Entscheidungsdatum: 11.06.2013
In der Patentnichtigkeitssache
…
betreffend das europäische Patent EP 1 165 400
(DE 501 00 076)
hat der 1. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 11. Juni 2013 durch die Präsidentin Schmidt sowie die Richter Voit, Dipl.-Ing. Schlenk, Dr.-Ing. Baumgart und Dr.-Ing. Krüger
für Recht erkannt:
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des u. a. mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 165 400, das am 24. Januar 2001 unter Inanspruchnahme der Priorität aus der deutschen Gebrauchsmusteranmeldung 20001438 U vom 28. Januar 2000 angemeldet worden ist.
Das die Bezeichnung "Kartuschenkolben" tragende, in der erteilten Fassung 14 Patentansprüche umfassende Patent wurde mit der Schrift EP 1 165 400 B1 in deutscher Sprache veröffentlicht.
Das Patent wurde im Nichtigkeitsverfahren 1 Ni 6/06 gemäß Urteil vom 5. Dezember 2006 für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik teilweise für nichtig erklärt. Eine geänderte Patentschrift wurde unter der Nr. DE 501 00 076 C5 veröffentlicht.
Die Klägerin hat mit der beim Bundespatentgericht am 6. Februar 2012 eingegangenen Nichtigkeitsklage vom 3. Februar 2012 das Streitpatent im Umfang aller Ansprüche angegriffen.
Der geltende Anspruch 1 des Patents in der geänderten Fassung – gemäß Urteil 1 Ni 6/06 bzw. DE 501 00 076 C5 - hat folgenden Wortlaut (Änderungen gegenüber der Fassung gemäß EP 1 165 400 B1 durch Streichung bzw. Unterstreichung gekennzeichnet):
Kartuschenkolben (1, 1A) aus einem gegenüber dem Kartuscheninhalt empfindlichen Material, mit einer Abdeckscheibe (9, 9A) aus einem gegenüber dem Kartuscheninhalt unempfindlichen Material, die auf der Kolbenoberfläche (5) angeordnet ist und eine der Querschnittsformen der Kolbenoberfläche (5) angepasste Struktur aufweist, wobei der der Wand der Kartusche zugewandte Bereich des Kolbens der Kolbenoberseite (1, 1A) im Querschnitt als V-förmige Ringnut (2) ausgebildet ist, die an ihrem Rand eine Dichtlippe (3) bildet, dadurch gekennzeichnet, dass der Außendurchmesser der Abdeckscheibe (9, 9A) kleiner ist als der Durchmesser des die Dichtlippe (3) bildenden Rands des Kolbens (1, 1A) und , dass der Rand der Abdeckscheibe (9, 9A) abdichtend mit der Kolbenoberfläche (5) verbunden ist, und dass die Abdeckscheibe (9, 9A) mit ihrem freien Ende zum Nutengrund (7) hin abgewinkelt ist.
Wegen des Wortlauts der übrigen von der Klage betroffenen, direkt oder indirekt auf den Anspruch 1 rückbezogenen Unteransprüche wird auf die Schriften DE 501 00 076 C5 und EP 1 165 400 B1 verwiesen.
Die Klägerin hat gegen den Rechtsbestand des Patents geltend gemacht, dass bereits dem Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 gegenüber dem druckschriftlich belegten Stand der Technik sowie zweier als offenkundig geltend gemachter Vorbenutzungen die Neuheit fehle oder keine erfinderische Tätigkeit zugrunde liege. Ergänzend hat die Klägerin zuletzt noch eingewendet, dass der Gegenstand des Patents in der geltenden Fassung über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe.
Demnach sind folgende Unterlagen im Verfahren zu berücksichtigen:
LR4 / D1 DE 295 06 800 U1
LR5 / D2 EP 966 331 B1
LR5a / D2a WO 99/36188 A1
LR6 / D3 DE 298 23 237 U1
LR7 / D4 DE 31 48 490 A1
LR8 / D5 DE 299 13 396 U1
LR41 / D6 EP 0 189 521 A2
LR42 Gutachterliche Stellungnahme
LR43 WO 01/55006 A1
OV1 Anlagenkonvolut Farbfotografien LR9 bis LR13 (Kolben), ergänzend Muster als LR18 (zusätzlich Schnittmodell in Verhandlung), weiter ergänzende Fotografien LR24 bis LR27 (Spritzgusswerkzeug), weiter ergänzend Fotografien LR36, LR37 (Kolben)
OV2 Anlagenkonvolut Farbfotografien LR14 bis LR16 (Kolben) ergänzend Muster als LR19 (zusätzlich Schnittmodell in Verhandlung) ergänzend Fotografien LR20 bis LR23 (Kartuschen) ergänzend Fotografien LR28 und LR29 (Spritzgusswerkzeug) ergänzend Fotografien LR38, LR39 und eidesstattliche Versicherung LR40
LR17 Produktblatt betreffend OV2 (oben links) und OV1 (darunter)
LR30 Telefax 5. Juni 2003
LR31, 31a Schreiben vom 2. November 2002 und Teileliste
LR32 Niederschrift mit Anlagen vom 22. Februar 2012
LR33 Schreiben vom 6. Dezember 2006
LR34 Schriftsatz der Patentinhaberin
LR35 Urteil LG Düsseldorf vom 31. August 2010 – 4b O 148/09
MFP1 Urteil BPatG 1 Ni 6/06 vom 5. Dezember 2006
MFP2 Farbfoto.
