Entscheidungsdatum: 27.11.2012
In der Patentnichtigkeitssache
…
betreffend das deutsche Patent 102 19 129
hat der 1. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 27. November 2012 durch die Präsidentin Schmidt sowie die Richter Voit, Dipl.-Ing. Sandkämper, Dr.-Ing. Baumgart und Dipl.-Ing. Schlenk
für Recht erkannt:
I. Das deutsche Patent 102 19 129 wird dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass es folgende Fassung erhält:
1. Verwendung einer Vorrichtung zum gleichzeitigen Drehen und wahlweise Verteilen oder Zusammenführen von Packs in Form von Behältern, Behältergruppen oder Flaschengruppen, die in mindestens einer Zuteilbahn zugeführt und in mindestens einer zu der oder den Zuteilbahnen parallelen Auslaufbahn in einer um eine vertikale Achse um 90° gedrehten Anordnung abgeführt werden, wobei die Vorrichtung mindestens einen Zuteilförderer (2) und mindestens einen zu diesem parallelen Auslaufförderer (3), einen über dem Auslaufförderer (3) angeordneten, um eine vertikale Achse drehbar gelagerten Greifkopf (12) zum gleichzeitigen Erfassen von mindestens zwei Packs (5) und einen steuerbaren Antrieb (14) zum Verdrehen des Greifkopfes (12) aufweist, wobei der Greifkopf (12) zwei abstandsveränderliche Bügel (15) aufweist, die die Packs (5) zentrieren und nach dem Verdrehen freigeben, wobei der Auslaufförderer (3) kontinuierlich angetrieben und der Zuteilförderer (2) getaktet angetrieben wird, wobei der Greifkopf (12) beim Zuführen der Packs über dem Auslaufförderer (3) angeordnet ist und die Packs auf dem kontinuierlich angetriebenen Auslaufförderer (3) ergreift, wobei der zumindest eine Zuteilförderer (2) abgeschaltet wird, sobald die gewünschte Anzahl von Packs zum Greifen durch den Greifkopf (12) zugeteilt ist, und wobei der Greifkopf (12) die Packs nach dem Verdrehen wieder auf dem Auslaufförderer (3) freigibt. |
2. Verwendung einer Vorrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass dem Greifkopf (12) Anschläge (17) zum Ausrichten der Packs (5) zugeordnet sind. |
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
III. Das Urteil ist für die Klägerin im Kostenpunkt gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des deutschen Patents DE 102 19 129 (Streitpatent), das am 29. April 2002 angemeldet worden ist. Das Streitpatent trägt die Bezeichnung „Vorrichtung zum Drehen und Verteilen oder Zusammenführen von Packs“. Das Patent ist in Kraft und umfasst in der erteilten Fassung fünf Ansprüche, die sämtlich angegriffen sind. Anspruch 1 der erteilten Fassung hat folgenden Wortlaut:
Wegen des Wortlauts der weiter angegriffenen und unmittelbar oder mittelbar auf Anspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2 bis 5 wird auf die Streitpatentschrift DE 102 19 129 B4 Bezug genommen.
Die Klägerin behauptet, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents sei wegen fehlender Neuheit, jedenfalls aber infolge fehlender erfinderischer Tätigkeit nicht patentfähig. Hierzu verweist sie auf folgende Druckschriften und Dokumente:
T2 EP 0 487 841 A2
T3 DE 1 918 017 B
T4 DE 1 608 681 C
T5 DE 602 00 953 T2
T6 DE 197 57 555 A1
T7 US 5 320 478 A
T8 Stefan Hesse: Industrieroboterpraxis, Vieweg-Verlag, 1998, Seiten 29 bis 34 und 313 bis 320
T9 US 4 155 467
T10 GB 955 715
T11 DE 29 17 434 A1
T12 DE 2 023 676 A
T13 DE 41 22 953 A1
T14 Prospekt KR 180 PA der KUKA Roboter GmbH, Augsburg mit Druckvermerk 03.01
T15 CA 2 184 774 A1.
