Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 15.03.2011


BPatG 15.03.2011 - 1 Ni 10/09 (EU)

Patentnichtigkeitsklageverfahren - europäisches Patent - keine unzulässige Erweiterung - Auslegung des Patentanspruchs


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
1. Senat
Entscheidungsdatum:
15.03.2011
Aktenzeichen:
1 Ni 10/09 (EU)
Dokumenttyp:
Urteil
Zitierte Gesetze
Art 69 EuPatÜbk
Art 138 Abs 1 Buchst c EuPatÜbk
Art II § 6 Abs 1 Nr 3 IntPatÜbkG

Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das europäische Patent 0 853 591

(DE 696 09 339)

hat der 1. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 15. März 2011 durch den Richter Engels als Vorsitzenden sowie die Richter Baumgärtner, Dipl.-Ing. Sandkämper, Dr.-Ing. Baumgart und Dr.-Ing. Krüger

für Recht erkannt:

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents EP 0 853 591 (Streitpatent), das aus der PCT-Anmeldung PCT/NL96/00382 mit der Veröffentlichungsnummer WO 97/12830 hervorgegangen ist, die am 2. Oktober 1996 unter Inanspruchnahme der Priorität der niederländischen Anmeldung 1001327 vom 2. Oktober 1995 angemeldet worden war. Das Streitpatent, das beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nr. 696 09 339 geführt wird, ist am 12. Juli 2000 in englischer Sprache veröffentlicht worden, es trägt die Bezeichnung „Running gear for a drive mechanism for a rail-guided displacement device„, übersetzt „Antriebsmechanismuslaufgetriebe für eine schienengeführte Verschiebevorrichtung“ und umfasst 16 Ansprüche, von denen die Ansprüche 1 bis 8 angegriffen sind.

2

Anspruch 1 lautet in der Verfahrenssprache Englisch wie folgt:

3

 “An assembly of a running rail and a running gear for a drive mechanism of a rail-guided displacement device, such as a passenger lift, comprising a guide rail (2), a base part, drive means and at least a first (8), second (9) an third (10) set of guide wheels, arranged one behind the other, viewed in direction of travel of the running gear, so that, during use, the running gear is guided along the rail in a desired position by the guide wheels, the base part comprising at least a bridge piece (5), a first (6) and a second (7) frame part, the frame parts each being movably connected to the bridge piece via a swivel axle (19, 21), each frame part carrying a set of guide wheels and the frame parts being mutually coupled by coupling means (11), which form a mechanical mirror, so that the movements of the first and the second part are always each other’s mirror image in a first plane of symmetry (S) extending at right angles to the driving direction of the running gear between the first and the second frame part, viewed relative to the bridge piece, and the bridge piece (5) comprising fastening means (15) for a load (4) to be carried, characterized in that the swivel axle (19, 21) of each frame part (6, 7) is spaced from a respective plane (V1, V2) defined by at least two rotary shafts (32a-c) of respectively the first (8) and second set of guide wheels (9), the bridge piece (5) comprising the third set of the associated guide wheels (10) which preferably lie approximately in the plane of symmetry (S) and which, during use, have a supporting function.”

4

In der deutschen Übersetzung der Patentschrift lautet der Patentanspruch 1 wie folgt:

5

 „Anordnung aus einer Laufschiene und einem Laufgetriebe für einen Antriebsmechanismus einer schienengeführten Verschiebevorrichtung, wie einem Personenaufzug, mit einer Führungsschiene (2), einem Basisteil, einer Antriebseinrichtung und mindestens einem ersten (8), einem zweiten (9) und einem dritten (10) Satz Führungsräder, die in Bewegungsrichtung des Laufgetriebes gesehen derart hintereinander angeordnet sind, dass während des Einsatzes das Laufgetriebe von den Laufrädern in einer gewünschten Position entlang der Schiene geführt wird, wobei das Basisteil mindestens einen Brückenabschnitt (5) sowie einen ersten (6) und einen zweiten (7) Rahmenteil aufweist, die jeweils über eine Schwenkachse (19, 21) beweglich mit dem Brückenabschnitt verbunden sind, wobei jeder Rahmenteil einen Satz Führungsräder trägt und die Rahmenteile mittels einer Kupplungseinrichtung (11) miteinander gekoppelt sind, wobei die Kupplungseinrichtung (11) einen mechanischen Spiegel bildet, so dass die Bewegungen des ersten und des zweiten Teils auf einer ersten Symmetrieebene (5), die sich, relativ zum Brückenabschnitt gesehen, rechtwinklig zur Antriebsrichtung des Laufgetriebes zwischen dem ersten und dem zweiten Rahmenteil erstreckt, immer das Spiegelbild der Bewegungen des jeweils anderen darstellen, und wobei der Brückenabschnitt (5) eine Befestigungseinrichtung (15) für eine zu tragende Last (4) aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass die Schwenkachse (19, 21) jedes Rahmenteils (6, 7) von einer jeweiligen Ebene (V1, V2), die von mindestens zwei Drehwellen (32a-c) des jeweils ersten (8) und zweiten Satzes Führungsrädern (9) begrenzt ist, beabstandet angeordnet ist, wobei der Brückenabschnitt (5) den dritten Satz dazugehöriger Führungsräder (10) aufweist, die vorzugsweise ungefähr auf der Symmetrieebene (S) liegen und während des Einsatzes eine Stützfunktion haben.“