Die Klägerin beantragt,
das europäische Patent EP 1 165 400 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und den gerichtlichen Hinweis nach § 83 Abs. 1 PatG vom 9. April 2013 verwiesen.
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Senat konnte nicht feststellen, dass dem Gegenstand des Streitpatents in seiner geltenden Fassung die geltend gemachten Nichtigkeitsgründe der fehlenden Patentfähigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 lit. a EPÜ) und/oder unzulässiger Erweiterung des Inhalts der Anmeldung (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 lit. c EPÜ) entgegen stehen.
I.
1. Das Streitpatent betrifft einen Kartuschenkolben, der zum Herauspressen des Inhalts der Kartusche bei Druck auf den Kolben dient. Mit diesem muss zur Kartuschenwand hin, die sich beim Herauspressen aufbeulen kann, die erforderliche Abdichtwirkung zuverlässig erzielt werden.
Soweit die Kolben mit einer daran ausgebildeten Dichtlippe insgesamt aus einem derart weichen Kunststoff bestehen, dass die Dichtlippe ausreichend angepresst an der Kartuschenwand anliegt, sind entsprechende Werkstoffe wie Polyethylen gegen bestimmte, den Kartuscheninhalt bildende Materialien nur bedingt resistent und außerdem nicht ausreichend diffusionsdicht. Wird dagegen zur Abdeckung der Kolbenoberseite eine selbst mit ihrem Rand abdichtend an der Kartuschenwand anliegende Scheibe aus einem zwar diesen chemischen Anforderungen genügenden, jedoch nicht ausreichend weichen Werkstoff wie Polyamid vorgesehen, kann der Kartuscheninhalt nach hinten über den Kolben austreten, vgl. Absätze 0002 bis 0005 in EP 1 165 400 B1.
Als von der Erfindung zu lösende Aufgabe ist daher in der Streitpatentschrift angegeben, einen Kartuschenkolben so auszubilden, dass einerseits der Kolben vor dem Einfluss des Kartuscheninhalts geschützt ist und andererseits die Abdichtfunktion des Kolbens auch bei sich aufwölbender Kartusche gewährleistet ist, vgl. Absatz 0007.
Hierfür soll beim erfindungsgemäßen Aufbau des Kartuschenkolbens der Effekt ausgenutzt werden, dass die Beaufschlagung einer Dichtlippe mit dem auf den Kartuscheninhalt wirkenden Druck deren Verschwenken nach außen bzw. eine (weitere) Anpressung gegen die Kartuschenwand bewirken kann, vgl. Absatz 0004, Sätze 1 und 3 i. V. m. Absatz 0012, Satz 3.
2. Mit dem Patentanspruch 1 in der geltenden Fassung ist hierfür ein Kartuschenkolben mit Merkmalen wie folgt definiert:
a / M1 der Kartuschenkolben (1, 1A) besteht aus einem gegenüber dem Kartuscheninhalt empfindlichen Material;
b / M2 der Kartuschenkolben (1, 1A) hat eine Abdeckscheibe (9, 9A) aus einem gegenüber dem Kartuscheninhalt unempfindlichen Material;
c / M3 die Abdeckscheibe (9, 9A) ist auf der Kolbenoberfläche (5) angeordnet;
d / M4 die Abdeckscheibe (9, 9A) weist eine der Querschnittsform(en) der Kolbenoberfläche (5) angepasste Struktur auf;
e / M5 der der Wand der Kartusche zugewandte Bereich der Kolbenoberseite (1, 1A) ist im Querschnitt als V-förmige Ringnut (2) ausgebildet;
f / M6 die V-förmige Ringnut (2) bildet an ihrem Rand eine Dichtlippe (3);
g / M7 der Außendurchmesser der Abdeckscheibe (9, 9A) ist kleiner als der Durchmesser des die Dichtlippe (3) bildenden Rands des Kolbens (1, 1A);
h / M8 der Rand der Abdeckscheibe (9, 9A) ist abdichtend mit der Kolbenoberfläche (5) verbunden;
i / M9 die Abdeckscheibe (9, 9A) ist mit ihrem freien Ende zum Nutengrund (7) hin abgewinkelt.
3. Als Fachmann beschäftigte sich mit dem Gebiet des Streitpatents zum Anmeldezeitpunkt ein Ingenieur mit Abschluss des Studiengangs Kunststofftechnik, von daher mit allgemeinen Kenntnissen des Maschinenbaus und spezialisiert hinsichtlich der Kunststoff-Werkstofftechnik, dem Konstruieren mit Kunststoffen sowie deren Verarbeitung und mit mehrjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der Konstruktion von Kartuschen mit Austreibkolben.
4. Zur Ermittlung der technischen Lehre, die sich aus Sicht dieses hier maßgeblichen Fachmanns aus dem Anspruch 1 ergibt, ist der Sinngehalt des Patentanspruchs in seiner Gesamtheit und der Beitrag, den die einzelnen Merkmale zum Leistungsergebnis der Erfindung liefern, unter Heranziehung der den Patentanspruch erläuternden Beschreibung und Zeichnungen durch Auslegung zu ermitteln (vgl. BGH GRUR 2007, 410 – Kettenradanordnung). Dies darf allerdings weder zu einer inhaltlichen Erweiterung noch zu einer sachlichen Einengung des durch den Wortlaut des Patentanspruchs festgelegten Gegenstands führen (BGH Z 160, 204, 209; GRUR 2004, 1023 – Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung).
