Entscheidungsdatum: 01.02.2011
In der Patentnichtigkeitssache
…
betreffend das europäische Patent 1 023 236
(DE 699 14 577)
hat der 1. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 1. Februar 2011 durch den Richter Engels als Vorsitzender sowie die Richter Baumgärtner, Dipl.-Ing. Sandkämper, Dr.-Ing. Baumgart und Dr.-Ing. Krüger
für Recht erkannt:
1. Das europäische Patent 1 023 236 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 023 236 (Streitpatent), das am 19. Februar 1999 (internationaler Anmeldetag) unter Inanspruchnahme der Prioritäten dreier US-amerikanischer Patentanmeldungen vom 26. Februar 1998 (US 31108), 9. Oktober 1998 (US 169415) und 22. Dezember 1998 (US 218990) angemeldet worden ist.
Das in der Verfahrenssprache Englisch veröffentlichte Streitpatent trägt die Bezeichnung „Traction elevator system using a flexible, flat rope and a permanent magnet machine“ (Treibscheibenaufzugsystem mit flexiblem Flachseil und Permanentmagnet-Antrieb) und umfasste in der erteilten, mit EP 1 023 236 B1 veröffentlichten Fassung 18 Patentansprüche.
Im rechtskräftig durch die Entscheidung T 0155/07-3206 der Beschwerdekammer des europäischen Patentamts vom 29. Mai 2008abgeschlossenen Einspruchsverfahren vor dem Europäischen Patentamt ist das Streitpatent beschränkt aufrechterhalten worden und umfasst in der geltenden Fassung noch 7 Patentansprüche, die sämtlich mit der Klage angegriffen sind und wegen deren Fassung auf die Streitpatentschrift EP 1 023 236 B2 Bezug genommen wird.
Patentanspruch 1 lautet in seiner als DE 699 14 577 T3 veröffentlichten deutschen Übersetzung wie folgt:
Die Beklagte hat das Streitpatent zuletzt im Umfang einer demgegenüber geänderten Fassung des Patentanspruchs 1 verteidigt. An diesen Anspruch schließen sich direkt oder indirekt rückbezogene Ansprüche 2 bis 7 in der geltenden Fassung an, für deren Wortlaut auf die Streitpatentschrift EP 1 023 236 B2 und die deutsche Übersetzung DE 699 14 577 T3 verwiesen wird.
Der verteidigte Patentanspruch 1 - wesentliche Änderungen gegenüber der mit EP 1 023 236 B2 veröffentlichten Fassung sind durch Unterstreichung hervorgehoben - hat in der deutschen Übersetzung folgenden Wortlaut:
Aufzugsystem (10) mit einer Kabine (12) und einem Gegengewicht (16), die in einem Aufzugschacht (23) angeordnet sind, der durch Schachtwände (30) gebildet ist, wobei das Aufzugsystem aufweist:
ein Seil (20), das mit der Kabine (12) und dem Gegengewicht derart zusammenwirkt, dass die Kabine und das Gegengewicht aufgehängt sind,
wobei das Seil [ … ] mehrere Last tragende Elemente (52) aufweist, wobei die Last tragenden Elemente (52) aus Stahldrähten gebildet sind,
wobei die Stahldrähte einen Durchmesser von 0,25 mm oder weniger aufweisen,
eine Ummantelung (54), wobei die Ummantelung aus einem nicht-metallischen Material gebildet ist, und
eine Maschine (22), die mit horizontaler Achse in dem Aufzugschacht angeordnet ist und die eine Treibscheibe (36) und einen Motor aufweist,
wobei der Motor einen Rotor (44) mit zylindrischer Form und einen Stator (42) aufweist,
wobei der Rotor (44) von dem Stator (42) radial nach innen beabstandet ist und wobei der Motor einen radialen Luftspalt (50) zwischen dem Rotor (44) und dem Stator (42) aufweist,
wobei die Treibscheibe (36) für eine gleichlaufende Rotation direkt mit dem Rotor (44) verbunden ist,
wobei die Treibscheibe (36) mit dem Seil (20) zusammenwirkt, um das Seil durch Traktion zwischen dem Seil und der Treibscheibe anzutreiben und so die Kabine (12) im Aufzugschacht (23) zu verfahren,
wobei der Rotor (44) teilweise aus Permanentmagneten (48) gebildet ist, und
wobei das Seil (20) eine Breite w, eine in der Biegerichtung gemessene Dicke t und ein Seitenverhältnis, das als das Verhältnis der Breite w relativ zu der Dicke t definiert ist, größer als 1 aufweist.
Die Klägerin macht gegen den Rechtsbestand des Patents - unverändert auch gegenüber der zuletzt in der mündlichen Verhandlung verteidigten Fassung - geltend, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht patentfähig sei, zudem über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung - veröffentlicht in Gestalt der WO 99/43590 A1 - hinaus gehe, und im Übrigen der Schutzbereich des Klagepatents erweitert worden sei.
Nach ihrer Auffassung kann für den Gegenstand des Anspruchs 1 zudem keine der drei angegebenen Prioritäten wirksam beansprucht werden, im Hinblick auf den Stand der Technik sei der Anmeldetag des Streitpatents als maßgeblicher Zeitrang heranzuziehen.
Im Verfahren ist u. a. der folgende druckschriftliche Stand der Technik:
K15/K15a JP 07 117 957 / Übersetzung hierfür
K16/K16a JP 090 21 084 / Übersetzung hierfür
K17/K17a JP 091 42 761 / Übersetzung hierfür
K18 US 5 461 850
K22 Messe-Prospekt (Hannover Messe) „Hubgurte für Aufzüge“, Fa. Contitech, Seiten 14 bis 16, April 1998
K31 GB 2 162 283 A
K35a Zeitschrift Lift-Report, 24. Jahrgang (1998) Heft 5, S. 44 bis 48
OT1 European Standard EN 81-1 / Ausgabe Februar 1998.
Die Klägerin beantragt,
das europäische Patent EP 1 023 236 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen, soweit sie sich gegen das Streitpatent in der Fassung des in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentanspruchs 1 richtet, an den sich die Patentansprüche 2 und 7 in der Fassung der Entscheidung der Beschwerdekammer des europäischen Patentamts T 0155/07-3206 vom 29. Mai 2008 anschließen.
Sie tritt dem Vorbringen der Klägerin in allen Punkten entgegen und ist der Auffassung, dass die geltend gemachten Nichtigkeitsgründe nicht gegeben seien.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die wechselseitigen Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen.
