Entscheidungsdatum: 12.04.2011
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betreffend das europäische Patent 0 600 502
(DE 593 06 656)
hat der 1. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 12. April 2011 und 20. Dezember 2011 durch die Präsidentin Schmidt sowie die Richter Engels, Dipl.-Ing. Sandkämper, Dr.-Ing. Baumgart und Dr.-Ing. Krüger
für Recht erkannt:
1. Das europäische Patent 0 600 502 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang des Anspruchs 2 sowie der Ansprüche 3 bis 13, soweit unmittelbar oder mittelbar rückbezogen auf Anspruch 2 und im Umfange der Ansprüche 16 bis 18, soweit unmittelbar oder mittelbar rückbezogen auf Anspruch 2 für nichtig erklärt.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des u. a. für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 600 502 (Streitpatent), das am 2. Dezember 1993 unter Inanspruchnahme der deutschen Priorität DE 4240540 vom 2. Dezember 1992 angemeldet worden ist. Das Patent ist in deutscher Sprache veröffentlicht und trägt die Bezeichnung “Standbeutel mit verbesserter Einstichöffnung“. Das Streitpatent umfasst 18 Patentansprüche, von denen mit der vorliegenden Klage der Anspruch 2 sowie die hierauf unmittelbar oder mittelbar rückbezogenen Ansprüche 3 bis 13 und 16 bis 18 betroffen sind. Diese haben folgenden Wortlaut:
2. Getränkebehälter, insbesondere Getränkebeutel, aus Monomaterial oder mehrschichtigem Verbundmaterial, der mit einer Einstichsöffnung zum Einstechen eines Trinkhalmes versehen ist, dadurch gekennzeichnet, daß die Einstichsöffnung (2) durch alle Schichten (4, 5, 6) des Mono- oder Verbundmaterials (3) eingestanzt ist und an der Innenseite des Mono- oder Verbundmateriales (3) eine zusätzliche Verschlußfolie (11) um die Einstichsöffnung (2) angebracht ist, die durch die Einstichsöffnung (2) nach außen freigelegt ist, wobei die Verschlußfolie als "Flicken" (11) auf die Einstichsöffnung (2) aufgeschweißt ist.
3. Getränkebehälter nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß die Einstichsöffnung (2) kreuzschlitzartig in das Mono- oder Verbundmaterial (3) eingestanzt ist.
4. Getränkebehälter nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß die Einstichsöffnung (2) in Form eines Einstichslochs eingestanzt ist.
5. Getränkebehälter nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß als Verschlußfolie (7, 11) eine Monofolie vorgesehen ist.
6. Getränkebehälter nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, daß als Verschlußfolienmaterialien (7, 11) Polyethylen oder Polypropylen oder Copolymere vorgesehen sind.
7. Getränkebehälter nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß als Verschlußfolie (7, 11) eine Verbundfolie vorgesehen ist.
8. Getränkebehälter nach Anspruch 7, dadurch gekennzeichnet, daß die Verschlußfolie (7, 11) folgenden Aufbau aufweist: Siegelmaterial/Haftvermittler/Barriereschicht/Haftvermittler/Siegelmaterial.
9. Getränkebehälter nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß die Verschlußfolie (7, 11) folgenden Aufbau aufweist: Siegelmaterial/Kaschierkleber/Barriereschicht/Kaschiekleber/Siegelmaterial.
10. Getränkebehälter nach Anspruch 8 oder 9, dadurch gekennzeichnet, daß die Barriereschicht aus EVOH oder Polyamiden oder Polyvinylalkohol besteht.
11. Getränkebehälter nach einem der Ansprüche 8, 9 oder 10, dadurch gekennzeichnet, daß als Siegelmaterial Polyethylen oder Polypropylen oder Copolymere vorgesehen sind.
12. Getränkebehälter nach einem der Ansprüche 1 bis 11, dadurch gekennzeichnet, daß die Verschlußfolie (7, 11) zwischen 20 und 120 μm stark ist.
13. Getränkebehälter nach einem der Ansprüche 1 bis 11, dadurch gekennzeichnet, daß die Verschlußfolie (7, 11) stärker als 60 μm ist.
16. Getränkebehälter (1) nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß das mehrschichtige Verbundmaterial (3) eine Dreifachverbundfolie ist, die aus einer Polyesterfolie (6), einer Aluminiumfolie (5) und einer Polyethylenfolie (4) aufgebaut ist, wobei die Polyesterfolie (6) 9 bis 15 μm stark ist und die Aluminiumfolie (5) 6 bis 12 μm stark ist und die Polyethylenfolie 80 bis 100 μm stark ist.
17. Getränkebehälter nach Anspruch 15 und 16, dadurch gekennzeichnet, daß die Polyethylenfolie (4) der Dreifachverbundfolie dünner als 80 μm ist.
18. Getränkebehälter nach Anspruch 16, dadurch gekennzeichnet, daß die Polyesterfolie (6) und die Aluminiumfolie (5) mit lösungsmittelfreiem Kleber verklebt sind.
Die Beklagte hat zuletzt die angegriffenen Ansprüche des Streitpatents hilfsweise mit den in der mündlichen Verhandlung vom 12. April 2011 überreichten Hilfsanträgen I bis III (Bl. 113 bis 117 d. A.) verteidigt.
Danach enthält der geänderte Patentanspruch 2 gemäß Hilfsantrag I gegenüber der erteilten Fassung das zusätzliche Merkmal am Satzende „und daß als Verschlußfolie (7, 11) eine Verbundfolie vorgesehen ist“.
Nach dem geänderten Patentanspruch 2 gemäß Hilfsantrag II lautet das gegenüber der erteilten Fassung ergänzte Merkmal am Satzende „wobei als Verschlußfolie (7, 11) eine Verbundfolie vorgesehen ist, die eine Barriereschicht aus EVOH aufweist.“
Nach dem geänderten Patentanspruch 2 gemäß Hilfsantrag III lautet das gegenüber der erteilten Fassung ergänzte Merkmal am Satzende „wobei als Verschlußfolie (7, 11) eine Verbundfolie vorgesehen ist, die folgenden Aufbau aufweist:
Siegelmaterial/Haftvermittler/Barriereschicht/Haftvermittler/Siegelmaterial, wobei die Barriereschicht aus EVOH besteht und die Verschlussfolie zwischen 20 μm und 120 μm stark ist“.