6

Wegen der Unteransprüche 2 bis 8 wird auf die Streitpatentschrift Bezug genommen.

7

Mit ihrer Teilnichtigkeitsklage macht die Klägerin geltend, dass die Gegenstände der Ansprüche 1 bis 8 des Streitpatents über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehen. Sie ist der Auffassung, dass die Formulierung im kennzeichnenden Teil des Patentanspruchs 1, „…the swivel axle (19, 21) of each frame part (6, 7) is spaced from a respective plane (V1, V2) defined by at least two rotary shafts (32a-c) of respectively the first (8) and second set of guide wheels (9) …” eine beliebige Beabstandung der Schwenkachsen 19, 21 der beiden Rahmenteile 6 und 7 von einer Ebene V1-V2 gestatte, so dass der Abstand der ersten Schwenkachse 19 zur Ebene V1 ein anderer sein könne, als der Abstand der zweiten Schwenkachse 21 zur Ebene V2. Dies sei dem Inhalt der ursprünglichen Anmeldung nicht zu entnehmen und stelle demgegenüber eine unzulässige Verallgemeinerung einer dargestellten bevorzugten Ausführungsform dar. Die WO 97/12830 A1 (Anlage K5) offenbare nur, dass - gesehen von der Symmetrieebene S aus, die Schwenkachsen 19, 21 und die Rotationsachsen 32 immer vom Betrag her identische, in der Richtung aber gegensätzliche Abstände zur Symmetrieebene S aufwiesen, wobei bevorzugt der Abstand zwischen den Schwenkachsen bzw. der ersten und zweiten Rotationsachse der Hälfte der Entfernung zwischen den Ebenen V1 und V2 entspreche. Dass im Gegensatz zum nunmehr Beanspruchten ursprünglich nur gleiche Abstände offenbart seien, ergebe sich auch aus der die Rahmenteile miteinander koppelnden Kupplungseinrichtung in Gestalt eines mechanischen Spiegels, wie er auch in den Figuren dargestellt sei. Die ursprünglich offenbarte Lehre habe auch im Anspruch 1 der WO-Schrift Niederschlag gefunden.

8

Die auf Anspruch 1 zurückbezogenen Ansprüche 2 bis 8 enthielten ebenfalls die unzulässige Erweiterung. Erst der erteilte Anspruch 9 enthalte eine der ursprünglichen Offenbarung entsprechende Formulierung.

9

Die Klägerin beantragt,

10

das Patent EP 0 853 591 im Umfang der Patentansprüche 1 bis 8 mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.

11

Die Beklagte beantragt,

12

die Klage abzuweisen.

13

Sie tritt dem Vorbringen der Klägerin in vollem Umfang entgegen und ist der Auffassung, dass eine unzulässige Erweiterung nicht vorliege.

14

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze samt Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

15

Die zulässige Klage ist nicht begründet und abzuweisen, da die Gegenstände der angegriffenen Patentansprüche 1 bis 8 des europäischen Patents in ihrer erteilten Fassung nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehen und daher der gemäß Art. 138 Abs.1 lit c EPÜ, Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 IntPatÜG geltend gemachte Nichtigkeitsgrund nicht vorliegt.

16

1) Das Streitpatent betrifft eine mittels Rädern an einer Laufschiene geführte Verschiebevorrichtung mit einer Antriebsvorrichtung. Derartige Anordnungen kommen beispielsweise bei Treppenliften zum Einsatz, um eine auf einem an der Verschiebevorrichtung angeordneten Sitz sitzende Person die Treppe herauf- und herabzubewegen, wobei sich die Verschiebevorrichtung entlang der dem Treppenverlauf folgend angebrachten, ggf. in Kurven verlegten Laufschiene bewegt.

17

Nach den Angaben des Streitpatents bedingt der Aufbau von darin als allgemein bekannt vorausgesetzten Verschiebevorrichtungen (vgl. Absätze 0002 und 0006 in EP 0 853 591 B1) beim Durchfahren von Kurven eine relative Fehlstellung der Räder gegenüber der Laufschiene („the guide wheels will assume an undesired position relative to the running rail“, vgl. Absatz 0005). Um beim Durchfahren enger Kurven („sharper curves“) eine hierdurch erhöhte Anpressung der Räder zu vermeiden, muss ausreichend Spiel vorgesehen sein, wodurch allerdings der Kontakt zwischen Rädern und Führungsschiene verlorengehen kann, vgl. Absatz 0008.