Die zulässige Klage, mit der die Nichtigkeitsgründe mangelnder Patentfähigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 lit. a EPÜ, Art. 52, 56 a EPÜ), unzulässiger Erweiterung des Inhalts der Anmeldung (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 lit. c EPÜ) und Erweiterung des Schutzbereichs (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 4 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 lit. d EPÜ) geltend gemacht werden, ist begründet, da sich der Gegenstand des Streitpatents auch in der verteidigten Fassung als nicht patentfähig erweist.
Es bedurfte deshalb keiner Entscheidung, ob die weiter geltend gemachten Nichtigkeitsgründe der unzulässigen Erweiterung und der Erweiterung des Schutzbereichs (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 4 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 lit. c und lit. d EPÜ) gleichfalls gegeben sind, insbesondere ob das Merkmal M9A in Kombination mit den anderen Merkmalen von Anspruch 1 ursprünglich offenbart war oder eine Vermischung der Merkmale zweier ursprünglich unabhängig voneinander beanspruchter Aufzugssysteme mit der Konsequenz einer Schutzbereichsverschiebung vorliegt, bei der die verteidigte Merkmalskombination ein Aliud definiert.
Ebenso bedurfte es deshalb keiner näheren Prüfung, ob die gegenüber der geltenden Fassung zuletzt nach Hauptantrag verteidigte Fassung auf zulässigen Änderungen beruht, da die Patentinhaberin erstere auch nicht hilfsweise verteidigt (BPatG GRUR 2009, 145 - Fentanylpflaster), wobei der Senat im Übrigen keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der insoweit vorgenommenen Änderung hat und auch hieraus keine abweichende Beurteilung der geltend gemachten Nichtigkeitsgründe resultiert.
Soweit das Streitpatent über die von der Beklagten verteidigten Fassung hinausgeht, war es ohne Sachprüfung für nichtig zu erklären.
I.
1. Das Streitpatent betrifft ein Aufzugsystem mit den Bestandteilen Kabine, Gegengewicht, Seil mit zusammenwirkender Treibscheibe und Antriebsmaschine.
Ein typisches Aufzugssystem umfasst eine Kabine und ein Gegengewicht, die in einem Aufzugsschacht angeordnet sind, eine Mehrzahl von Seilen, die die Kabine und das Gegengewicht miteinander verbinden, und eine in einem Maschinenraum über dem Aufzugsschacht angeordnete Maschine mit einer Treibscheibe, die mit den Seilen zusammenwirkt. Die Seile und dadurch die Kabine und das Gegengewicht werden durch die Drehung der Treibscheibe angetrieben; vgl. Absatz 0002 in der DE 699 14 577 T3. Lt. Absatz 0003 ist es ein neuer Trend in der Aufzugsindustrie, den Maschinenraum zu eliminieren und die Aufzugskomponenten in dem Aufzugsschacht anzuordnen.
2. Vor diesem Hintergrund ist nach den Angaben in der geänderten Streitpatentschrift die Aufgabe formuliert, Aufzugssysteme zu entwickeln, die den zur Verfügung stehenden Platz effektiv nutzen und die Lastbeanspruchungs- und die Geschwindigkeitsanforderungen über einen breiten Bereich von Aufzugsanwendungen erfüllen; nach den ergänzenden Ausführungen der Beklagten in der mündlichen Verhandlung soll sich ein nach der Lehre des geltenden Patentanspruchs 1 ausgeführtes Aufzugsystem durch eine besonders kompakte Gestaltung des Antriebs auszeichnen und wegen der so ermöglichten platzsparenden Anordnung der Bestandteile ohne gesonderten Maschinenraum oder Änderung des Aufzugsschachts auskommen.
3. Gelöst werden soll diese Aufgabe nach Patentanspruch 1 in der verteidigten Fassung durch ein Aufzugsystem, das folgende Merkmale aufweist (Gliederung entsprechend den Komplexen Aufzugskomponenten(A), Seil(S) und Maschinenkomponenten(M) hinzugefügt):
M1A Aufzugsystem (10) mit einer Kabine (12) und einem Gegengewicht (16), die in einem Aufzugschacht (23) angeordnet sind, der durch Schachtwände (30) gebildet ist, wobei das Aufzugsystem aufweist:
M2A ein Seil (20), das mit der Kabine (12) und dem Gegengewicht (16) derart zusammenwirkt, dass die Kabine und das Gegengewicht aufgehängt sind,
M3S wobei das Seil mehrere Last tragende Elemente (52) aufweist, wobei die Last tragenden Elemente (52) aus Stahldrähten gebildet sind,
M4S wobei die Stahldrähte einen Durchmesser von 0,25 mm oder weniger aufweisen,
M5S wobei das Seil eine Ummantelung (54) aufweist, die aus einem nicht-metallischen Material gebildet ist,
M12S wobei das Seil (20) eine Breite w, eine in der Biegerichtung gemessene Dicke t und ein Seitenverhältnis, das als das Verhältnis der Breite w relativ zu der Dicke t definiert ist, größer als 1 aufweist;
M6A eine Maschine (22), die mit horizontaler Achse in dem Aufzugsschacht angeordnet ist und die eine Treibscheibe (36) und einen Motor aufweist,
M7M wobei der Motor einen Rotor (44) mit zylindrischer Form und einen Stator (42) aufweist,
M8M wobei der Rotor (44) von dem Stator (42) radial nach innen beabstandet ist und wobei der Motor einen radialen Luftspalt (50) zwischen dem Rotor (44) und dem Stator (42) aufweist,
M11M wobei der Rotor (44) teilweise aus Permanentmagneten (48) gebildet ist;
M9A wobei die Treibscheibe (36) für eine gleichlaufende Rotation direkt mit dem Rotor (44) verbunden ist und
M10A wobei die Treibscheibe (36) mit dem Seil (20) zusammenwirkt, um das Seil durch Traktion zwischen dem Seil und der Treibscheibe anzutreiben und so die Kabine (12) im Aufzugschacht (23) zu verfahren.
4. Als Fachmann beschäftigte sich mit dem Gebiet des Streitpatents im Anmeldezeitpunkt ein Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit langjähriger Berufserfahrung auf dem Gebiet der Aufzugsanlagen - von daher mit einschlägigen Kenntnissen betreffend den Aufbau und die Gebrauchseigenschaften von Aufzugsseilen. Dieser Fachmann arbeitete bei der Auslegung des Antriebs mit einem Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Elektrotechnik - spezialisiert auf elektrische Antriebsmaschinen - im Team zusammen (vgl. BGH GRUR 2007, 404 – Carvedilol II) bzw. zog für Bereiche, in denen sein Fachwissen nicht ausreichte, Spezialfachleute zu Rate (BGH GRUR 2009, 1039 - Tz 18 - Fischbissanzeiger).