Begriffe in den Patentansprüchen sind deshalb so zu deuten, wie sie der angesprochene Fachmann nach dem Gesamtinhalt der Patentschrift und Berücksichtigung der in ihr objektiv offenbarten Lösung bei unbefangener Erfassung der im Anspruch umschriebenen Lehre zum technischen Handeln versteht (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 2006, 311 – Baumscheibenabdeckung; GRUR 2004, 845 – Drehzahlermittlung). Das Verständnis des Fachmanns wird sich dabei entscheidend an dem in der Patentschrift zum Ausdruck gekommenen Zweck dieses Merkmals orientieren (vgl. BGH GRUR 2001, 232 – Brieflocher, m. w. N.), wobei für die Feststellung des Offenbarungsgehalts der Gesamtheit der Anmeldungsunterlagen nichts anderes gilt als für die Auslegung der in einem Patentanspruch verwendeten Begriffe und dessen Lehre zum technischen Handeln (vgl. BGH GRUR 2008, 887 – Momentanpol II).
Zwar ist eine einschränkende Auslegung des Patentanspruchs unterhalb des Wortlauts (im Sinne einer Auslegung unterhalb des Sinngehalts) nach ständiger Rechtsprechung dann nicht zulässig, wenn der Fachmann aus der Anspruchsfassung bereits einen klar und eindeutig definierten Gegenstand entnehmen kann (BPatG 42, 204, GRUR 2000, 794 – veränderbare Daten; BGH Z 160, 204, 209; GRUR 2004, 1023 – Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung). Allein aus Ausführungsbeispielen darf daher nicht auf ein engeres Verständnis des Patentanspruchs geschlossen werden, als es dessen Wortlaut für sich genommen nahelegt. Maßgeblich ist vielmehr, ob die Auslegung des Patentanspruchs unter Heranziehung der Beschreibung und der Zeichnungen ergibt, dass nur bei Befolgung einer solchen engeren technischen Lehre derjenige technische Erfolg erzielt wird, der erfindungsgemäß mit den im Anspruch bezeichneten Mitteln erreicht werden soll (BGH, Urteil vom 12. Februar 2008 – X ZR 153/05; GRUR 2008, 779, 782 - Mehrgangnabe).
4.1 Danach ist im Einzelnen von folgendem Verständnis des geltenden Patentanspruchs 1, d. h. der in Kombination beanspruchten Merkmale auszugehen:
Aus der Formgebung des Kartuschenkolbens mit einer im Querschnitt V-förmigen Ringnut (Merkmal e) im der Wand der Kartusche zugewandten Bereich der Kolbenoberseite resultiert die Ausbildung eines umlaufenden äußeren Schenkels (Pos. 13 in Figur 1, vgl. auch Absatz 0010, Satz 3). Laut der Beschreibung Absatz 0010, Satz 3 ist am Ende dieses Schenkels eine flexible Dichtlippe 3 vorgesehen – nichts anderes besagt das Merkmal f in Verbindung mit der näheren Definition im Merkmal g, demzufolge der resultierende zylindermantelförmige Überstand randseitig ausgehend vom Nutengrund selbst die Dichtlippe ausbildet. Der Fachmann unterstellt hierbei zwanglos, dass die gleichsam – weil daran ausgebildete - aus einem gegenüber dem Kartuscheninhalt empfindlichen Material bestehende Dichtlippe für eine Zwangsverformung bei der Montage ausgebildet ist und im montierten Zustand bereits aufgrund innerer Rückstellkräfte an der Kartuschenwand angepresst anliegt.
Figur 3 aus EP 1 165 400 B1 – Erläuterungen hinzugefügt.
Weil die auf der Kolbenoberseite angeordnete Abdeckscheibe eine der Querschnittsform der Kolbenoberfläche angepasste Struktur aufweist (Merkmale c und d), stützt sich diese bei der Druckbeaufschlagung beim Austreiben des Kartuscheninhalts auf der Kolbenoberseite ab. Vgl. hierzu Absatz 0010 in V. m. Figur 1, in der die Abdeckscheibe an Distanznoppen 6 anliegend dargestellt ist.