Die Klägerin macht gegen den Rechtsbestand der angegriffenen Ansprüche den Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit geltend.
Im Verfahren wurden folgende Dokumente zum Stand der Technik angezogen:
D1 DE 75 18 956 UD2 DE 34 22 679 C2
D3 DE 28 29 073 B1
D4 EP 0 155 600 A2
D5 US 4 762 246
D6 Falbe, J. u. Regitz, M: Chemie Lexikon / Römpp. Bd. 2. Cm-G,Thieme Verlag, 9. Auflage 1990, „E/VAL“
D7 EP 0 332 800 A2
D8 Hellerich, Walter: Werkstoff-Führer Kunststoffe, 7. Auflage 1990, S. 102 bis 109 und 112 bis 115
D9 Römpp-Chemie-Lexikon. Bd. 3, 9. Auflage 1990, S. 1703 bis 1705
D10 EP 0 308 703 A2
D11 EP 0 239 092 A2
D12 DD 274 387 A1
D13 DE 80 12 849 U1
D14 PLASTIC FILM TECHNOLOGY, Volume One. Technomic Publishing Company, 1989, S. 41 bis 50
S1 US 4 239 826.
Die Klägerin hat beantragt (sinngemäß),
das europäische Patents EP 0 600 502 im Umfang des Anspruchs 2 sowie der Ansprüche 3 bis 13, soweit unmittelbar oder mittelbar rückbezogen auf Anspruch 2 und im Umfange der Ansprüche 16 bis 18, soweit unmittelbar oder mittelbar rückbezogen auf Anspruch 2 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
Die Beklagte hat beantragt (sinngemäß),
die Nichtigkeitsklage abzuweisen, hilfsweise die Klage abzuweisen, soweit das Patent mit den in der mündlichen Verhandlung vom 12. April 2011 überreichten Hilfsanträgen I bis III (Bl. 113 bis 117 d. A.) verteidigt wird.
Der Senat hatte mit dem qualifizierten Hinweis vom 2. Dezember 2010 (Bl. 89 d. A.) den Parteien seine vorläufige Rechtsauffassung zum Verständnis der Patentansprüche, insbesondere des Begriffs „Flicken“, und zur (bejahten) Patentfähigkeit mitgeteilt. Die Klägerin hatte in der mündlichen Verhandlung vom 12. April 2011, in der der Senat von dieser vorläufigen Rechtsauffassung abgerückt war und in der die Beklagte die mit den Hilfsanträgen I-III verteidigten beschränkten Fassungen des Streitpatents eingereicht hat, die Verspätungsrüge erhoben.
Nachdem in der mündlichen Verhandlung vom 12. April 2011 auch noch die Frage der Zulässigkeit der hilfsweise verteidigten Anspruchsfassung - insbesondere nach Hilfsantrag II - erörtert wurde, ist der Senat dem nicht gefolgt und hat auf den dem Klägervertreter gewährten Schriftsatznachlass und dessen ergänzendes Vorbringen mit Schriftsatz vom 11. Mai 2011 durch Beschluss vom 3. Juni 2011 die mündliche Verhandlung wiedereröffnet und die Parteien zugleich auf die vom Senat ermittelte Druckschrift S1 als weiteren Stand der Technik hingewiesen.
Wegen des Wortlauts der weiteren nicht angegriffenen Patentansprüche erteilter Fassung sowie der von der Beklagten zur Akte gereichten Fassungen der Patentansprüche gemäß Hilfsanträgen I bis III sowie des weiteren Vorbringens der Parteien und des Inhalts der eingereichten Unterlagen wird auf den Akteninhalt verwiesen.
I.
Die zulässige Klage, mit welcher der Nichtigkeitsgrund mangelnder Patentfähigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 lit. a EPÜ, Art. 52, 56 EPÜ), geltend gemacht wird, ist begründet, da sich der jeweilige Gegenstand der angegriffenen Patentansprüche des Streitpatents weder in erteilter Fassung noch in der mit den Hilfsanträgen I bis III verteidigten Fassung als patentfähig erweist; die jeweils beanspruchten Lehren ergeben sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik. Es bedurfte deshalb letztlich auch keiner Entscheidung hinsichtlich der bereits in der mündlichen Verhandlung vom 12. April 2011 erörterten Frage, ob die gegenüber der erteilten Fassung nach den Hilfsanträgen verteidigten Fassungen des Streitpatents auf zulässigen Änderungen beruhen.
II.
1. Das Streitpatent betrifft Getränkebehälter, insbesondere Getränkebeutel aus Monomaterial oder mehrschichtigem Verbundmaterial, welche mit einer Einstichsöffnung zum Einstechen eines Trinkhalmes versehen sind.
Bei derartigen Getränkebehältern besteht eines der vorrangigsten Probleme in der leichten Öffnung dieser Beutel. Soweit hierfür eine Schicht der Behälterwandung zu durchstoßen ist (derartige Aufbauten von Getränkebehältern setzt das Patent als bekannt voraus), besteht aufgrund der auszuübenden Einstichkraft bei unvorsichtigem Öffnen die Gefahr eines unkontrollierten Flüssigkeitsaustritts.
Bekannt gewordene Lösungen, bei denen laut der Beschreibungseinleitung des Patents eine Vorlochung durch einen abzureißenden Verschlussstreifen abgedeckt ist, ermöglichen zwar ein einfaches Einführen des Trinkhalmes, jedoch kann eine ordnungsgemäße Entsorgung der gesonderten Aufrisslasche nicht unterstellt werden.
2. Vor diesem Hintergrund ist in der Streitpatentschrift als Aufgabe formuliert, einen Getränkebehälter zu schaffen, der ein leichtes Einstechen eines Trinkhalmes ermöglicht und gleichzeitig auch unter Gesichtspunkten des Umweltschutzes vertretbar ist.
3. Mit dem Patentanspruch 2 in der erteilten Fassung ist ein folgende Merkmale aufweisender Gegenstand unter Schutz gestellt:
M0 Getränkebehälter,
M1 insbesondere ein Getränkebeutel.