5. Nach dem maßgeblichen Verständnis dieses Fachmanns ist zu beurteilen, was Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der verteidigten Fassung und durch das Streitpatent unter Schutz gestellt ist, wobei trotz der maßgeblichen englischen Verfahrenssprache eine Verteidigung auch in deutscher Sprache zulässig ist und für die Auslegung der Patentansprüche der übrige Inhalt der Patentschrift in der maßgeblichen Verfahrenssprache heranzuziehen ist (BGH GRUR 2010, 904 - Maschinensatz). Danach ist entscheidend, welcher technische Sinngehalt aus der Sicht des Fachmanns den Merkmalen des Patentanspruchs im Einzelnen und in ihrer Gesamtheit (BGH GRUR 2002, 515, 517 - Schneidmesser I BGH GRUR 2001, 232, 233 - Brieflocher, jeweils m. w. N.) aufgrund einer am Gesamtzusammenhang orientierten Betrachtung zukommt (st. Rspr. vgl BGH GRUR 2011, 129 - Fentanyl-TTS; GRUR 2004, 845 – Drehzahlermittlung, m. w. N.). Begriffe in den Patentansprüchen sind deshalb so zu deuten, wie sie der angesprochene Fachmann nach dem Gesamtinhalt der Patentschrift unter Berücksichtigung der in ihr objektiv offenbarten Lösung bei unbefangener Erfassung der im Anspruch umschriebenen Lehre zum technischen Handeln versteht (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 2006, 311 - Baumscheibenabdeckung; GRUR 2004, 845 - Drehzahlermittlung), weshalb die Patentschrift im Hinblick auf die gebrauchten Begriffe ihr eigenes Lexikon darstellt (BGH GRUR 1999, 909, 912 – Spannschraube; BGH Mitt. 2000, 105, 106 - Extrusionskopf).
Nach dem danach maßgeblichen Verständnis dieses Fachmanns enthält der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der verteidigten Fassung keine Merkmale, die das beanspruchte Aufzugssystem für eine effektive Nutzung des zur Verfügung stehenden Platzes und einen breiten Bereich von Aufzugsanwendungen oder als besonders kompakt gestaltet qualifizieren und die insoweit eine Abgrenzung gegenüber dem Stand der Technik erlauben. Dass in der Streitpatentschrift eine entsprechende Aufgabenstellung genannt ist, rechtfertigt keine andere Bewertung, auch wenn das als Aufgabe der Erfindung in der Patentschrift Bezeichnete einen Hinweis auf das richtige Verständnis der beanspruchten technischen Lehre geben (BGH GRUR 2010, 602, 605, Tz. 27 - Gelenkanordnung) und Hilfsmittel für die Ermittlung des objektiven technischen Problems sein kann (BGH GRUR 2005, 141, 142 - Anbieten interaktiver Hilfe, m. w. N.). Denn auch insoweit gilt der Vorrang des Patentanspruchs gegenüber dem übrigen Inhalt der Patentschrift.
Welches technische Problem durch eine Erfindung gelöst wird (siehe dazu unten II. 2.a.), ist allein objektiv danach zu bestimmen, was die in den Patentansprüchen beanspruchte Erfindung tatsächlich leistet (BGH GRUR 2010, 602, 605, Tz. 27 - Gelenkanordnung; GRUR 2010, 607, 608, Tz. 18 – Fettsäurezusammensetzung). Insoweit haben jedenfalls der subjektiven Aufgabenstellung der Beklagten entsprechende Maßnahmen keinen Niederschlag in den Merkmalen des Anspruchs 1 gefunden. Hierauf wurde die Patentinhaberin vom Senat in der mündlichen Verhandlung auch hingewiesen.
6. Im Einzelnen ist von folgendem Verständnis auszugehen:
a) Die Merkmale M1A, M2A, M6A, M9A und M10A des Merkmalskomplexes „Aufzugskomponenten“ betreffen die Anordnung der wesentlichen Bestandteile Kabine, Gegengewicht, Seil und Motor mit Treibscheibe in einem durch Schachtwände begrenzten Aufzugsschacht.
Aus den Merkmalen M2A, M6A und M10A folgt, dass das die Kabine und das Gegengewicht an den Enden beidseits der Treibscheibe des die wechselseitige Antriebsfunktion mit übernehmenden Seils angekoppelt sind. Während diese Merkmale eine Aufwicklung des Seils auf der Treibscheibe oder gesonderte Seile für die bewegliche Aufhängung und die Bewegungseinleitung ausschließen, schweigt sich der Anspruch über die übrige Seilführung aus.
Der Begriff „Kabine“ im Merkmal M1A mag für einen Personenaufzug sprechen, konstruktive Besonderheiten hinsichtlich der Ausbildung der benannten Elemente hinsichtlich einer definierten Belastungshöhe und eines bestimmten Einsatzgebietes folgen weder hieraus noch aus der geforderten Anordnung in einem „Aufzugschacht“.
Allerdings muss der Antrieb in Form eines eine Rotationsbewegung bereitstellenden Motors - wie aus den Merkmalen M6A, M7M und M9A folgt - von seinem Aufbau her mitsamt der Treibscheibe und der nicht näher definierten Seilführung für eine Anordnung im Aufzugschacht geeignet sein. Der Anspruch schweigt sich über den Einbauort im Auszugschacht aus, Merkmal M6A fordert lediglich eine horizontale Ausrichtung der Maschine, woraus sich eine Lage der Rotorachse senkrecht zur Hochachse des Aufzugschachts ableitet.
Aus der Forderung des Merkmals M9A nach einer direkten Verbindung der Treibscheibe mit dem Rotor folgt lediglich, dass die Antriebsleistung der Maschine unmittelbar auf die Treibscheibe geleitet wird; Implikationen hinsichtlich der relativen Anordnung ergeben sich hieraus nicht. Somit muss die Maschine als Direktantrieb ausgelegt sein, bei der der Motor je nach Seilführung mit seiner Drehmoment-/Drehzahlcharakteristik die Systemanforderungen im Betrieb wie das Halte-/Bremsmoment, die Beschleunigung und die Verfahrgeschwindigkeit ohne Zwischenschaltung eines gesonderten Übersetzungsgetriebes (…zur weiteren Anpassung durch eine Drehmoment-/Drehzahlwandlung) erfüllt, wie es explizit erst der Unteranspruch 3 lehrt. Hiervon ist die getriebliche Übersetzung durch die mit dem Seil zusammenwirkende Treibscheibe selbst zu unterscheiden. Denn die der Translationsgeschwindigkeit des Seils entsprechende, motordrehzahlabhängige Umfangsgeschwindigkeit wie auch die der einzubringenden Zugkraft entsprechen-de, motordrehmomentabhängige Umfangskraft hängen vom gewählten Treibscheibendurchmesser ab.
