. v. § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 794 Abs. 1 Nr. 1, § 795 Satz 1 ZPO ausdrücklich im Falle der Vernichtung des Streitpatents nur die Beendigung der aus Ziffern 1 und 2 resultierenden Unterlassungsverpflichtung der Schuldnerin beinhaltet, nicht jedoch den rückwirkenden Wegfall des Vergleichs oder einer darin enthaltenen Unterlassungsverpflichtung für die Vergangenheit. Der eindeutige Wortlaut und der hierin eindeutig zum Ausdruck kommende Wille der Parteien lassen auch keine andere Auslegung des Vergleichs zu. Insoweit ist nach §§ 133, 157 BGB auch zu berücksichtigen, dass die Parteien in Ziffer 5 des Vergleichtextes einen Verzicht der Gläubigerin auf Schadensersatzansprüche für Schäden aus der behaupteten Verletzung des Streitpatents ausdrücklich nur bis zum Vergleichsabschluss, mithin den Wegfall einer Unterlassungsverpflichtung der Schuldnerin nur für die Vergangenheit bis zum Vergleichsabschluss, vereinbart haben und sich in Ziffer 6 nur eine Regelung für die Zukunft anschließt. Die Folgen einer danach maßgeblichen Nichtigerklärung des Streitpatents sollten gerade nicht als auflösender Bedingungseintritt - entgegen §§ 158 Abs. 2 BGB - auf einen früheren Zeitpunkt rückwirken, was die Parteien als Ausnahmeregelung ausdrücklich hätten vereinbaren müssen und was zudem im Hinblick auf die fehlende rückwirkende Kraft der Bedingung (BGHZ 10, 72) nur mit schuldrechtlicher Wirkung hätte erfolgen können (§ 159 BGB).
Deshalb trifft es zwar zu, dass die Nichtigerklärung des Streitpatents mit Urteil des Senats vom 30. April 2004 im Parallelverfahren mit Eintritt der rechtskräftigen Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 7. Oktober 2009 zu einer rückwirkenden Beseitigung des Streitpatents geführt hat. Nicht zutreffend ist die von der Gläubigerin hieraus abgeleitete Rechtsfolge eines rückwirkenden Wegfalls ihrer durch Vergleich vom 16. September 1999 begründeten Unterlassungsverpflichtung betreffend der hier maßgeblichen und dem angegriffenen Beschluss zugrundeliegenden schuldhaften Pflichtenverstöße aus dem Jahr 2002. Allein diese sind aber Gegenstand des durch Beschluss vom 4. Oktober 2001 angedrohten und mit dem angegriffenen Beschluss festgesetzten Ordnungsgeldes und beruhen deshalb auf einem nach wie vor wirksamen und verbindlichen Vollstreckungstitel. Der Antrag der Schuldnerin auf Aufhebung des hierauf basierenden Beschlusses vom 13. Oktober 2003 ist deshalb zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 99 Abs. 1 i. V. m. §§ 788, 91 Abs. 1 ZPO.
Schmidt |
Sandkämper |
Engels |