M2 Der Getränkebehälter besteht aus Monomaterial oder mehrschichtigem Verbundmaterial.
M3 Der Getränkebehälter ist mit einer Einstichsöffnung zum Einstechen eines Trinkhalmes versehen.
M4 Die Einstichsöffnung (2) ist durch alle Schichten (4, 5, 6) des Mono - oder Verbundmaterials (3) eingestanzt.
M5 An der Innenseite des Mono- oder Verbundmaterials (3) ist eine zusätzliche Verschlussfolie (11) um die Einstichöffnung (2) angebracht.
M5.1 Die zusätzliche Verschlussfolie (11) ist durch die Einstichsöffnung (2) nach außen freigelegt.
M5.2 Die Verschlussfolie (11) ist als „Flicken“ auf die Einstichsöffnung (2) aufgeschweißt.
4. Als Fachmann ist vorliegend ein Dipl.-Ing. (FH) der Fachrichtung Verpackungstechnik anzusehen, der bereits durch sein Studium über umfassende theoretische Kenntnisse von Packmaterialen - wie vom Merkmal M2 vorausgesetzt – einschließlich ihrer Verarbeitbarkeit in industriellen Herstellungsprozessen - wie von den Merkmalen M4 und M5.2 vorausgesetzt - verfügt, und der zudem eine mehrjährige, praktische Berufserfahrung auf dem Gebiet der Getränkeverpackungen aus Mono- oder mehrschichtigem Verbundmaterial aufweist.
5. Zum Verständnis des Patentgegenstandes
Den Grundsätzen zu Art. 69 Abs. 1 EPÜ folgend ist bei der Auslegung eines europäischen Patents der Patentanspruch in seinem technischen Sinn und nicht in seiner philologischen Bedeutung aufzufassen. Die Frage, ob eine bestimmte Anweisung zum Gegenstand eines Anspruchs des Patents gehört, entscheidet sich deshalb danach, ob sie in dem betreffenden Patentanspruch Ausdruck gefunden hat (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 2007, 778 - Ziehmaschinenzugeinheit; GRUR 2007, 959 - Pumpeinrichtung). Danach ist entscheidend, welcher technische Sinngehalt aus der Sicht des angesprochenen Fachmanns den Merkmalen des Patentanspruchs im Einzelnen und in ihrer Gesamtheit (BGH GRUR 2002, 515, 517 - Schneidmesser I; GRUR 2001, 232, 233 - Brieflocher, jeweils m. w. N.) aufgrund einer am technischen Gesamtzusammenhang orientierten Betrachtung zukommt (st. Rspr. Vgl. BGH GRUR 2011, 129 - Fentanyl-TTS; GRUR 2004, 845 – Drehzahlermittlung, m. w. N.). Hierbei sind auch Begriffe in den Patentansprüchen so zu deuten, wie sie der angesprochene Fachmann nach dem Gesamtinhalt der Patentschrift unter Berücksichtigung der in ihr objektiv offenbarten Lösung bei unbefangener Erfassung der im Anspruch umschriebenen Lehre zum technischen Handeln versteht (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 2006, 311 - Baumscheibenabdeckung; GRUR 2004, 845 - Drehzahlermittlung). Die Patentschrift bildet daher ihr eigenes Lexikon.
Im Einzelnen ist von folgendem Verständnis auszugehen:
Merkmal M2 definiert zwar den Aufbau der Wandung des Getränkebehälters nach seiner Art, nicht jedoch den Werkstofftyp; jedenfalls muss dieser für eine Verschweißung mit dem „Flicken“ (Merkmale M5 und M5.2) geeignet sein.
Die Form der Einstichsöffnung (Merkmal M3) ist im Anspruch 2 nicht weiter spezifiziert. Im Zusammenhang mit dem Merkmal M4 folgt für deren Ausführung lediglich, dass eine vorab durch Stanzen örtlich begrenzt erzeugte, durchgehende Öffnung in der Behälterwandung derart beschaffen sein muss, dass ein Einstechen eines Trinkhalmes gerade ohne damit einhergehende Durchtrennung des die Wandung des Getränkebehälters bildenden Materials möglich ist. Neben der Ausbildung eines Loches (Patentanspruch 4) durch Stanzen offenbart das Patent auch eine kreuzschlitzartige Einstanzung (Patentanspruch 3). In diesem Fall bildet sich eine Durchtrittsöffnung - anders als bei einem Loch - erst beim Einstechen aus, indem das Behälterwandungsmaterial nach innen gedrückt wird (vgl. Spalte 2, Zeilen 27 bis 29 in EP 0 600 502 B1).
Die gemäß Merkmal M5 an der Innenseite der Behälterwandung angebrachte Verschlussfolie ist dagegen beim Einstechen des Trinkhalmes zu durchtrennen, mithin muss diese für ein Durchstechen mittels eines Trinkhalmes ausgelegt sein. Sie stellt eine „zusätzliche“ Folie zu dem Behälterwandungsmaterial dar und kann nicht von dieser selbst gebildet sein. Das wegen Merkmal M5.2 zwingend für eine Verschweißung geeignete Folienmaterial ist hinsichtlich der Art des Aufbaus, der Materialien und der Dicke erst durch die erteilten Ansprüche 6 bis 13 bzw. durch die Ansprüche 2 in den hilfsweise verteidigten Fassungen näher definiert.
Weil gemäß Merkmal M5.1 die „zusätzliche“ Verschlussfolie zudem durch die Einstichsöffnung nach außen freigelegt und somit von außen frei zugänglich sein soll, schließt der Anspruch 2 die Anordnung einer weiteren Verschlussfolie an der Außenseite des Getränkebehälters aus.