b) Der Merkmalskomplex „Seil“ definiert selbiges durch die Merkmale M3S, M4S, M5S und M12S als ein nichtmetallisch ummanteltes Flachseil, bei dem innerhalb der Umhüllung mehrere und somit vereinzelte „Last tragende Elemente“ - die für sich aus Stahldrähten gebildet sind - vorgesehen sind. Diese Angaben lassen offen, in welcher Struktur die Stahldrähte vorliegen: Während der Ausführungsbeispielbeschreibung hierfür der Vorschlag einer Ausbildung in Form eines „steel cord“ (Abs. 0023) - in der deutschen Übersetzung gemäß DE 699 14 577 T3 (Abs. 0026) als „Stahllitzenmaterial“ bezeichnet - entnehmbar ist, und die Darstellung in Figur 3 einen runden Querschnitt der Last tragenden Elemente nach Art von Rundseilen zeigt, sind die Anzahl und Formgebung dieser Elemente sowie die Anzahl der „Stahldrähte“ mit zwar vorgegebenem Maximaldurchmesser durch den geltenden Anspruch 1 nicht näher definiert.
Wenngleich für den Fachmann die Abhängigkeit des Durchmessers einer Treibscheibe von der konkreten Ausführung der „Last tragenden Elemente“ wegen der dem Seil aufgezwungenen Biegung offensichtlich ist, d. h. für ein Seil vorgegebener, innerer Struktur ein Mindestdurchmesser der Treibscheibe nicht unterschritten werden darf, ergeben sich somit aus den Merkmalen dieser Gruppe weder definierte Belastungsgrenzen noch Treibscheibendurchmesser. Mithin lassen die das Seil betreffenden Merkmale ebenfalls keinen zwangsläufigen Rückschluss auf die Belastungshöhe oder das Einsatzgebiet des gemäß Merkmal M1A eine „Kabine“ aufweisenden Aufzugssystems zu.
Der aus dem Merkmal M12S folgende, flache Querschnitt bezieht sich demnach auf die Ummantelung; für den notwendigen Reibschluss (Traktion) an der Treibscheibe zur Bewegungseinleitung („gleichlaufende Rotation“, Merkmal M9A) kann nur die direkt an deren Oberfläche anliegende, nichtmetallische Ummantelung dienen.
c) Anhand des durch die Merkmale M7M, M8M und M11M gebildeten Merkmalkomplexes „Motor“ schließt der Fachmann auf die elektromechanische Bauart eines Motors, hier in Form eines fachüblich so bezeichneten Innenläufers, bei dem ein am Einbauort festzulegender Stator den rotierenden, das Antriebsdrehmoment bereitstellenden Rotor - an dessen Umfang Permanentmagneten angeordnet sind - radial umschließt.
Ein von gesteuert stromdurchflossenen Elektromagneten des Stators im radialem Luftspalt erzeugtes, umlaufendes Magnetfeld - was der Fachmann im Umkehrschluss zum Merkmal M11M bei einem Elektromotor mit Permanentmagneten unterstellt - bewirkt die Mitnahme des umlaufenden Rotors durch Wechselwirkung mit den Permanentmagneten des Rotors. Der im Absatz 0016 herausgestellte Vorteil dieses permanenterregten Motors gegenüber einem „herkömmlichen Induktionsmotor“ („conventional induction motor“) bezieht sich somit auf die Verwendung von Permanentmagneten anstelle von Verlustwärme erzeugenden Elektromagneten auch am Rotor, die kennzeichnend für sogenannte fremderregte Motoren gemäß der fachüblichen Bezeichnung sind.
Die zylindrische Form des Rotors (Merkmal M7M) ergibt sich bei dieser Bauart - die in einer offensichtlich nicht maßstäblichen Prinzipdarstellung auch die Figur 3 in der Streitpatentschrift zeigt - aus dem kreisförmigen Querschnitt des Rotors, dessen durch die Permanentmagneten gebildeten Pole sich entsprechend dem magnetischen Funktionsprinzip zwangsläufig in Längsrichtung des Rotors erstrecken. Die für die Länge des Zylinders maßgebliche Breite des Rotors ist im Wesentlichen durch die Magnetlänge im Luftspalt bestimmt, die allerdings im Anspruch - wie andere wesentliche Bestimmungsgrößen dieser Motorbauart wie z. B. die Polzahl - nicht definiert ist; so hängt deren Drehmomentabgabefähigkeit prinzipbedingt unmittelbar vom Luftspaltdurchmesser und der Magnetlänge ab. Diese zylindrische Bauform ist somit wegen des radialen Luftspalts zwischen dem Rotor und dem Stator (Merkmal M8M) von Motoren mit axialem Luftspalt zu unterscheiden. Zur Verdeutlichung wird auf die in der DE 699 14 577 T3 noch enthaltene, in der geänderten Streitpatentschrift EP 1 023 236 B2 jedoch entfallene Figur 5 hingewiesen, die den Aufbau eines sogenannten Axialläufermotors mit zwar gleichsam zylindrischem Rotor zeigt, bei dem die Permanentmagnete jedoch auf der zur Achse senkrechten Stirnfläche des Rotors angeordnet sind.
II.
1. Der durch den Anspruch 1 in der verteidigten Fassung definierte Gegenstand ist gegenüber dem im Verfahren befindlichen Standes der Technik unbestritten neu, wobei dem Streitpatent jedenfalls die Priorität der US 169 415 (K7) vom 9. Oktober 1998 zukommt. Denn dieses Dokument ist mit der dem Streitpatent zugrunde liegenden Anmeldung in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung - veröffentlicht als WO 99/43590 A1 - inhaltsgleich. Dies wurde im Übrigen seitens der Klägerin zugestanden.
2. Die gemäß Patentanspruch 1 beanspruchte technische Lehre beruht jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, sondern ist dem Fachmann durch den Stand der Technik - hier belegt durch die Fundstellen K35a, K31 und K16 – nahegelegt.
a. Den Ausgangspunkt der Überlegungen des Fachmanns bildet hier der durch die Literaturstelle K35a bekannte „Direktantrieb für Aufzüge ohne Triebwerksraum“ (vgl. Bezeichnung). Denn der um eine Lösung der technischen Problemstellung bemühte und mit Weiterentwicklung betraute Fachmann, der naturgemäß bei der Fehleranalyse vorhandener Lösungen ansetzt (vgl. BGH GRUR 2011, 814, 816, TZ. 24 – Fugenglätter), findet dort bereits beispielhaft ein Aufzugsystem beschrieben, dem eine platzsparende Unterbringung des kompakt bauenden Antriebs zugeschrieben ist, vgl. Seite 44, mittlere Spalte, dritter Absatz und Seite 46, mittlere Spalte, vorletzter Absatz, wobei die Erfüllung der Lastbeanspruchungs- und Geschwindigkeitsanforderungen für den Anwendungsbereich als selbstverständlich zu unterstellen ist. Der in der Druckschrift K35a dokumentierte Stand der Technik ist deshalb als Ausgangspunkt in Betracht zu ziehen (BGH GRUR 2009, 1039 - Fischbissanzeiger; GRUR 2009, 382 – Olanzapin; BPatG GRUR 2004, 317 - Programmartmitteilung).