Weil die Abdeckscheibe mit "ihrem freien Ende" zum Nutengrund hin abgewinkelt (Merkmal i) ist, ragt dieser abgewinkelte, insoweit zylindermantelförmige Abschnitt der Abdeckscheibe auch in die V-förmige Ringnut hinein. Denn eine die Kolbenoberfläche abdeckende und somit geschlossene "Scheibe" ist auch im üblichen Wortsinn in ihrer radialen Ausdehnung durch ihren "Rand" (Merkmal h) begrenzt, der insoweit auch "ihr" (einziges) freies Ende (überhaupt) bildet (Merkmal i). Von daher muss dieser den Rand ausbildende, abgewinkelte Bestandteil der hier mit einer Abwinkelung definierten Scheibe zwangsläufig randseitig im inneren Bereich der V-förmigen Nut abdichtend mit der Kolbenoberfläche verbunden sein (Merkmal h). Das Patent schlägt für die (abdichtende) Verbindung des Randes der Abdeckscheibe (Merkmal h) eine Verrastung vor, vgl. Anspruch 3 i. d. F. gemäß EP 1 165 400 B1 i. V. m. Absatz 0011, Sätze 2 und 3 und die deutliche Darstellung in Figur 3. Somit bezeichnet das Merkmal h eine die Abdeckscheibe gleichsam fixierende, weil ein selbsttätiges Ablösen verhindernde Verbindung, deren Lage in der Ringnut sich aus dem Überstand des abgewinkelten freien Endes zum Nutgrund hin ergibt. Aufgrund der Abdichtungswirkung dieser randseitigen Verbindung ist der somit von der Abdeckscheibe umschlossene Bereich der Kolbenoberseite - einschließlich dem der Wand der Kartusche abgewandten Bereich der V-förmigen Ringnut bis zur abdichtenden Verbindung – gegenüber dem Kartuscheninhalt geschützt, vgl. auch Absatz 0012, Satz 2. Der der abdichtenden Verbindung nach außen vorgelagerte Bereich der Kolbenoberfläche – nämlich die Innenseite des die Dichtlippe bildenden Rands des Kolbens – ist dagegen gerade nicht gegenüber dem Kartuscheninhalt abgedichtet.
Der Erfolg einer Gewährleistung der Abdichtfunktion bei einer Ausbeulung der Kartuschenwand infolge des auf den Kartuscheninhalt wirkenden Drucks kann sich nur einstellen, wenn der Schenkel 13 - also der die Dichtlippe bildende Rand (Merkmal g) - infolge des auf seine Innenseite wirkenden hydrostatischen Drucks des Kartuscheninhalts nach außen schwenkt. Hierfür muss der Kartuscheninhalt bis zur abdichtenden Verbindung in die V-förmige Ringnut eindringenden können, nur so kann "der äußere Schenkel 13 mit der Dichtlippe 3 […] dem Kartuscheninhalt ausgesetzt" und "die Dichtlippe 3 an die Kartuschenwand angepresst" werden, vgl. Absatz 0012.
Der nach dem Verständnis des Fachmanns hierfür erforderliche Spalt bildet sich aus, wenn der Außendurchmesser der Abdeckscheibe im Bereich der Überdeckung der Dichtlippe durch das abgewinkelte freie Ende der Abdeckscheibe - aufgrund dessen Erstreckung zum Nutgrund hin – insgesamt kleiner als der durch die Innenwandung der Dichtlippe vorgegebene Durchmesser ist.
Weil die Ringnut aufgrund der vorgegebenen V-Form durch einen vom Nutgrund noch nach oben zunehmenden Durchmesser gekennzeichnet ist, während die außenrandseitige Formgebung der Abdeckscheibe im Anspruch überhaupt nicht definiert ist, kann die Definition des Merkmals g nicht auf einen herausgegriffenen, in irgendeiner Ebene bestimmbaren Durchmesser bezogen werden. Merkmal g bezeichnet daher auch nicht einen sich für eine bestimmte Kontur ergebenden Maximaldurchmesser, wie es der Wortlaut dieses Merkmals nach Auffassung der Klägerin für sich nahelegen können soll. Vielmehr ergibt sich hier unter Heranziehung der Beschreibung, dass die der Oberfläche der Dichtlippe zugewandte Außenkontur der Abdeckscheibe gegenüber der innenseitigen Kontur der Dichtlippe aufgrund kleinerer Außenabmessung und somit insgesamt kleineren Außendurchmessers im Bereich des Überstands des abgewinkelten freien Endes in die Nut hinein beabstandet sein muss.
Ein entsprechender Sinngehalt des Patentanspruchs 1, nach dem bei einem an dem in der Patentschrift zum Ausdruck gekommenen Zweck des Merkmals g orientierten Verständnis des Fachmanns das pastöse Material in die Nut eindringt und diese aufspreizt, wurde bereits im Nichtigkeitsverfahren 1 Ni 6/06 zugrunde gelegt, vgl. Seite 11, dritter Absatz der Urteilsbegründung.
Auch das Landgericht Düsseldorf hat in seinem Urteil betreffend eine Verletzung des hier von der Klage betroffenen Streitpatents in der geltenden Fassung festgestellt, dass der die Dichtlippe ausbildende Rand der V-förmigen Ringnut "nicht von der Abdeckscheibe abgedeckt ist" – als Voraussetzung dafür, "dass unter Druck der pastöse Kartuscheninhalt in die Nut eindringt und deren äußeren Schenkel samt Dichtlippe nach außen drückt", wofür die "Ringnut nach oben offen ist", vgl. Seite 17, zweiter Absatz und Seite 18, erster Absatz der Urteilsbegründung (LR35).
Ob eine nach der Lehre des Patents ausgeführte Abdeckscheibe darüber hinaus auch einen (weiteren) über die Abwinkelung in die Nut hinein radial weiter auswärts vorspringenden Randteil aufweisen könnte und dieser ein weiteres freies Ende ausbilden könnte, wie von der Klägerin unterstellt, kann insoweit dahingestellt bleiben. Jedoch ist eine Formgebung der Abdeckscheibe, die einen Eintritt des Kartuscheninhalts in die V-förmige Ringnut aufgrund der Gestaltung ihres abgewinkelten freien Endes vollständig verhindern könnte, bei einem am in der Patentschrift zum Ausdruck gekommenen Zweck der Merkmale g, h und i orientierten Verständnis ausgeschlossen. Soweit die Klägerin dem Patentanspruch einen Sinngehalt unterstellt, dass dessen Gegenstand auch ohne resultierenden, ein Eindringen des Kartuscheninhalts ermöglichenden Spalt auskommen könne, führte eine derartige Auslegung unter Verkehrung des Leistungsergebnisses der Erfindung gerade zu einer inhaltlichen Erweiterung und kommt daher aus Sicht des Fachmanns nicht in Betracht.