Der Begriff „Flicken“ im Merkmal M5.2 soll die räumliche Ausdehnung der zusätzlichen Verschlussfolie (Merkmal M5.1) umschreiben. Wegen der zwischen den Parteien umstrittenen Bedeutung dieses Merkmals hatte der Senat bereits im qualifizierten Hinweis vom Dezember 2010 entsprechend den obigen Kriterien zur Auslegung ausgeführt, dass dieser Begriff einen insoweit Material sparenden Folienabschnitt umschreibt, als dieser kleiner als eine vollflächig über die gesamte Breite des Beutels verlaufende Folie ist und an keiner Seite in den Randbereich des Behälters hineinragt. Letztere Ausführung ist laut der Beschreibung Spalte 2, Zeilen 8 bis 10 gewollter Gegenstand des von der Klage nicht betroffenen Patentanspruchs 1, die für sich entsprechend der in Figur 3 dargestellten Ausführung mit einer bis zu den Seitennähten (12) reichenden Verschlussfolie (7) offenbart ist.
Aufgrund der Seitenansicht in Figur 2 erkennt der Fachmann in den horizontalen Linien ober- und unterhalb der Einstichsöffnung (2) Körperkanten eines Verschlussfolienstreifens mit insoweit bereits geringerer Erstreckung in der Höhe des Beutels als bei der in Figur 5 gezeigten Ausführung. Im Unterschied hierzu offenbart das Patent für ein „zweites Ausführungsbeispiel“ (vgl. Spalte 3, Zeilen 41 bis 45) im Zusammenhang mit der Figur 4 einen scheibenförmigen Folienabschnitt, der gegenüber der in Figur 3 gezeigten Ausführungsform mit ähnlich großer Erstreckung in Höhenrichtung noch darüber hinaus materialsparend(er) als „Flicken“ ausgeführt ist. Dies entspricht dem gemäß der Beschreibung Spalte 2, Zeilen 10 bis 15 gewollten Verständnis, wonach im Falle des Anspruchs 2 die Verschlussfolie „…materialsparend als „Flicken“ aufgeschweißt sein kann“.
Figuren aus Streitpatent
Hiervon zu unterscheiden ist die flächige Erstreckung der zur Anbringung der zusätzlichen Verschlussfolie (7) an der Innenseite (Merkmal M5) vorgesehenen, in den Figuren 3, 4 und 5 jeweils ringförmig um die Einstichsöffnung herum verlaufend dargestellten Schweißstelle (8), für die das Patent noch andere Ausführungsformen („quadratisch, rechteckig, rasterartig oder in konzentrischen Kreisen“) vorschlägt, vgl. Spalte 2, Zeilen 10 bis 15. Die unabhängig von der Größe der Verschlussfolie (7) wählbare Größe des Schweißnahtbereichs (8) - vgl. Figuren 3 und 5 - ist zudem kein Merkmal des beanspruchten Getränkebehälters.
Die Frage, ob dem Begriff „Flicken“ insoweit zusätzlich eine die mögliche räumliche Ausdehnung gegenüber der abzudeckenden Einstichsöffnung beschränkende Bedeutung beizumessen ist, so wie sie sie dem Ausführungsbeispiel nach Figur 4 zugrunde liegt, dem aufgrund der Angaben Spalte 4, Zeilen 19 bis 22 eine scheibenförmige Gestaltung entsprechend der kreisringförmigen Ausbildung der Schweißnahtfläche zu unterstellen ist, kann hier letztlich offenbleiben, auch wenn im Hinblick auf den Rechtsnormcharakter erteilter Patentansprüche (zum Verletzungsverfahren: BGH GRUR 2009, 653 - Straßenbaumaschine) grundsätzlich eine eindeutige Identifizierung der Erfindung geboten ist (vgl. BGH GRUR 2009, 749 - Sicherheitssystem). Denn im Patentnichtigkeitsverfahren ist diese nur in dem Umfang erforderlich, wie dies zur Prüfung der Bestandsfähigkeit des Patents gegenüber dem geltend gemachten Nichtigkeitsgrund erforderlich ist (BGH GRUR 2004, 47 - Blasenfreie Gummibahn I). So ist es auch vorliegend. Es kann deshalb im Hinblick auf den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass das Merkmal 5.2 in der definierten, eingeschränkten Begrifflichkeit zu verstehen ist, dass der „Flicken“ gegenüber der in der Figur 3 gezeigten Verschlussfolie nur einen Teil der Breite der Behälterwandung überdeckt. Denn auch dann erweist sich die beanspruchte technische Lehre als durch den im Verfahren genannten Stand der Technik nahe gelegt.
Wie der Senat bereits in seinem qualifizierten Hinweis vom 2. Dezember 2010 (Bl. 89 d. A.) und ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 12. April 2011 erläutert hat, ist ferner davon auszugehen, dass die „und“-Verknüpfung in Patentanspruch 17 als „oder“-Verknüpfung auszulegen ist. Dieser Auslegung haben die Parteien zugestimmt.
6. Der Senat war aufgrund des geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes nach § 97 Abs. 1 PatG - hier veranlasst durch die in der mündlichen Verhandlung vom 12. April 2011 vorgelegte eingeschränkte Fassung des Streitpatents nach den Hilfsanträgen I-III - nicht gehindert, die eigenständig recherchierte Druckschrift S1 von Amts wegen in das Verfahren einzuführen, auch wenn diese nicht Gegenstand eines früheren Verfahrens war (hierzu BGH Mitt 2004, 213 - Gleitvorrichtung; Urt. des Senats v. 21.3.2006, 1 Ni 18/04) oder im Streitpatent erwähnter Stand der Technik ist (BGH BlPMZ 1992, 496; Benkard PatG, 10. Aufl., § 87 Rn. 8; Schmieder GRUR 1982, 348).