Wie im Folgenden weiter ausgeführt wird, vermag ein Aufzugsystem mit den Merkmalen des geltenden Patentanspruchs 1 demgegenüber tatsächlich lediglich eine verbesserte Haltbarkeit des Seils durch dessen Ausführung nach den Merkmalen des entsprechenden Merkmalskomplexes zu leisten. Unerheblich ist, ob die Anwendung eines erfindungsgemäßen Seils in der beanspruchten Kombination mit der kompakten Gestaltung des Antriebs ggf. weitere Verbesserungsmöglichkeiten bietet, weil diese nach der technischen Lehre gemäß Anspruch 1 noch nicht gegenständlich durch die Merkmale des Patentanspruchs angesprochen sind. Ausgehend davon, dass das technische Problem aus dem zu entwickeln ist, was die beanspruchte Erfindung tatsächlich gegenüber dem Stand der Technik leistet (BGH GRUR 2010, 607, Tz. 18 - Fettsäurezusammensetzung; BGH GRUR 2010, 602, Tz. 27 - Gelenkanordnung; BGH GRUR 2010, 814 - Fugenglätter), erschöpft sich die Lehre nach Patentanspruch 1 in einer nahegelegten Optimierung des Aufzugssystems. Denn tatsächlich vermag die hier beanspruchte Lösung lediglich das Problem der Abnutzung bei unmittelbar auf der Treibscheibe aufliegenden Stahlseilen gegenüber dem Stand der Technik gemäß K35a zu lösen.
Die Literaturstelle K35a, die jedenfalls seit dem 6. Oktober 1998 - wie seitens der Klägerin anhand der Eingangsstempelung eines vom Deutschen Patent- und Markenamtes bezogenen Exemplars belegt wurde - und somit vor dem maßgeblichen Zeitrang des Streitpatents öffentlich zugänglich war, beschreibt ein dem Merkmal M1A entsprechendes Aufzugsystem mit einer Kabine und einem Gegengewicht, die in einem von Schachtwänden gemäß der Darstellung in Abb. 3 begrenzten Aufzugschacht angeordnet sind, vgl. S. 46, mittlere Spalte unten, letzter Absatz bis zum ersten Absatz der rechten Spalte. Die Abbildung 3 zeigt eine den Forderungen der Merkmale M2A und M10A entsprechende Seilführung und Aufhängung der Kabine und des Gegengewichts. Gemäß der Beschreibung S. 46, linke Spalte unten sind dort mehrere, die Last gemeinsam tragende Seile parallel um eine Treibscheibe geführt, um bei deren Drehung die Verfahrbewegung einzuleiten. Denn die Treibscheibe ist auch dort gemäß der Darstellung in Abb. 1 direkt mit dem Rotor des Motors verbunden, wodurch ein getriebeloser Direktantrieb gemäß dem gebotenen Verständnis (s. o.) des Merkmals M9A verwirklicht ist, vgl. die Überschrift dieses Zeitschriftenartikels S. 44. Zudem ist die Achse dieser Direktantriebsmaschine entsprechend dem Merkmal M6A horizontal, nämlich senkrecht zur Verfahrbewegungsrichtung der Kabine ausgerichtet, wie unmittelbar aus den in Abb. 3 dargestellten Drauf- und Seitenansichten folgt.
Die K35a schlägt für den Direktantrieb einen permanenterregten Außenläufermotor vor, bei dem die Permanentmagneten am Rotor jedenfalls entsprechend dem gebotenen Verständnis des Merkmal M11M befestigt sind.
Bei dieser Bauart läuft der Rotor unter Einhaltung des funktionsnotwendigen, radialen Luftspalts entsprechend diesem Teil des Merkmals M8M relativ zum Stator, der die das rotierende Magnetfeld erzeugenden Elektromagnete („Blechpaket mit Drehstromwicklung“) trägt und mit seinem Gehäuse im Schacht festmontiert ist („Gehäuse […] zur Befestigung“) - zum Antreiben der Treibscheibe um. Wenngleich der Rotor als ein hohe Polzahlen und somit große Drehmomente bei kleinen Drehzahlen ermöglichender Außenläufer hohl ausgeführt ist und den Stator umgibt, weist der Rotor aufgrund seines runden Querschnitts und der durch die Magnetlänge bedingten Erstreckung in Achsrichtung eine zylindrische Form entsprechend Merkmal M7M auf, vgl. hierzu die ersten beiden Absätze und den fünften Absatz des Abschnitts „Aufbau und Eigenschaften des Antriebs“ Seite 46, linke und mittlere Spalte im Zusammenhang mit Abb. 1.
Mithin unterscheidet sich der für die streitpatentgemäße Anordnung nach den Merkmalen dieser Gruppe vorgesehene Motor lediglich hinsichtlich des von Merkmal M8M implizit definierten Aufbaus als Innenläufer durch die Forderung einer Beabstandung des Rotors „radial nach innen“.
Bezüglich der das Seil betreffenden Merkmale ist festzustellen, dass die einzelnen Seile dort - denen der Fachmann einen Aufbau aus Stahldrähten und einen runden Querschnitt unterstellt - zwar Last tragende Elemente, wie vom Merkmal M3S für das beim verteidigten Gegenstand vorgesehene Seil gefordert, bilden, sie weisen jedoch keine gemeinsame, nicht-metallische Ummantelung auf. Die K35a schlägt noch die Verwendung von 4 Seilen mit 8 mm oder 3 Seilen mit 10 mm Durchmesser für den Einsatz bis 630 kg Tragfähigkeit vor, vgl. S. 46, linke Spalte letzter Absatz fortlaufend, schweigt sich jedoch über den Durchmesser der zu deren Bildung zu verwendenden Stahldrähte aus. Mithin sind bei der mit K35a vorgeschlagenen Anordnung mehrerer Seile die Merkmale M4S, M5S und M12S nicht verwirklicht.