II.
1. Der geltende Anspruch 1 i. d. F. gemäß DE 501 00 076 C5 ist zulässig.
Mit dem gegenüber der ursprünglich erteilten Fassung gemäß EP 1 165 400 B1 geänderten Merkmal e ist in Verbindung mit dem Merkmal f - entsprechend der Darstellung in Figur 1 in Verbindung mit Absatz 0010, nach dem der Kolben "an seiner Oberseite randseitig eine im Querschnitt V-förmige Ringnut" aufweist - einschränkend klargestellt, dass sich die V-förmige Nut in Richtung zur Kolbenoberseite öffnet und somit der zur Kartuschenwand ausgerichtete Schenkel die Dichtlippe ausbildet, s. o. zum Verständnis.
Der Ausdruck "Abdeckscheibe mit ihrem freien Ende" im gegenüber der erteilten Fassung gemäß EP 1 165 400 B1 ergänzten Merkmal i findet zwar keine wortgetreue Entsprechung in der Patentschrift. Die Offenbarung des wie vorstehend ausgeführt auszulegenden, somit den so definierten Gegenstand weiter einschränkenden Merkmals folgt für den Fachmann jedoch aus den Ansprüchen 2 und 3 in der erteilten Fassung gemäß EP 1 165 400 B1 in Verbindung mit Absatz 0011, Satz 2. Das dort benannte "untere Ende" der L-förmigen Abwinkelung der Abdeckscheibe, die hierdurch randseitig "zum Nutengrund (7) hin abgewinkelt ist" (vgl. erteilter Anspruch 2), bildet gleichsam das "freie Ende der Abdeckscheibe" (Merkmal i), weil das "freie Ende der Abwinkelung (11) der Abdeckscheibe (9, 9A) mit dem Nutengrund (7) verrastet ist" (vgl. erteilter Anspruch 3). Insoweit ist die Abwinkelung als ein nach unten zum Nutengrund hin ausgerichteter Bestandteil der Abdeckscheibe definiert, die somit – wie in Figur 1 auch dargestellt - keine rein plane Scheibe (mit planparallelen Oberseitenflächenebenen) ist.
Die genannten Textstellen und Ansprüche sind im Übrigen gleichlautend auch in der den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung wiedergebenden LR43 enthalten (vgl. dort Seite 3 oben, Ansprüche 2 und 3), in der auch bereits die identische Figur 1 abgebildet ist.
2. Der Gegenstand nach dem geltenden Anspruchs 1 ist neu. Keine der im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen offenbart einen Kartuschenkolben mit sämtlichen Merkmalen des Anspruchs 1.
Die Klägerin vertritt die Ansicht, dass die nach ihren Ausführungen vorbenutzten Kartuschenkolben gemäß den Anlagenkonvoluten OV1 und OV2 neuheitsschädlich seien. Die Bilddarstellungen zeigen zwar Kolben mit darin ausgebildeten, im Querschnitt V-förmigen Ringnuten (Merkmal e). Auf deren Oberseiten sind auch Abdeckscheiben angeordnet (Merkmal c). Den zur Darstellung des Kolbens gemäß OV1 vorgelegten Schnittbildern LR12, LR36 und LR37 sowie LR38 und 39 zur Darstellung des Kolbens gemäß OV2 kann der Fachmann zudem noch entnehmen, dass die Abdeckscheiben eine der Querschnittsform der Kolbenoberfläche angepasste Struktur aufweisen (Merkmal d), und dass die V-förmige Ringnut des Kolbens an ihrem Rand eine Dichtlippe ausbildet (Merkmal f).
Darüber hinaus weist die Abdeckscheibe jeweils bei beiden Varianten (OV1 und OV2) einen nach unten (ab)ragenden Überstand auf, der nach den schriftsätzlichen Ausführungen der Klägerin sowie ihrem Vortrag in der mündlichen Verhandlung komplementär zur Form der Ringnut ausgebildet sein soll in der Weise, dass die konische Außenseite des Überstands jeweils an der die Nut auf der Seite des die Dichtlippe ausbildenden Schenkels begrenzenden Innenseitenfläche anliegt - was den Bilddarstellungen auch deutlich entnehmbar ist. Diese Maßnahme soll ein Aufweiten der Dichtlippen über die Keilwirkung des sich unter dem Druck des Kartuscheninhalts in die Nut einpressenden Überstands bewirken, wobei die aneinander angepresst anliegenden Flächen gegen ein Eindringen des Kartuscheninhalts abdichten und somit die Dichtlippe gegenüber dem Kartuscheninhalt gerade geschützt sind.