Soweit die Klägerin im Hinblick auf die Hilfsanträge I bis III die Verspätungsrüge nach § 83 Abs. 4 PatG erhoben hat, hat der Senat bereits anlässlich der Erörterung dieser Hilfsanträge darauf hingewiesen, dass diese Rüge nicht eingreift. Zwar findet aufgrund der nach dem 1. Oktober 2009 erhobenen Klage § 83 PatG in der durch das Gesetz zur Vereinfachung und Modernisierung des Patentrechts vom 31.7.2009 (BGBl I 2009, 2521) geltenden Fassung Anwendung. Auch kann der Senat danach eine Verteidigung des Streitpatents in einer geänderten Fassung als verspätet zurückweisen, soweit die Voraussetzungen des § 83 Abs. 4 PatG vorliegen. Hieran fehlt es aber bereits, so dass für eine entsprechende Ermessensentscheidung kein Raum ist.Denn aufgrund der im qualifizierten Hinweis vom 2. Dezember 2010 (Bl. 89 d. A.) den Parteien mitgeteilten vorläufigen Rechtsauffassung des Senats bestand für die Beklagte keine Veranlassung, das Streitpatent durch geänderte Patentansprüche zu verteidigen. Dies gilt entgegen der von der Klägerin geäußerten Rechtsauffassung auch für die Hilfsanträge II und III. Denn auch wenn sich insoweit insbesondere bezüglich Hilfsantrag II die Frage einer unzulässigen Erweiterung des Inhalts der Anmeldung (siehe unten) stellte und zudem bezüglich der nach den Hilfsanträgen II und III beanspruchten Ausbildung der Barriereschicht bisher nicht relevante Aspekte zu klären waren, so ändert dies nichts an dem Umstand, dass die Beklagte erst in der mündlichen Verhandlung vom 12. April 2011 auf die geänderte Rechtsauffassung des Senats hingewiesen wurde und bis dahin aufgrund des qualifizierten Hinweises vom 2. Dezember 2010 keine Veranlassung zu einer Verteidigung des Streitpatents mit einer geänderten Fassung hatte. Es fehlt mithin bereits der von § 83 Abs. 4 Ziffer 2 PatG vorausgesetzte Sorgfaltsverstoß und damit eine verschuldete Fristversäumnis.
III.
1. Zum Hauptantrag
1.1 Der dem Streitpatent in der erteilten Fassung zu entnehmende Gegenstand des Patentanspruchs 2 ist neu (Art. 54 Abs. 1 und 2 EPÜ).
Die nach Auffassung der Klägerin den Gegenstand des Anspruchs 2 neuheitsschädlich vorwegnehmende D1 offenbart im Zusammenhang mit einem Getränkebeutel lediglich einen sich über die gesamte Breite der Behälterinnenwandung erstreckenden Abdeckstreifen, der durch Aufsiegelung der hierfür verschweißbaren Materialien angebracht ist (vgl. dort Anspruch 1 und Seite 3 (Seitenrandeintragung unten), zweiter und dritter Absatz). Der in D1 beschriebene Getränkebehälter weist auch die Merkmale M0 bis M5.1 auf, vgl. dort die Ansprüche 1 bis 4 im Zusammenhang mit den Figuren 1 bis 3. Aufgrund der flächigen Ausdehnung des Abdeckstreifens ist dieser dort jedoch nicht als „Flicken“ mit Material sparender Formgebung der Verschlussfolie im Sinne des wie vorstehend ausgeführt verstandenen Merkmals M5.2 ausgestaltet.
Figur 1 aus DE 75 18 956 (D1)
Entsprechend dem für das Streitpatent vorausgesetzten Verständnis des Fachmanns unterstellt dieser nämlich auch dem in den Figuren 1 bis 3 gestrichelt dargestellten Linienzug unterhalb der Einstichsöffnung (3) zwanglos die sinnbildliche Darstellung einer (verdeckten) Körperkante des den Verschlussstreifen bildenden Abdeckstreifens (2) ähnlich den Linienzügen in Figuren 3 oder 5 des Streitpatents, so dass der Abdeckstreifen bis zu den seitlichen Rändern des Getränkebehälters reicht.
Auch die den Aufbau eines tütenförmigen Behälters mit einer darin ausgebildeten Einführungsöffnung für einen Trinkhalm lehrende, von der Klägerin als neuheitsschädlich angesehene D2 - vgl. dort Anspruch 1 -, nimmt den Gegenstand des Anspruchs 2 des Streitpatents nicht vorweg. Gemäß den Anweisungen dort ist nämlich im Bereich der Einstichsöffnung zusätzlich zu inneren Verschlussfolien (Pos. 17 und 18 in Figur 5) zwingend ein mit der einen inneren Verschlussfolie verschweißter Folienstreifen 21 außenseitig auf der Behälterwandung 12 angeordnet. Da die innere, die Einführungsöffnung gegen Austritt des Behälterinhalts abdichtende Verschlussfolie 17 somit nicht nach außen freiliegt, ist Merkmal M5.1 dort nicht verwirklicht.
1.2 Der Gegenstand nach Patentanspruch 2 in der erteilten Fassung ist jedoch durch den im Verfahren befindlichen Stand der Technik nahe gelegt (Art. 56 EPÜ).
Für die Beurteilung, ob eine beanspruchte technische Lehre auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, ist von dem auszugehen, was das Beanspruchte in der Gesamtheit seiner Lösungsmerkmale in ihrem technischen Zusammenhang (BGH GRUR 2007, 1055, Tz. 28 - Papiermaschinengewebe) gegenüber dem Stand der Technik im Ergebnis tatsächlich leistet (BGH GRUR 2010, 607, Tz. 18 - Fettsäurezusammensetzung; BGH GRUR 2010, 602, Tz. 27 - Gelenkanordnung).
Hiervon ausgehend ist auch die Aufgabe zu formulieren (BGH GRUR 2005, 141 - Anbieten interaktiver Hilfe; BGH GRUR 2010, 602, Tz. 27 - Gelenkanordnung).
Den Ausgangspunkt für die Überlegungen des Fachmanns bildet hier der durch die D1 bekannte Beutel, vgl. vorstehende Ausführungen zum Offenbarungsgehalt der D1 im Abschnitt III, Punkt 1.1. Denn der mit der konkreten technischen Ausgestaltung für einen in Massen herzustellenden Getränkebehälter betraute Fachmann findet in der D1 beispielhaft einen Aufbau beschrieben, dem diese Druckschrift ausdrücklich eine leichte Durchstoßbarkeit des eine vorgestanzte Einstichsöffnung von innen verschließenden Abdeckstreifens zuschreibt, vgl. dort Seite 2 (Eintragung am unteren Seitenrand) unten im Zusammenhang mit Seite 3, zweiter Absatz.
Dieser bekannte Getränkebehälter ist von daher auch im Übrigen entsprechend der in der Patentschrift im Hinblick auf bekannte Lösungen mit gesondert abzureißenden Aufrisslaschen genannten Aufgabe bereits „unter Gesichtspunkten des Umweltschutzes vertretbar“.