b. Dem Fachmann wurde bereits mit K31 die Verwendung von Flachseilen („flat ropes“) vorgeschlagen - deren Breite größer als deren Dicke entsprechend der Forderung des Merkmals M12S ist - für Aufzugsanwendungen („lifts“) zur Aufhängung einer Kabine und eines Gegengewichts („suspending a cage […] and counterweight“) in Form von Stahlseilen, die durch eine nichtmetallische Ummantelung („moulded multi-rope“, „resilient rubberlike covering“) zusammengefasst sind und als Einheit flach über eine antreibende Scheibe („drum“) geführt werden, vgl. Seite 1, linke Spalte, Zeilen 7, 16 bis 20 im Zusammenhang mit Anspruch 5 und Seite 1, Zeilen 45 bis 49, 92 bis 94 sowie Seite 2, Zeilen 54 bis 59 im Zusammenhang mit der die Seilführung über die Treibscheibe zeigenden Figur 7 und der ein derartiges Flachseil im Querschnitt zeigenden Figur 3. In K31 ist auf die dem Fachmann offensichtliche, gegenseitige Abhängigkeit der Anzahl der Seile insgesamt sowie der darin jeweils enthaltenden Stahlseile von deren eigenem Durchmesser und dem Durchmesser der Treibscheibe abgestellt, vgl. Seite 1, Zeile 121 bis Seite 2, Zeile 5. Für einen beispielhaften Anwendungsfall ist die Substitution zwei einzelner Rundseile von 50mm Ø (2“) durch jeweils drei Flachseile mit 7 in der Ummantelung zusammengefassten Seilen à 10,7 mm Ø (0,42“) vorgeschlagen, wodurch die gleiche Tragfähigkeit erzielt werden soll, vgl. Seite 1, Zeile 83 bis Seite 2, Zeile 4; über den Drahtdurchmesser der hierfür verseilten Stahldrähte schweigt sich auch diese Druckschrift aus. Mithin offenbart diese Druckschrift (über die Merkmale M1A, M2A, M9A und M10A hinaus) die Anwendung eines den Merkmalen M3S, M5S und M12S entsprechenden Seils für Aufzüge. Die Druckschrift schreibt dieser Art Flachseile selbst eine längere Haltbarkeit aufgrund der Ummantelung zu, weil diese gegen äußere Beschädigung schützten soll, vgl. Seite 2, Zeilen 54 bis 59. Zudem sollen die dünnere Stahlseile in entsprechender Anzahl enthaltenden Flachseile die Verwendung kleinerer Treibscheibendurchmesser für Anwendungen in Verbindung mit direkt gekuppelten Antriebsmaschinen ermöglichen, vgl. Spalte 1, Zeilen 100 bis 117 in Verbindung mit Seite 2, Zeilen 34 bis 42.
c. Die Druckschrift K16, siehe die Übersetzung K16a, befasst sich mit dem Aufbau derartiger Flachseile mit einer Mehrzahl einzelner, in einer nicht-metallischen Umhüllung - weil diese aus Kunstharz („synthetic resin“) besteht - zusammengefassten Seilen („multiple unit ropes“), die selbst aus Stahldrähten gebildet sind, vgl. Absätze 0013 bis 0015 in Zusammenhang mit den Figuren 1, 2 und 5. Auch diese Entgegenhaltung sieht die Vorteile - ähnlich K31 - im Schutz vor Abnützung der eingelagerten Seile (vgl. Absatz 0022) und der möglichen Verringerung des Treibscheibendurchmessers zur Ausbildung kompakter Antriebseinheiten in Folge (vgl. Absatz 0018), wenn anstelle eines (einzigen) Rundseils eine der Tragfähigkeit entsprechende Anzahl dünnerer Seile in Gestalt eines Flachseils mit Ummantelung verwendet wird (vgl. Absatz 0017 und Seite 1 unten: „to enable a decrease in the sheave diameter while maintaining a prescribed tensile strength“).
Die K16 beschreibt die mögliche Substitution (vgl. Absatz 0002 in Verbindung mit Absatz 0006) eines aus mehreren, im Speziellen jeweils aus Stahldrähten mit 0,3mm Ø gebildeten Strängen („strands 102“) geschlagenen, unter anderem für Aufzugsanwendungen („elevator suspension“, „mine cables“) vorgesehenen Rundseils („wire rope 100“) durch ein Flachseil, bei dem die gleichen Stränge in einer Umhüllung aneinander grenzend nebeneinander liegend zusammengefasst sind, wodurch beim Beispiel dort ein Flachseil mit einer gegenüber dem Rundseil verringerten Dicke von 1,5mm resultiert (vgl. Absatz 0025 im Zusammenhang mit Absatz 0003). K16 unterstellt hierbei bereits die dem Fachmann offensichtliche Abhängigkeit der notwendigen Anzahl der Stränge vom konkreten Anwendungsfall (vgl. Absatz 0005 „even more strands [,,,] according to various applications“), während der Durchmesser der Stahldrähte selbst keiner Beschränkung unterliegen soll und gemäß Absatz 0026 ausdrücklich auch kleiner als 0,3 mm sein kann („there are no restrictions on the diameter of wires, and a diameter of less than 0,3 mm may be used“).
Mithin lehrt diese Druckschrift die Ausbildung eines Flachseils auch für Aufzugsanwendungen (entsprechend den Merkmalen M3S, M5S und M12S) unter Verwendung von Stahldrähten mit einem Durchmesser entsprechend Merkmal M12S, weil diese obere Bereichsgrenze nach dem Verständnis des Fachmanns noch dem im Absatz 0026 der K16a implizit offenbarten Wertebereich zuzurechnen ist.
d. Ausgehend von der K35a, die bereits alle wesentlichen Maßnahmen zum Aufbau eines kompakten Aufzugsystems entsprechend dem geltenden Anspruch 1 lehrt, lag es für den Fachmann, der stets bestrebt ist, für einen bestimmten Zweck eine bessere - oder auch nur eine andere - Lösung zu finden, als sie der Stand der Technik zur Verfügung stellt (vgl. BGH GRUR 2009, 1039 - Tz. 20 – Fischbissanzeiger), und der bei Aufzugssystemen insbesondere die Haltbarkeit der Last tragenden Seile zu verbessern sucht, auf der Hand, diese Lösung auf die Anlage gemäß der K35 zu übertragen und die dort noch in einer Mehrzahl vorgesehenen Maschinenelemente „Rundseil“ durch ein Flachseil zu substituieren, welches die Last tragenden Elemente in einer nicht-metallischen Umhüllung zusammenfasst, zumal bereits die K31 diesem Aufbau inhärenten Vorteile einer Lebensdauererhöhung zuschreibt. Im Übrigen ließe sich eine erfinderischen Tätigkeit auch nicht damit begründen, dass der Stand der Technik für eine mit der nahegelegten Problemlösung zugleich erreichte Verbesserung der Lösung einer weiteren Problemstellung keine hinreichende Anregung vermittelt hat (vgl. BGH GRUR 2003, 693 - Hochdruckreiniger).