Die Klägerin beantragt,
das deutsche Patent DE 102 19 129 für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise mit der Maßgabe, dass Anspruch 1 folgende Fassung erhält und sich daran die um "Verwendung einer" ergänzten Unteransprüche 2 bis 5 anschließen (Hilfsantrag 1):
Verwendung einer Vorrichtung zum gleichzeitigen Drehen und wahlweise Verteilen oder Zusammenführen von Packs in Form von Behältern, Behältergruppen oder Flaschengruppen, die in mindestens einer Zuteilbahn zugeführt und in mindestens einer zu der oder den Zuteilbahnen parallelen Auslaufbahn in einer um eine vertikale Achse um 90° gedrehten Anordnung abgeführt werden, wobei die Vorrichtung mindestens einen Zuteilförderer (2) und mindestens einen zu diesem parallelen Auslaufförderer (3), einen über dem Auslaufförderer (3) angeordneten, um eine vertikale Achse drehbar gelagerten Greifkopf (12) zum gleichzeitigen Erfassen von mindestens zwei Packs (5) und einen steuerbaren Antrieb (14) zum Verdrehen des Greifkopfes (12) aufweist, wobei der Greifkopf (12) zwei abstandsveränderliche Bügel (15) aufweist, die die Packs (5) zentrieren und nach dem Verdrehen freigeben.
weiter hilfsweise mit der Maßgabe, dass Anspruch 1 folgende Fassung erhält und sich daran die um "Verwendung einer" ergänzten Unteransprüche 2 bis 5 anschließen (Hilfsantrag 3):
Verwendung einer Vorrichtung zum gleichzeitigen Drehen und wahlweise Verteilen oder Zusammenführen von Packs in Form von Behältern, Behältergruppen oder Flaschengruppen, die in mindestens einer Zuteilbahn zugeführt und in mindestens einer zu der oder den Zuteilbahnen parallelen Auslaufbahn in einer um eine vertikale Achse um 90° gedrehten Anordnung abgeführt werden, wobei die Vorrichtung mindestens einen Zuteilförderer (2) und mindestens einen zu diesem parallelen Auslaufförderer (3), einen über dem Auslaufförderer (3) angeordneten, um eine vertikale Achse drehbar gelagerten Greifkopf (12) zum gleichzeitigen Erfassen von mindestens zwei Packs (5) und einen steuerbaren Antrieb (14) zum Verdrehen des Greifkopfes (12) aufweist, wobei der Greifkopf (12) zwei abstandsveränderliche Bügel (15) aufweist, die die Packs (5) zentrieren und nach dem Verdrehen freigeben, wobei der Auslaufförderer (3) kontinuierlich angetrieben und der Zuteilförderer (2) getaktet angetrieben wird, wobei der Greifkopf (12) beim Zuführen der Packs über dem Auslaufförderer (3) angeordnet ist und die Packs auf dem kontinuierlich angetriebenen Auslaufförderer (3) ergreift, wobei der zumindest eine Zuteilförderer (2) abgeschaltet wird, sobald die gewünschte Anzahl von Packs zum Greifen durch den Greifkopf (12) zugeteilt ist, und wobei der Greifkopf (12) die Packs nach dem Verdrehen wieder auf dem Auslaufförderer (3) freigibt.
Den schriftsätzlich eingereichten Hilfsantrag 2 (Bl. 222/223 GA) hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht mehr aufrechterhalten und anstatt dessen zwei neue Hilfsanträge 2a und 2b vorgelegt, hinsichtlich deren Inhalt auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift verwiesen wird.
Die Beklagte widerspricht dem Vorbringen der Klägerin und ist der Auffassung, dass wenigstens eine der verteidigten Fassungen des Streitpatents patentfähig sei.
Der Senat hat den Parteien einen Hinweis gemäß § 83 Abs. 1 PatG vom 9. August 2012 zugestellt, auf den Bezug genommen wird.
Die zulässige Klage ist in Bezug auf das Streitpatent in der erteilten Fassung sowie in den Fassungen der Hilfsanträge 1, 2a und 2b begründet. Insoweit erweist sich der Gegenstand des Streitpatents als nicht patentfähig, §§ 22 Abs. 1, 21 Abs. 1 PatG.
Unbegründet ist die Klage jedoch im Hinblick auf den Gegenstand des Hilfsantrags 3, wobei der Senat mit Beschluss vom 21. Dezember 2012 am Ende der Ziffer I der Urteilsformel entsprechend § 319 ZPO, § 95 PatG eine offenbare Unrichtigkeit der verkündeten Fassung seines Urteils berichtigt hat (Busse/Schuster, PatG, 7. Aufl., § 95 Rdnr. 6 unter Hinweis auf BGH, Xa ZR 52/05).
I.
Die angegriffenen Patentansprüche 1 bis 5 haben in der mit Hauptantrag verteidigten erteilten Fassung keinen Bestand.
1. Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung kann wie folgt gegliedert werden:
Vorrichtung zum Drehen und wahlweisen Verteilen oder Zusammenführen von Packs (5),
a) die in mindestens einer Zuteilbahn zugeführt und
b) in mindestens einer zu der oder den Zuteilbahnen parallelen Auslaufbahn in einer um eine vertikale Achse um 90o gedrehten Anordnung abgeführt werden,
Oberbegriff
1) mit mindestens einem Zuteilförderer (2),
2) mit mindestens einem Auslaufförderer (3),
2a) der parallel zum Zuteilförderer (2) angeordnet ist,
3) mit einem Greifkopf (12) zum gleichzeitigen Erfassen von mindestens zwei Packs (5),
3a) der über dem Auslaufförderer (3) angeordnet ist,
3b) der um eine vertikale Achse drehbar gelagert ist, und
3c) der zwei abstandsveränderliche Bügel (15) aufweist, die die Packs (5) zentrieren und nach dem Verdrehen freigeben, sowie
4) mit einem steuerbaren Antrieb (14) zum Verdrehen des Greifkopfes (12).
2. Fachmann ist ein Dipl.-Ing der Fachrichtung Fördertechnik (Universität oder Fachhochschule) mit mehrjähriger Erfahrung in der Entwicklung und Konstruktion von Palettiersystemen.
3. Zum Verständnis des Streitpatents
Das Streitpatent betrifft eine Vorrichtung zum Drehen und wahlweisen Verteilen oder Zusammenführen von Packs. Die Vorrichtung ist Teil einer Anlage, die zur Bildung unterschiedlicher Lagenbilder der Packs dient, wodurch eine stabile Stapelung der Packs auf einer Palette ermöglicht werden soll, vgl. Abs. 0010. Bei den Packs kann es sich um beliebige gleichförmige Gegenstände handeln, vgl. Abs. 0016. Die Vorrichtung weist mindestens einen Zuteilförderer und mindestens einen Auslaufförderer auf (Merkmale 1 und 2). Die Angabe, dass mindestens ein Zuteil- und mindestens ein Auslaufförderer vorgesehen sind, bezieht sich dabei auf die Anordnung mehrerer Förderer hintereinander, was sich aus Abs. 0016 ergibt, wonach der sich an den Ablaufförderer 3 anschließende Tisch 6 auch als Abführförderer und damit als weiterer Ablaufförderer ausgebildet sein kann. Die parallele Ausbildung (Merkmal 2a) des Auslaufförderers (Merkmal 2) zu dem Zuteilförderer (Merkmal 1) ist dabei so zu verstehen, dass der Auslaufförderer in Verlängerung des Zuteilförderers angeordnet ist, somit eher seriell, vgl. Abs. 0016, Satz 2 und Fig. 1, 3a bis 3c.
Die Packs werden in mindestens einer Zuteilbahn zugeführt (Merkmal a) und in mindestens einer zu der oder den Zuteilbahnen parallelen Auslaufbahn in einer um eine vertikale Achse um 90 Grad gedrehten Anordnung abgeführt (Merkmal b). Die Anzahl der Bahnen entspricht dabei der Anzahl der Reihen von Packs auf den Förderern, vgl. Abs. 0021 bis 0024 und Fig. 3 a bis c. Die Vorrichtung soll ermöglichen, mehrere Packs (mindestens zwei) gleichzeitig zu drehen und dabei zu verteilen oder zusammenzuführen, vgl. Abs. 0005. Das Merkmal b) ist dabei so zu verstehen, dass die Packs in gedrehter Anordnung die Auslaufbahn(en) verlassen, was sich auch aus der Ausgestaltung des mit abstandsveränderlichen Bügeln versehenen Greifkopfes (Merkmal 3) gemäß Merkmal 3c ergibt, der um eine vertikale Achse drehbar gelagert ist (Merkmal 3b). Das Erfassen der Packs erfolgt dabei auf dem Auslaufförderer (Merkmal 3a). Merkmal b verlangt, dass die Packs in gedrehter Anordnung „abgeführt“ werden, nach Merkmal 3c gibt der Greifer nach dem Zentrieren die Packs frei. In Verbindung mit Anspruch 5 des Streitpatents kann damit der Greifer die Packs in Längs- und Querrichtung verschieben, ein Anheben der Packs schließt der Anspruch 1 nicht aus.