Gegenüber der aus D1 hervorgehenden Ausführung mit einem sich flächig über die gesamte Breite der Beutelwandung erstreckenden Abdeckstreifen vermag ein Getränkebehälter mit den Merkmalen des Patentanspruchs 2 bei dem vorerwähnten Verständnis des Begriffs „Flicken“ im Merkmal M5.2 lediglich eine weitere Verkleinerung der Verschlussfolie zu leisten und hat somit eine Veränderung der Dimension dieser zusätzlichen Verschlussfolie zum Gegenstand, die dem Fachmann im Rahmen einer Optimierung nach technisch-wirtschaftlichen Kriterien innerhalb der durch D1 und D2 vorgegebenen Grenzen ohne Weiteres möglich und auch nahegelegt war:
So findet der Fachmann in der D2 an der Behälterwandung anzubringende „Flicken“ im Sinne des Merkmals M5.2 offenbart, vgl. Figuren 5 und 7. Die aus Folienmaterial ausgestanzten, scheibenförmigen Dichtungsteile 17 und 18 (vgl. Figuren 5 und 6) überragen die abgedeckte, in der Behälterwandung vorgestanzte Durchführungsöffnung 16 nur in dem für die jeweilige kreisringförmige Schweißnaht erforderlichen Maß, vgl. Seite 6, Zeilen 16 bis 25 und 43 bis 51 im Zusammenhang mit Figur 13.
Figur 5 aus D2
Wie der Fachmann weiß, hängt der Aufwand für die Herstellung derartiger Getränkebehälter von Art und Menge der verwendeten Materialien und der für deren Verarbeitung zum fertigen Produkt notwendigen Fertigung ab. Nach den beim Fachmann vorauszusetzenden Kenntnissen der Fertigungstechnik für die Verarbeitung von Folien durch Aufschweißen können über die Breite des Beutels reichende Abdeckstreifen - wie aus D1 bekannt - fortlaufend von der Rolle aufgebracht werden, während zur Herstellung eines Beutels mit vereinzelten Flicken - die D2 beschreibt hierfür ein gesondertes Ausstanzen der innen liegenden Dichtungsteils 17, vgl. dort Seite 6, Zeilen 16 bis 18 - offensichtlich besondere Maßnahmen zur Positionierung auch in Breitenrichtung erforderlich sind.
Mithin hatte der vor dem Problem einer Minimierung des Herstellaufwandes für das Massenprodukt „Getränkebehälter“ stehende Fachmann aufgrund fachüblicher Überlegungen und angeregt durch die D2 auch Anlass, bei dem aus D1 bekannten Getränkebehälter die Verschlussfolie Material sparend als „Flicken“ auszugestalten. Die Erfolgserwartung bei dieser im Übrigen sich ohne Weiteres erschließenden und stets angestrebten Optimierung zwischen sich gegenseitig beeinflussenden Parametern (Materialeinsatz/Fertigung) bestand hierbei in der Verringerung des Materialaufwandes, ohne dass der Fachmann durch den hierfür erforderlichen erhöhten Fertigungsaufwand in Anbetracht der ihm aus D2 bekannten Lösung abgehalten war.
Somit ist der Gegenstand des Anspruchs 2 des Patents in der erteilten Fassung nicht patentfähig.
2. Zu den Hilfsanträgen
2.1 Gemäß Anspruch 2 des Hilfsantrags I ist die Verschlussfolie gegenüber dem Anspruch 2 in der erteilten Fassung durch folgendes ergänztes Merkmal als Verbundfolie qualifiziert:
M5.3 Als Verschlussfolie (7, 11) ist eine Verbundfolie vorgesehen.
Diese Ausbildung ist bereits Gegenstand des Unteranspruchs 7 in der erteilten Fassung. Hierfür sind im Patent Aufbauten der Folie beschrieben, für die Schichten von Siegelmaterial - die von daher ein Aufschweißen entsprechend Merkmal 5.2 ermöglichen - mit Schichten von kaum sauerstoffpermeablen Materialien verbunden sind, vgl. hierzu Spalte 2, Zeilen 36 bis 49.
Wenngleich mit dem Merkmal M5.3 die Materialien nach Art und Schichtenanzahl nicht näher definiert sind, eröffnet diese Maßnahme die Möglichkeit, die bestimmten Materialien für sich inhärenten Gebrauchseigenschaften wie Siegelbarkeit - zwingend wegen Merkmal M5.2 - und beispielsweise Sauerstoffundurchlässigkeit in einem „Flicken“ zu vereinen, um so die Einstichsöffnung dem jeweiligen Einsatzzweck (Füllgut, Umgebung) angepasst zu verschließen.
Insoweit bestand das technische Problem vorliegend auch in der Optimierung der Sperreigenschaft der Verschlussfolie.
Dieses technische Problem ist bereits in der D1 angesprochen: Für einen selbst aus einer Drei-Schicht-Verbundfolie mit dem Aufbau Polyester-Aluminium-Polyäthyleninnenschicht (vgl. dort Anspruch 3) hergestellten Getränkebeutel ist dort die Ausführung des aus dem gleichen Grundmaterial wie die innere Schicht bestehenden Abdeckstreifens „in lichtundurchlässiger Einfärbung“ vorgeschlagen, vgl. Seite 3, vorletzter Absatz, letzter Satz. Diese dem Beutelwandungsmaterial aufgrund der Aluminiumschicht inhärente Gebrauchseigenschaft eines Lichtschutzes bietet dort somit auch der Abdeckstreifen. Mit solchermaßen angeglichener Sperreigenschaft wird auch im Bereich der vorgestanzten Einstichsöffnung verhindert, dass Licht das Füllgut durch den Abdeckstreifen hindurch beaufschlagen könnte.