Zu einer gegenüber dem Abnutzungsproblem bei unmittelbar auf der Treibscheibe aufliegenden Stahlseilen weitergehenden Problemlösung, wie sie in der Aufgabenstellung in der Patentschrift genannt ist, trägt die in Kombination beanspruchte Hernahme eines Flachseils mit den Merkmalen M3S bis M12S nach Patentanspruch 1 nichts bei: Flachseile mit nicht-metallischer Ummantelung der darin zusammengefassten Last tragenden Elemente können zwar die Verwendung kleiner Treibscheiben und damit einhergehend höher drehender und somit bei gleicher Antriebsleistung nochmals kleinerer Motoren auch in anderen Einbauorten als in K35a beschrieben ermöglichen, der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 umfasst jedoch keine Merkmale, aus denen derartige weitere zwingende Systemeigenschaften ableitbar sind.
Im Ergebnis ist deshalb festzustellen, dass bereits die gemeinsame Anwendung der aus dem Stand der Technik für sich bekannten Merkmale betreffend die Anordnung der Aufzugskomponenten (Merkmalsgruppe A) wie auch der das Seil betreffenden Merkmale (Merkmalsgruppe S) dem Fachmann nahegelegt war. Auch die Beschwerdekammer des EPA hatte in ihrer Begründung gemäß T0155/07-3206 vom 3. Juli 2008 festgestellt (vgl. Seite 14, Abschnitt 5.5, erster und zweiter Absatz), dass die alternative Verwendung von Flachseilen - dort auf D22 gestützt - anstelle einzelner Rundseil naheliegend war und in der Festlegung des Drahtdurchmessers darüber hinaus eine fachmännische Maßnahme gesehen.
e. Auch die Auswahl des Motors - hier betreffend den durch die Merkmale M7M, M8M und M11M gebildeten Merkmalkomplex „Motor“ - erfolgt in Anpassung an den praktischen Bedarfsfall im Rahmen der hergebrachten Regeln des Ingenieurwesens auch in Abhängigkeit vom - hier nicht spezifizierten - Treibscheibendurchmesser, nämlich anhand der geforderten Drehmoment-/Drehzahlcharakteristik. Dem Wissen des Fachmanns sind die äquivalenten Motorbauformen mit innen liegendem, die Magneten außenseitig umfänglich tragenden, und mit außen liegendem, hohlzylindrischen Rotor mit innenseitig angeordneten Permanentmagneten zuzurechnen; denn das Verständnis des in K35a angeführten Fachbegriffs „Außenläufer“ setzt die Kenntnis der hierdurch bedingten Unterscheidungsmerkmale voraus. Lediglich ergänzend wird in diesem Zusammenhang auf die im europäischen Einspruchsverfahren angezogene und von der Klägerin auch hier in das Verfahren eingeführte K17 hingewiesen, in der beide Bauarten gegenübergestellt sind, vgl. dort Figuren 3 (Innenläufer) und 4 (Außenläufer). Die Beschwerdekammer des EPA hat in ihrer Begründung in der K17 (dort D10, vgl. Seite 15, zweiter Absatz) die Offenbarung eines Innenläufers im Hinblick auf die dortige Figur 1 festgestellt, die den gleichen Aufbau des Motors wie die hier herangezogene K35a in der Abbildung 1 zeigt.
Die Hernahme eines Motors mit radial nach innen beabstandetem Rotor (Innenläufer) anstelle eines Motors mit nach außen beabstandetem Rotor (Außenläufer) bei ansonsten gegenüber K35a unveränderten Maschinenkomponenten (Merkmalsgruppe M) betrifft den im handwerklichen Können liegenden, durch den praktischen Bedarfsfall veranlassten Austausch gleich wirkender Mittel. So mag bei gleichen Bauabmessungen die eine gegenüber der anderen Bauart eine andere Drehmoment-/Drehzahlcharakteristik bereitstellen können, im Umfang der geltenden Merkmalskombination jedenfalls ergeben sich durch die beanspruchte Motorbauart „Innenläufer“ auch keine - zumal nicht offenbarten - Vorteile.
f. Der Senat verkennt nicht, dass die beanspruchte Lehre als Ganzes der Beurteilung erfinderischer Tätigkeit zugrunde zu legen ist und nach Maßgabe von „Teilaufgaben” in einzelne Merkmalsgruppen aufgesplitterter Gegenstand der Erfindung nicht in der Weise der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit zu Grunde gelegt werden kann, dass einzelne Merkmale oder Merkmalsgruppen daraufhin untersucht werden, ob sie dem Fachmann durch den Stand der Technik je für sich nahegelegt waren. Maßgeblich ist vielmehr der Gegenstand der Erfindung in der Gesamtheit seiner Lösungsmerkmale in ihrem technischen Zusammenhang zu Grunde zu legen (BGH GRUR 2007, 1055 - Tz. 28 - Papiermaschinengewebe). Dies gilt insbesondere im Falle einer Kombinationserfindung, bei der sich durch das funktionale Zusammenwirken der verschiedenen, sich gegenseitig beeinflussenden, fördernden und ergänzenden Merkmale eine über die bloße Addition hinausgehende Wirkung einstellt (vgl. BGH BlPMZ 1979, 151 - Etikettiergerät II; GRUR 1981, 732 - First- und Gratabdeckung; Bacher/Melullis in Benkard, PatG, 10. Auflage, § 1 Rdnr. 78; Keukenschrijver in Busse, PatG, 6. Auflage, § 1 Rdnr. 101). Allerdings enthält die tatsächlich gegenüber dem Stand der Technik geleistete Lehre nach Patentanspruch 1 für das beanspruchte Aufzugssystem lediglich eine Aggregation bekannter Komponenten für die Komplexe „Aufzug“, „Seil“ und „Maschine“, deren Merkmalsgruppen sich auch in ihrer Gesamtheit nicht zu einem neuen Ganzen fügen, sondern die nur eine sich in naheliegender Weise ergebende Optimierung des Aufzugsystems durch Substitution des Merkmalskomplexes „Seil“ aufweist. Das Auffinden der Merkmalskombination nach Anspruch 1 lag daher in ihrer Gesamtheit nahe.