Die streitpatentgemäße Vorrichtung nach Anspruch 1 dreht die Packs mittels des Greifers, um sie dann auf dem Auslaufförderer durch die abstandsveränderlichen Bügel (zusammen mit den Leitschienen) gemäß Merkmal 3c nach Zentrierung - d. h. Ausrichtung - zu verteilen oder zusammenzufassen. Soweit eine streitpatentgemäße Vorrichtung nach Fig. 3c sowohl zum Verteilen als auch zum Zusammenführen von Packs geeignet ist, stellt eine eventuell gegebene mangelnde Klarheit keinen Nichtigkeitsgrund dar. Gemäß Merkmal 4 ist die Vorrichtung außerdem mit einem steuerbaren Antrieb zum Drehen des Greifkopfes versehen.
4. Patentfähigkeit
Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 ist nicht neu.
Als nächstkommende Entgegenhaltung sieht der Senat die DE 1 918 017 B (T3) an, die eine Einrichtung zum lagenweisen Stapeln von Ziegeln betrifft, vgl. Bezeichnung. Ziegel haben gleichförmige Abmessungen, damit handelt es sich um Gegenstände im Sinne des Anspruchs 1. Im Übrigen handelt es sich bei der Angabe des Verwendungsgebietes in der T3 lediglich um ein bevorzugtes Anwendungsgebiet, das nicht beschränkend wirkt. Gleiches gilt demgemäß auch für die Angabe des Verwendungszweckes im Streitpatent. Die Vorrichtungen müssen demnach aber für den genannten Zweck geeignet sein (BGH GRUR 2009, 837 – Bauschalungsstütze).
Die T3 weist einen ersten Förderer (Transportband 4) auf, auf dem mittels einer Greifervorrichtung (3) einzelne Lagen lockerer Brennstapel (1) abgesetzt werden, die von einem Ofenwagen (2) schichtenweise abgenommen werden, vgl. Spalte 1, letzter Abs. Am Ende des ersten Förderers (4) ist ein Anschlag (5) vorgesehen, gegen den die Lage im Verlauf ihrer Bewegung anschlägt, vgl. Spalte 2, Zeile 4 bis 7. Von dem ersten Förderer (4) wird die Schicht auf einen weiteren Förderer (Transportband 6) übergeben, der in Verlängerung des ersten Förderers im Sinne des Merkmals 2a angeordnet ist. Oberhalb des weiteren Förderers (6) ist ein Greifer (7, 8) zum gleichzeitigen Erfassen und Drehen mehrerer Gegenstände (Ziegel) angeordnet, vgl. Fig. 1, 2 und Spalte 2, Zeile 8 bis 15. Es handelt sich damit um einen Zulaufförderer (4) und einen Auslaufförderer (6) entsprechend den Merkmalen 1 und 2, die parallel zueinander im Sinne des Merkmals 2a angeordnet sind. Der Greifkopf (7, 8) ist zudem über dem Auslaufförderer (6) angeordnet (= Merkmal 3 und 3a).
Die um eine vertikale Achse drehbaren Greifer (7, 8) (= Merkmal 3b) übernehmen zwar einen bereits durch die - nicht drehbaren - Einzelgreifer (3a bis 3c) und den Anschlag (5) vorausgerichteten Stapel, vgl. Fig. 2 und Spalte 2, Zeile 8 bis 15, was aber das Streitpatent nicht ausschließt. Die Einzelgreifer (3a bis 3c) sind mit Hydraulik- oder Pneumatikzylindern ausgestattet, die die mit den Bezugszeichen (3a bis 3c) versehenen Bauteile in ihrem Abstand verändern können, was sich dem sachverständigen Leser aus Fig. 2 ergibt, in der die Einzelgreifer (3a bis 3c) jeweils mit einem Zylinder versehen sind. Derartige Zylinder sind zwar bei den Greifern (7, 8) nicht dargestellt, allerdings muss ein gewisse Abstandsänderung der Bügel der Greifer (7, 8) möglich sein, da anderenfalls die Ziegellage nicht angehoben werden könnte. Derart Selbstverständliches bedarf für den sachverständigen Leser keiner besonderen Offenbarung. Diese erforderliche Abstandsänderung führt aber auch zu einer Zentrierung der Gegenstände, die nach dem Verdrehen des Stapels freigegeben werden. Damit sind abstandsveränderliche Bügel zum Zentrieren und Freigeben dort gemäß den Bezugszeichen (7, 8) der Fig. 2 in Form von Greifbacken als Bestandteil eines Greifers offenbart (Merkmal 3c). Der Antrieb der drehbaren Greifköpfe (7, 8) ist gesteuert, was sich aus der Beschreibung zur Arbeitsweise der Greifer ergibt, vgl. Spalte 2, Zeile 15 bis 36. Somit ist auch Merkmal 4 verwirklicht.