18

Zur Vermeidung dieser Nachteile schlägt das Streitpatent u. a. die Ausrüstung der Verschiebevorrichtung mit drei Sätzen Führungsrädern in spezieller Anordnung vor; in den Unterlagen sind Aufbauten unterschiedlicher Verschiebevorrichtungen beschrieben, die einen Betrieb mit optimalen Kontaktbedingungen („optimally cooperating contact“) ohne (gleitend) ziehende oder stockende Bewegung („dragging, dribbling“) an einfach (zweidimensional in der Ebene) oder sogar räumlich (dreidimensional) gekrümmten Schienen ermöglichen sollen (vgl. Absätze 0038 und 0036).

19

Mit dem Patentanspruch 1 ist Schutz für einen Gegenstand beansprucht, der insgesamt folgende Merkmale aufweist (Merkmalsgliederung hinzugefügt mit Einfügungen der in der englischsprachigen Fassung der Patentschrift verwendeten Begriffe in eckigen Klammern).

20

1. Anordnung aus einer Laufschiene und einem Laufgetriebe für einen Antriebsmechanismus einer schienengeführten Verschiebevorrichtung, wie einem Personenaufzug,

21

2. - mit einer Führungsschiene (2),

22

3. - mit einer Antriebseinrichtung,

23

4. - mit mindestens einem ersten (8), einem zweiten (9) und einem dritten (10) Satz Führungsräder,

24

4.1 - die in Bewegungsrichtung des Laufgetriebes gesehen derart hintereinander angeordnet sind, dass während des Einsatzes [„use„, d. h. Betriebs] das Laufgetriebe von den Laufrädern [„guide wheels„, d. h. Führungsräder] in einer gewünschten Position entlang der Schiene geführt wird, und

25

5. - mit einem Basisteil, das

26

5.1 - mindestens einen Brückenabschnitt (5) sowie

27

5.2 - einen ersten (6) und einen zweiten (7) Rahmenteil aufweist,

28

5.3 - die jeweils über eine Schwenkachse (19, 21) beweglich mit dem Brückenabschnitt verbunden sind,

29

6. - jeder Rahmenteil trägt einen Satz Führungsräder,

30

7. die Rahmenteile sind mittels einer Kupplungseinrichtung (11) miteinander gekoppelt,

31

7.1 wobei die Kupplungseinrichtung (11) einen mechanischen Spiegel bildet, so dass die Bewegungen des ersten und des zweiten Teils auf einer ersten Symmetrieebene (S), die sich, relativ zum Brückenabschnitt gesehen, rechtwinklig zur Antriebsrichtung des Laufgetriebes zwischen dem ersten und dem zweiten Rahmenteil erstreckt, immer das Spiegelbild der Bewegungen des jeweils anderen darstellen,

32

8. - der Brückenabschnitt (5) weist eine Befestigungseinrichtung (15) für eine zu tragende Last (4) auf,

33

9. - die Schwenkachse (19, 21) jedes Rahmenteils (6, 7) ist von einer jeweiligen Ebene (V1, V2) beabstandet angeordnet,9.1 - - - - die jeweilige Ebene ist von mindestens zwei Drehwellen (32a - c) des jeweils ersten (8) und [bzw.] zweiten Satzes Führungsrädern (9) begrenzt [„defined“, d. h. definiert],

34

10. - der Brückenabschnitt (5) weist den dritten Satz dazugehöriger Führungsräder (10) auf,

35

10.1. - die Führungsräder des dritten Satzes liegen vorzugsweise un gefähr auf der Symmetrieebene (S) und haben während des Einsatzes [„use„, d. h. Betriebs] eine Stützfunktion.

36

2) Als zuständiger Fachmann ist vorliegend ein Maschinenbauingenieur (FH) anzusehen, bei dem aufgrund seiner Vorbildung die Kenntnis und das Verständnis fundamentaler geometrischer Gesetzmäßigkeiten beim Rad-Schiene-System wie folgt vorausgesetzt werden können:

37

Beim Abrollen weisen Rad und Schiene unabhängig von deren Krümmung im Berührpunkt (~ Durchmesser des Rades bzw. Radius des Schienenverlaufs) immer eine gemeinsame Berührnormale (= Senkrechte auf der gemeinsamen Tangente an die gekrümmten Flächen) im Kontaktpunkt auf. Soweit mindestens zwei mit unveränderlicher Ausrichtung ihrer Achsen in einer gemeinsamen Ebene gekoppelte Räder gemeinsam an einer Schiene anliegend geführt werden sollen, muss sich dieser Rädersatz insgesamt, d. h. die von den Achsen aufgespannte Ebene zwangsläufig so ausrichten können, dass die jeweiligen Berührnormalen in den Berührpunkten durch denselben Krümmungsmittelpunkt der Schiene verlaufen. Aufgrund des vorgegebenen Abstandes für eine gemeinsame, zur seitlichen Führung - insoweit ohne Spiel - erforderliche Anlage umfänglich der Schiene (z. B. 2 gegenüberliegend angreifende oder 3 im Abstand von jeweils 120° eine Rohrschiene in einer Normalebene umschließende Führungsräder - dieser Fall ist in der EP 0 853 591 B1 in der Figur 5 für die Führungsräder Pos. 31 gezeigt) ist eine Verschwenkung gegenüber der geometrisch für jeden Krümmungsradius vorgegebenen Relativstellung nicht möglich - ein entlang einer geraden Schiene ohne Spiel geführter Radsatz kann keine Schwenkstellung einnehmen, eine aufgezwungene Fehlstellung führt theoretisch zu einer Durchdringung, praktisch zu einer Zwängung/örtlichen Pressungsüberlastung. Hierauf ist auch in der Patentschrift a. a. O. (s. o.) abgestellt.

38

Der Fachmann fasst den Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 daher so auf, dass das Laufgetriebe als Bestandteil des Verschiebemechanismus („running gear“ und „displacement device“, Merkmal 1) einen Brückenabschnitt 5 mit einer Befestigungseinrichtung für eine zu tragende Last (Merkmal 8) wie einen Stuhl aufweist. Weil den zugehörigen Führungsrädern 10 (Merkmal 10) im Betrieb eine Stützfunktion zukommt (Merkmal 10.1), also die Last vom Stuhl über den Brückenabschnitt auf diese an der Schiene anliegenden Führungsräder übertragen wird, folgt für die Verbindung dieses (dritten) Satzes Räder, den der Brückenabschnitt aufweist (Merkmal 10), dass diese ortsfest am Brückenabschnitt angeordnet sind. In der Figur 5 sind diese die Führungsschiene Pos. 2 umschließenden Räder in der zurückversetzten Ebene bei einer Ansicht von links entsprechend der zur Pos. 14 in Figur 1 gehörend eingezeichneten Pfeilrichtung auch mit den Bezugszeichen 34 versehen bzw. angrenzend an das Antriebsrad Pos. 12 dargestellt.

39

Mit dem Brückenabschnitt sind weiterhin zwei Rahmenteile jeweils über eine Schwenkachse (19, 21) beweglich verbunden und somit verschwenkbar gegenüber dem Brückenabschnitt angeordnet (Merkmalsgruppe 5). Diese Rahmenteile tragen jeweils einen Satz Führungsräder (Merkmal 6), auch diese sollen daher im Betrieb der Führung dienen, müssen also in ihrer Mehrzahl gemeinsam anliegen und der Krümmung der Schiene folgen können. Die Führungsräder weisen Drehwellen auf (Teil des Merkmals 9.1), die deren geometrische Achsen repräsentieren. Diese Achsen müssen in einer gemeinsamen Ebene liegen, um diese zu definieren („…plane defined by […] two rotary shafts“). Dies ist eine notwendige Bedingung für eine gleichermaßen zwängungsfreie spielfreie Anlage an der Schiene, d. h. eine Führung entsprechend Merkmal 4.1, die beim Betrieb der Verschiebevorrichtung für drei Sätze von Führungsrädern gleichermaßen erfüllt sein muss: Tatsächlich wäre ein spiel- bzw. zwängungsfreier Betrieb einer Verschiebevorrichtung mit drei in Reihe hintereinander an einem gemeinsamen Träger starr angeordneten Radsätzen entlang einer Schiene mit variablem Krümmungsradius nicht möglich, weil drei Räder in unveränderlicher Stellung gegenüber dem Träger über ihre Berührnormalen einen einzigen möglichen (konstanten) Krümmungsradius für eine gemeinsame Anlage bedingen (…drei Punkte definieren genau einen Kreis) - eine derartige Anordnung ohne relative Beweglichkeit der Sätze Führungsräder untereinander blockierte sich aufgrund der Zwängungen selbst oder wäre nur mit ausreichend Spiel funktionsfähig.

40

Weil der dritte Satz Führungsräder ortsfest am gemeinsamen Träger angeordnet ist, müssen jedenfalls die beiden in Bewegungsrichtung davor und dahinter liegenden Sätze Führungsräder nicht nur mit ihrer Ebene die durch den jeweiligen Krümmungsradius in der Berührebene vorgegebene Winkelstellung einnehmen können, vielmehr muss auch ein radialer Versatz gegenüber dem dritten Satz Führungsräder möglich sein.