Ein (bloßes) Anliegen der konischen Flächen unter Anpressdruck bewirkt indes bereits keine "Verbindung" der Abdeckscheibe gemäß dem gebotenen Verständnis des Merkmals h. Der Fachmann unterstellt den Darstellungen in den Bildern LR15 für den Kolben gemäß OV2 bzw. LR37 für den Kolben gemäß OV1 zwar eine Verbindung über Rastzapfen am Kolben, die mit Rastbohrungen in der Abdeckscheibe im Sinne einer Sicherung gegen ein Ablösen der Teile voneinander bewirken – eine derartige Verbindung schlägt auch das Patent, allerdings als zusätzliche Verbindung neben der randseitigen Verbindung vor, vgl. Anspruch 4 in der Fassung gemäß EP 1 165 400 B1. Somit ist bereits eine abdichtende Verbindung des Randes der Abdeckscheibe mit der Kolbenoberfläche im Sinne einer selbsthaltenden und gleichzeitig den Durchtritt des Kartuscheninhalts verhindernden Befestigung gemäß Merkmal h bei keinem dieser entgegengehaltenen, bildhaft dargestellten bzw. zur Begutachtung vorgelegten Schnittmodelle der Kolben (zu OV1 und OV2) vorgesehen.
Weil Merkmal g bei einer angemessenen Deutung des geltenden Patentanspruchs – entsprechend der dieser Maßnahme nach der offenbarten Erfindung zugedachten technischen Funktion - eine zum Kartuscheninhalt hin offene Ringnut definiert, während diese nach den Ausführungen der Klägerin bei den vorbenutzten Kolben durch die Formgebung gerade gegen den Eintritt des Kartuscheninhalts geschlossen sind, ist dieses Merkmal dort jedoch nicht realisiert. Soweit die Klägerin mit Bezug auf die den Kolben im Übrigen mit unverformten Dichtlippen, weil im nicht montierten Zustand, zeigenden Bildern LR36 zu OV1 und LR 38 zu OV2 darauf abstellt, dass jeweils der maximale, durch die radiale Ausdehnung des oberen Randes der Abdeckscheiben vorgegebene Außendurchmesser kleiner als der maximale Außendurchmesser des Kolbens im Bereich der Dichtlippe ist, verkennt sie die hier gebotene Auslegung dieses Merkmals, die gerade nicht auf einen sich in einer Ebene lokal ergebenden Durchmesserunterschied abzielt. Während beim Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 der Rand der Abdeckscheibe über die Höhe des die Dichtlippe bildenden Randes insgesamt kleiner zur Ausbildung eines Spaltes ist, ist der Außendurchmesser des für die Funktion relevanten Randbereichs bei den vorbenutzten Kolben zur Sicherstellung der Anlage in jeder Ebene gerade mindestens so groß wie der Durchmesser des die Dichtlippe bildenden Randes. Es mag sein, dass bei den vorbenutzten Kolben mittelbar der gleiche technische Erfolg einer Aufweitung durch die radiale Keilwirkung des unter Druck in die Ringnut eingepressten konischen Überstands erzielt werden kann. Beim Gegenstand mit den Merkmalen des Anspruchs 1 hingegen bewirkt selbst im montierten Zustand mit insoweit zwangsverformter Dichtlippe und verringertem Spalt der sich darin immer allseitig auswirkende hydrostatische Druck des eingedrungenen Kartuscheninhalts eine Aufweitung, wie die Klägerin noch vorgetragen hat. Derartige Äquivalenzüberlegungen, wie sie bei der Bestimmung des Schutzbereiches eines erteilten Patents maßgebend sein können, gehören indes nicht in die Neuheitsprüfung.
Die – im Übrigen nicht bestrittene - Neuheit gegenüber dem durch die Druckschriften LR4 bis LR8 (einschließlich LR5a) und LR41 belegten Stand der Technik ist ebenfalls gegeben, wie auch die nachfolgenden Ausführungen zur erfinderischen Tätigkeit zeigen.
3. Der Gegenstand nach dem geltenden Anspruchs 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Die LR4 beschreibt den Aufbau eines eine im Querschnitt V-förmige Ringnut aufweisenden Kolbens, dessen Material gegenüber dem Kartuscheninhalt "nicht resistent" ist. Der Rand der Ringnut dieses "abdichtend" gegen die Innenwände 7 der Kartusche anliegenden "ersten Kolbenteils 6" bildet auch eine Dichtlippe aus, vgl. Seite 3, zweiter Absatz i. V. m. Figur 3. Ein an der Kolbenoberseite angeordnetes, dort eine Abdeckscheibe ausbildendes "zweites Kolbenteil 8" – das aus einem gegenüber der Füllmasse resistentem Kunststoffmaterial besteht - ist für ein Ineinandergreifen entsprechend der Nut ebenfalls V-förmig derart ausgebildet, dass deren Randbereiche "elastisch federnd an den Innenwandungen 7" des Kartuschenkolbens anliegen, vgl. Seite 3, zweiter und letzter Absatz fortlaufend. Für die Fixierung der Kolbenteile schlägt die LR4 auf der Kolbenoberseite verteilte Zentrierzapfen vor, vgl. Seite 3, dritter Absatz.
Somit sind bei diesem Kartuschenkolben (zwar) die Merkmale a bis f verwirklicht.
Allerdings ist dort im Bereich der V-förmigen Nut des Kolbens keine Fixierung der Abdeckscheibe über eine (zusätzliche) Verbindung vorgesehen. Auch ist bei dieser Anordnung der Außendurchmesser des "zweiten Kolbenteils 8" nicht kleiner als der Durchmesser des die Dichtlippe bildenden Rands des Kolbens. Deshalb kann dort das Füllmaterial nicht in die V-förmige Nut eindringen und auch keine Anpressung bewirken, weil die Abdeckscheibe dort mit "ihrem" freien Ende (Merkmal i) abdichtend an der Innenwand der Kartusche anliegt, um so die Kolbenoberseite vollständig gegen den Kartuscheninhalt zu schützen.