Die T3 offenbart auch Bahnen im Sinne des Streitpatents. In Fig. 2 werden die Gegenstände (Ziegel) auf dem ersten Förderer (4) in fünf Bahnen in Richtung des weiteren Förderers (6) zugeführt. Nach dem Drehen um 90 Grad auf dem weiteren Förderer (6) werden die Gegenstände in drei Bahnen abgeführt. Auch die Merkmale a und b sind daher verwirklicht. Die Vorrichtung nach der T3 ist damit auch geeignet, die Gegenstände im Sinne des Streitpatents zu verteilen oder zusammenzuführen. Der Wortlaut des Anspruchs 1 verlangt nicht mehr. Dass in der T3 der Greifkopf (7, 8) die gemeinsam gefassten Packs parallel auf weitere Förderer (9, 10) versetzt, ist unerheblich, da auch das Streitpatent ein Versetzen vorsieht, vgl. Anspruch 5.
Die Beklagte sieht die in der T3 offenbarte Vorrichtung als nicht geeignet an, Packs im Sinne von Verpackungen zu drehen. Hierfür müssten die Greifer speziell ausgebildet sein. Anspruch 1 lässt aber die Ausbildung des Greifers offen. Letztlich handelt es sich um eine Frage der Gestaltung des Greifers, die aber nicht Gegenstand des Anspruchs 1 ist. Selbst wenn man die Bezeichnung „Pack“ allein im Sinne von Verpackung verstehen würde, sind beispielsweise Getränkekisten relativ unempfindlich gegenüber einer von den Greifern ausgeübten Druckbeaufschlagung, so dass auch ein ausschließliches Verständnis des Begriffs „Pack“ im Sinne der Beklagten zu keiner anderen Beurteilung der Patentfähigkeit führen würde.
Anspruch 1 nach Hauptantrag ist nach alledem nicht rechtsbeständig.
Hinsichtlich der Gegenstände der Unteransprüche ist eine eigene erfinderische Leistung weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich (BGH, Urteil vom 29. September 2011 - X ZR 109/08 - Sensoranordnung, GRUR 2012, 149).
II.
Sämtliche Hilfsanträge sind auf die Verwendung einer Vorrichtung zum gleichzeitigen Drehen und wahlweise Verteilen oder Zusammenführen von Packs in Form von Behältern, Behältergruppen oder Flaschengruppen gerichtet.
Die Statthaftigkeit des Übergangs von einem Erzeugnisschutz zu einer Verwendung des Erzeugnisses entspricht ständiger Rechtsprechung, zuletzt etwa BGH, Urt. v. 02.11.2011 – Notablaufvorrichtung (Mitt. 2012, 119).
Soweit in allen Hilfsanträgen die Packs „in Form von Behältern, Behältergruppen oder Flaschengruppen“ vorliegen sollen, führt dies auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Flaschengruppen nur im Zusammenhang mit einer "Schrumpffolie" offenbart sind (Abs. 0016), zu keiner unzulässigen Erweiterung, da ein Stapeln von Flaschengruppen ohne Schrumpffolie oder sonstige Umverpackung praktisch unmöglich ist und ein beschränkter Anspruch, der nicht auf diese offenbarte Ausführungsform begrenzt ist, nicht darüber hinausgehen muss (BGH, Urt. v. 12.03.09 – Crimpwerkzeug II, GRUR 2009, 835).
Die jeweiligen Unteransprüche 2 bis 5 gemäß den Hilfsanträgen sind ebenfalls auf die Verwendung der Vorrichtung gerichtet, die Vorrichtungsmerkmale entsprechen denen der erteilten Ansprüchen 2 bis 5.
III.
Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 (Änderungen gegenüber der erteilten Fassung hervorgehoben) ist auf die Verwendung einer Vorrichtung zum gleichzeitigen Drehen und wahlweise Verteilen oder Zusammenführen von Packs in Form von Behältern, Behältergruppen oder Flaschengruppengerichtet. Die Vorrichtung weist mindestens einen Zuteilförderer (2) und mindestens einen zu diesem parallelen Auslaufförderer (3), einen über dem Auslaufförderer (3) angeordneten, um eine vertikale Achse drehbar gelagerten Greifkopf (12) zum gleichzeitigen Erfassen von mindestens zwei Packs (5) und einen steuerbaren Antrieb (14) zum Verdrehen des Greifkopfes (12) auf (Merkmale 1 bis 3b und 5).