41

Durch die von der Merkmalsgruppe 9 definierte Maßnahme ist die eine hierfür notwendige Bedingung erfüllt, dass der erste und zweite Satz Führungsräder relativ gegenüber dem Brückenabschnitt, d. h. dem daran angeordneten dritten Satz Führungsräder einstellbar ist.

42

Die durch die Merkmalsgruppe 7 definierte Maßnahme schafft darüber hinaus die weitere, ebenfalls notwendige Bedingung für den Betrieb mit einer definierten Lagezuordnung des die Last mittels der Befestigungseinrichtung tragenden Brückenabschnitts, bei der alle Führungsräder der drei Sätze an der Schiene anliegend im Wortsinn der Führung dienen können: Jedenfalls für eine geometrisch exakte Einstellbarkeit auf Schienen mit stetig verlaufender Krümmung müssen die Schwenkachsen der Rahmenteile derart am Rahmen angeordnet sein, dass diese jeweils den Mittelpunkt eines Kreises bilden, der an der vom dritten Satz Führungsräderwellen aufgespannten (Symmetrie-) Ebene genauso wie an der vom verschwenkbar gelagerten Satz Führungsräderwellen aufgespannten Ebene anliegt (…bei gerader Schiene und dann parallel ausgerichteten Ebenen befindet sich dieser Punkt genau in der Mitte jeweils zwischen den Ebenen auf der Mittellinie der Schiene.)

43

Die Kupplungseinrichtung (Merkmalsgruppe 7) bewirkt hierbei eine mechanische Zwangskopplung der Bewegungen der Rahmenteile, indem beide Rahmenteile um den gleichen Winkel verschwenkt werden - der jeweilige Schwenkwinkel der von dem ersten und zweiten Satz Führungsräderwellen aufgespannten Ebenen gegenüber der vom dritten Satz Führungsräderwellen aufgespannten Ebene ist hierbei gleich groß; diese spiegelbildliche Bewegungseinstellung gegenüber einer Symmetrieebene folgt dem allgemein bekannten optischen Prinzip, dass bei einem Spiegel der Einfallswinkel eines auftreffenden Lichtstrahls gleich dem Ausfallswinkel ist. Dieses gebotene Verständnis des Ausdrucks mechanischer Spiegel („mechanical mirror“) im Kontext des Merkmals 7.1 folgt auch aus der ausdrücklichen Begriffsbestimmung in der Patentschrift Absatz 0011 selbst. Aufgrund dieser Zwangskopplung stellt sich im Betrieb unter Last eine stabile Gleichgewichtslage des Basisteils ein, wobei eine korrekte Ausrichtung der von den Drehwellen der Räder des dritten Satzes aufgespannten, den Krümmungsmittelpunkt der Schiene enthaltenden Ebene gewährleistet ist - somit werden ein Abkippen des Brückenabschnitts und eine Fehlstellung des dritten Satzes Führungsräder wie auch die hieraus resultierenden Zwängungen vermieden. Diese Winkeleinstellbarkeit der Rahmenteile gegenüber dem Brückenabschnitt verdeutlichen jedenfalls die Figuren 4A und 4B.

II.

44

1) Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents in der erteilten Fassung geht nicht über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus.

45

a) Gemäß Art. 138 Abs. 1 Buchst. c EPÜ und Art. II § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3

46

IntPatÜbkG ist ein europäisches Patent mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären, wenn sein Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht. Danach ist der Gegenstand des erteilten Patents mit dem Inhalt der ursprünglichen Unterlagen zu vergleichen. Geschützt durch das Patents ist die durch die Patentansprüche bestimmte Lehre, wobei zur Ermittlung des darin zum Ausdruck kommenden Erfindungsgedankens - wie auch Art. 69 Abs. 1 Satz 2 EPÜ ausdrücklich bestimmt - Beschreibung und Zeichnungen mit heranzuziehen sind (st. Rspr. BGH GRUR 2007, 959 – Pumpeinrichtung; GRUR 1999, 909 – Spannschraube; BGHZ 105,1,10 - Ionenanalyse; BGHZ 98, 12, 18 - Formstein). Der Inhalt der Patentanmeldung ist hingegen der Gesamtheit der Unterlagen zu entnehmen, ohne dass den Patentansprüchen dabei eine hervorgehobene Bedeutung zukommt. Entscheidend für die Beurteilung einer unzulässigen Erweiterung des Inhalts der Anmeldung ist, ob die ursprüngliche Offenbarung für den Fachmann erkennen ließ, dass der geänderte Lösungsvorschlag von vornherein von dem Schutzbegehren mit umfasst werden sollte (BGH GRUR 2010, 509, Tz. 28 - Hubgliederungstor) und den ursprünglichen Unterlagen als zur angemeldeten Erfindung gehörig zu entnehmen ist (vgl. GRUR 2010, 513 Tz. 29 - Hubgliedertor II; BGHZ 110, 123, 125 = GRUR 1990, 432, 433 - Spleißkammer). Zum Offenbarungsgehalt einer Patentanmeldung gehört allerdings nur das, was den ursprünglich eingereichten Unterlagen „unmittelbar und eindeutig” zu entnehmen ist, nicht hingegen eine weitergehende Erkenntnis, zu der der Fachmann auf Grund seines allgemeinen Fachwissens oder durch Abwandlung der offenbarten Lehre gelangen kann (BGH GRUR 2010, 910, Tz. 62 - Fälschungssicheres Dokument).