Somit weist der aus LR4 hervorgehende Kartuschenkolben – bei ähnlichem Aufbau wie die aus den Anlagenkonvoluten OV1 und OV2 hervorgehenden Kolben, s. o. – die Merkmale g bis i gemäß dem gebotenen Verständnis weder auf noch kann sich die streitpatentgemäße Ausbildung in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen allein ergeben. Gerade weil dort – wie von der Klägerin unterstellt und für den Fachmann auch ohne Weiteres ersichtlich – der Kartuscheninhalt während des Ausdrückens in den V-förmigen Bereich der Abdeckscheibe eindringt und so auch (indirekt) eine weitere Aufspreizung der vom Kolben gebildeten Dichtlippe über die Keilwirkung bewirken dürfte wie auch für die Kolben gemäß OV1 und OV2 unterstellt, hatte der Fachmann bereits deshalb keinen Anlass, den bei dieser Lösung erzielten Erfolg eines vollständigen Schutzes des Kartuschenkolbens samt der Dichtlippe bei dennoch ausreichender Abdichtwirkung trotz sich ausbeulender Kartusche bei etwaigen Weiterentwicklungen in Frage zu stellen.
Vorstehendes gilt sinngemäß somit auch für den Gegenstand der Vorbenutzungen OV1 und OV2. Die notwendige Abwandlung der aus LR4 wie OV1 oder OV2 hervorgehenden Lösungen – hier die Ausbildung einer dichtenden Verbindung im Bereich einer gerade das Eindringen des Kartuscheninhalts zur Druckbeaufschlagung der Dichtlippe ermöglichenden Ringnut - ist auch durch den übrigen im Verfahren zu berücksichtigenden Stand der Technik nicht nahegelegt:
Auch die LR7 schlägt eine Maßnahme zum vollständigen Schutz der Kolbenoberfläche vor, bei der eine der Kontur des Kolbens – dort "Verschlussteller 1" bezeichnet – folgend geformtes "Deckelelement 7" mit seinem Rand auch den äußeren Rand des Kolbens übergreift. Dieses Deckelement 7 ist von daher ähnlich der beim Gegenstand des Streitpatents vorgesehenen Abdeckscheibe mit dem Rand seines abgewinkelten freien Endes mit dem Kolben verbunden, vgl. Ansprüche 1 bis 4 i. V. m. Figuren 1 und 2. Allerdings ragt das freie Ende der Abdeckscheibe dort nicht in eine V-förmige Ringnut herein, vielmehr bildet es im montierten Zustand selbst eine Kolbenseitenwand aus, die aufgrund der Verformung der Kolbenoberseite bei Druckbeaufschlagung beim Austreiben des Kartuscheninhalts zur Anlage an der Innenwand der Kartusche ("Strangpreßbehälter 3") kommen soll und so "die Abstreif- und Dichtwirkung beim weiteren Vorschub des Ausdrückkolbens" übernehmen soll, vgl. Seite 10 (Eintragung oben), Zeilen 14 bis 25. Die bei dieser Anordnung am Kolben noch vorgesehenen "Dichtlippen 4", die eine der Kolbenunterseite zugewandte Ringnut ausbilden, dienen nicht der Abdichtung gegenüber dem Kartuscheninhalt, sie übernehmen diese Funktion nur für den beschriebenen Fall, dass ein Austreiben des Kartuscheninhalts mittels Druckmittel erfolgen soll, mit dem der Kolben rückseitig zu beaufschlagen wäre, vgl. Seite 10, Zeilen 25 bis 30.
Dieser Kartuschenkolben weist insoweit zwar die Merkmale a bis d auf, jedoch kann diese Entgegenhaltung aufgrund eines anderen Abdichtungsprinzips, das ohne eine am Kolben ausgebildete, zum Kartuscheninhalt hin ausgerichtete Dichtlippe auskommt, dem Fachmann keine weitergehenden Anregungen in Richtung auf den Gegenstand des Streitpatents geben.
Die vor dem für den Zeitrang des Streitpatents maßgeblichen Anmeldetag veröffentlichte LR5a - mit gleichem Inhalt wie die nachveröffentlichte LR5 - lehrt den Fachmann allgemein, einen Dichtlippen aufweisenden Kartuschenkolben mittels einer daran zu befestigenden Abdeckscheibe aus einem gegen das Füllmaterial resistenten Material zu schützen, vgl. Seite 2, dritter Absatz von unten und Seite 3, letzter Absatz. Der in der Figur 1 deutlich dargestellten V-förmige Ringnut ("umlaufender Einschnitt 5", vgl. a. a. O.) wird allein die Erzielung einer für die Abdichtwirkung ausreichenden Elastizität der Dichtlippe zugeschrieben - das Problem einer Aufweitung der Kartusche ist dort nicht angesprochen. Auch wird die Anwendung einer ansonsten nicht näher beschriebenen und auch nicht dargestellten Abdeckscheibe zur Sicherstellung einer Diffusionsdichtigkeit eines im Übrigen gegen das Füllmaterial nicht resistenten Kolbenmaterials vorgeschlagen. Entsprechend diesen Hinweisen und Vorgaben würde der Fachmann zur konstruktiven Ausgestaltung Lösungen anstreben, die eine vollständige Abdeckung der gesamten Kolbenoberseite einschließlich der Dichtlippen ermöglichen. Anregungen zu Maßnahmen entsprechend dem gebotenen Verständnis der Merkmale g, h und i, bei deren Ausführung die Dichtlippe ja gerade dem Kartuscheninhalt ausgesetzt ist, ergeben sich somit nicht.