Die gegenständlichen Merkmale der Vorrichtung sind der T3 zu entnehmen, wie sich aus den Ausführungen zum Hauptantrag ergibt, allerdings beschreibt die T3 lediglich das Handhaben von Ziegeln, vgl. Bezeichnung. Hierbei handelt es sich allerdings nur um ein bevorzugtes Anwendungsgebiet, der allgemein auf dem Gebiet der Fördertechnik ausgebildete Fachmann erkennt ohne Weiteres, dass diese Vorrichtung auch zum Handhaben anderer Gegenstände verwendet werden kann. Die Bezeichnung „Behälter“ im Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 umfasst im Übrigen allgemein Hohlkörper, Einschränkungen nur auf den Lebensmittelbereich ergeben sich dadurch nicht. Die aus der T3 bekannte Vorrichtung auch zum Handhaben von Behältern allgemeiner Art zu verwenden, kann daher eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen.
Die Beklagte argumentiert auch beim Hilfsantrag 1 insbesondere mit der Verwendung der Vorrichtung in der Lebensmittelindustrie, was jedoch nicht Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 ist, der von Packs in Form von Behältern, Behälter- oder Flaschengruppen allgemein ausgeht und damit beispielsweise Getränkekisten nicht ausschließt. Im Übrigen eignet sich die Vorrichtung nach der T3 erkennbar auch für andere Anwendungsgebiete.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 beruht daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
IV.
Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2a hat folgenden Wortlaut:
Verwendung einer Vorrichtung zum gleichzeitigen Drehen und wahlweise Verteilen oder Zusammenführen von Packs in Form von Behältern. Behältergruppen oder Flaschengruppen, die in mindestens einer Zuteilbahn zugeführt und in mindestens einer zu der oder den Zuteilbahnen parallelen Auslaufbahn in einer um eine vertikale Achse um 90° gedrehten Anordnung abgeführt werden, wobei die Packs beim Verteilen von weniger Zuteilbahnen auf mehr Auslaufbahnen verteilt und beim Zusammenführen von mehr Zuteilbahnen auf weniger Auslaufbahnen zusammengeführt werden, wobei die Vorrichtung bei einer Zuteilbahn einen Zuteilförderer (2) und bei mehreren Zuteilbahnen eine entsprechende Anzahl Zuteilförderer (2) aufweist und mindestens einen zu diesem parallelen Auslaufförderer (3), einen über dem Auslaufförderer (3) angeordneten, um eine vertikale Achse drehbar gelagerten Greifkopf (12) zum gleichzeitigen Erfassen von mindestens zwei Packs (5) und einen steuerbaren Antrieb (14) zum Verdrehen des Greifkopfes (12) aufweist, wobei der Greifkopf (12) zwei abstandsveränderliche Bügel (15) aufweist, die die Packs (5) zentrieren und nach dem Verdrehen freigeben.
In den Anspruch 1 ist damit u. a. aufgenommen, dass die Vorrichtung bei mehreren Zuteilbahnen eine entsprechende Anzahl von Zuteilförderern (2) aufweist.
In den Ausführungsbeispielen der Streitpatenschrift ist stets nur von dem Zulaufförderer die Rede, nicht jedoch von „mehreren Zuteilbahnen bei mehreren Zuteilförderern (2)". Daher kann die Angabe „mindestens" ein Zuteilförderer im Anspruch 1 und im Absatz [0006] der Patentschrift nicht die Offenbarungslücke schließen, wie die mehreren Zuteilbahnen der entsprechenden Anzahl von Zuteilförderern zugeordnet sind. Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2a ist daher unzulässig erweitert.
Auch dieser Anspruch hat daher keinen Bestand.
V.
Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2b ergänzt Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 wie folgt:
„Die Vorrichtung umfasst bei einer Zuteilbahn mehrere Auslaufbahnen und bei einer Auslaufbahn mehrere Zuteilbahnen, wobei die Packs beim Verteilen von weniger Zuteilbahnen auf mehr Auslaufbahnen verteilt und beim Zusammenführen von mehr Zuteilbahnen auf weniger Auslaufbahnen zusammengeführt werden.“
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2b umfasst weiterhin Ausführungen mit mehreren Zuteilbahnen und mehreren Auslaufbahnen. Verlangt wird allenfalls eine ungleiche Anzahl von Zuteil- und Auslaufbahnen, was aber die T3 bereits offenbart (5 Zuteilbahnen, 3 Auslaufbahnen), wie sich aus den Ausführungen zum Hauptantrag ergibt. Die Vorrichtungsmerkmale des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 2b sind daher der T3 zu entnehmen, die beanspruchte Verwendung ist nahe gelegt, was sich aus den Darlegungen zum Hilfsantrag 1 ergibt.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 2b wird daher durch die T3 zumindest nahe gelegt.
VI.
Der Gegenstand nach Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 wird durch den im Verfahren befindlichen Stand der Technik nicht nahe gelegt.
1. Anspruch 1 nach Hilfsantrag 3 ist ebenfalls auf die Verwendung einer Vorrichtung gerichtet. Gegenüber dem Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 sind zusätzlich folgende Merkmale aufgenommen:
5.1) wobei der Auslaufförderer (3) kontinuierlich angetrieben und der Zuteilförderer (2) getaktet angetrieben wird,
5.2) wobei der Greifkopf (12) beim Zuführen der Packs über dem Auslaufförderer (3) angeordnet ist und die Packs auf dem kontinuierlich angetriebenen Auslaufförderer (3) ergreift,
5.3) wobei der zumindest eine Zuteilförderer (2) abgeschaltet wird, sobald die gewünschte Anzahl von Packs zum Greifen durch den Greifkopf (12) zugeteilt ist, und
5.4) wobei der Greifkopf (12) die Packs nach dem Verdrehen wieder auf dem Auslaufförderer (3) freigibt.
2. Die Merkmale 5.1 bis 5.4 sind in der Patentschrift und auch ursprünglich offenbart. Sie betreffen die Steuerung der Vorrichtung. Der taktweise Antrieb gemäß Merkmal 5.1 ergibt sich aus Abs. 0012, Satz 3 („Dem Zuteilförderer ist ein Antriebsmotor zugeordnet, der eine taktweise gesteuerte Zufuhr von Packs ermöglicht“). Aus Abs. 0019, drittletzter Satz („Der Auslaufförderer könnte auch taktweise angetrieben sein, im Gegensatz zu dem Zuteilförderer ist dies aber nicht erforderlich“) entnimmt der sachverständige Leser zudem den kontinuierlichen Antrieb des Auslaufförderers. Merkmal 5.2 ergibt sich aus Abs. 0019, Satz 1 und 2 i. V. m. Fig. 3a bis 3c: Demnach ist der Greifkopf über dem Auslaufförderer angeordnet; in dieser Position können die Leitschienen die Packs zwischen sich aufnehmen. Merkmal 5.3 ist ebenfalls in Abs. 0019 offenbart, vgl. Satz 4 („Sobald die gewünschte Anzahl von Packs in dem Greifkopf angeordnet ist, wird der dem Zuteilförderer zugeordnete Motor abgeschaltet“). Gemäß dem viertletzten Satz des Absatzes 19 werden die jeweils um 90° gedrehten und als Gruppe neu angeordneten Packs 5 sodann von dem kontinuierlich angetriebenen Auslaufförderer 3 auf den Tisch 6 überführt. Dieses bedingt eine Freigabe der Packs durch den Greifer bereits auf dem Auslaufförderer entsprechend Merkmal 5.4. Auch das Zusammenwirken der Merkmale 5.1 bis 5.4 ergibt sich zwangsläufig aus Abs. 0019 der Streitpatentschrift, der den Betrieb und damit auch die Steuerung der Vorrichtung beschreibt.
Auch die ursprüngliche Offenbarung ist gegeben, vgl. zugehörige Offenlegungsschrift DE 102 19 129 A1, Abs. 0017 und 0026.
3. Diese Steuerung wird durch den Stand der Technik nicht nahe gelegt. Die Steuerung hat zudem Einfluss auf die vorrichtungstechnischen Merkmale des Greifers. Da der Auslaufförderer (3) kontinuierlich angetrieben wird, muss der Greifer die über den Zulaufförderer zugeführten Packs auffangen, wozu der Greifer Anschläge (17) aufweist. Durch die beanspruchte Ausbildung sollen Effizienz und Durchsatzmenge erhöht werden, vgl. Schriftsatz vom 7. September 2012, Seite 9 bis 10, Punkt 2.3 (Bl. 214 und 215 der GA).