47

Maßgeblich ist allein der objektive Gehalt der auszulegenden Anmeldungsunterlagen, nicht die etwaigen subjektiven Vorstellungen des Erfinders bzw. Anmelders (BGH GRUR 2009, 933, Tz. 23 - Druckmaschinen-Temperierungssystem II). Nicht entscheidend ist deshalb, wie die Beklagte ihr Schutzbegehren später interpretiert hat, worauf die Klägerin unter Hinweis auf Klageschriftsatz im Verletzungsstreit (Anlage K4) jedenfalls implizit abgestellt hat.

48

b) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der Gegenstand des Patentanspruchs 1 mit allen seinen Merkmalen für den Fachmann in den ursprünglichen Unterlagen als zur Erfindung gehörend offenbart. Für die Überprüfung der ursprünglichen Offenbarung ist die PCT-Anmeldung WO 97/12830 A1 - von der Klägerin als Anlage K5 vorgelegt - heranzuziehen und als Ganzes zu untersuchen. Offenbarungsquellen sind die darin enthaltenen Ansprüche, die Beschreibung mit allgemeinem Teil wie auch den sich auf das oder die Ausführungsbeispiele beziehenden Teilen sowie die Zeichnung. Die auf die Kenntnis fundamentaler geometrischer Gesetzmäßigkeiten abstellenden, für das Verständnis des allgemeinen Erfindungsgedankens wesentlichen Beschreibungsteile (s. o.) sind gleichlautend bereits in der WO 97/12830 A1 enthalten, vgl. u. a. Seite 1, Zeilen 22 bis 33 sowie Seite 2, Zeilen 8 bis 16, auch Seite 10, letzte Zeile bis Seite 11, Zeile 5.

49

Dies gilt auch entgegen der Auffassung der Klägerin, Merkmalsgruppe 9 des erteilten Anspruchs 1 stelle eine unzulässige Verallgemeinerung dar, weil sie eine nicht ursprünglich offenbarte beliebige Beabstandung der Schwenkachsen von den Ebenen V1, V2 umfasse. Die Klägerin berücksichtigt insoweit bereits im Ausgangspunkt ihrer Argumentation nicht, dass im Rahmen der dargelegten und nach Art. 138 Abs. 1 lit. c EPÜ zulässigen Gestaltung Patentansprüche bis zur Erteilung weiter (BGH GRUR 2010, 910, Tz. 46 - Fälschungssicheres Dokument, mwH; GRUR 2009, 936 Tz. 25 - Heizer) oder anders (BGH GRUR 2010, 509, Tz. 29 - Hubgliederungstor) gefasst werden können als in der Anmeldung: Insbesondere ist es mit dem Anmelder auch nach Art. 138 Abs. 1 lit. c EPÜ verbliebenen Gestaltungsfreiheit unvereinbar, nur eine Einschränkung als zulässig anzusehen, bei der alle der Erfindung förderlichen Merkmale eines Ausführungsbeispiels in den Patentanspruch aufgenommen werden (vgl. BGH GRUR 2006, 316, Tz. 22 - Koksofentür). Denn dienen in der Beschreibung eines Ausführungsbeispiels genannte Merkmale der näheren Ausgestaltung der unter Schutz gestellten Erfindung, die für sich, aber auch zusammen den durch die Erfindung erreichten Erfolg fördern, dann hat es der Patentinhaber in der Hand, ob er sein Patent durch die Aufnahme einzelner oder sämtlicher dieser Merkmale beschränkt. (BGH GRUR 1990, 432, 433 - Spleißkammer).