Entgegen der Auffassung der Patentinhaberin bestand auch gegen die Befolgung der durch K31 vermittelten Lehre, anstelle weniger vereinzelter Rundseile eine größerer Anzahl dünnerer Seile in Form eines Flachseils herzunehmen, weder ein Vorurteil noch war der Fachmann wegen etwaiger Bedenken hinsichtlich der technischen Realisierbarkeit von der Konzeption der Lehre des geltenden Anspruchs 1 abgehalten: Denn ein nur für bestimmte Märkte geltendes Regelwerk, wie die von der Patentinhaberin als Anlage OT1 eingeführte europäische Norm EN 81-1, die für Personenaufzüge Rundseile mit einem Mindestdurchmesser von 8 mm vorschreibt, schränkt den Fachmann in seinen Überlegungen zur Weiterentwicklung von Aufzugsystemen nicht ein, zumal diese Anwendung im Anspruch 1 nicht spezifiziert und für die Annahme der Überwindung eines Vorurteils selbst die Abweichung von einer gängigen Praxis der Fachwelt nicht ausreichend ist, solange dieser keine allgemeine eingewurzelte technische Fehlvorstellung zugrunde liegt, die durch die Erfindung widerlegt wird (BGH Urt. v. 6.9.2005, Az. X ZR 15/02, unter Hinweis auf BGHZ 133, 57, 67 - Rauchgasklappe). Tatsächlich wurde vorliegend jedoch die bereits mit K31 oder K16 angeregte Substitution von Rundseilen für Aufzugsanwendungen durch Flachseile in Form von nicht-metallisch ummantelten, zusammengefassten Stahlseilen mit der K22 nahe dem Zeitrang des Patents erneut aufgegriffen, vgl. Seite 15, mittlere Spalte, erster Absatz.
Auch waren bei einer Übertragung der Lehre der K31 auf ein Aufzugsystem entsprechend K35a keine technologischen Grenzen zu überwinden, selbst wenn für das hier beanspruchte Aufzugsystem - zwanglos - die Ausbildung als Personenaufzug gleicher Tragfähigkeit unterstellt wird: Die dort vereinzelten Seile werden entsprechend ihrer runden Querschnittsform in angepassten Rillen der Treibscheibe geführt, wie der Fachmann der Beschreibung der K35, Seite 46, letzter Absatz im Zusammenhang mit der deutlichen Darstellung der Treibscheibenkontur in Abb. 1 entnimmt. Den in K35a bereits angeregten Weg weiterverfolgend, anstelle von 3 Rundseilen 10mm Ø entsprechend mehr dünnere Seile herzunehmen (s. o.), kann die dort für die Verwendung von 4 Seilen mit 8mm Ø spezifizierte Treibscheibenbreite von 60mm auch für ein 10 Seile à 5,25mm Ø umfassendes Flachseil hergenommen werden. Bei Verwendung der lt. K16a für Aufzugsanwendungen üblichen, aus Stahldrähten mit einem Durchmesser entsprechend Merkmal M4S gebildeten Rundseile mit 4mm Ø (s. o., vgl. Absätze 0002, 0003 und 0006) wären hiervon 16 Stück im Flachseil für die gleiche Tragfähigkeit erforderlich, ohne dass eine wesentliche Verbreiterung der Treibscheibe die kompakte Gestaltung von vornherein in Frage stellen könnte. Abgesehen davon, dass sich der Anspruch 1 über die Anzahl und den Aufbau der Last tragenden Elemente ausschweigt, ist eine derartige, dem Können des Fachmanns zuzurechnende Bemessung auch realistisch; so schlägt die K31 die Substitution eines jeden von zwei dicken Rundseilen durch 21 Last tragende Stränge vor (s. o.). Auch die K16 unterstellt die mögliche Anzahl der in der Ummantelung nebeneinander zusammengefassten Stränge und den Drahtdurchmesser ausdrücklich dem Vorbehalt der Anpassung an den praktischen Bedarfsfall, vgl. Absatz 0045 („…is not limited by the number of unit ropes placed side by side…“, „…wires of other diameters may also be used according to the wire rope application“).
Eine derartige Auslegung ermöglicht auch kleinere Treibscheibendurchmesser - in K35a ist ein Treibscheibendurchmesser von 400mm für das Führen von Rundseilen mit 8mm Ø spezifiziert, vgl. Seite 46, Tabelle 1 - und somit wiederum kleinere Motoren, was eine kompakte Gestaltung des Antriebs begünstigt.
Die Beschwerdekammer des europäischen Patentamts hat in ihrer Entscheidung bei einer Zusammenschau von K15 mit K17 eine Veranlassung zur Auffindung des Anspruchsgegenstandes im Hinblick auf das Merkmal M9A verneint, aus dem sie offenbar besondere Eigenschaften hinsichtlich der relativen Anordnung und Befestigung und des Durchmessers der Treibscheibe gegenüber dem Rotor abgeleitet hat (vgl. Beschl. v. 29. Mai 2008 T 0155/07-3206, Seite 15, erster Absatz). Auch wenn den Entscheidungen der Einspruchsabteilungen und der Technischen Beschwerdekammern auch insoweit erhebliches Gewicht zukommt, als sie eine Stellungnahme zu einer Rechtsfrage enthalten, die sich auch dem Senat in gleicher oder ähnlicher Weise stellt (BGH GRUR 2010, 950 - Walzenformgebungsmaschine), so kommt es nach Auffassung des Senats hierauf bei dem gebotenen Verständnis dieses Merkmals (s. o.) jedoch nicht an, jedenfalls angesichts des hier als relevant erachteten Standes der Technik gemäß dem Ausgangspunkt K35a. Denn bei einem Aufzugsystem gem. der K35a stellen sich die bekannten Vorteile eines Flachseils durch die Ummantelung der Last tragenden Elemente bereits dann ein, wenn bei Beibehaltung der in Abbildung 1 der K35a gezeigten Anordnung die bisher vereinzelten Rundseile zu einem Flachseil mittels einer nichtmetallischen Umhüllung zusammengefasst werden, dies unabhängig von der Bauart des Motors. Die in K35a vorgestellte Antriebslösung mit einem seitlich im Aufzugschacht angeordneten Flachläufermotor, d. h. mit einem zwar schmalen, jedoch zylindrischen Rotor - von der Patentinhaberin als „pan-cake-Maschine“ bezeichnet - ist somit ohne Abänderung des Einbauortes oder Aufgabe dieses Motorkonzepts auch in Kombination mit Flachriemen einsetzbar. Weil sich der geltende Anspruch, wie auch die Patentschrift insgesamt, über die konkrete Ausbildung und Anordnung der Maschine wie auch über die Seilführung im Einzelnen ausschweigen, ist es für den Vergleich der beanspruchten Lehre mit dem Stand der Technik nach Auffassung des Senats unbeachtlich, ob ein nach der Lehre des Anspruchs 1 ausgeführtes Aufzugsystem darüber hinaus auch andere vorteilhafte Anordnungen der Komponenten im Aufzugschacht ermöglicht.
4. Die Unteransprüche 2 bis 7 weisen gleichfalls keinen eigenständig erfinderischen Gehalt auf. Ein solcher wurde von der Beklagten auch nicht geltend gemacht.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs. 1 PatG, § 709 Satz 1 und 2 ZPO.