Die T3 weist zwischen Zulaufförderer (Transportband 4) und Auslaufförderer (Transportband 6) einen Anschlag (5) auf, der für eine lückenlose, in sich geschlossene Lage von Ziegeln sorgt, vgl. Spalte 2, Zeile 4 bis 7. Dieses deutet auf einen kontinuierlich betriebenen Zulaufförderer (4) hin, da die einzelnen Stapel mittels der Greifervorrichtungen (3) auf den Zulaufförderer (4) abgesetzt werden, vgl. Spalte 1, Zeile 62 bis 68. Einen kontinuierlichen Betrieb des Auslaufförderers offenbart die T3 ebenfalls nicht unmittelbar und eindeutig. Da die Greifer (7, 8) nach Fig. 2 gerade keinen Anschlag in Förderrichtung des Auslaufförderers (6) aufweisen, ist aber eher von einem getakteten Antrieb auszugehen. Somit ist allenfalls ein Teil des Merkmals 5.2 (der Greifkopf (7, 8) ist beim Zuführen über dem Auslaufförderer angeordnet) der T3 zu entnehmen. Hinweise oder Anregungen zu den Merkmalen 5.1 bis 5.4 gibt die T3 dem Fachmann nicht, da die T3 die Verteilung der Stapel auf zwei zu dem Auslaufförderer (6) parallelen Transportbändern (13 und 14) vorsieht (vgl. Anspruch 1), was Merkmal 5.4 ausschließt.
Die Klägerin hat hinsichtlich der Steuerung in der mündlichen Verhandlung insbesondere auf die T12 verwiesen. In der Fig. 2 sind Querreihen 7a, 7b, 7c gezeigt. Sofern die mittleren Querreihen 7a um 90 Grad gedreht werden sollen, muss das Bereitstellungsband (2) angehalten werden, da anderenfalls die nachfolgenden Querreihen 7c mit den Querreihen 7a kollidieren würde, wenn das Bereitstellungsband (2) angetrieben würde. Ein getaktetes Betreiben des Bereitstellungsbandes (2) ergibt sich im Übrigen auch aus der Beschreibung der T12 (Seite 6, Abs. 2), nach der die Setzlage mittig unter den Umsetzgreifern (15, 16) zu liegen kommt. Danach werden die Greifer abgesenkt, was ein Anhalten des Bereitstellungsbandes (2) erfordert, da die Greifer nicht in Antriebsrichtung des Bereitstellungsbandes verfahrbar ausgebildet sind. Zumindest die Merkmale 5.1 und 5.2 werden durch die T12 nicht nahe gelegt. Im Übrigen arbeitet die T12 wie die T3 mit einem Anschlag zur Ausrichtung der Gegenstände, worauf die streitpatentgemäße Lösung gerade verzichten kann.
Soweit die Klägerin mit der T4 anstelle der T3 als Ausgangspunkt argumentiert, ist dort der Greifer (Umsetzgreifer 2) über dem Zulaufförderer (Zuführung 1) angeordnet, vgl. Spalte 1, Zeile 51 bis 56, sodass auch hier die Steuerungsmerkmale 5.1 und 5.2 nicht verwirklicht sind. Die T4 arbeitet demgemäß mit einem anderen Steuerungskonzept, was eine Steuerung im Sinne des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 3 ausschließt.
Die schriftsätzlich von der Klägerin zum Hilfsantrag 3 genannte T15 liegt weiter ab. Dort werden die auf den Zuführbändern (conveyor 9) zugeführten Einheiten (items 5) mittels Robotern (robots 1) auf einem Auslaufförderer (conveyor 11) derart abgelegt, dass auf dem Auslaufförderer (conveyor 11) Schichten (layer 15) gebildet werden, die anschließend palettiert werden können (vgl. Seite 7, Zeile 8 bis 28 und Fig. 1). Diese Druckschrift wurde daher von der Klägerin zu Recht in der mündlichen Verhandlung nicht mehr aufgegriffen.
4. Die Ansprüche 2 bis 5 gemäß Hilfsantrag 3 sind echte Unteransprüche und werden von dem hilfsweise verteidigten Anspruch 1 getragen.
Mit den Ansprüchen gemäß Hilfsantrag 3 hat das Streitpatent demgemäß Bestand.
VII.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.