50

Tatsächlich beruht der erteilte Anspruch 1 auf einer Zusammenfassung der Merkmale der Ansprüche 1, 3, 7 und 10 in der ursprünglich eingereichten Fassung gemäß K5. Die K5 offenbart als zur Erfindung gehörend darüber hinaus dieselben Ausführungsbeispiele, die auch in der Patentschrift enthalten sind. Insbesondere sind bei dem ab Seite 6, Zeile 15 bis Seite 11, Zeile 5 in K5 beschriebenen Aufbau - gleichlautend in der Streitpatentschrift in den Absätzen 0028 bis 0038 enthalten - gleichfalls alle Merkmale dieser zusammengefassten Ansprüche und somit des erteilten Anspruchs 1 verwirklicht. So zeigen die zu berücksichtigenden, ursprünglichen Figuren - abgesehen von offensichtlich falschen Eintragungen der Positionszeichen 19 und 21 in der Figur 2 (richtiggestellt in der Streitpatentschrift) - deutlich eine beabstandete Anordnung der Schwenkachsen jedes Rahmenteils zwischen den durch die Drehwellen der Sätze Führungsräder aufgespannten Ebenen entsprechend Merkmalsgruppe 9. Die Merkmale gemäß dem geltenden Anspruch 1 sind daher für einen Fachmann mit der vorstehend definierten Qualifikation in der beanspruchten Kombination mit der Merkmalsgruppe 9 in den ursprünglichen Unterlagen als erfindungsgemäß offenbart. Dem steht nicht entgegen, dass in der weiten Fassung des Anspruchs 1 in der ursprünglich eingereichten Fassung der K5 insbesondere die Merkmalsgruppe 10 noch nicht enthalten war, die als Ausführungsbeispielvariante dieser Lehre offenbart war. Denn dies konnte die Anmelderin nicht hindern, im Rahmen des Prüfungsverfahrens eingeschränkten Schutz für eine gegenüber dem ursprünglichen Patentanspruch 1 eingeschränkten Lehre zu beanspruchen, bei der nicht alle der Erfindung förderlichen Merkmale des offenbarten Ausführungsbeispiels in den Patentanspruch aufgenommen werden und dieser sich deshalb (nur) insoweit als Verallgemeinerung darstellt.

51

Im Übrigen übersieht die Klägerin bei ihrem Vortrag, wonach diese Merkmalsgruppe 9 beliebige Beabstandungen zulasse, dass aufgrund der Implikationen der Merkmalsgruppen 7 und 10 nach dem Verständnis des Fachmanns die Abstände nach der in der Anmeldung beanspruchten Lehre überhaupt nicht willkürlich festlegbar sind, sondern den geometrischen Gesetzmäßigkeiten genügen müssen, die der Fachmann unmittelbar und eindeutig als selbstverständliche Randbedingung beim gedanklichen Nachvollziehen des Ausführungsbeispiels gemäß Figur 1 in der K5 bzw. der hierauf gerichteten Lehre des geltenden Anspruchs 1 impliziert und die sein Verständnis der insoweit offenbarten Lehre bestimmen. Unschädlich ist hierbei, wenn entsprechende konkrete Maßnahmen zur Erfüllung der Randbedingungen erst in Unteransprüchen - wie hier im geltenden Anspruch 9 - definiert sind. So muss bei der Anordnung der Schwenkachsen der Rahmenteile am Brückenabschnitt eine die Rahmenteile miteinander koppelnde Kupplungseinrichtung (Merkmal 7.1) aufgrund des ortsfest angeordneten dritten Satzes Führungsräder zwangsläufig einen „mechanischen Spiegel“ - dessen Definition bereits in der K5 gleichlautend enthalten ist, vgl. Seite 2 ab Zeile 34 - mit beidseitig der Symmetrieebene gleich weit beabstandeten Schwenkachsen bilden, weil sich ansonsten Fehlstellungen der Räder aller Sätze untereinander ergäben, die bei der erfindungsgemäßen Lösung gerade vermieden werden sollen. Ein tangential entlang einer Kreisbahn mit kleinem Radius verschwenkbarer Satz Führungsräder müsste für eine korrekte Ausrichtung an einer gekrümmten Schiene um einen kleineren Winkel (nämlich um den halben Winkel zwischen der Symmetrie- und der von den Führungsräderwellen definierten Ebene) verschwenkt werden als ein gegenüberliegender, mit größerem Radius verschwenkbarer Satz Führungsräder. Dieser Fall ungleich beabstandeter Schwenkachsen der Rahmenteile ist bei einer Zwangskopplung nach Art eines mechanischen Spiegels gemäß Merkmal 7.1 nicht möglich, weil keine spiegelbildlichen Bewegungen, sondern Verschwenkungen um unterschiedliche Winkel erforderlich wären.