Die Verwendung einer siegelfähigen Verbundfolie entsprechend Merkmal M5.3, in der Schichten mit unterschiedlichen Gebrauchseigenschaften vereint sind, hat ihr Vorbild in D4: In dieser Druckschrift ist für die Abdeckung einer Einstichsöffnung - ähnlich der aus D2 hervorgehenden Lösung (vgl. in D4 Figur 2 im Zusammenhang mit Seite 11, Zeilen 14 bis 19 bzw. Figur 5 in D2) - die Ausführung eines Folienabschnitts nach Art eines „Flickens“ beschrieben („sealing layer 13 which is in the form of a separate liquid-tight thermoplastic strip sealed to the internal layer of the packing laminate“, vgl. Seite 8, Zeilen 3 bis 7). Dieser deckt an der Innenseite des Behälters ein vorgestanztes Loch flüssigkeitsdicht ab. Für diesen Folienabschnitt ist ausdrücklich auch eine Ausführung mit Barriereschichten gegen Gasdurchtritt vorgeschlagen („If further safety is required, also against the leakage of gas, the sealing layer 13 can be provided, of course, with further barrier layers against gas“, vgl. Seite 8, Zeilen 24 bis 26).
Wenngleich das hierfür in D4 offenbarte Ausführungsbeispiel darüber hinaus die Verbindung mit einem zusätzlichen, außenliegenden Abdeckfolienabschnitt zum Aufreißen ähnlich D2 vorsieht, vgl. Seite 11, Zeilen 19 bis 22, wird der Fachmann in dem Hinweis auf die mögliche Verwendung von Verbundmaterial als Austauschmittel für Monomaterial eine Lösungsmöglichkeit für das hier gestellte Problem erkennen.
Der Fachmann, der in fachmännischer Anpassung des aus D1 bekannten Getränkebehälters an den praktischen Bedarfsfall eine bedarfsgerechte Abdeckung der Einstichsöffnung anstrebt, brauchte deshalb nur die vorteilhafte Lösung der D4 als Vorbild aufzugreifen und im Rahmen eines einfachen Materialtauschs auf Verbundfolien — auch zur Herstellung von materialsparenden „Flicken“ — zurückzugreifen, soweit Monofolien mit den gewünschten Eigenschaften in Kombination nicht verfügbar sind.
Die in D4 (Seite 3, Zeilen 11 bis 23) benannten Nachteile einer Verbundfolie für die innenseitige Abdeckung von Einstichsöffnungen betreffen nur die Materialkosten und eine mangelnde Delaminierfestigkeit einer speziellen Verbundfolie bei Verwendung im Zusammenhang mit einem außenseitig angeschweißten Abreißstreifen. Diese können - entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung – hinsichtlich der Substitution des in D1 vorgeschlagenen Verschlussstreifens deshalb kein allgemeines Vorurteil begründen, dass den Fachmann von einem Materialtausch bei konkretem Bedarf nur eines Verschlussstreifens von vornherein abhalten konnte, vgl. auch Seite 8, Zeilen 26 bis 32 („this embodiment […] will be justified only in exeptional cases“). Denn die Materialkosten hängen von der Größe des „Flickens“ ab, die der Fachmann auch im Übrigen durch sachgerechte Auslegung (s. o.) zu begrenzen versucht. Der von der Beklagten behauptete weitere Nachteil mangelnder Delaminierfestigkeit ist bei der Optimierung der aus D1 bekannten Verpackung, die ohne außenseitige Aufreißhilfe auskommt, irrelevant; im Übrigen lehrt die D4 gerade die innenseitige Anwendung (s. Abschnitt 1.2) trotz dieses behaupteten Nachteils.
Im Übrigen schlägt die D4 die Ausführung mit außen- und zusätzlichem innenliegenden Verschlussstreifen vor, um die offen liegenden Kanten der Beutelwandung im Bereich der gestanzten Öffnung beidseitig abzudecken, vgl. Seite 1, Zeilen 32 bis 37. Der Fachmann, der im konkreten Anwendungsfall die Nachteile nach außen offenliegender Stanzkanten bei der aus D1 bekannten Lösung bewusst in Kauf nimmt und lediglich die Sperreigenschaft der Verschlussfolie zu optimieren sucht, wird die hierfür in D4 herausgestellte Verwendung einer Verbundfolie von daher auch isoliert für seinen durch Einstechen zu öffnenden Verpackungstyp übernehmen. Der Fachmann erkennt hierin eine Möglichkeit, auch bei einer umweltverträglichen, weil ohne Abrisslasche auskommenden Getränkeverpackung den Inhalt besser schützen zu können.
Hinsichtlich der übrigen Merkmale wird insoweit auf die vorstehenden Ausführungen zum Anspruch 1 gemäß Hauptantrag hingewiesen.
Im Ergebnis ist deshalb festzustellen, dass der Gegenstand des Anspruchs 2 gemäß Hilfsantrag I nicht patentfähig ist.
2.1 Gemäß Anspruch 2 des Hilfsantrags II ist die Verschlussfolie gegenüber dem Anspruch 2 in der Fassung gemäß Hilfsantrag I durch folgendes ergänztes Merkmal hinsichtlich des Materials der eine Barriereeigenschaft aufweisenden Schicht näher qualifiziert:
M5.3.1 Die Verbundfolie weist eine Barriereschicht aus EVOH auf.
Das Patent schreibt dem Kunststoff EVOH (fachübliche Kurzbezeichnung für Ethylen-Vinylalkohol-Copolymer) eine geringe Sauerstoffdurchlässigkeit zu, vgl. Spalte 2, Zeilen 42 bis 44 und 47 bis 49. In Anbetracht der in D4 angesprochenen Probleme von Aluminium als Barriereschicht - wonach selbst freiliegende Schnittkanten nicht in Kontakt mit dem Füllgut stehen dürfen, vgl. Seite 2, Zeilen 16 bis 29 - und der dort angesprochenen Kostennachteile einer reinen Kunststoff-Verbundfolie mit PVDC („polyvinylidene chloride“) als Gasbarriereschicht zwischen siegelfähigen PE-Deckschichten (Polyethylen), vgl. Seite 3, Zeilen 11 bis 23, war der Fachmann gehalten, auch andere als Verpackungsmaterial gebräuchliche Kunststoff-Verbundfolien mit einer dem jeweiligen Anwendungsfall entsprechenden Barriereeigenschaft auf ihre Eignung hin im Rahmen einer fachüblichen Optimierung zu überprüfen.