Die LR6 beschreibt den Aufbau eines Kartuschenkolbens mit einem daran angeordneten gesonderten, die Dichtlippen aufweisenden Dichtring, vgl. Seite 4 letzter Absatz i. V. m. Figur 6. Der nach den Vorgaben der LR6 aus Polyamid herzustellende und somit aus einem dem gegenüber dem Kartuscheninhalt unempfindlichen Material bestehende Kolben weist selbst keine Dichtlippen auf. Wenngleich diese Entgegenhaltung für die Ausbildung der Dichtlippen den Kunststoff "low-density-Polyethylen" vorschlägt (vgl. a. a. O.) – insoweit ein gegenüber dem Kartuscheninhalt empfindliches Material, welches im Streitpatent für die Herstellung des Kolbens einschließlich der Lippen daran benannt ist -, führt die Lehre dieser Entgegenhaltung somit in eine andere Richtung und eher vom Patentgegenstand weg.
Die LR8 befasst sich allein mit der Gestaltung des einstückig mit dem Kolben ausgeführten, die Dichtlippe bildenden Randes eines Kolbens, vgl. Seite 1 i. V. m. dem Anspruch 1. Die Figuren 1 bis 3 zeigen dementsprechend Kolben ohne Abdeckscheibe, wodurch die Kolbenoberseite im Gebrauchszustand dem Kartuscheninhalt ausgesetzt wäre. Indes ist in dieser Druckschrift das Problem der Verträglichkeit des Kolbenmaterials mit dem Kartuscheninhalt überhaupt nicht angesprochen, weshalb diese Entgegenhaltung überhaupt keine Anregungen in Richtung auf den streitpatentgemäßen Gegenstand des Anspruchs 1 vermitteln kann.
Aus der LR41 geht zwar ein Kolben ("Auspresskolben") mit daran randseitig ausgeformter Dichtlippe hervor, bei dem die mit diesem auszupressende Masse in die dort als "kerbtalartige Ringmulde" bezeichnete, kolbenrandseitige V-förmige Ringnut eindringen kann, "die dichtende Anlage dieser Ringlippe zusätzlich noch" begünstigend, vgl. die dort mit Bezug auf die Figur 1 auf Seite 7, Zeilen 21 bis 33 beschriebene Ausführungsform. Bei dieser weist der Kolben einen geschlossenen, der auszupressenden Masse ausgesetzten Druckboden 10 auf. Diese Druckschrift schlägt noch – allerdings als Alternative für einen mit einer Öffnung 21 versehenen Druckboden 10 - eine randseitig mit dem Kolben verklipsbare, ebenfalls eine Öffnung aufweisende Scheibe vor, vgl. Seite 8, Zeilen 6 bis 10 und Zeilen 21 bis 27 i. V. m. Figur 3. Von daher weist die im Hinblick auf die Figur 3 beschriebene Variante zwar neben den Merkmalen e und f auch die Merkmale g und i auf, wobei die angeführte Klipsverbindung auch abdichtend entsprechend Merkmal h sein mag.
Die mit einer Öffnung versehene Scheibe dieser Variante bildet jedoch keine die Kolbenoberseite gegenüber dem Kartuscheninhalt schützende und sich hierfür mittels einer angepassten Struktur daran abstützende Abdeckscheibe entsprechend dem gebotenen Verständnis der Merkmale c und d. Vielmehr ist die mit einer Öffnung versehene Scheibe dort speziell für Anwendungsfälle wie Lippenstifte vorgeschlagen, bei denen beim Befüllen der Kartusche die später aushärtende Masse in den somit offenen Kolbenraum eindringen soll, vgl. Seite 8, Zeilen 12 bis 16 i. V. m. Seite 1, Zeilen 3 bis 5. Weil die Scheibe bei dieser Anordnung somit zum Schutz des Kartuschenkolbens weder vorgesehen noch geeignet ist, und das Problem der Materialverträglichkeit auch ansonsten nicht angesprochen ist, hatte der Fachmann keine Veranlassung, zur Lösung des vorliegend gestellten Problems die Lehre dieser Entgegenhaltung heranzuziehen.
Die gutachterliche Stellungnahme LR42 belegt lediglich, dass der Fachmann Dichtlippen eine Anpresskrafterhöhung unter hydrostatischer Druckeinwirkung unterstellt.
4. Bei dieser Sachlage bedurfte es keiner Erörterung des Vorbringens der Klägerin zur öffentlichen Zugänglichkeit der geltend gemachten Vorbenutzungen in Form der Kolben gemäß Anlagenkonvoluten OV1 und OV2.
Die weiter angegriffenen Ansprüche des Patents, die Ausgestaltungen des Gegenstands nach Patentanspruch 1 betreffen, werden aufgrund ihrer Rückbeziehung vom beständigen Hauptanspruch getragen, ohne dass es hierzu weiterer Feststellungen bedürfte.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.