52

Es bedurfte deshalb für den Fachmann keiner eigenen, von seinem Fachwissen getragenen Überlegungen, insbesondere auf der Anmeldung aufbauender eigenständiger Erwägungen, nachdem er die ursprünglichen Unterlagen zur Kenntnis genommen hatte, um darin die unabdingbaren Randbedingungen der offenbarten Lehre „mitzulesen“ und zu erkennen, dass die erfindungsgemäß angestrebten Ziele für den Betrieb der offenbarten Vorrichtungen mit dem „mechanischen Spiegel„ nur unter bestimmten geometrischen Voraussetzungen realisiert werden können (vgl. BGH GRUR 2010, 509, Tz. 39 - Hubgliedertor I). Der Fachmann konnte diese Erkenntnisse vielmehr unmittelbar und eindeutig dem Offenbarungsgehalt der ursprünglichen Unterlagen entnehmen. Hieran war der Fachmann auch nicht durch die für sich - weil noch ohne zwingenden Bezug auf eine die Merkmalsgruppe 10 aufweisende Kombination - ursprünglich offenbarte Verallgemeinerung gehindert, wonach die Führungsräder des dritten Satzes „vorzugsweise ungefähr“ auf der Symmetrieebene liegen können (vgl. Anspruch 6 in K5, Zusatz im Merkmal 10.1 des geltenden Anspruchs 1). Andererseits lässt das erst im geltenden Anspruch 9 wie im ursprünglichen Anspruch 9 enthaltene Wort ungefähr („approximately“) bei der Definition der Lage der die Schwenkachsen enthaltenden Ebene keine Verallgemeinerung auf Lösungen zu, bei denen die kinematischen Randbedingungen nicht erfüllt wären.

53

Aus diesem Grund hat sich auch die Auslegung des geltenden Patentanspruchs 1 und der darin enthaltenen Begriffe an diesem durch sein Grundlagenwissen bestimmten Verständnis des Fachmanns auszurichten und darf sich nicht philologisch am vermeintlich weiten Wortlaut des Patentanspruchs und der darin verwendeten Begriffe unter Missachtung der nach dem Gesamtinhalt der Anmeldung offenbarten technischen Lehre und der darin implizierten geometrischen Grundlagen und Merkmalskombinationen richten. Begriffe in den Patentansprüchen und in der Patentbeschreibung sind vielmehr so zu deuten, wie sie der angesprochene Durchschnittsfachmann nach dem Gesamtinhalt der Patentschrift unter Berücksichtigung von Aufgabe und Lösung der Erfindung versteht (BGH GRUR 1999, 909, 911 – Spannschraube). Entscheidend ist deshalb nicht die sprachliche oder logisch-wissenschaftliche Begriffsabstimmung. Der Inhalt einer Patentschrift kann daher den Offenbarungsgehalt eines Patents begrenzen, wenn der Fachmann der Gesamtheit der Patentschrift eine engere Lehre entnimmt, als diejenige, die der Wortlaut eines Merkmals zu vermitteln scheint (BGH GRUR 1999, 909, 912 – Spannschraube). So ist es auch vorliegend. Dem steht nicht entgegen, dass angesichts der Maßgeblichkeit des durch den Wortlaut des erteilten Patentanspruchs festgelegten Patentgegenstands eine Auslegung durch eine sachlich einengende oder erweiternde Einbeziehung von Beschreibung und Zeichnungen nur insoweit gerechtfertigt ist, als sie gerade in dem zu beurteilenden Patentanspruch Niederschlag gefunden hat (BGH Mitt. 2000, 105, 106 - Extrusionskopf; GRUR 2004, 1023, 1024 - Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung). Denn vorliegend steht nicht die in das Belieben des Erfinders gestellte Ausgestaltung einer technischen Lehre in Rede, die im Patentanspruch nicht zum Ausdruck kommt, sondern das zwingende Verständnis eines Merkmals, das von dem Grundlagenwissen des angesprochenen Fachmann über die geometrischen Gesetzmäßigkeiten und deren technische Implikationen bestimmt ist und eines einschränkenden begrifflichen Zusatzes nicht bedarf, um diesen - insbesondere ohne weiteres Nachdenken - in dem erläuterten einschränkenden Sinn aufzufassen. Auch die weiteren Patentansprüche lassen kein anderes, außerhalb des ursprünglichen Offenbarungsgehaltes liegendes Verständnis des geltenden Anspruchs 1 zu.

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In Anbetracht des vorauszusetzenden Grundlagenwissens des hier zuständigen Fachmanns, der technisch inkompatible Abwandlungen gedanklich ausschließt, ist somit in den Angaben im geltenden Anspruch 1 eine zulässige Verallgemeinerung des Ausführungsbeispiels im Rahmen der Ursprungsoffenbarung zu sehen; der Fachmann wird die benannten Merkmale aufgrund seines technischen Grundverständnisses zwangsläufig folgerichtig auslegen und technisch funktionsfähig realisieren.

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2) Entsprechendes gilt für die weiteren angegriffenen Patentansprüche 2 bis 8, die ebenfalls keinen über den ursprünglichen Offenbarungsgehalt des Inhalts der Anmeldung hinausgehenden Gegenstand enthalten, so dass die Klage vollumfänglich abzuweisen ist.

III.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 S. 1 und 2 ZPO.