Die Druckschrift S1 belegt, dass lange vor dem Zeitrang des Streitpatents siegelbare Verbundfolien mit einer EVOH-Zwischenschicht aufgrund deren besonderer Gasbarriereeigenschaft bekannt waren, vgl. Spalte 1, Zeilen 43 bis 46, und Spalte 1, Zeile 65 bis Spalte 2, Zeile 2 im Zusammenhang mit Spalte 2, Zeilen 39 bis 44 und Zeilen 52 bis 54. Weil die S1 derartige Verbundfolien für Verpackungszwecke als Ersatz für Monofolien vorschlägt, vgl. Spalte 1, Zeilen 9 bis 16, war der angesprochene Fachmann bereits aufgrund dieses Hinweises - jedenfalls aufgrund des Vorbildes in D4 - zu einer Substitution veranlasst, wobei er den Erfolg einer geringen Sauerstoffpermeabilität bei einer Anwendung als Verschlussfolie in einem Getränkebehälter erwarten konnte.
Die von Beklagten vertretene Auffassung, dass der Fachmann die in S1 aufgeführten Verbundfolien wegen eines in der Wasserempfindlichkeit von EVOH begründeten Vorurteils keinesfalls für einen Materialtausch in Betracht gezogen hätte, beruht auf falschen Annahmen zur Sauerstoffdurchlässigkeit dieses Werkstoffs: Die das Fachwissen zum Kunststoff EVOH belegende D14 spricht zwar eine Abhängigkeit dieser Barriereeigenschaft von der Feuchtigkeit an, vgl. dort den Absatz unterhalb der Tafel 3 auf Seite 45. Jedoch ist die Durchlässigkeit selbst bei vollständig benetzter Folie (relative Feuchtigkeit RH = 100%) absolut und relativ vernachlässigbar gering gegenüber der Durchlässigkeit von PE-Folien, vgl. dort Tafel 4: Während benetztes PE eine Sauerstoffdurchlässigkeit von 2700 cc/m2 . 24hrs . atm aufweist, erreichen EVOH-Werkstoffe maximal eine Sauerstoffdurchlässigkeit von 25 cc/m2 . 24hrs . atm. Die fortbestehende Gasbarrierewirkung musste den Fachmann, bei dem auch das Wissen um die verringerte Sperrwirkung von PE-Folien im nassen Zustand vorausgesetzt werden kann, daher eher in seiner Erfolgserwartung hinsichtlich einer verbesserten Sperrwirkung durch Verwendung von EVOH-Folien im Verbund bestätigen.
Im Ergebnis ist deshalb festzustellen, dass auch der Gegenstand des Anspruchs 2 gemäß Hilfsantrag II nahegelegt war und dieser nicht patentfähig ist.
2.3 Gemäß Anspruch 2 des Hilfsantrags III ist die Verschlussfolie gegenüber dem Anspruch 2 in der Fassung gemäß Hilfsantrag II durch folgende ergänzte Merkmale hinsichtlich des Aufbaus und der Dicke der Verschlussfolie näher qualifiziert:
M5.3.2 Die Verbundfolie weist folgenden Aufbau auf:
Siegelmaterial /
Haftvermittler /
Barriereschicht /
Haftvermittler / Siegelmaterial.
M5.4 Die Verschlussfolie ist zwischen 20 μm und 120 μm stark.
Für das aus dem Anspruch 8 in der erteilten Fassung folgende Merkmal M5.3.2 schlägt das Patent beispielhaft PE als Siegelmaterial und EVOH - entsprechend Merkmal M5.3.1 - als Barriereschicht vor, vgl. Spalte 4, Zeilen 36 bis 40.
Das die Dicke der Verbundfolie insgesamt definierende Merkmal M5.4 folgt aus dem Anspruch 12 in der erteilten Fassung.
Verbundfolien mit diesem Aufbau sind als Beispiele 5 und 14 in der Tafel I der S1 aufgeführt: Die äußeren Schichten aus (mittel-dichtem) Polyethylen („medium density polyethylene“, „MDPE“) sind insoweit siegelfähig, das Material der eingeschlossenen Barriereschicht ist EVOH, und als notwendiger Haftvermittler („strong adhesion characteristics“) zwischen PE und EVOH - über deren Art sich das Patent ausschweigt - dienen dort PVAc’s („polyvinyl acetate polymer“), vgl. Spalte 1, Zeilen 47 bis 54 und Zeile 65 bis Spalte 2, Zeile 9, sowie Spalte 3, Zeilen 7 bis 64 im Zusammenhang mit Spalte 4, Zeilen 40 bis 43.
Die für das Beispiel 14 angegebene Dicke („Thickness“) in der alternativen Einheit „mils“ (1 mil ~ 0,001 inch ~ 25,4 mm/1000) entspricht somit 0,0762 mm (3 mil ~ 76 μm), die somit im beanspruchten Bereich entsprechend Merkmal M5.4 liegt. Die leichte Durchstoßbarkeit, die das Patent einer Verbundfolie mit dieser Dicke zuspricht, ergibt sich somit zwangsläufig bei Verwendung der in S1 für Verpackungszwecke vorgeschlagenen Varianten.
Aus den vorstehend zum Anspruch 2 gemäß Hilfsantrag II genannten Gründen hatte der Fachmann Anlass, diese siegelfähigen, weil mit Deckschichten aus PE versehenen Verbundfolien als Ersatz für die in D1 angesprochene Monofolie aus PE herzunehmen und sich an der S1 zu orientieren, wodurch der Fachmann bei im Übrigen ebenfalls naheliegender materialsparender Ausgestaltung des Abdeckstreifens (s. o.) die Lehre des Anspruchs 1 im Rahmen fachüblicher Überlegungen bei der Auswahl von Folienmaterial bereits vollzogen hatte.
Somit ist auch der Gegenstand des Anspruchs 2 gemäß Hilfsantrag III nicht patentfähig.
2.4 | Die von der Klage betroffenen Unteransprüche weisen gleichfalls keinen eigenständig erfinderischen Gehalt auf. Ein solcher wurde von der Beklagten auch nicht geltend gemacht. |
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs. 1 PatG, § 709 Satz 1 und 2 ZPO.